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Austria

AT026

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Strafprozeßordnung


P. h. b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wion

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 1975 Ausgegeben am 30. Dezember 1975 211. Stüdk

631. Kundmachung: WiederverIautbarung der Strafprozeßordnung 1960

631. Kundmachung der Bundesregierung

vom 9. Dezember 1975 über die Wiederverlautbarung der Strafprozeßordnung 1960

Artikel I

(1) Auf Grund des Wiederverlautbarungsgesetzes, BGBl. Nr. 114/1947, wird die Strafprozeß

ordnung 1960, BGBl. Nr. 98, in der Anlage wiederverlautbart.

-j.

(2) Die Strafprozeßordnung 1960 war vom

13. Mai 1960 an verbindlich.

Artikel 11

(1) Bei der Wiederverlautbarung werden die Änderungen und Ergänzung·en durch die nachstehenden Rechtsvorschriften berücksimtigt:

  1. Strafprozeßnovelle 1962, BGBl. Nr. 229,
  2. Strafgesetznovelle 1963, BGBl. Nr. 175,
  3. Strafremtsänderungsgesetz 1968, BGBl. Nr.74,
  4. Strafprozeßnovelle 1968, BGBl. Nr. 267,
  5. Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 145/1969,
  6. Militärstrafgesetz, BGBl. Nr. 344/1970,
  7. Strafrechtsänderungsgesetz 1971, BGBl. Nr.273,
  8. Strafprozeßnovelle 1972, BGBl. Nr. 143,
  9. Verfahrenshilfegesetz, BGBl. Nr. 569/1973,
  10. Strafprozeßanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 423/ 1974.

(2) Die 1'\nderungen und Ergänzungen der Strafprozeßordnung 1960 durch die im Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften sind in Kraft getreven:

  1. mit 1. September 1962 die durm die Strafprozeßnovelle 1962,
  2. mit 1. September 1963 die durch die Strafgesetznovelle 1963,
  3. mit 29. Feber 1968 die durch das Strafremtsänderungsgesetz 1968,
  4. mit 1. Juni 1968 die durm die Strafprozeßnovelle 1968,
  5. mit 1. Jänner 1970. die durm das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz,

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  1. mit 1. Jänner 1971 die durch das Militärstrafgesetz,
  2. nach Maßgabe des Art. V des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 mit 17. August 1971 und mit 1. Jänner 1972 die durm dieses Gesetz,
  3. mit 1. Juni 1972 die durch die Strafprozeßnovelle 1972,
  4. mit 1. Dezember 1973 die durm das Verfahrenshilfegesetz,
  5. mit 1. Jänner 1975 die durm das Straf

prozeßanpassungsgesetz
bewirkten 1'\nderungen und Ergänzungen.

(3)
Die 1'\nderungen und Ergänzungen durm Artikel 11 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 79, sind gegenstandslos geworden und werden daher nimt berücksimtigt.
Artikel III
(1)
In Berücksichtigung anderer als der im Artikel 11 genannten Remtsvorschriften werden im wiederverlautbarten Gesetz folgende 1\nderungen vorgenommen:

. 1. Im § 16 entfällt Abs. 2 im Hinblick auf die §§ 5 bis 8 und 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom

19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328, über den Obersten Gerichtshof.

  1. Im § 285 c Abs. 1 werden die Worte "der vom Präsidenten des Obersten Gerimtshofes aus dessen Mitte bestellte Berimterstatter" und im § 287 Abs. 2 di.e Worte "ein vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes aus dessen: Mitte bestimmtes Mitglied als Berichterstatter" im Hinblick auf die §§ 13 Abs. 1 und 23 Ab&. 1 des Bundesg·esetzes vom 19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328, über den Obersten Gerichtshof jeweils durch die Worte "der Berichterstatter" ersetzt.
  2. Im § 417 Abs. 2 werden die Worte "Verfälsmung öffentlimer Kreditpapiere oder Münzen" im Hinblick auf Art. VIII Abs. 1 des Strafrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 422/1974, durch die Worte "strafbaren Handlung gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen" ersetzt.

(2) Im § 506 Abs. 2 des wiederverlautbarten

Gesetzes wird der Klammerausdrudt ,,($ 497)" .in ,,(§ 503)" richtiggestellt.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

Artikel IV

(1)
Im VI. Hauptstück des wiederverlautbarten Geset2es entfällt die mit dem Inhalt des § 61 nicht übereinstimmende überschrift "TI. Besondere Gerichtsstände". Die folgenden Abschnitte
m.
bis V. werden mit TI. bis IV. bezeichnet.
(2)
Im § 270 Abs. 2 des wiederverlautbarten Gesetzes werden die bisherigen Z. 4, 6 und 7 mit
Z.
3, 4 und 5 bezeichnet. Im § 281 Abs. 1 Z. 5 wird daher der Klammerausdruck ,,(§ 270 Abs. 2
Z.
6 und 7)" durch den Klammerausdruck ,,(§ 270 Abs. 2 Z. 4 und 5)" ersetzt.
(3)
Im § 452 des wiederverlautbarten Gesetzes werden die bisherigen Z. 7 und 8 mit Z. 6 und 7 bezeichnet.

Artikel V

Das wiederverlautbarte Bundesgesetz ist als .. Strafprozeßordnung 1975" ("StPOj zu bezeichnen.

Artikel VI

Als Tag der Herausgabe der Wlederverlautbarung wird der Tag der Kundmacliung im Bundesgesetzblatt festgestellt.

lltreisky Häuser Bielka Mose!'
Androsdn Leodolter SuJribacller Rösdi
Broda Liitgendorf Weihs Sinowatt
Lane Fimberg

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

Anlage

Strafprozeßordnung 1975 (StPO)

I. Hauptstück

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Eine Bestrafung wegen der den Gerichten zur Aburteilung zugewiesenen Handlungen kann nur nach vorgängigem Strafverfahren gemäß der Strafprozeßordnung und infolge eines vom zuständigen Richter gefällten Urteiles erfolgen.

§ 2. (1) Die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlungen tritt nur auf Antrag eines Anklägers ein.

(2)
Ist eine strafbare Handlung nur auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten zu verfolgen, so kommt diesem die Erhebung der Privatanklage zu.
(3)
Alle nicht der Privatanklage unterliegenden strafbaren Handlungen einschließlich derer, bei denen es zur Verfolgung eines Antrages oder einer Ermächtigung bedarf, sind Gegenstand der öffentlichen Anklage. Die öffentliche Anklage steht der Staatsanwaltschaft zu, kann aber an deren Stelle nach Maßgabe des § 48 auch vom Privatbeteiligten ubernommen werden.
(4)
Findet die Verfolgung nur auf Antrag statt, so kann sie nicht eingeleitet werden, bevor dem Gericht der Antrag nachgewiesen ist. Der Antrag kann bis zum Schluß der Verhandlung zurückgenommen werden.
(5)
Findet die Verfolgung nur mit Ermächtigung des Verletzten oder eines anderen Beteiligten statt, so hat der öffentliche Ankläger, wenn die Ermächtigung nicht schon vorliegt, unverzüglich anzufragen, ob sie erteilt werde. Die Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, gilt als Ermächtigung. Die Ermächtigung gilt als verweigert, wenn sie nicht binnen vierzehn Tagen nach Zustellung der Anfrage erteilt wird. Sie muß sich auf eine bestimmte Person beziehen und ist dem Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung nachzuweisen. Die Ermächtigung kann bis zum Schluß der Verhandlung zurückgenommen werden.
(6)
Die öffentliche Anklage erlischt, sobald der Bundespräsident anordnet, daß wegen einer strafbaren Handlung kein strafgerichtliches Verfahren eingeleitet oder das eingeleitete wieder eingestellt werden soll.

(BGBI. NT. 423/1974, ATt. I Z. 1)

§ 3. Alle im Strafverfahren tätigen Behörden haben die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen und sind verpfljchtet, den Beschuldigten, auch wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechte zu belehren.

§ 4. Privatrechtliche Ansprüche aus strafbaren Handlungen sind auf Antrag des Geschädigten im Strafverfahren mitzuerledigen, wenn nicht die Notwendigkeit weiterer Ausführung eine Verweisung vor die Zivilgerichte als unerläßlich erscheinen läßt.

§ 5. (1) Die strafgerichtliche Untersuchung und Beurteilung erstreckt sich auch auf die privatrechtlich:en Vorfragen.

(2) An das über eine solche ergangene Erkenntnis des Zivilrichters ist der Strafrichter, soweit es sich um die Beurteilung der Strafbarkeit des Beschuldigten handelt, nicht gebunden.

§ 6. (1) Die in diesem Gesetz bestimmten Fristen können, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich verfügt ist, nicht verlängert werden. Wenn sie von einem bestimmten Tag an zu laufen haben, sind sie so zu berechnen, daß dieser Tag nicht mitgezählt wird.

(2)
Der Beginn und Lauf einer Frist wird durch Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und den Karfreitag nicht behindert. Fällt aber das Ende einer Frist auf einen solchen Tag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen. (BGBI. NT. 42311974, Art. I Z. 2)
(3)
Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.
(4)
Schriftliche Eingaben an das Gericht können auch im telegraphischen Weg eingebracht werden; insbesondere kann die Erhebung eines Rechtsmittels telegraphisch geschehen. Die näheren Vorschriften über die geschäftliche Behandlung solcher telegraphischer Eingaben werden durch Verordnung erlassen.

§ 7. (1) Erweist sich eine nach der Strafprozeßordnung verhängte Geldstrafe als ganz oder teilweise uneinbringlich, so hat sie das Gericht in berücksichtigungswürdigen Fällen neu zu bemessen, sonst aber in eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu adlt Tagen umzuwandeln.

(2)
Auf den Vollzug dieser Ersatzfreiheitsstrafen sowie der in der Strafprozeßordnung angedrohten Freiheitsstrafen und der Beugehaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzea über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden.
(3)
Alle Geldstrafen fließen dem Bund zu.
(BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. J)

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

n. Hauptstüdt

Von den Geritbten

§ 8. (1) Zur Geridttsbarkeit In Strafsadten sind berufen:

  1. die Bezirksgeridtte,
  2. die Geridttshöfe erster Instanz,
  3. die Gesdtwornengeridtte,
  4. die Geridttshöfe zweiter Instanz,
  5. der Oberste Geridttshof.
(2)
Die Geridttsbarkeit eines jeden Strafgeridttes erstreckt sidt auf dessen ganzen Bezirk und umfaßt alle darin befindlichen Personen, für die nidtt in diesem Gesetz eine Ausnahme ausdrück!idt angeordnet ist. Jedermann ist schuldig, auf die an ihn ergangene Vorladung vor dem Strafgeridtte zu ersdteinen, ihm Rede und Antwort zu geben und seinen Verfügungen zu gehordten.
(3)
Soweit nadt den folgenden Bestimmungen für die Zuständigkeit der Strafgeridtte die Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe maßgebend ist, ist auf die Veränderung der Strafdrohungen durdt die §§ 39 und 313 StGB Bedadtt zu nehmen. Im Falle der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berausdtung ist in dieser Hinsicht die Beschränkung der Straf drohung durdt § 287 Abs. 1 letzter Satz StGB zu berücksidttigen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 4)

1. Bezirksgerichte

§ 9. (1) Den Bezirksgeridtten obliegt:

  1. das Strafverfahren wegen aller Vergehen, für die keine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß sechs Monate übersteigt, und die nidtt den Gesdtwornengeridtten zur Aburteilung zugewiesen sind;
  2. die Mitwirkung am Verfahren wegen Verbredten und wegen anderer als der in der Z. 1 angeführten Vergehen gemäß der Strafprozeßordnung.

(2) Das Verfahren führen bei den Bezirks

geridtten Einzelrichter. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 5)

II. Ger ich t s h ö fee r s t e r Ins t a n z

§ 10. Den Geridttshöfen erster Instanz obliegt:

  1. die Führung von Vorerhebungen und VortlDtersudtungen wegen aller Verbredten und wegen der nicht den Bezirksgeridtten zur Aburteilung zugewiesenen Vergehen;
  2. die Hauptverhandlung und die Urteilsfällung wegen aller Verbredten und Vergehen, die weder den Geschwornengeridtten noch den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesen sind;

3. die Verhandlung und Entsdteidung über Berufungen gegen Urteile und über Besdtwerden gegen Beschlüsse der Bezirksgeridtte.

(BGB1. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 5)

§ 11. (1) In der Gesdtäftsverteilung jedes Geridttshofes erster Instanz sind ein oder mehrere Richter zu Untersudtungsridttern zu bestellen.

(2) Der Untersudtungsrichter hat die Vorerhebungen und Voruntersudtungen zu führen 10 Z. 1).

(BGB1. Nr. 423/1974, Art. I Z. 5)

§ 12. (1) Eine Abteilung des Gerichtshofes erster Instanz führt als Ratskammer die Aufsicht über alle nadt Maßgabe des § 9 Abs. 1 Z. 2 und des § 11 in seinen Sprengel fallenden Voruntersuchungen und Vor erhebungen. (BGBl. Nr. 423/ 1974, Art. I Z. 6)

(2)
Die Ratskammer kann in einzelnen Fällen nadt Anhörung des Anklägers die dem Untersuchungsridtter zukommende Vornahme von Vorerhebungen oder die Voruntersudtung wegen Verbredten und Vergehen, und zwar ganz oder teilweise, an ein im Sprengel des Geridttshofes gelegenes Bezirksgericht übertragen. Sie kann jedoch diese Geschäfte jederzeit wieder an sidt ziehen und ist dazu verpflidttet, sobald es der Ankläger oder der Besdtuldigte beantragt.
(3)
Die Ratskammer faßt ihre Besdtlüsse in Versammlungen von drei Richtern.

§ 13. (1) Die Gerichtshöfe erster Instanz üben ihre Tatigkeit gemäß § 10 Z. 2 durdt Einzelridtter oder als Schöffengerichte aus, die mit zwei Ridttern und zwei Schöffen besetzt sind. Den Vorsitz im Schöffengericht führt ein Richter.

(2) Die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen der dem Geridttshof erster Instanz zugewiesenen strafbaren Handlungen 10 Z. 2) obliegt dem Schöffengeridtt,

  1. wenn eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Hödtstmaß drei Jahre, in den Fällen des § 129 Z. 1 bis 3 StGB aber fünf Jahre übersteigt, sowie
  2. in den Fällen der §§ 274, 275 und 304 bis 312 StGB, sonst dem Einzelridtter.
(3)
Als Redttsmittelgeridtte und in allen Fällen, in denen außerhalb der Hauptverhandlung ein Beschluß zu fassen ist, entscheiden die Gerichtshöfe erster Instanz, wenn die Entsdteidung nicht ausdrücklidt dem Vorsitzenden allein anheimgegeben wird, durch einen Senat von drei Richtern, von denen einer den Vorsitz führt.
(4)
Die Sdtöffen üben. das Ridtteramt in der Hauptverhandlung in vollem Umfang .aus. Soweit nidtts anderes bestimmt ist, sind die für. Richter geltenden Vorsdtriften auch auf sie anzuwenden.

(BGB1. NT. 4Z3/1974,ATt. I Z. 7)

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

m. Ge s c h w 0 rn eng e r.i c h t e

§ 14. (1) Den nach den Bestimmungen da

XIX. Hauptstückes beim Gerichtshof erster In-. stanz zusammenzusetzenden Geschwornengerichten obliegt die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen folgender Verbrechen und Vergehen:

  1. überlieferung an eine ausländische Macht 103 StGB).
  2. Hochverrat 242 StGB) und Vorbereitung eines Hochverrats 244 StGB),
  3. Staatsfeindliche Verbindungen 246 StGB),
  4. Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole 248 StGB),
  5. Angriffe auf oberste Staatsorgane (§§ 249 bis 251 StGB),
  6. Landesverrat (§§ 252 bis 258 StGB),
  7. Bewaffnete Verbindungen 279 StGB),
  8. Ansammeln von Kampfmitteln (§ 280 StGB),
  9. Störung der Beziehungen zum Ausland (§§ 316 bis 320 StGB),
  10. Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen 282 StGB) sowie Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB), wenn die Tat mit Beziehung auf eine der unter Z. 1 bis 9 angeführten ·strafbaren Handlungen begangen worden ist,
  11. alle anderen Verbrechen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit einer zeitlichen Freiheitsstrafe, deren Untergrenze nicht weniger als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt, bedroht sind.

(2) Die Bestimmung des § 13 Abs. 4 ist auf die Geschwornen sinngemäß anzuwenden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(EGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 7)

IV. Ger ich t s h ö fez w e i t e r Ins t a n z

§ 15. Die Gerichtshöfe zweiter Instanz entscheiden über Beschwerden gegen Beschlüsse der Ratskammer 114), über Einsprüche gegen die Versetzung in den Anklagestand und über Berufungen gegen die Urteile der Geschwornengerichte und der Schöffengerichte sowie der Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz; sie haben ferner die Aufsicht über die Wirksamkeit der Strafgerichte ihres Sprengels zu führen und über die Beschwerden gegen sie zu entscheiden, soweit nicht der Rechtszug ausdrücklich untersagt oder anders geordnet ist. Die Gerichtshöfe zweiter Instanz fassen ihre Beschlüsse, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, in Versammlungen von drei Richtern.

(EGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 8)

V. 0 b e r s t erG e ri c h t s hof

§ 16. Der Oberste Gerichtshof hat über alle in dieser Strafprozeßordnung für zulässig erklärten Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabe der §§ 296 und 344 über Berufungen gegen Urteile der Geschwornengerichte und der Schöffengerichte zu entscheiden.

VI. Z usa m m e n set z u n gun d A b s t i mmung der Richterkollegien

§ 17. Bei Entscheidungen in Strafsachen darf die Zahl der Stimmführer der Richterkollegien mit Einschluß des Vorsitzenden weder größer noch kleiner sein als sie in den §§ 12 bis 16 festgesetzt ist.

§ 18. Die Abteilungen (Senate) der Gerichtshöfe, die zu den in den §§ 10 Z. 2 und 3, 12, 15 und 16 bezeichneten Verhandlungen und Entscheidungen in Strafsachen, sei es allein oder im Vereine mit Schöffen, bestimmt sind, müssen, soweit sie aus Richtern als Stimmführern bestehen, am Anfang jedes Jahres von den Personalsenaten der Gerichtshöfe für das ganze Jahr bleibend zusammengesetzt werden; zugleich sind für jede dieser Gerichtsabteilungen die Ersatzmänner sowohl für die Vorsitzenden als auch für die Mitglieder und die Reihenfolge ihres Eintrittes bleibend zu bestimmen. Ist durch Veränderungen im Personalstand eines Gerichtshofes der Bestand einer oder mehrerer dieser (ständigen) Gerichtsabteilungen unmöglich geworden, so ist dem Personalsenat gestattet. die unerläßlichen Veränderungen in der Zusammensetzung dieser Abteilungen für den Rest des Jahres vorzunehmen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 9J

§ 19. (1) Jeder Abstimmung geht eine Beratung voraus.

(2) Bei der Abstimmung stimmen die dem Dienstrange nach älteren Richter vor den jüngeren, die Schöffen in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen. Die Schöffen geben ihre Stimme vor den Richtern ab. Ist nam dem Gesetz ein Berichterstatter bestellt, so stimmt er zuerst. Der Vorsitzende stimmt zuletzt.

§ 20. (1) Wo das Gesetz nicht etwas anderes ausdrücklich anordnet, wird zu jedem Beschluß absolute Stimmenmehrheit, das ist mehr als die Hälfte sämtlicher Stimmen, erfordert.

(2) Teilen sich die Stimmen in mehr als zwei verschiedene Meinungen, sodaß keine dieser Meinungen die erforderliche Mehrheit für sich hat, so versucht der Vorsitzende. ob sich durch Teilung der Fragen und Wiederholung der Umfrage eine absolute Mehrheit erzielen lasse. Bleibt dieser Versuch erfolglos, so werden die. dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den

ano 211. StücX -Ausgeget>en am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

zunädtst minder nadtteiligen so lange zugezählt, bis sidt eine absolute Stimmenmehrheit ergibt.

(3)
Bei Stimmengleidtheit ist der Besdtluß in jedem Falle nadt der dem Angeklagten günstigeren Meinung zu fassen.
(4)
Entsteht eine Versdtiedenheit der Ansidtten darüber, welche von zwei Meinungen für den Beschuldigten minder nachteilig sei, so ist darüber, als über eine Vorfrage, besonders abzustimmen. Sind bei dieser Abstimmung die Meinungen gleich geteilt, so gibt für die Vorfrage die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

§ 21. über die Zuständigkeit des Gerichtes, über die Notwendigkeit von Ergänzungen des Verfahrens und andere Vorfragen muß immer zuerst abgestimmt werden. Entscheidet sich die Mehrheit der Stimmen dahin, daß ungeachtet der über die Vorfrage erhobenen Zweifel zur Hauptentscheidung zu schreiten sei, so sind auch die in der Minderheit gebliebenen Richter verpflichtet, über die Hauptsache mit abzustimmen.

§ 22. Bei der Entscheidung der Hauptsache ist die Frage, ob der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Handlung schuldig sei, immer von der Frage über die Strafe zu sondern und vor dieser Frage zur Abstimmung zu bringen. Liegen dem Angeklagten mehrere strafbare Handlungen zur Last, so muß wegen jeder einzelnen Tat ein eigener Beschluß über die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten gefaßt werden. Die Beratung über die Strafe hat sich auf die strafbaren Handlungen zu beschränken, deren der Angeklagte schuldig erklärt worden ist. Hiebei steht es den Richtern, die den Angeklagten wegen einer ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung nicht schuldig gefunden haben, frei, auf Grund des über die Schuldfrage gefaßten Beschlusses ihre Stimme über die Strafe abzugeben oder sich der Abstimmung zu enthalten. Im letzten Falle sind ihre Stimmen so zu zählen, als ob sie der für den Angeklagten günstigsten unter den von den übrigen Stimmführern ausgesprochenen Meinungen beigetreten wären.

VII. Nebenpersonen bei den
Gerichten

§ 23. Jeder Gerichtssitzung muß ein Schriftführer beiwohnen und das Protokoll darüber aufnehmen. Sowohl diese Schriftführer als auch die zur Führung der Protokolle bei Vorerhebungen und Voruntersuchungen wegen Verbrechen und Vergehen zu verwendenden Personen müssen zur Führung der Protokolle beeidigt sein.

VIII. Ver h ä1 t n i s der S t r a fgerichte zu anderen Behörden

§ 24. Die Sicherheitsbehörden, unter denen auc:h die Bürgermeister (Gemeinckvorsteher) begriffen sind, haben allen Verbredlen und Vergehen, sofern sie nidtt bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozeßordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnis dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.

§ 25. Es ist den Sicherheitsorganen sowie allen öffentlkhen Beamten und Vertragsbediensteten bei strengster Ahndung untersagt, auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder auf die überführung eines Verdächtigen d'adurch hinzuwirken, daß er zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung verleitet oder durch insgeheim bestellte Personen zu Geständnissen verlockt wird, die dem Gerichte hinterbracht werden sollen.

§ 26. Die Strafgerichte sind in allem, was zu ihrem Verfahren gehört, berechtigt, mit allen Bundes-, Landes-und Gemeindebehörden der Republik österreich unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchschreiben zu pflegen. Alle Bundes-, Landes-und Gemeindebehörden sind verbunden, den Strafgerichten hilfreiche Hand zu bieten und deren an sie gelangten Ersuchen mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen oder den Strafgerichten die entgegenstehenden Hindernisse sogleich anzuzeigen. Auch mit den Behörden fremder Staaten können die Strafgerichte in unmittelbaren Verkehr treten, sofern darüber nicht durch besondere Vorschriften etwas anderes festgesetzt ist.

§ 27. (1) Bemerkt ein Strafgericht eine Namlässigkeit oder Verzögerung in Erfüllung eines von ihm an eine andere Behörde gerichteten Ersuchens, so hat es diesen Umstand entweder zur Kenntnis der dieser Behörde zunächst vorgesetzten Behörde zu bringen oder dem Gerichtshofe zweiter Instanz, zu dessen Sprengel es gehört, die Anzeige zu erstatten, damit im geeigneten Weg Abhilfe verschafft werde. Sollte das Strafgericht diese Pflicht außer acht lassen, so kann ihm die Saumseligkeit einer anderen Behörde zu keiner Entschuldigung dienen.

(2) Vorstehende Vorschrift ist insbesondere auch dann anzuwenden, wenn die Staatsanwaltschaft in den Fällen, wo sie nam dem Gesetze verpflichtet ist, innerhalb einer bestimmten Frist eine Erklärung oder einen Antrag einzubringen, dieser Pflicht nicht pünktlich namkommt.

211. Stüdt -Ausgegeben aal 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 28. Die Strafgeridltc sind befugt, erforderlichenfalls die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwisdtenkunft einer anderen BehÖrde, zum Beistand aufzufordern.

m. Hauptstüdt

Von der Staatsanwaltschaft

§ 29. Bei jedem Gerichtshof erster Instanz wird ein Staatsanwalt, bei jedem Gerichtshofe zweiter Instanz ein Oberstaatsanwalt und beim Obersten Gerichtshof ein Generalprokurator mit der erforderlichen Anzahl von Stellvertretern bestellt. Die Stellvertreter der Staatsanwälte und Oberstaatsanwälte sowie des Generalprokurators sind, wo sie für diese auftreten, zu allen Amtshandlungen der Vertretenen gesetzlich berechtigt.

§ 30. (1) Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft haben in dem ihnen angewiesenen Wirkungskreise das Interesse des Staates zu wahren; sie sind in ihren Amtsverrichtungen unabhängig von den Gerichten, bei denen sie bestellt sind.

(2) Die Staatsanwälte bei den Gerichtshöfen erster Instanz sind den Oberstaatsanwälten bei den Gerichtshöfen zweiter Instanz und diese sowie der Generalprokurator beim Obersten Gerichtshofe dem Bundesministerium für Justiz unmittelbar untergeordnet.

§ 31. (1) Zum Geschäftskreise des Staatsanwaltes beim Gerichtshof erster Instanz gehön die Beteiligung an allen diesem zustehenden Vorerhebungen, Voruntersuchungen und Hauptverhandlungen wegen Verbrechen und Vergehen sowie an den beim Gerichtshof erster Instanz stattfindenden Berufungsverhandlungen über Entscheidungen der Bezirksgerichte und an den im Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz abzuhaltenden Tagungen des Geschwornengerichtes. Er ist befugt, sich auch an den vor die Bezirksgerichte gehörigen Verhandlungen persönlich oder durch einen Stellvenreter zu beteiligen.

(2)
Er hat über die erledigten Strafsachen sowie über die noch anhängigen und deren Stand dem Oberstaatsanwalte monatlich Bericht zu erstatten.
(3)
An diesen hat er auch in zweifelhaften Fällen, wenn es sich um die Einleitung oder Einstellung einer Untersuchung oder auch nur um einzelne wichtige Untersuchungsschritte handelt, zu berichten und dessen Weisungen zu befolgen.

§ 32. (1) Der Oberstaatsanwalt beim Gerichtshofe ·zweiter Instanz hat sein Amt bei den vor diesem Gerichte vorkommenden Verhandlunl;en auszuüben.

(2) Außerdem steht ihm die Aufsidtt über alle in dessen Sprengel bei den Geriebtshöfen erster Instanz und bei den Bezirksgerichten bestellten Organe der Staatsanwaltsebaft zu. Er ist berechtigt, sieb an jeder zu deren Geschäftskreise gehörigen Strafsache persönlich oder durch einen Stellvertreter zu beteiligen.

§ 33. (1) Die Verhandlungen vor dem Obersten Gerichtshofe gehören in den Geschäftikreis des bei diesem bestellten Generalprokurators oder seiner Stellvertreter.

(2) Der Generalprokurator beim Obersten Gerichtshofe kann von Amts wegen oder im Auftrage des Bundesministeriums für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluß oder Vorgang eines Strafgerichtes,· der zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, und zwar auch dann noch erheben, wenn der Angeklagte oder der Ankläger in der gesetzlichen Frist vom Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde keinen Gebrauch gemacht hat. Den Staatsanwälten liegt ob, die Fälle, die sie zu einer solchen Nichtigkeitsbeschwerde für geeignet halten, den Oberstaatsanwälten vorzulegen; diese haben zu beurteilen. ob die Fälle dem Generalprokurator beim Ober~ten Gerichtshof anzuzeigen seien.

§ 34. (1) Die Staatsanwälte haben alle strafbaren Handlungen, die zu ihrer Kenntnis kommen und nicht bloß auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten zu untersuchen und zu bestrafen sind, von Amts wegen zu verfolgen und daher wegen deren Untersuchung und Bestrafung durch das zuständige Gericht das Erforderliche zu veranlassen. (BGBl. Nr. 42311974, Art. 1 Z. 10)

(2) Sie können jedoch, falls dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last liegen, von der Verfolgung einzelner absehen oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung zurücktreten 363 Abs. 1 Z. 3):

  1. wenn das voraussichtlich weder auf die Strafen oder sichernden Maßnahmen noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluß hat;
  2. wenn der Beschuldigte wegen der übrigen strafbaren Handlungen an eine ausländische Behörde ausgeliefert wird und die im Inlande zu erwartenden Strafen oder sichernden Maßnahmen gegenüber denen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.

Nimmt der Staatsanwalt später die vorbehaltene Verfolgun.g wieder auf, so ist ein abermaliger Vorbehalt wegen einzelner .suafbarer Handlungen ~ässig. Der Staatsanwalt kann fernel!

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von der Verfolgung einer im Awland begangenen strafbaren Handlung absehen oder zurü<ktreten, wenn der Täter schon im Auslande dafür gestraft worden und nicht anzunehmen ist, daß das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde. Die dem Privatbeteiligten nach den §§ 48, 49 und 449 zustehenden Rechte werden !lurch diese Bestimmungen nidlt berührt. (BGBl. NT. 42311974, Art. I Z. 10)

(3)
Die Staatsanwälte haben darauf zu sehen, daß alle zur Erforschung der Wahrheit dienlichen Mittel gehörig benützt werden. Sie sind befugt, jederzeit vom Stande der anhängigen Untersuchungen durch Einsicht in die Akten Kenntnis zu nehmen oder deren Mitteilung zu verlangen und die geeigneten Anträge zu stellen, ohne daß jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf. Nehmen sie Unregelmäßigkeiten oder Verzögerungen wahr, so haben sie auf gesetzliche Weise deren Abstellung zu veranlassen.
(4)
Auf den Strafvollzug nehme.n die Staatsanwälte den in dieser Strafprozeßordnung ihnen zugewiesenen Einfluß.
§ 35. (1) Die Staatsanwälte stellen ihre Anträge mündlim oder smriftlich. Ober jeden Antrag muß eine richterliche Verfügung oder ein solmer Beschluß ergehen. In gleicher Weise geben sie über Anträge des Beschuldigten oder auf Anfragen des Gerichtes Erklärungen ab.
(2)
Sie können der Beratung des Gerimtshofes beiwohnen, sofern sie nicht eine Entscheidung zum Gegenstande hat, die in der Hauptverhandlung oder bei dem über eine Berufung oder Nimtigkeitsbesmwerde angeordneten Gerichtstage zu fällen ist; sie haben jedom kein Recht, bei der Abstimmung und Beschlußfassung anwesend zu sein.

§ 36. Die Staatsanwälte sind befugt, sich in unmittelbare Verbindung mit Simerheits-oder anderen Bundes-, Landes-oder Gemeindebehörden zu setzen und deren Unterstützung in Anspruch zu nehmen sowie aum erforderlimenfalls die bewaffnete Mamt, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde, zum Beistand aufzufordern. Die Simerheitsbehörden und deren untergeordnete Organe haben ihren Anordnungen Folge zu leisten.

§ 37. Der Generalprokurator beim Obersten Gerimtshof und die Oberstaatsanwälte haben dem Bundesministerium für Justiz nach Ablauf jedes Jahres über die im Laufe des Jahres erledigten und über die noch anhängigen Strafsachen, über den Zustand und Gang der Rechtspflege sowie über die wahrgenommenen Gebrechen der Gesetzgebung und des Geschäftsganges Berimt zu 'erstatten.

IV. Hauptstück

Vom Beschuldigten und seiner Verteidigung

§ 38. (I) Wen der Verdacht einer strafbaren Handlung trifft, der kann als Besmuldigter erst dann angesehen werden, wenn gegen ihn die Anklageschrift oder der Antrag a~f Einleitung der Voruntersuchung eingebramt wurde.

(2)
Als Angeklagter ist der anzusehen, gegen den eine Hauptverhandlung angeordnet worden ist.
(3)
Soweit indes die den Beschuldigten betreffenden Vorschriften dieses Gesetzes nicht als ihrer Natur nach auf die Voruntersuchung beschränkt erscheinen, sind sie auch auf den Angeklagten und auf den anzuwenden, der als einer strafbaren Handlung verdächtig vernommen oder als solmer zur Vernehmung vorgeladen oder in Verwahrung oder Haft genommen wurde.

§ 39. (1) Der Besmuldigte kann sich in allen Strafsachen eines Verteidigers bedienen und dazu jeden wählen, der in der Verteidigerliste eines der Gerimtshöfe zweiter Instanz eingetragen ist.

(2)
Für einen Minderjährigen oder Pflegebefohlenen kann der Vater, Vormund oder Kurator, selbst wider dessen Willen, einen Verteidiger bestellen.
(3)
Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsimt offenzuhalten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerimtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltsmaft wirklim ausübenden Remtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber aum für das Richteramt, die Remtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Remtsverständige sowie alle Doktoren der Rechte, die Mitglieder des Lehrkörpers einer rechts-und staatswissenschaftlimen Fakultät sind, aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nam dem Gesetze die Awschließung von dem Rimteramte, der Rechtsanwaltsmaft oder dem Notariate zur Folge haben. Wer sim durch die Ausschließung aw der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen vierzehn Tagen, namdem ihm die Entsmeidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Jwtiz besmweren.
(4)
Staatsbeamte können nur dann in die Verteidigerliste aufgenommen werden, wenn sie die Bewilligung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde beibringen.

S 40. (1) Awgesch10ssen von der Verteidigung in der Hauptverhandlung ist, wer als Zeuge zur Hauptverhandlung vorgeladen wurde. Inwiefern im vorausgehenden Verfahren bestimmte Per

211. Stück. -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

sonen deshalb von der Verteidigung auszuschließen seien, weil sie als Zeugen vernommen wurden oder weil ihre Vorladung zur Hauptverhandlung beantragt ist, hat die Ratskammer zu beurteilen.

(2) Dem Beschuldigten ist auch gestattet, mehrere Verteidiger beizuziehen; doch darf hiedurch keine Vermehrung der für den Angeklagten in der Hauptverhandlung gestatteten Vorträge herbeigeführt werden.

S 41. (1) Bei der Mitteilung der Anklagesmrift ist der Beschuldigte über sein Recht, sim eines Verteidigers zu bedienen, zu belehren.

(2)
Ist der Besmuldigte (Angeklagte) außerstande, ohne Beeinträmtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfamen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Besmuldigten (Angeklagten) zu besdlließen, daß diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Besmuldigte (Angeklagte) nimt zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentspremenden Verteidigung, erforderlidl ist. In diesem Sinn ist besonders die Beigebung eines Verteidigers zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel, zur Erhebung des Einsprumes gegen die Anklagesmrift, für die Hauptverhandlung sowie für den Gerimtstag zur öffentlimen Verhandlung über ein Remtsmittel erforderlidl. Wird für die Hauptverhandlung oder zur Ausführung einer Nimtigkeitsbeschwerde oder Berufung ein: solcher Verteidiger beigegeben, so gilt dessen Bestellung auch für das Redltsmittelverfahren. (BGBI. Nr. 569/1973, Art. III Z. 1)
(3)
Wählt für die Hauptverhandlung vor dem Gesmwornen-oder dem Smöffengeridlt weder der Angeklagte selbst noch sein gesetzlicher Vertreter für mn einen Verteidiger und wird mm auch kein Verteidiger nam Abs. 2 beigegeben, so ist ihm von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten der Angeklagte zu tragen hat, es sei denn, daß die Voraussetzungen für die Beigebung eines Verteidigers nadl Abs. 2 vorliegen. Abs. 2 letzter Satz gilt entspredlend. (BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z. 11)

§ 42. (1) Hat das Geridlt die Beigebung eines Verteidigers besmlossen, so hat es den Aussmuß der nam dem Sitz des Gerimtes zuständigen Remtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Aussmuß einen Remtsanwalt zum Verteidiger bestelle.

(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteher des Gerimtes aum bei Gericht tätige, zum Richteramt befähigte Personen mit mrer Zustimmung zu Verteidigern bestellen.

(BGBI. NT. 56911973. Art. III Z. 2)

§ 43. Mehreren gleichzeitig Beschuldigten (Angeklagten) kann ein gemeinschaftlicher Verteidiger beigegeben werden; doch ist auf Antrag eines der Beschuldigten (Angeklagten) oder des Verteidigers und selbst von Amts wegen für die abgesonderte Vertretung der Besmuldigten (Angeklagten) Sorge zu tragen, bei denen sich ein Widerstreit der Interessen zeigt.

(BGBI. Nr. 569/1973, Art. 111 Z. 2)

§ 43 a. Beantragt der Besdluldigte (Angeklagte) innerhalb der für die Ausführung eines Redltsmittels oder für eine sonstige p'rozeßhandlung offenstehenden Frist die Beigebung eines Verteidigers (§ 41 Aps. 2), so beginnt diese Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Verteidigerbestellung sowie des Aktenstückes an den Verteidiger, das die Frist sonst in Lauf setzt, oder mit der Zustellung des den Antrag abweisenden Besmlusses an den Besmuldigten von neuem zu laufen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 12)

§ 44. (1) Der einmal bestellte Verteidiger bedarf zur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen keiner besonderen Vollmacht, selbst nidlt zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens.

(2) Der Beschuldigte kann die Verteidigung von dem durch mn selbst gewählten Verteidiger jederzeit auf einen anderen übertragen. Auch der Auftrag des von Amts wegen bestellten Verteidigers erlismt, sobald der Beschuldigte einen anderen Verteidiger bestellt. Dom darf in solchen Fällen durm den Wemsei in der Person des Verteidigers das Verfahren nicht aufgehalten werden.

§ 45. (1) Auch während der Vorerhebungen und der Voruntersumung kann sidl der Besmuldigte eines Rechtsbeistandes aus der Zahl der Verteidiger zur Wahrnehmung seiner Rechte bei den gerimtlichen Akten, die unmittelbar die Feststellung des Tatbestandes betreffen und keine spätere Wiederholung zulassen, sowie zur Ausführung bestimmter, von mm angemeldeter Remtsmittel bedienen.

(2) Der Untersuchungsrimter hat dem Verteidiger auf Verlangen zu gestatten, in den Amtsräumen des Gerichtes in die Straf akten, mit Ausnahme der Beratungsprotokolle, Einsicht zu nehmen und von ihnen Abschriften herzustellen; der Untersumungsrichter kann dem Verteidiger statt dessen aum Ablimtungen ausfolgen. Ist der Beschuldigte nicht durch einen Verteidiger ver,. treten, so stehen diese Rechte des Verteidigers ihm selbst zu, wobei die Akteneinsicht einem in Haft befindlidlen Beschuldigten auch in den Amtsr1iumen des Gefangenenhauses oder der Strafvollzugsanstalt, gewährt werden kann. Bis zur Mitteilung der Anklagesduift kann der Untersuchungsridlter. einzelne Aktenstücke von der Einsicht-und Absmriftnahme durm Vertei

3S1I

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

diger oder Besmuldigten ausnehmen, wenn besondere Umstände die Befürmtung remtfertigen, daß durch eine sofortige Kenntnisnahme von diesen Aktenstücken die Untersumung erschwert werden könnte. Dem Bes<huldigten oder seinem Verteidiger sind auf Verlangen unentgeltlime Absmriften (Ablimtungen) der Augt:nsmeinprotokolle, der Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden, 1Untern und Anstalten sowie der Originalurkunden, die Gegenstand der strafbaren Handlung sind, zu übergeben. Dem Verteidiger ist auf sein Verlangen auch eine Ausfertigung des Haftbefehles samt Gründen sowie aller gerimtlichen Entsmeidungen auszufolgen, gegen die der Beschuldigte ein Rechtsmittel angemeldet hat.

(3)
Der verhaftete Beschuldigte darf sich mit seinem Verteidiger ohne Beisein e~ner Gerichtsperson besprechen. Ist der Beschuldigte aber auch oder ausschließlich wegen Verdunkelungsgefahr in Haft, so hat bis zur Mitteilung der Anklagesmrift der Bespremung mit dem Verteidiger eine Gerichtsperson beizuwohnen.
(4)
Der Briefverkehr des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger unterliegt nur bis ZUr Mitteilung der Anklageschrift und nur dann der überwachung durch den Untersuchungsrimter 187), wenn der Beschuldigte auch oder ausschließlich wegen Verdunkelungsgefahr in Haft ist.

(BGBI. Nr. 27311971, Art. 1I Z. 1)

§ 45 a. (1) Ein Remtsanwalt kann sich als Verteidiger im ordentlichen Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz, jedoch mit Ausschluß der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht, auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärter, der nicht in der Verteidigerliste eingetragen ist, vertreten las-. sen, in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht aber nur dann, wenn ein solmer Rechtsanwaltsanwärter die Redttsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt hat; liegen rücksimtswürdige Gründe vor, so kann der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer auf Antrag eines Rechtsanwaltes dem Rechtsanwaltsanwärter das Erfordernis der Prüfung erlassen, sobald er an einer inländischen Hochschule den rechtswissenschaftli<:hen Doktorgrad erlangt hat und eine neunmonatige zivilund Strafgerichtlime Praxis beim Gerichtshof erster Instanz und beim Bezirksgerichte sowie cine achtzehnmonatige Praxis in der Remtsanwaltsdtaft nachzuweisen vermag. (BGBI. NT. 56911973, Art. 111 Z. 3)

(2) Wurde übet' einen Rechtsanwaltsanwärter eine Disziplinarstrafe nach § 12 Abs. 1 lit. c des Gesetzes vom 1. Aprll1872. RGBl. Nr. 40, verhängt. so ruht die Vertrenmgsbefugnis. aam Abs. 1 von du Rechtskraft des Disziplinar.emenntnisses an w!ilireod der Dauer der Str~fe.

(3) Die Bestimmungen über die Ausschließung von der Verteidigung 40 Abs. 1) gelten füt_ den Rechtsanwaltsanwärter sowohl dann. wenn die Aussdiließungsgrunde in seiner Person. als auch dann, wenn sie in der Person des Rechtsanwaltes bestehen, bei dem er in Verwendung steht.

V. H21uptstüclI

Vom Privatankläger iJBlld vom Prlvatbcternigtetill

§ 46. (1) Eine zur Privatanklage berechtigte Person muß, bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechtes, binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen. Dieser Antrag kann auf die Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein und muß beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden. Der Verletzte oder sonstige Beteiligte ist zum Einschreiten als Privatankläger nicht mehr berechtigt, wenn er die strafbare Handlung ausdrücklich verziehen hat. Die §§ 57, 58 und 194 Abs. 2 StGB bleiben unberührt. (BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z. 13)

(2)
Der Privatankläger ist berechtigt, während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung dem Gericht alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, in die Akten Einsicht zu nehmen und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzuleiten, zu denen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist.
(3)
Hat der Privatankläger unterlassen, innerhalb der gesetzlichen Frist die Anklageschrift oder die sonst zur Aufrechterhaltung der Anklage erforderlichen Anträge einzubringen, ist er bei der Hauptverhandlung nicht erschienen oder hat er in der Hauptverhandlung unterlassen, die Schlußanträge zu stellen, so wird angenommen, daß er von der Verfolgung zurückgetreten sei.
(4)
Auf den Wunsch des Privatanklägers kann der Staatsanwalt dessen Vertretung übernehmen.

§ 47. (I} Jeder durm ein Verbrechen oder durch ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen in seinen Rechten Verletzte kann sich bis zum Beginne der Hauptverhandlung seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen dem Strafverfahren anschließen und wird hiedurch Privatbeteiligter.

(2) Dem Privatbeteiligten stehen folgende Rechte zu:

1. Er kann dem Staatsanwalt und dem UntersudlUngsrimter alles an die Hand geben, was zur überweisung des Besdtuldigten oder ZUr Begriipdling des Entschädigungsanspruc:hes dienlim iSt.

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  1. Er kann in die Akten, und zwar, falls nient besondere Gründe entgegenstehen, senon während der Vorerhebungen und der Voruntersuenung Einsicht nehmen.
  2. Zur Hauptverhandlung wird der Privatbeteiligte mit dem Beisatze geladen, daß im Falle seines Nimterscheinens die Verhandlung dennoch vor sich gehen werde und daß seine Anträge aus den Akten vorgelesen werden

würden. Er kann an den Angeklagten, an Zeugen und Sachverständige Fragen stellen oder, um andere Bemerkungen zu machen, schon während der Verhandlung das Wort erhalten. Am Schlusse der Verhandlung erhält er unmittelbar,

nachdem der Staatsanwalt seinen Schluß an trag gestellt und begründet hat, das Wort, um seine Ansprüche auszuführen und zu begründen und die Anträge zu stellen, über die er im Haupterkenntnisse mitentschieden haben will.

§ 48. Außerdem ist der Privatbeteiligte berechtigt, nam Maßgabe der folgenden Bestimmungen statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage zu erheben und durchzuführen:

1. W-enn der Staatsanwalt die Anzeige des Verletzten zurückweist und die gerichtliche Verfolgung, sei es sofort, sei es nach Vornahme von

Vorerhebungen 90), ablehnt, hat er mn davon zu verständigen. Der Verletzte ist in diesem Fall, insofern er sich dem Strafverfahren anzuschließen _erklärt, berechtigt, den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung bei der Ratskammer einzubringen, die über diesen Antrag nach allenfalls gepflogenen Erhebungen Beschluß zu fassen hat.

2. Wenn der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktritt. ehe der Beschuldigte mretwegen rechtskräftig in den Anklagestand versetzt ist, so ist der Privatbeteiligte hievon in Kenntnis zu setzen; er ist berechtigt, binnen vierzehn Tagen nach seiner Verstän

digung mündlich oder schriftlich beim Untersuchungsrichter die Erklärung abzugeben, daß er die Verfolgung aufrechterhalte. Wenn der durm

die strafbare Handlung Verletzte vom Rücktritte des Staatsanwaltes nicht amtlich verständigt wurde, kann er diese Erklärung binnen drei Moaaten nach der Einstellung des Verfahrens abgeben. In beiden Fällen ist die Erklärung, in der sowohl der Beschuldigte als auch die mm zur Last gelegte Tat genau bezeichnet sein muß, samt allen Akten dem GerichtShofe zweiter Instanz vorzulegen. Dieser verfügt, sofern er nicht erachtet, daß kein Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten vorliege, die Einleitung oder Wiederaufnahme der Voruntersuchung. Ist der Beschuldigte über die gegen ihn erhobene Anschuldigung bereits vernommen worden, so kann der Gerichtshof zweiter Instanz auch auf Grund der Erklärung des Privatbetei

3. Tritt der Staatsanwalt von der Anklage zu einer Zeit zurück, wo die Versetzung in den Anklagestand bereits reentskräftig ist, so ist dies dem Privatbeteiligten mit der Eröffnung mitzuteilen, daß er berechtigt sei, die Anklage aufrechtzuerhalten, dies jedom binnen vierzehn Tagen beim Gerimtshof erster Instanz zu erklären ,habe. Auf eine später abgegebene Erklärung kann keine Rücksicht genommen werden.

§ 49. (1) Auch wenn der Privatbeteiligte als Ankläger einschreitet, steht es dem Staatsanwalte frei, vom Gange des Strafverfahrens Kenntnis zu nehmen; er ist jederzeit berechtigt, die gerichtliche Verfolgung wieder zu übernehmen.

(2) Im übrigen sind die den Privatankläger betreffenden Bestimmungen dieser Strafprozeßordnung auf den statt des Staatsanwaltes die Anklage führenden Privatbeteiligten mit folgen

den Einschränkungen anzuwenden:

  1. Es ist seinem Ermessen nicht anheimgestellt, ohne vorausgegangene Voruntersuchung die Anklageschrift einzubringen.
  2. Gegen die Beschlüsse der Ratskammer steht ihm außer der Beschwerde gegen die Einstellung der Voruntersudlung kein Rechtsmittel offen.
  3. Er ist nicht berechtigt, die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das in der Hauptverhandlung ergehende U t r el'1 zu ergreifen; d'le Berufung

gegen das Urteil steht mm nur insoweit offen, als sie dem Privatbetelligten überhaupt eingeräumt ist (§§ 283, 344 und 465). Er ist nimt berechtigt, auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens anzutragen.

4. Die Versetzung des Beschuldigten auf freien Fuß soll wegen des nach § 48 Z. 2 dem Privatbeteiligten zustehenden Rechtes nicht aufgehalten werden.

(3) Im Falle des § 48 Z. 3 hat die Ratskammer nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ob die Entlassung des verhafteten Angeklagten aufzuschieben sei.

§ 50. (1) Der Privatankläger, der Privatbeteiligte, Personen, die für Geldstrafen, Geldbußen oder für die Kosten des Strafverfahrens haften oder die, ohne selbst beschuldigt oder angeklagt zu sein, vom Verfall oder von der Einziehung einer Sache bedroht sind, sowie die gesetzlichen Vertreter dieser Personen können mre Same selbst führen; sie können sich auch eines in der Verteidigerliste eingetragenen Rechtsbeistandes oder eines anderen Bevollmächtigten bedienen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 14)

(2) Wenn es dem Gericht angemessen scheint, kann es dem vom Gerimtsort abwesenden Privatankläger, Privatbeteiligten, Haftungspflichtige.n und dem vom Verfall oder von der Einziehling

ligten sofort die Versetzung in den Anklagestand Bedrohten auftragen, ,einen an diesem Orte wohaussprechen. • nenden Bevollmädttigten zu bestellen, und anwei

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sen, siclt eines in der Verteidigerl.iste eingetragenen Rechtsbeistandes zu bedienen. (BGBl. Nv. 42311974, Avt.l Z. 14)

(3) Für die Vertretung eines in der Verteidigerliste eingetragenen Rechtsbeistandes gilt § 45 a Abs.1.

VI. Hauptstück

Von mi' Zuständigkeit dei' Strafgeriicltte und von dei' Verbindung mehrerer Strafsaclten

I. Ein z ein e Ger ich t s s t ä n d e

§ 51. (1) Das Strafverfahren steht in der Regel dem Gericltte zu, in dessen Sprengel die strafbare Handlung begangen wurde, und zwar auch dann, wenn der zum Tatbestande gehörige Erfolg an einem anderen Ort eingetreten ist.

(2)
Wurde die strafbare Handlung in mehreren Bezirken oder auf der Grenze zweier Gerichtsbezirke begangen oder ist es ungewiß, in welcltem von mehreren bestimmten Gerichtsbezirken sie begangen worden sei, so entscheidet unter den ·dadurch in Frage kommenden Gerichten das Zuvorkommen.
(3)
Das Gericht ist zuvorgekommen, das zuerst eine Untersuchungshandlung vorgenommen hat.
(4)
Wird die Ungewißheit über den Ort der begangenen Tat noch vor der Versetzung in den Anklagestand behoben, so steht die Fortsetzung des Strafverfahrens dem Gerichte des Tatortes zu.

§ 52. (1) Wird die Anzeige wegen einer strafbaren Handlung bei dem Gerichte gemacht, in dessen Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder betreten wird, so ist es zuständig, sofern nicht das Gericht des Bezirkes der begangenen Tat bereits zuvorgekommen ist. Doch ist die Sache an dieses Gericht abzugeben, wenn es der Staatsanwalt des einen oder des anderen Sprengels, der Privatankläger oder der Beschuldigte, und, falls deren mehrere sind, wenn es auch nur einer VOll ihnen verlangt.

(2) Wird das gegen einen verhafteten Beschuldigten wegen einer in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz oder des Geschwornengerichtes fallenden strafbaren Handlung eingeleitete Strafverfahren vor der Hauptverhandlung eingestellt, so ist für die ihm noch zur Last liegenden, vor das Bezirksgericht gehörigen strafbaren Handlungen das Bezirksgericht zuständig, in dessen Bezirk er sich in Haft befindet. Doch kann auclt in diesem Falle sowohl der Ankläger als auch der Beschuldigte die Abtretung an das Gericht des Tatortes verlangen. (BGB1. NT. 42311974, ATt.] Z. tJ)

$ 53. Dem Strafgerichte, das zuerst von einer in der Republik Osterreiclt verübten strafbaren Handlung Kenntnis erlangt, steht das Verfahren so lange zu, bis ein Umstand erhoben ist" der nach einer der Bestimmungen der §§ 51 und 52 die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes begründet.

§ 54. (1) Ist eine strafbare Handlung außerhalb der Republik österreich begangen worden, so ist das in der Republik gelegene Gericltt zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, in Ermangelung eines solchen das Gericht, in dessen Sprengel er betreten wird.

(2) Wird von einem auswärtigen Staate die Auslieferung eines Beschuldigten angeboten oder soll die Auslieferung erst begehrt werden und ist nicht bereits die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes begründet, so wird das Gericht zuständig, das der Oberste Gerichtshof nach Anhörung des Generalprokurators hiefür bestimmt.

§ 55. Die Zuständigkeit des Gerichtes für den unmittelbaren Täter begründet auch die Zuständigkeit für die anderen Beteiligten 12 StGB).

(BGBt. NT. 42311974, ATt. I Z. 16)

§ 56. (1) Liegen demselben Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last oder haben sich an derselben strafbaren Handlung mehrere Personen beteiligt oder hat eine von ihnen auch noch in Verbindung mit anderen Personen strafbare Handlungen begangen, so ist in der Regel das Strafverfahren gegen alle diese Personen und wegen aller dieser strafbaren Handlungen bei demselben Gerichte gleichzeitig zu führen und über alle zusammentreffenden Strafsachen ein Endurteil zu fällen.

(2)
Zu diesem Verfahren ist das unter den dabei in Frage kommenden Gerichten zuständig, das den anderen zuvorgekommen ist. Gehört jedoch eine der zusammentreffenden Strafsachen vor einen Gerichtshof, so gibt sie für die Zuständigkeit den Ausschlag, wenngleich ein Bezirksgericht zuvorgekommen ist. Die Hauptverhandlung und Entscheidung obliegt dem Geschwornengericht, wenn auch nur eine der zusammentreffenden Strafsachen eine strafbare Handlung zum Gegenstand hat, deren Aburteilung dem Geschwornengericht zukommt. (BGBl. NT. 423/1974, ATt. I Z. 17)
(3)
Gehören die zusammentreffenden Strafsachen vor verschiedene Gerichte gleicher Ordnung, kann aber über eine davon ihrer Art nach nur eines der Gerichte entscheiden, so gibt diese Strafsache für die Zuständigkeit ohne Rüdtsicht auf das Zuvorkommen eines anderen Gerichtes den Al1lSSchlag.

§ 57. (1) Das nach § 56 für mehrere zusammentreffende .Strafsachen zuständige Ge~icht kann

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auf Antrag oder von Amts wegen verfügen, daß über einzelne strafbare Handlungen oder gegen einzelne Beschuldigte das Strafverfahren abgesondert zu führen und abzuschließen sei, sofern dies zur Vermeidung von Verzögerungen oder Erschwerungen des Verfahrens oder zur Kürzung der Haft eines Beschuldigten dienlich scheint.

(2)
In jedem solchen Fall ist der Ankläger verpflichtet, sogleich zu erklären, ob er wegen der übrigen gegen denselben Beschuldigten vorliegenden Anschuldigungspunkte die Fortsetzung des Verfahrens verlange. Geschieht dies, so ist das Verfahren über diese Anschuldigungspunkte ohne unnötigen Aufschub abzuschließen; im entgegengesetzten Falle kann der Beschuldigte ihretwegen nur unter den Bedingungen verfolgt werden, unter denen die Wiederaufnahme eines vor der Hauptverhandlung eingestellten Strafverfahrens zulässig ist (§§ 352 und 363).
(3)
Läßt diese Erklärung eine strafbare Handlung unberührt, die Gegenstand gerichtlicher Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung war, so kann der Beschuldigte verlangen, daß der Ankläger sich auch darüber erkläre, widrigens anzunehmen wäre, daß er auf die Verfolgung verzichtet habe.
(4)
Handelt es ~ich um strafbare Handlungen, die nicht nur auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten verfolgt werden, so ist jedenfalls auch dem Staatsanwalt eine Erklärung abzufordern. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 18)

§ 58. Ist die Verfügung getroffen, daß eine der zusammengehörigen Strafsachen abgesondert zur Hauptverhandlung gebracht oder daß gegen einen der Beschuldigten die Voruntersuchung abgesondert geführt werde, so kann die ausgeschiedene Strafsache an das Gericht abgegeben werden, das für sie, abgesehen vom Zusammentreffen mit anderen Strafsachen, zuständig wäre.

§ 59. (1) Wenn ein Beschuldigter an eine ausländische Behörde auszuliefern ist, steht die Beurteilung und die Verhandlung mit dieser Behörde dem Gerichtshof erster Instanz zu, in dessen Bezirke der Auszuliefernde seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, und in Ermangelung eines solchen dem Gerichtshof, in dessen Bezirk er betreten wird. Auf ein solches Verlangen der Auslieferung oder auf erlassene Steckbriefe ist zwar gegen das Entweichen des Beschuldigten die nötige Vorkehrung zu treffen; auf seine Auslieferung aber hat die Ratskammer nach Vernehmung des Staatsanwaltes nur dann beim Gerichtshofe zweiter Instanz. anzutragen, wenn von der die Auslieferung verlangenden Behörde sogleich oder in einem angemessenen Zeitraume solche Beweise oder Verdachtsgründe beigebracht werden, über die sich der Beschuldigte bei seiner Vernehmung nicht auf der Stelle auszuweisen vermag Der Gerichtshof zweiter Instanz hat seinen nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes gefaßten Beschluß jederzeit vorläufig dem Bundesministerium für Justiz zur Genehmigung vorzulegen.

(2)
Keinesfalls darf ein österreichischer Staatsbürger an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 19)
(3)
Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß jemand im Ausland eine der Auslieferung unterliegende strafbare Handlung begangen hat, so ist vorläufig die nötige Vorkehrung gegen sein Entweichen zu treffen und dem Bundesministerium für Justiz zu berichten. Der Auslieferung unterliegt eine strafbare Handlung, soweit sich aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes ergibt, insbesondere nur dann, wenn sie vorsätzlich begangen und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. (BGB1. NT. 423/1974, Art. I Z. 19)

§ 60. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z.20)

§ 61. Die beim Bundespräsidenten beglaubigten auswärtigen Gesandten und ihr eigentliches Gesandtschaftspersonal stehen nicht unter der österreichischen Gerichtsbarkeit. Auch die Hausund Dienstleute dieser Gesandten und der sich in österreich aufhaltenden fremden Souveräne, die zugleich Angehörige des Staates sind, dem der Souverän oder Gesandte angehört, unterstehen den österreichischen Gerichten nicht. Wäre daher mit solchen Personen eine Amtshandlung wegen einer strafbaren Handlung vorzunehmen, so hat die Behörde sich zwar nach Umständen der Person des Beschuldigten zu versichern, jedoch sogleich die Anzeige davon an das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur weiteren Eröffnung an den Souverän oder Gesandten wegen übernahme des Beschuldigten zu machen.

11. Befugnis zur Delegierung

§ 62. Die Gerichtshöfe zweiter Instanz sind berechtigt, nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen ausnahmsweise dem zuständigen Gerichte Strafsachenabzunehmen und sie einem anderen Gerichte derselben Art in ihrem Sprengel zuzuweisen.

§ 63. (1) Dasselbe Recht hat auch der Oberste Gerichtshof für den ganzen Umfang der Republik österreich.

(2) Gegen die gemäß § 62 vom Gerichtshofe zweiter Instanz verfügte Delegierung eines anderen Gerichtes kann sowohl der Ankläger als auch der Beschuldigte beim Obersten Gerichtshofe Beschwerde führen. Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen nach der Eröffnung des Besdllusses beim eröffnenden Gericht anzubringen.

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m. S tr e i tig k e i t e n übe r die Zu s t ä ndigkeit von Gerichten

§ 64. (1) Ist die Zuständigkeit zwismen Bezirksgerimten streitig, die unter demselben Gerimtshof erster Instanz stehen, so entsmeidet die Ratskammer dieses Gerimtshofes. Können sim zwei Gerimtshöfe erster Instanz über ihre Zuständigkeit oder über die zweier ihnen unterstehender Gerimte nimt einigen, so entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz. Ist die Zuständigkeit zwismen Gerimten, die nicht unter demselben Gerimtshofe zweiter Instanz stehen, oder zwismen zwei Gerimtshöfen zweiter Instanz streitig, so entsmeidet der Oberste Gerimtshof. Entsmeidungen dieser Art können nur nach Anhörung der Staatsanwaltsmaft getroffen werden; gegen diese Entsmeidung ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z.21)

(2) In der Zwismenzeit hat jedes der streitenden Gerimte die zur Einleitung der Untersuchung und Feststellung des Tatbestandes in seinem Bezirke nötigen Handlungen und insbesondere alle Untersumun~sdJ.ritte vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzug ist.

IV. Amt s h a n d I u n gen n ich t z u s t ä ndiger Gerichte

§ 65. Alle, aum die nimt zuständigen Strafgerichte, in deren Bezirke sim Spuren eines Verbrechens oder Vergehens finden, sind, wenn Gefahr im Verzug ist, beremtigt und verpflimtet, die Handlungen vorzunehmen, die zur Erhebung des Tatbestandes oder zur Festhaltung eines Besmuldigten dienen können. Sie müssen je dom die zuständigen Gerimte oder Staatsanwälte davon alsbald in Kenntnis setzen und ihnen die aufgenommenen Protokolle übersenden.

§ 66. Untersuchungshandlungen, die ein nicht zuständiges Strafgericht außer dem Falle des vorhergehenden Paragraphen vorgenommen hat, sind deshalb allein nom nimt ungültig, sofern sie sim nur auf die Voruntersuchung beziehen; doch liegt dem zuständigen Gerimt ob, zu beurteilen, inwiefern eine Wiederholung oder Ergänzung dieser Handlung einzuleiten sei.

VII. Hauptstück

Von der Ausschließung und Ablehnung von Gerimtspersonen und Staatsanwälten

I. Ausschließung der Gerichtspersonen

§ 67. Jeder Rimtu und Protokollführer ist Von der Vornahme gerimtlicher Handlungen im Strafverfahren ausgeschlossen, wenn er selbst der durm die strafbare Handlung Verletzte oder wenn der Bes<huldigte. der Verletzte. der StaatSanwalt, der Privatankläger oder der Verteidiger sein Angehöriger 72 StGB) ist. Die durm eine Ehe begründ"ete Eigensmaft einer Person als Angehöriger bleibt aufremt, aum wenn die Ehe nicht mehr besteht.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 22)

§ 68. (1) Ausgesmlossen von der Wirksamkeit als Richter oder Protokollführer in allen Instanzen ist ferner:

  1. wer außerhalb seiner Dienstverrimtungen Zeuge der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache als Zeuge oder Samverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll;
  2. wer in dieser Same als Anzeiger aufgetreten ist oder als Ankläger, als Vertreter des Privatanklägers oder des Privatbeteiligten oder als Verteidiger mitgewirkt hat oder als Gerimtszeuge verwendet worden ist;
  3. wer aus dem Freisprum oder aus der Verurteilung des Beschuldigten einen Nutzen oder Schaden zu erwarten hat.

(2) Von der Mitwirkung und Entsmeidung in der Hauptverhandlung ist ausgesmlossen, wer in derselben Sache als Untersuchungsrimter tätig gewesen ist oder an der Entscheidung über den Einsprum gegen die Versetzung in den Anklagestand (§§ 211 bis 214) teilgenommen hat. Muß eine Hauptverhandlung infolge einer Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt werden, so sind von der neuen Hauptverhandlung die Richter ausgeschlossen, die an der ersten teilgenommen haben.

§ 69. Mitglieder von Gerichten höherer Instanzen sind insbesondere auch ausgesmlossen:

  1. von der Verhandlung über alle Strafsamen, in denen sie als Untersuchungsrimter tätig waren;
  2. von der Verhandlung über Remtsmittel gegen "alle Entsmeidungen, bei denen sie selbst in einer unteren Instanz an der Abstimmung teilgenommen haben;
  3. von der Berimterstattung und vom Vorsitz in einer Verhandlung in Strafsamen, in denen als Untersumungsrimter oder Berimterstatter bei einem untergeordneten Gericht eine Person tätig war, die mit ihnen in einem der im § 67 bezeichneten Verhältnisse steht.

§ 70. (1) Der Richter ist verpfljmtet, das Verhältnis, das den Grund seiner Aussmließung bildet, unverzüglim dem Vorsteher des Gerimtes anzuzeigen, dessen Mitglied er ist. Der ausgesmlossene Vorsteher eines Bezirksgerimtes hat die Anzeige an den Vorsteher des Gerimtshofes erster Instanz zu mamen.

(2) Der Protokollführer hat diese Anzeige dem Rimter zu mamen, bei dem er das Protokoll führen soll.

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§ 71. (1) Jede Gerichtsperson hat sich von dem Zeitpunkt, in dem ihr ein Ausschließungsgrund bekanntgeworden ist, aller gerichtlichen Handiungen bei sonstiger Nichtigkeit dieser Akte zu enthalten. Nur wenn Gefahr im Verzug ist und die Bestellung eines anderen Richters oder Protokollführers nicht sogleich bewirkt werden kann, hat eine solche Gerichtsperson die dringend nötigen gerichtlidten Handlungen selbst vorzunehmen, ausgenommen, wenn gegen Angehörige des Richters 67) einzusdtreiten wäre, in weldtem Fall unverzüglidt die Amtshandlung an den nächsten Richter abzutreten ist. (BGB1. NT. 423/1974, Art. I Z. 23)

(2) Ober die Ausschließung eines Gesdtwornen oder Sdtöffen entsdteidet die Ratskammer, in der Hauptverhandlung der Vorsitzende des Geschwornengerichtes oder des Schöffengerichtes. Gegen seine Entscheidung ist kein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel zulässig.

n. Abi e h nun g der Ger ich t spersonen

§ 72. (1) Der Staatsanwalt, der Privatbeteiligte, der Privatankläger und der Beschuldigte können Mitglieder des Gerichtes und Protokollführer ablehnen, wenn sie außer den in den §§ 67 bis 69 bezeidtneten Fällen andere Gründe anzugeben und darzutun vermögen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen.

(2) Jeder Ridtter ist verpflidttet, alle Gründe anzuzeigen, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen 70).

§ 73. Das Gesuch, womit ein Beteiligter die Ablehnung eines Richters geltend machen will, ist jederzeit bei dem Gerichte, dem der Abgelehnte angehört, und zwar, wenn es sich um die Ablehnung eines Mitgliedes des erkennenden Gerichtes handelt, längstens binnen vierundzwanzig Stunden vor Beginn der Verhandlung und, wenn es sich um die Ablehnung eines ganzen Gerichtshofes handelt, längstens binnen drei Tagen nach der Vorladung zur Verhandlung zu überreichen oder zu Protokoll zu geben. In diesem Gesudte müssen die Gründe der Ablehnung genau angegeben und, soviel als möglich, bescheinigt sein.

§ 74. (1) Ober die Zulässigkeit der Ablehnung einer Gerichtsperson entscheidet in der Regel der Vorsteher des Gerichtes, dem sie angehört.

(2) Wrrd der Vorsteher eines Bezirksgerichtes abgelehnt, so entsdteidet die Ratskammer des Gerichtshofes erster Instanz; wenn ein ganzes Gericht erster Instanz oder dessen· Vorsteher abgelehnt wird, entscheidet der Geridltshof zweiter Instanz; wenn ein Gerichtshof zweiter Instanz oder dessen Präsident abgelehnt wird, entscheidet der Oberste Gerichtshof.

(3) Gegen diese Entscheidungen ist kein Redttsmittel zulässig. Der Vorsteher oder der Gerichtshof, der über die Ablehnung entscheidet, hat zugleich, falls ihr stattgegeben wird, den Richter oder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache zu übertragen ist.

§ 74 a. Ein Geschworner oder Schöffe kann abgelehnt werden, solange die Hauptverhandlung noch nicht bis zur Vernehmung des Angeklagten über den Inhalt der Anklage vorgeschritten ist. über die Ablehnung entsdteidet die Ratskammer, in der Hauptverhandlung der Vorsitzende allein. Gegen seine Entscheidung ist kein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel zulässig.

Irr. Aus s chi i e ß u n g von S t a a t $anwälten

§ 75. Vom Einschreiten in Strafsachen sind die Mitglieder der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen, mit denen der Beschuldigte oder sein Verteidiger oder der durch das Verbredlen oder Vergehen Verletzte oder der Privatankläger in einem der im § 67 erwähnten Verhältnisse steht; ferner, wer in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden oder als Verteidiger, als Vertreter des Privatanklägers oder Privatbeteiligten oder als Ridtter tätig gewesen ist.

§ 76. Jedes Mitglied der Staatsanwaltschaft ist verpflidttet, sich von dem Zeitpunkt, in dem ihm ein Aussdtließungsgrund bekanntgeworden ist, des Einschreitens in der Sadte zu enthalten, für die es ausgesdtlossen erscheint, sie seinem Stellvertreter zu überlassen und davon seinem unmittelbaren Vorgesetzten die Anzeige zu erstatten. Durdt Beschwerden von Parteien gegen das Einschreiten eines Staatsanwaltes, der sich nach dem Gesetze des Einschreitens hätte enthalten sollen, darf das Verfahren nicht aufgehalten werden.

vm. Hauptstück

Von der Bekanntmachung der gerichtlichen Vero fügungen und von der Gestattung der Ahteneinsicht

§ 77. (1) Die Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen geschieht entweder durch mündliche Verkündung vor Gericht oder durch Zustellung der Urschrift oder einer amtlich beglaubigten Absdtrift.

(2) Die mündliche Verkündung muß durch ein Protokoll beurkundet werden. Auf Verlangen ist jedem, dem eine Verfügung mündlich verkündet wird, eine Abschrift der Verfügung zu erteilen.

§ 78. Die Zustellung der gerichtlichen Verfügungen an die StaatsanwllltSchaft gesdUeht durch Mitteilung der Urschrift. Der Beamte der Staatsanwaltschaft setzt auf die Urschrift die Re

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stätigung der Einsichtnahme unter Beifügung des Datums. Auf Verlangen ist ihm eine Abschrift zu erteilen.

§ 79. (1) Die Vorladung zur Hauptverhandlung in erster Instanz muß dem Beschuldigten selbst zugestellt werden.

(2)
Diese Vorladung des Privatanklägers und Privatbeteiligten sowie alle Aktenstücke, von deren Behändigung für einen Beteiligten die Frist zur Ergreifung eines Redmmittels oder des Einspruches gegen die Versetzung in den Anklagestand läuft, müssen entweder der Partei selbst oder ihrem bestellten Vertreter zugestellt werden.
(3)
In den in den ersten beiden Absätzen bezeidmeten Fällen hat die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu geschehen. In allen anderen Fällen ist Ersatzzustellung zulässig.

§ 80. (1) Auf das Verfahren bei Zustellungen sind die Vorschriften der §§ 87 bis 91, 100 bis 105, 109, 110 und 114 der Zivilprozeßordnung dem Sinne nach anzuwenden. Kann eine Zustellung, die zu eigenen Handen des Empfängers vorzunehmen ist, nidlt bewirkt werden, so ist nach den Bestimmungen der Absätze 2 und 3 des § 106 der Zivilprozeßordnung vorzugehen.

(2) Die Bestimmungen des § 111 der Zivilprozeßordnung sind außer dem Falle des § 191 nur auf Privatankläger und Privatbeteiligte sowie auf ihre Vertreter anzuwenden. (8GBI. Nr. 423/ 1974, Art. I Z. 24)

§ 81. (1) Soll eine Zustellung auf andere Weise als durch die Post außerhalb des Sprengels des Bezirksgerichtes vorgenommen werden, in dem das Gericht, dessen Schriftstück zuzustellen ist, seinen Sitz hat, so kann das Bezirksgericht des Zustellungsortes ersucht werden, die Zustellung zu bewirken.

(2) Liegt der Zustellungsort außerhalb des Sprengels des Bezirksgerichtes, in dem das Gericht, dessen Schriftstück zugestellt worden ist, seinen Sitz hat, so können die Rechtsmittel und der Einspruch gegen die zugestellte Entscheidung oder Anklageschrift, wenn sie mündlich erhoben werden, auch beim Bezirksgerichte des Zustellungsortes angebracht werden, es sei denn, daß dieses Bezirksgericht seinen Sitz in derselben Gemeinde hat wie das Gerkht, dessen Schriftstück zugestellt worden ist.

§ 82. Der Beurteilung der Gerichte ist es überlassen, ob es zulässig erscheine, einer Partei oder ihrem ausgewiesenen Vertreter auch außer den in dieser Strafprozeßordnung insbesondere bezeichneten Fällen die Einsicht in strafgerichttiche Akten oder die Ausfolgung von Abschriften aus solchen zu bewilligen, .ofern diese Personen glaubwürdig dartun, daß sie ihnen zur Ausführung eines EntsdlädigungsanSpruchesoder zum Zwecke des Begehrens um Wiederaufnahme oder aus anderen Gründen notwendig sei.

§ 83. Von der Einleitung und von der Beendigung des Strafverfahrens gegen Personen, die in einem Bundes-oder anderen öffentlichen, daher auch in einem Landes-oder Gemeindeamte oder -dienste stehen, Mitglieder einer Gemeinde-oder einer anderen zur Besorgung öffentlicher Angel!:.genheiten berufenen Vertretung sind, oder denen öffentliche Titel oder inoder ausländische Orden oder Ehrenzeichen verliehen sind, ist ihrer vorgesetzten Behörde, dem Vorstande des Vertretungskörpers oder den betreffenden Ordenskanzleien Mitteilung zu machen.

IX. Hauptstück

Von der Erforschung strafbarer Handlungen und
von den Vorerhebungen
(BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z. 25)

§ 84. (1) Alle öffentlichen Behörden und Ämter sind schuldig, die entweder von ihnen selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten strafbaren Handlungen, die nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen sind, sogleich dem Staatsanwalte des zuständigen Gerichtes anzuzeigen.

(2) Bei Gefahr im Verzuge kann die Anzeige einer verübten strafbaren Handlung auch an das Bezirksgericht erstattet werden, in dessen Sprengel sich die Behörde befindet.

§ 85. Die Ausgleichsordnung und die Konkursordnung bezeichnen die Fälle, in denen das Gericht die Anzeige gegen den Schuldner an den Staatsanwalt zu erstatten hat. Das Zivilgericht ist verpflichtet, dem Staatsanwalte sowie dem Strafgericht alle notwendigen Aufklärungen zu erteilen und die Akten, deren sie bedürfen, in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift mitzuteilen.

§ 86. (1) Wer immer von einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, Kenntnis erlangt, ist berechtigt, sie anzuzeigen. Zur Annahme der Anzeige ist nicht bloß der Staatsanwalt, sondern es sind dazu auch der Untersuchungsrichter, das Bezirksgericht und die Sicherheitsbehörde verpflichtet; sie haben die Anzeige dem Staatsanwalte zu übermitteln.

(2) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß eine Person eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung ausführe, unmittelbar vorher ausgeführt habe, oder daß nach ihr wegen einer solchen Handlung gefahndet werde, so ist jedermann berechtigt, diese Person auf angemessene Weise anzuhalten. Er ist jedoch verpflichtet, die Anhaltung unverzüglich dem nächsten Sicherheitsorgan anzuzeigen. (EGEl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 26)

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§ 87. (1) Der Staatsanwalt ist verpflichtet, alle an ihn gelangten Anzeigen über strafbare Handlungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind, zu prüfen sowie die zu seiner Kenntnis gelangenden Spuren solcher strafbarer Handlungen zu verfolgen. Er hat auch zur Entdeckung unbekannter Täter durch Erforschung dahin führender Verdadmgründe mitzuwirken.

(2)
Wenn namenlose Anzeigen oder solche, die von einem völlig Unbekannten herrühren, bestimmte, die strafbare Handlung glaubwürdig bezeichnende Umstände enthalten, so ist zwar zur Erhebung dieser Umstände zu schreiten; dodl ist dabei mit Vermeidung allen A~fsehens und mit möglichster Sdlonung der Ehre der beschuldigten Personen vorzugehen.
(3)
Wenn der Ruf von einer strafbaren Handlung, die nidlt bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen ist, an den Staatsanwalt gelangt, so ist er verpflichtet, die Vernehmung der Personen zu veranlassen, durch die der Ruf fortgepflanzt wurde, dem Ruf unter Mitwirkung der Sidlerheitsbehörden bis zu seinem Ursprunge nadlzugehen und sidl, soviel als möglidl, zu überzeugen, ob er gegründet ist oder nidlt.
§ 88. (1) überhaupt ist er beredltigt, durch den Untersuchungsridlter, durch die Bezirksgerichte oder durch die Sidlerheitsbehörden Vorerhebungen zu dem Zwecke führen zu lassen, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen.
(2)
Die Untersuchungsrichter und Richter der Bezirksgeridlte haben auch bei diesen Vorerhebungen die Redlte und Obliegenheiten, die dem Untersudlungsrichter in der Voruntersuchung zukommen.
(3)
Durch die Sidlerheitsbehörden kann der Staatsanwalt Personen, die Aufklärungen über begangene strafbare Handlungen zu erteilen imstande sein dürften, unbeeidigt vernehmen lassen und diesen Vernehmungen audl selbst beiwohnen. Augenschein und Hausdurchsudlung kann er durch sie nur dann vornehmen lassen, wenn sidl in Abwesenheit einer zur Amtshandlung berufenen Gerichtsperson die Notwendigkeit eines unverzüglidlen Einsdlreitens herausstellt; er kann diesen Untersudlungshandlungen, bei denen alle für geridltliche Akte dieser Art vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beobachten sind, auch selbst beiwohnen. Die hierüber aufgenommenen Protokolle können jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann als Beweismittel benützt werden, wenn sie unverweilt dem Untersudlungsrichter mitgeteilt worden sind, der ihre Form und Vollständigkeit zu prüfen und nötigenfalls die Wiederholung oder Erganzung der Verhandlung zu bewirken hat.

§ 89. (1) Der Untersumungsrichter am Gerichtshof erster Instanz nimmt, solange kein Antrag des Staatsanwaltes vorliegt, nur die Amtshandlungen vor, die ohne Gefährdung des Zweckes oder ohne überschreitung einer gesetzlichen Frist nicht aufgeschoben werden können. Vom Vorgenommenen hat er den Staatsanwalt in Kenntnis zu setzen und sodann dessen Anträge abzuwarten.

(2) Bezirksgerichte dagegen haben zwar ebenfalls die zu ihrer Kenntnis kommenden Verbrechen und nicht in ihre Zuständigkeit fallenden Vergehen, soweit sie von Amts wegen zu verfolgen sind, unverweilt dem Staatsanwalt anzuzeigen, zugleich aber, und ohne dessen Anträge abzuwarten, die Vorerhebungen 88 Abs. 1 und 2) zu führen. Untersuchungshandlungen jedoch, durch die die Spuren der strafbaren Handlung verwischt und einer wiederholten Besichtigung entzogen werden könnten, haben sie nur dann vorzunehmen, wenn Gefahr im Verzug ist; außerdem haben sie nur in der zu erstattenden Anzeige auf die Notwendigkeit einer solchen Untersuchungshandlung aufmerksam zu machen und dafür zu sorgen, daß die Spuren der Tat erhalten werden, bis entweder der Untersuchungsrichter oder sein Verlangen um Vornahme der Untersuchungshandlungen eintrifft.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 27)

(3) Die über die Vorerhebungen aufgenommenen Protokolle hat das Bezirksgericht mit größter Beschleunigung und, wenn eine Verhaftung vorgenommen worden ist, längstens binnen acht Tagen an den Staatsanwalt einzusenden. Im Fall einer Verhaftung hat der Staatsanwalt längstens binnen drei Tagen nach Einlangen der Akten den Verhafteten außer Verfolgung zu setzen oder seine Anträge wegen der Person und des Verfahrens beim Untersuchungsrichter anzubringen 27 Abs. 2). (BGBI. Nr. 423/1974. Art. I Z. 27)

§ 90. (1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der -nötigenfallS auf seine Veranlassung zu ergänzenden -Vorerhebungen genügende Gründe, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen, so bringt er entweder den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung 91) oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu bestimmenden Erwägungen zurück und übersendet dem Untersuchungsrichter die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, daß er keinen Grund zur weiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungsrichter hat in diesem Falle die Vorerhebungen einzustellen und den etwa verhafteten Beschuldigten sofort auf freien Fuß zu setzen.

(Z) Statt den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder die Anklageschrift einzu

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bringen, kann der Staatsanwalt den Antrag stel .. len zu entscheiden, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen. Ober diesen Antrag entscheidet der Untersuchungsrichter, wenn er die Ansicht des Staatsanwaltes teilt, sonst die Ratskammer. Bejaht das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB, so hat der Staatsanwalt die Anzeige nach Abs. 1 zurüffi.zulegen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 28)

X. Hauptstück

Von den Voruntersuchungen im allgemeinen (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 29)

. I. Einleitung der Voruntersuchung und Stellung des Untersuchungsrichters in der Voruntersuchung

§ 91. (1) Der Versetzung in den Anklagestand

(XVI. Hauptstück) muß eine Voruntersuchung vorangehen, wenn es sich um ein Verbrechen oder Vergehen handelt, dessen Aburteilung dem Geschwornengerichte zukommt, oder wenn gegen einen Abwesenden das Strafverfahren eingeleitet werden soll. In allen anderen Fällen bleibt es dem Ermessen des Staatsanwaltes oder des Privatanklägers anheimgestellt, ob eine Voruntersudlung zu beantragen sei. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 30)

(2) Die Voruntersumung hat den Zweck, die gegen eine bestimmte Person erhobene AnsdlUIdigung einer strafbaren Handlung einer vorläufigen Prüfung zu unterwerfen und den Samverhalt so weit zu klären, als es nötig ist,

um die Momente festzustellen, die geeignet sind, entweder die Einstellung des Strafverfahrens herbeizuführen oder die Versetzung in den Anklagestand und die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorzubereiten.

§ 92. (I) Der Untersuchungsridlter darf die Voruntersuchung nur wegen solmer strafbarer Handlungen und nur gegen Personen einleiten,

bei denen ihm ein darauf abzielender Antrag eines beremtigten Anklägers vorliegt.

(2) Beantragt der Staatsanwalt die Einleitung einer Voruntersumung, so hat er die Anzeige sowie die zu seiner Kenntnis gelangten Beweismittel und die Ergebnisse der etwa veranlaßten

Vorerhebungen dem Untersuchungsrimter mit:zuteilen.

(3) Findet der UntersudlUngsrimter Bedenken, mem Antrag auf Einleitung der Voruntersudtung beizutreten, so ist darüber der Besdtluß der Ratskammer einzuholen. Der Untersuchungsrichter nimmt an der Beratung, aber nicht an

§ 93•. (1) Die Voruntersuchung wird in der Regel vom Untersuchungsrichter persönlicll und unmittelbar geführt. Doch kann er die Bezirksgerichtesowohl innerhalb als aum außerhalb des Sprengels seines Geridltshofi:s um die Vornahme einzelner gerimtlicher Bandlungen ersuchen.

(2) Die Bezirksgerimte haben dem Ersuchen unter Bead;l.tung der für den Untersumungsrichter geltenden Vorsmriften zu entsprechen und, wenn sich hieraus die Notwendigkeit weiterer, in ihren Sprengel fallender UntersudlUngshandlungen ergibt, diese sofort vorzunehmen.

§ 94. Der Untersuchungsrimter erstattet der Ratskammer, wenn er dies wegen der Wimtigkeit einer Sadle für nötig erachtet oder die Entsdleidung der Ratskammer einzuholen hat, mündlidl Beridlt. Den Sitzungen, in denen die Ratskammer diese Beridlte entgegennimmt, wohnt der Staatsanwalt bei und ist berechtigt, Anträge zu stellen.

§ 95. Beschließt die Ratskammer, die Führung einer Voruntersuchung einem Bezirksgerichte zu übertragen 12), so hat dieses alle für den Untersuchungsrichter geltenden Vorschriften zu beobachten. Entscheidungen der Ratskammer holt es sdlriftlich ein. Die müridlidle Berichterstattung in der Sitzung der Ratskammer wird in solchen Fällen einem ihrer Mitglieder übertragen. Auch diesen Sitzungen wohnt der Staatsanwalt bei.

II. G e s c h ä f t s g a n gin der Vor u n t e r-s u c h u n g

§ 96. Ist die Voruntersudlung eingeleitet, so schreitet der UntersudlUngsrimter, ohne weitere Anträge des Anklägers abzuwarten, von Amts wegen ein, um den Tatbestand zu erheben, den Täter zu ermitteln und die zur überführung

oder Verteidigung des Beschuldigten dienenden Beweismittel so weit festzustellen, als es der Zweck der Voruntersuchung erfordert.

§ 97. (I) Der Ankläger ist beremtigt, aum

wegen der Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen Anträge an den UntersudlUngsrimter zu stellen; der Untersuchungsrimter hat, falls er Bedenken findet, ihnen beizutreten, die Entsdteidung der Ratskammer einzuholen 94).

(2) Untersuchungshandlungen nimmt der Staatsanwalt bei sonstiger Nichtigkeit des Aktes nicht vor. In der Regel 162) darf weder der Anklägernodt der Verteidiger bei der Vernehmung des Besdluldigten und der Zeugen

anwesend sein. Sie sind aber beremtigt, dem Augensmeine, der Hausdurchsudlung und der

der Besdtlußfassung teil. Von solchen Beratungen Durchsuchung von Papieren beizuwohnen und ist der Staatsanwalt jedesmal vorher zu benam-die Gegenstände zu bezeidtnen, auf die diese ridltigen, damit er seine Ansimte.n sdlrihlich . Untersumungshandlungen auszudehnen sind. Der ~er xnündlim v,oruagen könne. Untersumungsrichter soll den Ankläger deshalb

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in der Regel von der Vornahme dieser Handlungen vorher benachrichtigen, kann sie aber auch, wenn Gefahr im Verzug ist, ohne vorausgegangene Verständigung des Anklägers vornehmen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 31)

§ 98. (1) Hat ein Verbrechen oder Vergehen Spuren zurückgelassen, so sind diese in geeigneter Weise, insbesondere durch Augenschein, nach den im folgenden Hauptstück enthaltenen Bestimmungen zu erheben.

(2)
Gegenstände, an oder mit denen die strafbare Tat verübt worden ist oder die der Täter am Orte der Tat zurückgelassen haben dürfte, überhaupt Gegenstände, die vom Beschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen können, und Sachen, die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, sind, soweit es möglich ist, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Sie sind entweder in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschließenden Umschlag zu legen, oder es ist an ihnen eine gegen Unterschiebung oder Verwechslung schützende gerichtliche Bezeichnung anzubringen. (BGBl. Nr. 423/-1974, Art. I Z. 32)
(3)
Befinden sich unter den vorgefundenen Gegenständen zum Gottesdienste geweihte Sachen, so hat das Gericht für deren Absonderung von allen übrigen Gegenständen und für deren entsprechende Aufbewahrung zu sorgen.

§ 99. Kann der durch ein Verbrechen oder Vergehen verursachte Schaden oder entgangene Gewinn durch die Aussage des Geschädigten nicht zuverlässig erhoben werden oder ist mit Grund zu vermuten, daß er seinen Schaden zu hoch schätze, so ist dessen Größe in Fällen, in denen sie auf die Zurechnung der Tat als Verbrechen, auf das Strafmaß oder auf die Zuerkennung der Entschädigung von Einfluß ist, durch Vernehmung von Zeugen oder durch Sachverständige zu ermitteln.

§ 100. Schriften, die in einer nicht gerichtsüblichen Sprache geschrieben und für die Untersuchung erheblich sind, hat der Untersuchungsrichter durch einen beeidigten Dolmetsch übersetzen zu lassen und samt der übersetzung zu den Akten zu bringen.

§ 101. Ober alle gerichtlichen, zur Untersuchung gehörenden Handlungen sind Protokolle aufzunehmen; es muß außer dem Beamten, der die Handlung vornimmt oder leitet, stets ein beeidigter Protokollführer gegenwärtig sein.

§ 102. Werden einer Untersuchungshandlung Geriditszeugen zugezo~en, so müssen diese volljährige, unbescholtene, an der Sache unbeteiligte Personen sein und entweder allgemein oder für den einzelnen Fall mit Handschlag angelobt haben, daß sie, um möglicherweise Zeugnis vor Gericht abzulegen, auf alles, was vor ihnen vorgenommen oder ausgesagt wird, volle Aufmerksamkeit verwenden, über dessen getreue Protokollierung wachen und bis zur Hauptverhandlung über alles, was ihnen bei Gelegenheit der Untersuchungshandlung bekanntgeworden ist, Stillschweigen bewahren werden.

§ 103. (1) Es ist eine allgemeine Bürgerpflicht, sich bei Untersuchungshandlungen unentgeltlich als Gerichtszeuge verwenden zu lassen. Diese Pflicht trifft zunächst die Bewohner der Gemeinde, in der die Untersuchungshandlung vorzunehmen ist.

(2) Befreit sind:

  1. die Seelsorger der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften;
  2. Soldaten, wirklich dienende öffentliche Beamte und Vertragsbedienstete;
  3. öffentliche Lehrer, die ihren Beruf wirklich ausübenden Sanitätspersonen, Rechtsanwälte, Notare, bei Eisenbahn-und Dampfschiffahrten beschäftigte Personen sowie alle, deren Berufsdienst ohne Verletzung des öffentlichen Interesses nicht unterbrochen werden kann, endlich
  4. Personen, die vom Tag-oder Wochenlohne leben.

§ 104. (1) Die Protokolle über gerichtliche Verhandlungen werden gleich bei deren Vornahme und, wo dies nicht tunlich ist, unmittelbar nachher aufgenommen.

(2)
Jedes Protokoll enthält die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Aufnahme und der gegenwärtigen Personen.
(3)
Die Fragen sind nur soweit niederzuschreiben, als es zum Verständnis einer Antwort erforderlich ist. Die Antworten sind in der Regel bloß ihrem wesentlichen Inhalte nach erzählungsweise aufzunehmen. Nur wo es für die Beurteilung der Sache wichtig oder wo zu erwarten ist, daß die Vorlesung des Protokolls in der Hauptverhandlung erforderlich sein werde, ist der Vernommene unter Beibehaltung seiner eigenen Ausdrücke redend anzuführen.
(4)
Der Richter hat das Protokoll laut zu diktieren, sodaß es die Anwesenden hören. Doch steht dem Vernommenen frei, seine Antworten dem Protokollführer zu diktieren. Mißbraucht der Vernommene dieses Recht, so kann es ihm vom Richter entzogen werden.

§ 105. Jedes Protokoll ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorzulesen, auch auf Verlangen zum Dürchlesen vorzulegen; die geschehene Vorlesung oder Vorlegung sowie die Genehmigung sind im Protokoll zu vermerken. Es ist sodann von den vernommenen Personen duich Beisetzung der Unterschrift oder des Handzeichens auf jedem Bogen, und am Sdllusse von den anwesenden Beamten, dem

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Protokollführer und den beigezogenen GeridltSzeugen zu unterschreiben. Verweigert der Vernommene die Untersduift, so ist dies nebst dem Grunde der Weigerung im Protokoll zu vermerken.

§ 106. In dem einmal Niedergeschriebenen darf nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchstrichene SteHen müssen noch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oder Berichtigungen, die ein Vernommener seiner Aussage beifügt, sind am Rande des Protokolls oder in einem Nachtrage zu vermerken und auf die im § 105 bezeichnete Art zu genehmigen und zu unterschreiben.

§ 107. (1) Besteht das Protokoll aus mehreren Bogen, so müssen diese sämtlich mit einem Faden zusammengeheftet und die Enden des Fadens mit dem Gerichtssiegel befestigt werden.

(2) Der Untersuchungsrichter hat ein Tagebuch zu führen, in dem alle Akten der Voruntersuchung genau zu verzeichnen sind.

§ 108. (1) Gegen Personen, die sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung bei einer Amtshandlung des Untersuchungsrichters ein ungebührliches oder beleidigendes Betragen zuschulden kommen lassen, kann der Untersuchungsrichter eine Ordnungsstrafe bis zu fünftausend Schilling verhängen. Gegen Rechtsbeistände der Parteien kann eine Geldstrafe nur verhängt werden, wenn sie nicht der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegen. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z.33)

(2)
Jede solche Verfügung ist in den Akten ersichtlich zu machen und der Ratskammer sogleich anzuzeigen; dieser kommt die Befugnis zu, die vom Untersuchungsrichter verhängten Strafen auch von Amts wegen aufzuheben oder zu mildern 113).
m.
Einstellung oder Sch.ließung der Vor u n t e r s u c h u n.g

§ 109. (1) Die Voruntersuchung ist durch Verfügung des Untersuchungsrichters einzustellen, sobald der Ankläger das Begehren nach strafgerichtlicher Verfolgung zurüdizieht oder erklärt, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung finde 112). Ebenso ist vorzugehen, wenn der Staatsanwalt aus dem Grunde des § 42 StGB die Einstellung der Voruntersuchung beantragt und der Untersuchungsrichter seine Ansicht teilt. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 34)

(2) Außerdem kann die Voruntersumung nur durm Beschluß der Ratskammer oder des Geridltshofes zweiter Instanz eingestellt werden.

$ 11.10. (1) W'11'd die Voruntersudlung eingestellt, so sind der Ankläger, der Privatbeteiligte und der Beschuldigte hievon zu verständigen; der Besmuldigte ist, wenn er verhaftet ist, sogleicll freizulassen.

(2)
Auf sein Verlangen ist ihm ein Amtszeugnis darüber auszufertigen. daß kein Grund zur weiteren gerichtlimen Verfolgung gegen ihn vorhanden sei.
(3)
Hat sim der durm das Verbremen oder Vergehen in seinem Remte Verletzte dem Verfahren nicht angeschlossen, so ist ihm auf sein Ansuchen die Bestätigung der Einstellung zu erteilen.

§ 111. Die Voruntersuchung wird gesmlossen, sobald die gepflogenen Erheb:ungen zureimen, um die Anordnung der Hauptverhandlung zu begründen, und zugleich die zur vollständigen Vorführung der Beweismittel in der Hauptverhandlung erforderliche übersicht über diese Mittel erlangt ist.

§ 112. (1) Nach Schließung der Voruntersuchung hat der Untersuchungsrichter ~lie Akten dem Staatsanwalt zu übermitteln. Der Staatsanwalt ist verpflichtet 27), binnen vierzehn Tagen nach Empfang der Akten entweder die Anklageschrift beim Untersuchungsrichter einzubringen, dem Untersuchungsrichter die Akten mit der Erklärung zurüdizustellen, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung finde, oder einen Antrag auf Einstellung der Voruntersuchung aus dem Grunde des § 42 StGB zu stellen.' über diesen Antrag entscheidet der Untersuchungsrichter, wenn er die Ansicht des Staatsanwaltes teilt, sonst die Ratskammer. Verneint die Ratskammer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB, so hat der Staatsanwalt binnen vierzehn Tagen nach Rechtskraft dieser Entscheidung die zur Fortsetzung des Verfahrens nötigen Anträge zu stellen (§ 27). (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 35)

(2)
Der Privatankläger ist vom Abschlusse der Voruntersuchung mit der Aufforderung zur Einbringung der Anklageschrift binnen vierzehn Tagen und mit der Belehrung in Kenntnis zu setzen, daß die Nichteinhaltung dieser Frist dem Rücktritte von der Anklage gleichkomme 109).
(3)
Innerhalb der zur Einbringung der Anklageschrift bestimmten Frist kann auch der Antrag auf Ergänzung der Voruntersuchung gestellt werden. Wird dieser Antrag abgelehnt, so läuft die neue Frist zur Einbringung ~er Anklageschrift von der Bekanntmachung des ablehnenden Beschlusses der Ratskammer.

IV. R e c h t s mit tel g e gen V e y

fügungen des Untersuchungsrichters und der Ratskammer

§ 1U. (1) Alle, die sich während der Vorerhebungen. der Voruntersumung oder in dem der Einbringung der Anklageschrift nadUolgenden Verfahren dui-m eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsridtters besdlwert

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erachten, haben das Recht, darüber eine Entscheidung der Ratskammer zu verlangen und ihr Begehren entweder schriftlich oder mündlich beim Untersuchungsrichter oder unmittelbar bei der Ratskammer anzubringen. Eine solche Besmwerde hemmt den Vollzug der Verfügung des Untersuchungsrichters nur in den im S 108 erwähnten Fällen.

(2) Die Ratskammer entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung des Untersuchungsrichters und des Staatsanwaltes.

§ 114. (1) Soweit nicht in anderen Bestimmungen ausdrücklich die Beschwerde zugelassen wird, ist ein weiterer Rechtszug an den Gerichtshof zweiter Instanz nur gegen solche Entscheidungen der Ratskammer zulässig, mit denen

  1. über die Ausscheidung einzelner Strafsachen aus dem gemeinsam zu führenden Strafverfahren erkannt wird,
  2. über die Einleitung oder Einstellung der Voruntersuchung erkannt wird, (BGB1. Nr. 423/ 1974, Art. l Z. 36)
  3. die Kautions-oder Bürgschaftssumme bestimmt wird oder
  4. außerhalb einer Haftprüfungsverhandlung über die Haft entschieden wird. (BGB1. Nr. 273/1971, Art. II Z. 2)
(2)
In allen im vorstehenden Absatz bezeichneten Fällen können der Staatsanwalt, der Privatankläger und der Beschuldigte Besmwerde führen, der Beschuldigte aber nicht, wenn die Einleitung der Voruntersuchung abgelehnt oder die Voruntersuchung eingestellt wurde. Die . Beschwerde hat in der Regel 195 Abs. 7) keine aufschiebende Wirkung. Sie ist binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung des Beschlusses, gegen den sie gerichtet ist, beim Vorsitzenden der Ratskammer einzubringen. Der Gerichtshof zweiter Instanz entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung. S196 Abs. 3 gilt sinngemäß. (B(;Bl. Nr. 423/1974, Art.l Z. 36)
(3)
Bei der Entscheidung über solche Beschwerden kann der Gerichtshof niemals zum Nachteile des Beschuldigten Verfügungen und Beschlüsse ändern, gegen die nicht Beschwerde geführt wird; im übrigen aber ist er berechtigt, die Beseitigung wahrgenommener Gebrechen des Verfahrens auch dann anzuordnen, wenn eine Beschwerde gegen diese nicht ergriffen werden konnte oder nicht ergriffen worden ist.
(4)
Findet er die Beschwerde gegen die Einstellung einer Voruntersuchung begründet, so kann er wegen solcher Handlungen, deren Verfolgung von einem beredttigten Ankläger verlangt wurde 92) und wegen denen der Besdtuldigte bereits vernommen wurde, sofort dessen Versetzung in den Anklagestand aussprechen.

§ 115. Es ist nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß durch die wegen Ergreifung von Redttsmitteln vorzunehmende Vorlegung der Akten der Gang des Verfahrens nidtt aufgehalten werde; nötigenfalls sind von Aktenstücken, die zur Fortführung des Verfahrens unentbehrlidt sind, Abschriften· zu madten.

XI. Hauptstück

Vom Augensdtein und von den Sadtverständigen

I. Vom A u gen s c h ein und der Z u

ziehung von Sachverständigen überhaupt

§ 116. Der Augenschein ist vorzunehmen, so oft dies zur Aufklärung eines für die Untersudtung erheblidten Umstandes notwendig erscheint. Wenn sidt dies wegen Anerkennung der zu untersu<nenden Gegenstände oder zur Erlangung von Aufklärungen als zwedi:dienlich darstellt, ist der Besdtuldigte zuzuziehen. Dem Verteidiger des Besdtuldigten kann die Beteiligung bei der Vornahme des Augenscheines nicht versagt werden; auch ist ein bereits bestellter Verteidiger, wenn kein besonderes Bedenken dagegen obwaltet, von der Vornahme des Augenscheines in Kenntnis zu setzen. Wenn es der Untersuchungsrichter für nötig hält oder der Beschuldigte verlangt, sind dem Augenscheine zwei Gerichtszeugen beizuziehen.

§ 117. Das über den Augenschein aufzunehmende Protokoll ist so bestimmt und umständlich abzufassen, daß es eine vollständige und treue Anschauung der besichtigten Gegenstände gewährt. Es sind ihm zu diesem Zweck erforderlichenfalls Zeidmungen, Pläne oder Risse beizufügen; Maße, Gewichte, Größen und Ortsverhältnisse sind -nach bekannten und unzweifelhaften Bestimmungen zu bezeichnen.

§ 118. (1) Dem Augenschein ist erforderlichenfalls ein Sachverständiger beizuziehen.

(2) Zwei Sachverständige sind nur dann beizuziehen, wenn es wegen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich ist.

§ f19. (1) Die Wahl der Sachverständigen steht dem Untersuchungsrichter zu. Sind solche für ein bestimmtes Fach beim Gerichte bleibend angesteiIt, so soll er andere nur dann zuziehen, wenn Gefahr im Verzug ist oder wenn jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind oder im einzelnen Fall als bedenklich erscheinen.

(2) Wenn ein Sadtverständiger der an ihn ergangenen Vorladung nicht Folge leistet oder seine Mitwirkung bei der Vornahme des Augenscheines verweigert, kann der Untersuchungsrichter eine Geldstrafe bis fünftausend Schilling über ihn verhängen. (BGBI. NT. 423/1974. Art.'I Z.37)

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§ 120. Personen, die in einem Untersudlungsfall als Zeugen nicht vernommen oder nicht beeidigt werden dürfen oder die zum BesdlUldigten oder zum Verletzten in einem der im § 152 Abs. 1 Z. 1 bezeidlneten Verhältnisse stehen, sind bei sonstiger Nidltigkeit des Aktes als Samverständige nidlt beizuziehen. Von der Wahl der Samverständigen sind in der Regel sowohl der Ankläger als audl der Besmuldigte vor der Vornahme des Augensmeines in Kenntnis zu setzen; werden erheblime Einwendungen vorgebramt und ist nimt Gefahr im Verzuge, so sind andere Sachverständige beizuziehen.

§ 121. (1) Samverständige, die wegen ihrer bleibenden Anstellung schon im allgemeinen beeidigt sind, hat der Untersumungsrimter vor dem Beginne der Amtshandlung an die Heiligkeit des von ihnen abgelegten Eides zu erinnern.

(2) Andere Samverständige müssen vor der Vornahme des Augensmeines eidlim verpflimtet werden, daß sie dessen Gegenstand sorgfältig untersumen, die gemamten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und den Befund sowie ihr Gutamten nam bestem Wissen und Gewissen und nam den Regeln ihrer Wissensmaft oder Kunst abgeben wollen.

§ 122 (1) D' G .. d d Am'

. • le egeI?:sta~ e .es ugens emes smd von den Sachverstandlgen In Gegenwart der Gerimtspersonen zu besimtigen und zu unter

sumen, außer wenn diese aus Rücksimten des

sittlimen Anstandes für angemessen er amten,

sim zu entfernen, oder wenn die erforderlimen

Wahrnehmungen, wie bei der Untersumung von

Giften, nur durm fortgesetzte Beobamtung oder

länger dauernde Versume gemamt werden

können.

(2)
Bei jeder solmen Entfernung der Gerimtspersonen vom Orte des Augenscheines ist aber auf geeignete Weise dafür zu sorgen, daß die Glaubwürdigkeit der von den Samverständigen zu pflegenden Erhebungen sichergestellt werde.
(3)
Ist vom Verfahren der Samverständigen die Zerstörung oder Veränderung eines von ihnen zu untersuchenden Gegenstandes zu erwarten, so soll ein Teil des Gegenstandes, insofern es tunlich ersmeint, in gerimdicher Verwahrung behalten werden.

§ 123. (1) Der Untersumungsrimter leitet den Augenschein. Er bezeimnet mit möglichster Berücksimtigung der vom Ankläger und vom Besmuldigten oder dessen Verteidiger gestellten Anträge die Gegenstände, auf die die Sachverständigen ihre Beobachtung zu ridlten haben, und stellt die Fragen, deren Beantwortung er für erforderlich hält. Die Sachverständigen können verlangen, daß ihnen aus den Akten oder durch Vernehmung von Zeugen jene Auf"klärungen über von ihnen bestimmt zu bezeichnende Punkte gegeben 'Werden. die sie für das abzugebende Gutadlten für erforderlim erachten.

(2) Wenn den Samverständigen zur Abgabe eines gründlichen Gutachtens die Einsicht in die Untersuchungsakten unerläßlich ersmeint, können ihnen, soweit nicht besondere Bedenken dagegen obwalten, auch die Akten selbst mitgeteilt werden.

§ 124. Die Angaben der Sachverständigen über die von ihnen gemachten Wahrnehmungen (Befund) sind vom Protokollführer sogleich aufzuzeimnen. Das Gutachten samt dessen Gründen können sie entweder sofort zu Protokoll geben oder sim die Abgabe eines schriftlichen Gutamtens vorbehalten, wofür eine angemessene Frist zu bestimmen ist.

§ 125. Ist der Befund dunkel, unbestimmt, im Widersprume mit sim selbst oder mit erhobenen Tatumständen oder weimen die Angaben zweier Samverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsamen erheblim voneinander ab, und lassen sim die Bedenken nimt durch eine nochmalige Vernehmung beseitigen, so ist der Augensmein, sofern es möglim ist, . unter Zuziehung desselben oder derselben Samverständigen zu wiederholen. Erforderlimenfalls können an ihrer Stelle andere Samverständige

zugezogen werden.

§ 126. (1) Ergeben sim solme Widersprüme oder Mängel in bezug auf das Gutamten oder zeigt sich, daß es Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nimt folgerimtig gezogen sind, und lassen sim die Bedenken nimt durm eine nommalige Vernehmung der Samverständigen beseitigen, so ist das Gutamten eines anderen oder zweier anderer Samverständiger einzuholen.

(2)
Sind die Samverständigen Ärzte oder Chemiker, so kann in solchen Fallen das Gutachten der medizinismen Fakultät einer österreimischen Universität eingeholt werden. Dasselbe gesmieht, wenn die Ratskammer die Einholung eines Fakultätsgutamtens wegen der Smwierigkeit der Begutachtung nötig findet.
H.
V e rf a h ren bei U n t e r s u c h u n gen

wegen Tötungen und Körperve~ letzungen insbesondere

§ 127. (1) Ist es bei einem Todesfalle zweifelhaft, ob der Tod durch ein Verbrechen oder Vergehen verursamt worden sei, so ist vor der Beerdigung die Leimenbeschau und Leichenöffnung vorzunehmen.

(2) Ist die Leiche bereits beerdigt, so muß sie zu diesem Zwecke wieder ausgegraben werden, wenn nach den Umständen noch ein erhebliches Ergebnis davon erwartet werden kann und nicht dringende Gefahr für die Gesundheit der Personen vorhanden ist, die an der Leichenbeschau teilnehmen müssen.

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(3)
Ehe zur öffnung der Leidte gesdtritten wird, ist diese genau zu besdtreiben und deren Identität durch Vernehmung von Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, außer Zweifel zu setzen. Diesen Personen ist nötigenfalls vor der At1erkennung eine genaue Besdtreibung des Verstorbenen abzufordern. Ist dieser aber ganz unbekannt, so ist eine genaue Besdlreibung der Leiche durch öffentliche Blätter bekanntzumachen.
(4)
Bei der Leichenbeschau hat der Untersuchungsrichter darauf zu sehen, daß die Lage und Beschaffenheit des Leichnams, der Ort, wo, und die Kleidung, worin er gefunden wurde, genau vermerkt sowie alles, was nach den Umständen für die Untersuchung von Bedeutung sein könnte, sorgfältig beachtet werde. Insbesondere sind Wunden und andere äußere Spuren erlittener Gewalttätigkeit nach ihrer Zahl und Beschaffenheit genau zu verzeichnen, die Mittel und Werkzeuge anzugeben, durch die sie wahrscheinlich verursacht wurden, und die etwa vorgefundenen, möglicherweise gebrauchten Werkzeuge mit den vorhandenen Verletzungen zu vergleichen.

§ 128. (1) Die Leichenbeschau und Leichenöffnung ist durch einen oder nötigenfalls zwei 1\rzte 118 Abs. 2) nach den dafür bestehenden besonderen Vorschriften vorzunehmen.

(2) Der Arzt, der den Verstorbenen in der dessen Tod allenfalls vorhergegangenen Krankheit behandelt hat, ist, wenn es zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen und ohne Verzögerung geschehen kann, zur Gegenwart bei der Leichenbeschau aufzufordern.

§ 129. (1) Das Gutachten hat sich darüber auszusprechen, was im vorliegenden Falle die den eingetretenen Tod zunächst bewirkende Ursache gewesen und wodurch sie erzeugt worden ist.

(2) Werden Verletzungen wahrgenommen, so ist insbesondere zu erörtern:

  1. ob sie dem Verstorbenen durch die Handlung eines anderen zugefügt wurden und, falls diese Frage bejaht wird,
  2. ob diese Handlung a) schon ihrer allgemeinen Natur wegen, b) wegen der eigentümlichen persönlichen

BeSchaffenheit oder eines besonderen Zustandes des Verletzten, c) wegen der zufälligen Umstände, unter denen sie verübt wurde, oder

tt) wegen zufällig hinzugekommener, jedoch durch sie veranlaßter oder aus ihr entstandener Zwischenursachen den Tod herbeigeführt habe, und ob endlich

c) der Tod durd! red!tzeitige und zweckmäßige Hilfe hätte abgewendet werden können.

(3) Insofern sim das Gutamten nicltt über alle für die Entscheidung erheblichen Umstände verbreitet, sind hierüber vom Untersuchungsrimter besondere Fragen an die Sachverständigen zu stellen.

§ 130. Bei Verdamt einer Kindestötung ist nebst den nach den vorstehenden Vorschriften zu pflegenden Erhebungen -aum zu erforsmen, ob das Kind lebendig geboren wurde.

§ 131. Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so sind der Erhebung des Tatbestandes nötigenfalls auch ein oder zwei Chemiker (§ 118 Abs. 2) beizuziehen. Die JJntersuchung der Gifte selbst aber kann nach Umständen auch von den Chen,iikern allein in einem hiezu geeigneten Lokale vorgenommen werden.

§ 132. Auch bei körperlichen Beschädigungen ist nötigenfalls die Besichtigung des Verletzten durch einen oder zwei 1\rzte 118 Abs. 2) zu veranlassen. Die Sachverständigen haben die Verletzungen gen au zu beschreiben und sich insbesondere darüber auszusprechen, welche von den vorhandenen Körperverletzungen oder Gesundheitsstörungen an und für sich oder in ihrem Zusammenwirken, unbedingt oder unter den besonderen Umständen des Falles als leimte, schwere oder lebensgefährliche anzusehen sind, welche Wirkungen Beschädigungen dieser Art gewöhnlich nach sich zu ziehen pflegen und welche im vorliegenden einzelnen Falle daraus hervorgegangen sind sowie durch welme Mittel oder Werkzeuge und auf welche Weise sie zugefügt worden sind.

§ 133. Ist die körperliche Besichtigung einer Frauensperson nötig, so ist womöglich eine ~ntin damit zu beauftragen.

III. Verfahren bei Zweifeln über

Gei s t e s s t ö run gen 0 der übe r Z urechnungsfähigkeit

§134. (1) Entstehen Zweifel darüber, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat den Gebrauch seiner Vernunft besessen oder ob er an einer Geistesstörung gelitten habe, wodurch seine Zu~ rechnungsfähigkeit aufgehoben war, so ist die Untersuchung seines Geistes-oder Gemütszustandes durm einen oder nötigenfalls zwei Arzte 118 Abs. 2) zu veranlassen.

(2) Diese haben über das Ergebnis ihrer Beobachtungen Bericht zu erstatten, alle für die Beurteilung des Geistes-und Gemütszustandes des Beschuldigten einflußreichen Tatsamen zusammenzustellen, sie nach ihrer Bedeutung sowohl einzeln als aum im Zusammenhange zu prüfen und. falls sie eine Geistesstörung als vorhanden betrachten, die Natur der Krankheit, deren Art und Grad zu bestimmen und sich sowohl nach den Akten als aud!. nach ihrer eigenen Beobachtung über den Einfluß al,JSZU~pFedten. den ru...

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Krankheit auf die Vorstellungen, Triebe und Handlungen des Besdtuldigten geäußert hat und nodt äußert, und ob und in weldtem Maße dieser getrübte Geisteszustand zur Zeit der begangenen Tat bestanden hat.

IV. P r ü fun g von H a n d s c h r i ft e n

§ 135. Entstehen Zweifel über die Echtheit einer Urkunde oder soll ermittelt werden, von wessen Hand eine bestimmte Sdtrift herrührt, so kann eine Vergleichung mit unzweifelhaft edtten Schriftstücken durch einen oder zwei Sachverständige vorgenommen werden.

V. Ver f a h ren bei U n t e r s u c h u n gen
wegen strafbarer Handlungen
gegen die Sicherheit des Verkehrs
mit Gel d, Wer
t p a pie ren und Wer tzeichen
(BGBI. Nr. 423/1974, Art.l Z. 38)

§ 136. (1) In Fällen strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen hat der Untersuchungsrichter die Stücke, die den Gegenstand der Untersuchung bilden, in der Regel an das Bundesministerium für Finanzen zu senden, um den Befund über ihre Echtheit oder Unechtheit und die weitere Auskunft zu erhalten, in welcher Art die Fälschung geschehen ist, ob ·vorbereitete Werkzeuge benützt worden sind, die die Vervielfältigung erleichtern, endlidt ob und wo solche gefälsdtte Stücke bereits vorgekommen sind. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. l Z. 39)

(2)
Ebendahin sind auch nach gänzlich beendigtem strafgerichtlichen Verfahren die Falsifikate samt allen von der strafbaren Handlung herrührenden Werkzeugen, Materialien und anderen dazugehörigen Gegenständen einzusChicken. Sobald diese Gegenstände zu einer neuerlichen strafgeridttlidten Amtshandlung nötig werden, sind sie zurückzuverlangen.
(3)
Bei Fälschungen von Noten oder Kreditpapieren der Oesterreichischen Nationalbank haben sidt die Untersuchungsridtter unmittelbar an diese Bank, bei Fälsdtungen von inländisdtem Metallgeld an das hiefür bestimmte Münzamt zu wenden und ebendahin nach beendigtem Verfahren audt die Falsifikate einzusenden.
(4)
Wegen ErIangung des Befundes über gefälschtes ausländisches Geld oder solche Kreditpapiere hat sidt der Untersudtungsridtter unmittelbar an das Bundesministerium für Justiz zu wenden.

Vl Verfahren bei Untersuchungen wegen Brandlegungen

§ 137. Bei Brandlegungen ist insbesondere zu ermitteln, auf weldte Weise der Brand gelegt, ob dazu ein Zündstoff und weldter verwendet worden ist; femer iind der Ort, wo, und die Zeit zu erforsdten. wann die Brandlegung. ob sie bei Tag oder Nadtt und ob sie unter solchen Umständen gesdtehen ist, daß daraus wirklidt eine Feuersbrunst an fremdem Eigenturne bewirkt oder doch die Gefahr einer soldten herbeigeführt oder das Leben eines Mensdten einer Gefahr ausgesetzt worden ist und ob sich das Feuer beim Ausbrudte leidtt hätte verbreiten können; endlich ist bei einem wirklidt ausgebrochenen Brande die Größe des dadurch verursaChten Sd13dens zu erheben.

VII. Ver f a h ren bei U n t e r s u c h u n gen wegen anderer Beschädigungen

§ 138. Bei Verbrechen oder Vergehen, durdt die auf andere als die eben erwähnte Weise ein Smaden oder eine Gefahr für Leben oder Eigentum herbeigeführt wurde, ist durch den Augensmein vorzüglim die Besmaffenheit der angewendeten Gewalt oder List, der gebraumten Mittel oder Werkzeuge und die Größe des verursamten oder beabsimtigten Schadens und des entgangenen Gewinnes oder der Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen und für fremdes Eigentum zu erheben.

Xli. Hauptstück

Von der Haus-und Personsdurmsuchung, der
Beschlagnahme und der überwachung eines Fern
meldeverkehrs
(BGBI. Nr. 423/1974, Art.l Z. 40)

I. Hau s-und Per s 0 n s dur c h s u c h u n g

§ 139. (1) Eine Hausdurmsumung, das ist die Durmsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehöriger Räumlichkeiten, darf nur dann vorgenommen werden, wenn gegründeter Verdacht vorliegt, daß sim darin eine eines Verbrechens oder Vergehens verdämtige Person verborgen halte oder daß sim daselbst Gegenstände befinden, deren Besitz oder Besichtigung für eine bestimmte Untersuchung von Bedeutung sein könne.

(2) Gegen Personen, bei denen eine hohe Wahrsmeinlichkeit für den Besitz solmer Gegenstände sprimt oder die eines Verbremens oder Vergehens verdächtig oder sonst übel berümtigt sind, ist auch die Durchsumung der Person und ihrer Kleidung zulässig.

§ 140. (1) Eine Durmsudtung ist in der Regel nur nam vorausgegangener Vernehmung dessen, bei oder an dem sie vorgenommen werden soll, und nur insofern zulässig, als durch die Vernehmung weder die freiwillige Herausgabe des Gesumten noch die Beseitigung der die Durmsumung veranlassenden Gründe herbeigeführt wird.

(2) Von dieser Vernehmung kann bei fibelberümtigten Personen sowie aum dann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug ist oder wenn

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die DurchsudlUng von dem Publikum offenstehenden Räumlichkeiten vorgenommen wird.

(3)
In der Regel darf die Durchsuchung nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles unternommen werden. Dieser Befehl ist dem Beteiligten sogleich oder doch innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuzustellen.
(4)
Von Hausdurchsuchungen wegen Verbrechen oder Vergehen, bei denen weitere polizeiliche Nachforschungen oder Vorkehrungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sein können, ist, insofern dies ohne Verzögerung geschehen kann, die nächste Sicherheitsbehörde vorläufig in Kenntnis zu setzen, damit ein Abgeordneter dieser Behörde hiebei anwesend sein und, ohne auf den Untersuchungsakt Einfluß zu nehmen, sich die nötigen Kenntnisse zu den weiter erforderlichen Vorkehrungen verschaffen könne.
§ 141. (1) Zum Zwecke der Strafgerichtspflege kann bei Gefahr im Verzug auch ohne richterlichen Befehl eine Hausdurmsuchung von Gerichtsbeamten oder Beamten der Sicherheitsbehörden angeordnet werden. Der zur Vornahme Abgeordnete ist mit einer sduiftlichen Ermächtigung zu versehen, die er dem Beteiligten vorzuweisen hat.
(2)
Zu demselben Zwecke kann eine Hausdurchsuchung auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Mamt vorgenommen werden, wenn gegen jemanden ein Vorführungs-oder Haftbefehl erlassen oder wenn jemand auf der Tat betreten, durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf als einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, die auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen.
(3)
In beiden Fällen ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder doch binnen der nächsten vierundzwanzig Stunden die Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe zuzustellen.

§ 142. (1) Haus-und Personsdurchsuchungen sind stets mit Vermeidung alles unnötigen Aufsehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Belästigung oder Störung der Beteiligten, mit möglichster Schonung ihres Rufes und ihrer mit dem Gegenstande der Untersuchung nicht zusammenhängenden Privatgeheimnisse sowie mit sorgfältigster Wahrung der Schicklichkeit und des Anstandes vorzunehmen.

(2) Der Inhaber der Räumlichkeit, die durchsucht werden soll, ist aufzufordern, der Durchsuchung beizuwohnen; ist er verhindert oder nicht anwesend, so muß die Aufforderung an ein erwachsenes Mitglied seiner Familie oder in dessen Ermangelung an einen Hausgenossen oder Nachbar ergehen.

(3)
Außerdem sind bei der Durchsuchung stets ein Protokollführer und zwei Gerichtszeugen beizuziehen.
(4)
Das über die Durchsuchung aufzunehmende Protokoll ist von allen Anwesenden zu unterfertigen. Ist nichts Verdächtiges ermittelt worden, so ist dem Beteiligten auf sein Verlangen eine Bestätigung hierüber zu erteilen.

11. B e s chi a g nah m e

§ 143. (1) Werden Gegenstände gefunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, so sind sie in ein Verzeichnis zu bringen und in gerichtliche Verwahrung oder doch unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen 98). (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 41)

(2) Jedermann ist verpflichtet, solche Gegenstände, insbesondere auch Urkunden, auf Verlangen herauszugeben. Wird die Herausgabe eines Gegenstandes, dessen Innehabung zugestanden oder sonst erwiesen ist, verweigert und läßt sich die Abnahme nicht durch Hausdurchsuchung bewirken, so kann der Besitzer, falls er nicht selbst der strafbaren Handlung verdächtig erscheint oder von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses gesetzlich befreit ist, durch Verhängung einer Beugestrafe bis zu fünftausend Schilling und bei weiterer Weigerung in wichtigen Fällen durch Verhängung einer Beugehaft bis zu sechs Wochen dazu angehalten werden. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 41)

§ 144. Werden bei einer Haus-oder Per'sonsdurchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der strafbaren Handlung schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so werden sie, wenn jene von Amts wegen zu verfolgen ist, zwar

II?it Beschlag belegt; es muß jedoch hierü~er em besonderes Protokoll aufgenommen und dleses sofort dem Staatsanwalte mitgeteilt werden. Beantragt diese~ nich.t ~ie Einleitung des Strafverfahrens, so smd dIe m Beschlag genommenen Gegenstände unverzüglich zurückzugeben.

111. Dur c h s u c h u n gun d B e s chi a gnahme vO'n Papieren

§ 145. (1) Bei der Durchsuchung von Papieren ist dafür zu sorgen, daß deren Inhalt nicht zur Kenntnis unbefugter Personen gelange.

(2)
Will der Inhaber von Papieren deren Durch~uchung nimt gestatten, so sind diese versiegelt bei Gericht zu hinterlegen; auch ist sofort die Entscheidung der Ratskammer einzuholen. ob sie durmsumt oder zurückgegeben werden sollen.
(3)
Auch außerdem sind Papiere, die in gerichtliche Verwahrung genommen wurden und die nimt sofort verzeichnet werden können, in

360

211. Stü&: -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

einen mit dem Gerichtssiegel zu V'erscliließenden Umschlag zu bringen. Aum dem bei der Durmsuchung etwa anwesenden Beteiligten ist die Beidrüdtung seines Siegels zu gestatten. Wird eine Entsiegelung V'orgenommen, so ist der Beteiligte aufzufordern, ihr beizuwohnen. Erscheint er auf eine solme Aufforderung nimt oder kann ihm diese wegen seiner Abwesenheit nidlt zugestellt werden, so ist die Entsiegelung df:nnoch vorzunehmen.

IV.B esc h 1ag n ahme u ndö ff n u ng von Briefen und anderen Sendungen

§ 146. (1) Befindet sich der Beschuldigte bereits wegen einer vorsätzlim begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung in Haft oder ist wegen einer solmen ein Vorführungs-oder Haftbefehl gegen ihn erlassen, so kann der Untersumungsrichter Telegramme, Briefe oder andere Sendungen, die der Beschuldigte abschidtt oder die an ihn gerichtet werden, in Besmlag nehmen und von den Post-oder Telegraphenämtern und sonstigen Beförderungsanstalten deren Auslieferung verlangen. (BGBI. Ny. 423/1974, Art. I Z. 42)

(2) Diese sind ferner verpflichtet, auf Verlangen des Staatsanwaltes solme Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlimen Verfügung zuruduuhalten; ergeht jedom eine solche Verfügung des Untersuchungsrichters nicht binnen drei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nidlt weiter verschieben.

§ 147. (1) Die öffnung der mit Besmlag belegten Sendungen kann nur durm den Untersumungsrichter, und zwar mit Zustimmung des Besdtuldigten ohneweiters gesmehen. Wenn der Beschuldigte nicht zustimmt, hat der Untersuchungsrichter, sofern nicht Gefahr im Verzug ist, vorläufig die Genehmigung der Ratskammer einzuholen.

(2) Bei der öffnung, über die ein Protokoll aufzunehmen ist, dürfen die Siegel nimt verletzt werden; Umsmläge und Adressen sind aufzubewahren.

§ 143. Die Besmlagnahme von Sendungen ist dem Beschuldigten oder, wenn er abwesend ist, einem seiner Angehörigen sogleich und längstens binnen vierundzwanzig Stunden bekanntzumachen. Sind Sendungen geöffnet worden, so Bind Briefe und Telegramme, sofern von der Mitteilung ihres Inhaltes kein nachteiliger Einfluß für die Untersumung zu besorgen ist, dem Besdtuldigten odu du Person, an die sie gerichtet sind, in Urschrift oder Absdtrift, ganz oder :auszugsweise mitzuteilen. Ist der Beschuldigte abwesend, so geschieht die Mitteilung an einen seiner Angehörigen. SInd keine Angehörigen des Besmuldigten vorhanden, SO ist der Brief, wenn der Ricbter es im Interesse des Absenders eradll~

tet, diesem zurüdtzusdü&:en, oder es ist ihm, falls der Brief oder das Telegramm bei den Akten bleiben muß, die vorgenommene Beschlagnahme anzuzeigen.

§ 149. In Besdtlag genommene Sendungen, deren öffnung nicht für nötig erachtet wurde, sind ohne Verzug denen auszufolgen, an die sIe gerimtet sind, oder der Beförderungsanstalt zurüdtzugeben.

V. 0 b e r w ach u n gei n e s F e r nmeldeverkehrs

(BGBI. Ny. 423/1974, Art. I Z. 43)

§ 149 a. (1) Die Oberwachung eines Fernmeldeverkehrs einschließlidt der Aufzeidtnung seines Inhaltes ist nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß dadurdt die Aufklärung einer vorsätzlim begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gefördert werden kann, und wenn

  1. der Inhaber der Fernmeldeanlage selbst dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben, oder .
  2. Gründe für die Annahme vorliegen, daß sim eine der Tat dringend verdächtige Person beim Inhaber der Anlage aufhalte oder sidt mit ihm unter Benützung der Anlage in Verbindung setzen werde, es sei denn, daß der Inhaber eine der im § 152 Abs. 1 Z. 2 genannten Personen ist, oder
  3. der Inhaber der Anlage der Oberwadtung ausdrüddidt zustimmt.
(2)
Die Anordnung der Oberwamung des Fernmeldeverkehrs steht der Ratskammer zu. Bei Gefahr im Verzuge kann aum der Untersumungsrichter diese Anordnung treffen, doch hat er unverzüglich die Genehmigung der Ratskammer einzuholen. Wird die Genehmigung verweigert, so hat der Untersudtungsridtter die Anordnung sofort zu widerrufen und die Aufzeidmungen vernidtten zu lassen.
(3)
Um die Durdtführung der Oberwamung des Fernmeldeverkehrs im Einvernehmen mit den Fernmeldebehörden sind die SidterheitSbehörden zu ersuchen 26).
§ 149 b. (1) Sobald die Voraussetzungen für die weitere Oberwadtung des Fernmeldeverkehrs weggefallen sind, hat die Ratskammer die sofortige Beendigung der überwachung anzuordnen. Diese Anordnung obliegt dem Untersuchungsridtter, wenn zugleich das Strafverfahren eingestellt wird.
(2)
Nadt Beendigung der Oberwamung hat der Untersumungsrichter dem Inhaber der überwachten Fernineldeanlage und dem Verdädttigen (Besdtuldigten) die Tatsache der Oberwamung mitzuteilen. Zugleidt ist dem Inhaber der Fernmeldeanlage Gelegenheit zur Einsidttnahme in die Aufzeidtnungen zu geben. desgleidten dem vom

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Inhaber der Fernmeldeanlage verschiedenen Verdächtigen (Beschuldigten), diesem jedoch nur insoweit, als die Aufzeichnungen für das gegenwärtige oder für ein erst einzuleitendes Strafverfahren gegen ihn von Bedeutung sein können. Bei der Einsichtnahme können der Inhaber der Fernmeldeanlage und der Verdächtige (Beschuldigte) verlangen, daß die von ihnen eingesehenen Aufzeichnungen aufbewahrt werden. Wird kein solmes Verlangen gestellt, so hat der Untersumungsrichter die Aufzeimnungen nur so weit zu den Akten zu nehmen, als sie für das gegenwärtige oder ein erst einzuleitendes Strafverfahren von Bedeutung sein können; die nicht zu den Akten genommenen Aufzeichnungen hat er vernichten zu lassen.

(3) Erachtet sich der Inhaber der überwachten Fernmeldeanlage dadurch beschwert, daß die überwachung von der Ratskammer angeordnet, genehmigt oder aufremterhalten worden ist, so steht ihm die binnen vierzehn Tagen nach der Mitteilung des Untersumungsrichters einzubringende Besmwerde an den Gerimtshof zweiter Instanz zu 114). Wird die Beschwerde für berechtigt erkannt, so ist zugleim anzuordnen, daß alle durm unzulässige überwachung gewonnenen Aufzeimnungen zu vernichten sind, sofern nicht nam Abs. 2 ihre Aufbewahrung verlangt worden ist.

XIII. Hauptstück

Von der Vernehmung der Zeugen

§ 150. In der Regel ist jeder, der als Zeuge vorgeladen wird, verpflichtet, der Vorladung Folge zu leisten und über das, was ihm vom Gegenstande der Untersuchung bekannt ist, vor Gericht Zeugnis abzulegen.

§ 151. Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage nicht vernommen werden:

  1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde;
  2. Staatsbeamte, wenn sie durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, insofern sie dieser Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind;
  3. Personen, die zur Zeit, in der sie das Zeugnis ablegen sollen, wegen ihrer Leibes-oder Gemütsbeschaffenheit außerstande sind, die Wahrheit anzugeben.

S 152. (I) Von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses sind befreit:

1. Die Angehörigen des Beschuldigten (§ 72 StGB), wobei die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; (BGBI. NT. 423/1974. Art. 1 Z. 44)

2. Verteidiger über das, was ihnen in dieser Eigenschaft vom Beschuldigten anvertraut worden ist, und Rechtsanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, wa,s ihnen in dieser Eigenschaft von ihrem Vollmachtgeber anvertraut worden ist. (BGBI. Nr. 143/1972, Art. 1 Z.l)

(2)
Steht eine als Zeuge vorgeladene Person nur zu einem von mehreren Beschuldigten in einem der vorstehend erwähnten Verhältnisse, so kann sie sich des Zeugniss!!s hinsichtlich der anderen nur dann entschlagen, wenn eine Sonderung der Aussagen, die die anderen betreffen, nicht möglich ist.
(3)
Der Untersuchungsrichter hat die unter Abs. 1 Z. 1 bezeichneten Personen, wenn sie als Zeugen vorgerufen werden, ,,"or ihrer Vernehmung oder doch, sobald ihm ihr Verhältnis zum Beschuldigten bekannt wird, über ihr Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, zu belehren und ihre darüber abgegebene Erktirung in das Protokoll aufzunehmen. Hat der Zeuge auf sein Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nicht ausdrücklich verzichtet, so ist seine Aussage nichtig.

§ 153. Wenn die Ablegung des Zeugnisses oder die Beantwortung einer Frage für den Zeugen oder einen seiner Angehörigen 152 Abs. 1

Z. 1) Schande oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung, oder eines unmittdbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils mit sich brächte, und er deshalb das Zeugnis verweigert, so soll er nur zum Zeugnis verhalten werden, wenn dies wegen der besolllderen Bedeutung seiner Aussage unerläßlich ist.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 45)

§ 154. Personen, die durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht :tU erscheinen verhindert sind, können in ihrer Wohnung vernommen werden.

§ 155. (Aufgehoben)

§ 156. Ist der Aufenthaltsort eines Zeugen außerhalb des Sprengels des am Sitze des Untersumungsrimters befindlichen laezirksgerichtes gelegen, so ist die Vernehmung in der Regel durch das Bezirksgerimt zu veranlassen, in dessen Bezirk sim der Zeuge befindet. Hält jedoch der Untersuchungsrimter es ZUI' Erlangung einer ersmöpfenden Aussage oder zur Beschleunigung der Sache für notwendig, del!l Zeugen selbst zu vernehmen, so kann er ihn, unmittelbar. oder durch das Bezirksgerimt, dem der Zeuge untersteht, zum persönlidlen Erscl:teinen vorladen. Ist die Stellung des Zeugen vor den Untersumungsrimter mit zu großen Schwil~rigkeiten oder mit zu großen Kosten verbunden" so kann er ihn an dessen Aufenthaltsort auch sellbst vernehmen. hat jedoch, wenn dieser nicht uu Sprengel des Gerich.tshofes liegt. dem er aDi;ehört. den zustäa

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digen Gerichtshof davon gleichzeitig zu benachrichtigen.

§ 157. Sind Zeugen zu vernehmen, die sich außerhalb des Gebietes der Republik österreim befinden, so ist in der Regel um deren Vernehmung der zuständige fremde Rimter zu ersumen. Diesem sind die Gegenstände und Fragen mitzuteileri, worüber die Vernehmung stattzufinden hat; zugleich ist das Ersumen zu stellen, nam Besmaffenheit der Umstände die Vernehmung aum auf solche Fragepunkte auszudehnen, die sim aus dem Inhalte der vom Zeugen abgelegten Aussage ergeben werden. Stellt sich aber das persönlime Ersmeinen eines solchen Zeugen vor dem Strafgerimt als notwendig dar, so ist, wenn der Zeuge sim nimt freiwillig einfindet, darüber dem Bundesministerium für Justiz Bei'icht zu erstatten.

§ 158. (1) Steht die zu vernehmende Person in einem öffentlimen Amt oder Dienst und muß zur Wahrung der öffentlimen. Sicherheit oder anderer öffentlimer Interessen eine Stellvertretung während ihrer Verhinderung eintreten, so ist der unmittelbare Vorgesetzte von deren Vorladung gleichzeitig zu benamrichtigen.

(2) Diese Vorsmrift hat aum dann. zu gelten, wenn Angestellte von Eisenbahnen und Dampfsmiffen, Berg-, Hütten-, Hammer-und Walzwerksarbeiter, im Bundes-, Landes-oder Gemeindedienste stehende Sanitätspersonen, im öffentlimen oder Privatforstdienste stehende Perßonen vorzuladen sind.

§ 1591. Wenn ein Zeuge der ihm zugestellten Vorladung nicht Folge leistet, so ist er neuerlim unter Androhung einer Geldstrafe bis zu fünftausend Smilling für den Fall des Nimtersmeinens und unter der weiteren. Drohung vorzuladen, daß ein Vorführungsbefehl gegen ihn werde erlassen werden. Bleibt der Zeuge ohne gültige Entsmuldigungsgründe dennom aus, so hat der Untersumungsrimter die Geldstrafe wider ihn zu verhängen und den Vorführungsbefehl auszufertigen. In dringenden Fällen kann der Untersumungsrichter smon nam dem ersten nimt gerechtfertigten Ausbleiben gegen ihn einen Vorführungsbefehl erlassen. Die Kosten der Vorführung hat der Zeug.e zu vergüten.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art.l Z. 46)

§ 160. Ersmeint der Zeuge, verweigert er aber ohne gesetzlichen Grund, ein Zeugnis abzulegen oder den Zeugeneid zu leisten, so kann ihn der Untersumungsriditer durm Verhängung einer Beugestrafe bis zu fünftausend Schilling und bei weiterer Weigerung in wichtigen Fällen durm Verhängung einer Beugehaft bis zu sems Woooen dazu anhalten, ohne daß deshalb die Fortsetzung oder Beendigung der Voruntersumung aufgehalten werden muß.

(BGBI. Nf. 423/1974, Art.! Z. 47)

§ 161. Die Mitglieder der Gendarmerie und Simerheitswame sind, wenn sie als Zeugen zu vernehmen sind, immer wie Personen aus dem Zivilstande zu behandeln. Die Vorladungen an sie sind jedom nur den selbständigen Kommandanten unmittelbar, den übrigen Mitgliedern dieser Körper aber immer durm ihre Vorgesetzten zuzustellen; diesen obliegt es, das Ersmeinen des Vorgeladenen vor dem Gerimt anzuordnen.

§ 162. (1) Jeder Zeuge wird vom Untersuchungsrimter in der Regel ohne Beisein des Anklägers, des Privatbeteiligten, des Besmuldigten oder anderer Zeugen einzeln vernommen.

(2)
Besteht auf Grund bestimmter Tatsachen die Wahrsmeinlimkeit, daß das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs. 1 Z. 1 zu verlesen sein wird, so hat der Untersuchungsrimter dem Ankläger, dem Privatbeteiligten, dem Besmuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit zu geben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen. an den Zeugen zu stellen 249).
(3)
Von der nam Abs. 2 einzuräumenden Gelegenheit zur Beteiligung an der Vernehmung kann im Interesse der Untersuchung, insbesondere wenn durm die Beteiligung eine erheblime Verzögerung des Verfahrens oder eine Ersmwerung der Wahrheitsfindung zu besorgen wäre, von vornherein oder zeitweise Abstand genommen werden. In diesem Fall ist den Parteien Gelegenheit zu geben, den wesentlimen Inhalt der in ihrer Abwesenheit abgelegten Aussage zu erfahren.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 48)

§ 163. Ist ein Zeuge der Gerimtssprache nimt kundig, so ist ein Dolmetsm zuzuziehen, wenn nimt sowohl der Untersumungsrimter als auch der Smriftführer der fremden Sprame mämtig sind. In dieser Sprame ist die Aussage des Zeugen nur dann im Protokoll oder in einer Beilage aufzuzeichnen, wenn es notwendig ist, den Vernommenen unter Beibehaltung seiner eigenen Ausdrücke redend anzuführen (§ 104 Abs. 3).

§ 164. Ist ein Zeuge taub, so werden ihm die Fragen smriftlim vorgelegt, und ist er stumm, so wird er aufgefordert, smriftlim zu antworten. Wenn die eine oder die andere Art der Vernehmung nimt möglim ist, so muß die Vernehmung des Zeugen unter Zuziehung einer oder mehrerer Personen geschehen, die seiner Zeimensprame kundig sind oder sonst die Gesmicklimkeit besitzen, sim mit Taubstummen zu verständigen, und die vorher als Dolmetsme zu beeidigen sind.

§ 165. Der Zeuge ist vor seiner Vernehmung zu ermahnen, daß er auf die an ihn zu ridttenden Fragen nam seinem besten Wissen und Gewissen die reine Wahrheit anzugeben, nimts zu versmweigen und seine Aussage so abzulegen

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habe, daß er sie erforderlichenfalls eidlich bekräftigen könne.

§ 166. (1) Sodann ist der Zeuge um Vor-und Familiennamen, Geburtsdatum, Beruf, Wohnort und erforderlichenfalls über andere persönlime Verhältnisse, insbesondere über sein Verhältnis zum Beschuldigten oder zu anderen bei der Untersuchung Beteiligten zu befragen. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 49)

(2) Erscheint es dem Untersuchungsrichter nach den besonderen Umständen des Falles unumgänglich notwendig, so kann der Zeuge auch darüber gefragt werden, ob er schon einmal in einer strafgerichtlichen Untersuchung gestanden war und welches Ergebnis sie hatte.

§ 167. Bei der Vernehmung über die Sache selbst ist der Zeuge zunächst zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Tatsachen, sodann aber zu deren Ergänzung und zur Behebung von Dun~elheiten oder Widersprüchen zu veranlassen. Der Zeuge ist insbesondere aufzufordern, den Grund seines Wissens anzugeben. Fragen, durch die ihm Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden und, wenn sie gestellt werden müssen, im Protokoll ersichtlich zu machen.

§ 168. (1) Wird es notwendig, die Anerkennung von Personen oder Sachen durch den Zeugen zu erlangen, so ist die Vorstellung oder Vorlegung in angemessener Weise zu veranlassen; jedoch ist der Zeuge vorher zur gen auen Beschreibung und Angabe der unterscheidenden Kennzeichen aufzufordern.

(2)
Stimmen Aussagen von Zeugen untereinander in erheblichen Umständen nicht überein, so kann der Untersuchungsrichter deren Gegenüberstellung veranlassen.
(3)
Die Gegenüberstellung soll in der Regel nicht zwischen mehr als zwei Personen zugleich geschehen. Die Gegenübergestellten sind über jeden einzelnen Umstand, in Beziehung auf den sie voneinander abweichen, besonders zu vernehmen; die beiderseitigen Antworten sind zu Protokoll zu bringen.

§ 169. Die Beeidigung von Zeugen ist in der Voruntersuchung nur dann zulässig, wenn bei einem Zeugen wegen Krankheit, längerer Abwesenheit, wegen des Mangels eines bestimmten Aufenthaltsortes oder aus anderen Gründen zu besorgen ist, daß er bei der Hauptverhandlung nicht werde gegenwärtig sein können, wenn der Ankläger oder der Beschuldigte die Beeidigung eines Zeugen aus wichtigen Gründen beantragt oder wenn der Untersuchungsrichter nur durch die Forderung der eidlichen Bestätigung der Zeugenaussage die volle Wahrheit erfahren zu könneg ·glaUbt.

§ 170. Folgende Personen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit des Eides nicht beeidigt werden:

  1. die selbst überwiesen sind oder im Verdachte stehen, daß sie die strafbare Handlung, derentwegen sie abgehört werden, begangen oder daran teilgenommen haben;
  2. die sich wegen einer vorsät:dich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung in Untersuchung befinden oder wegen einer solchen zu ein.er Freiheitsstrafe verurteilt sind, die sie noch zu verbüßen haben; (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. JO)
  3. die schon einmal wegen falsmer Beweisaussage vor Gericht verurteilt worden sind; (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. ~jO)
  4. die zur Zeit ihrer Abhörwlg das vierzehnte Lebensjahr nom nicht zurückgelegt haben;
  5. die an einer erheblimen Sdlwäme des Wahrnehmungs-oder Erinnerungsvermögens leiden;
  6. die mit dem Beschuldigten, gegen den sie aussagen, in einer Feindschaft leben, die nach Maßgabe der Persönlichkeiten und nach den Umständen geeignet ist, die volle Glaubwürdigkeit der Zeugen auszuschließen;
  7. die in ilirem Verhöre wesentliche Umstände angegeben haben, deren Unwahrheit bewiesen ist und worüber sie nicht eim:n bloßen Irrtum nachweisen können.

§ 171. Vor dem Untersuchungsrichter ist die Beeidigung des Zeugen erst nach der Abhörung unter Beobachtung des Gesetzes vom 3. Mai 1868, RGBl. Nr. 33, vorzunehmen.

§ 172. (1) Der durch ein Verbrechen oder Vergehen in seinem Rechte Verletzte ist bei seiner Vernehmung als Zeuge insbesondere darüber zu befragen, ob er sich dem Strafverfahren anschließe.

(2) Auch in diesem Fall, und wenn er als Ankläger auftritt, sind alle über die Zeugen vernehmung erteilten Vorschriften auch auf ihn anzuwenden.

XIV. Hauptstü.ck

Von der Vorladung, Vorführung, vorläufigen Verwahrung und Verhaftung des Beschuldigten

I. Vorladung

§ 173. (1) Der Beschuldigte wird, wo das Gesetz nichts anderes vorschreibt, zuerst nur zur Vernehmung vorgeladen.

(2) Diese Vorladung geschie1J.t durch Zustellung einer vom Untersuchungsrichtl:r unterzeichneten, an den Vorzuladenden geridlteten schriftlichen und verschlossenen Ladung. Diese muß den Namen des Gerich.es und des Vorgeladenen, die allgemeine Bezeichnung des Gegenstandes der Untersuchung, den Ort, den ']~ag und die Stunde des Erscheinens und den Beisatz enthalten. daß

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der Vorgeladene als Beschuldigter vernommen werden solle und im Falle seines Ausbleibens persönlich werde vor Gericht geführt werden.

II. V 0 rf ü h run g, v 0 rl ä u f i g e Ver w a h

run gund 0 r den tl ich e U n t e rsuchungshaft

§ 174. Erscheint der Vorgeladene rucht, ohne eine hinreichende Entschuldigungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher VorführungsbefeM gegen ihn auszufertigen.

§ 175. (1) Auch ohne vorangegangene Vorladung kann der Untersuchungsrichter die Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen:

  1. wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt oder mit Waffen oder anderen Gegenständen betreten wird, die vom Verbrechen oder Vergehen herrühren oder sonst auf seine Beteiligung daran hinweisen;
  2. wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten;
  3. wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde dies versuchen; oder
  4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde die Tat wiederholen oder die versuchte oder angedrohte Tat ausführen.

(2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muß die vorläufige Verwahrung des Verdächtigen angeordnet werden, es sei denn, daß auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 1 Z. 2 bis 4 angeführten Haftgrunde sei auszuschließen. (BGBl. NT. 423/1974, ATt.1 Z. 51)

(BGBl. NT. 273/1971, Art. 11 Z. 4)

§ 176. (1) Der Untersuchungsrichter hat in diesen Fällen (§ 175) einen mit Grunden versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen, der dem Beschuldigten sogleidl bei seiner Verhaftung oder doch innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuzustellen ist.

(2) W"lrd eine der im § 158 erwähnten Personen in Haft genommen. so ist deren unmittelbarer Vorgesetzter mevon unverzüglidt und, sofern keine besonderen Bedenken entgegenstehen. noch vor dem Vollzuge des Haftbefehles in Kenntnis zu setzen. W"lrd die Haft wieder aufgehoben, so ist auch dies sofort mitzuteilen.

§ 177. (1) Ausnahmsweise kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbredtens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den UntersudlUngsrichter auch durch einen zur Untersuchung nicht zuständigen Richter und dunh Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden:

    1.
    in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 1 sowie
  1. in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und Abs. 2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

(2) Der in Verwahrung Genommene ist durch den Richter oder die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleich freizulassen, sonst aber binnen achtundvierzig Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 5)

§ 178. (1) Wenn der Beschuldigte nach seiner Vernehmung der ihm zur Last gelegten Tat verdächtig bleibt und einer der im § 175 erwähnten Fälle' vorhanden ist, kann das für die Vorerhebungen zuständige Bezirksgericht 89) beschließen, daß der Beschuldigte bis auf weitere Weisung des Untersuchungsrichters in Verwahrung zu bleiben habe.

(2) Dieser Beschluß samt Gründen ist dem Beschuldigten mündlich zu eröffnen; diese Mitteilung ist im Protokoll zu vermerken. Verlangt jedoch der Beschuldigte, vor den Untersuchungsrichter gestellt zu werden, so ist er längstens binnen achtundvierzig Stunden an ihn abzuliefern.

§ 179. (1) Jeder dem Gericht Eingelieferte oder auf Befehl des Untersuchungsrichters Vorgeführte ist durch den Untersuchungsrichter binnen vierundzwanzig Stunden zu vernehmen. Ist dies nicht möglich, so kann der Beschuldigte zwar einstweilen in Verwahrung behalten werden, es ist jedoch seine Vernehmung so bald als möglich, und zwar längstens innerhalb dreier Tage einzuleiten und der Grund, warum sie nicht fruher stattfinden konnte, im Protokoll anzumerken.

(2) Nach der Vernehmung hat der Untersuchungsrichter sofort zu beschließen, ob der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gestellt oder wider ihn die ordentliche Untersuchungshaft verhängt werden solle.

§ 180. (1) Die Untersuchungshaft darf nur verhängt werden, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, ein bestimmtes Verbrechen oder Vergehen begangen zu haben, einer der

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in den Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründe vorliegt und der Beschuldigte durch den Untersuchungsrichter bereits zur Sache und zu den VorauSsetzungen der UntersudlUngshaft vernommen worden ist.

(2) Die Verhängung der Untersuchungshaft setzt abgesehen von den Fällen des Abs. 7 voraus, daß auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuße

  1. wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten (Fluchtgefahr),
  2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen (Verdunkelungsgefahr) oder
  3. die Tat wiederholen (Wiederholungsgefahr) oder die versuchte oder angedrohte Tat ausführen (Ausführungsgefahr).
(3)
Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer strafbaren Handlung verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünf jähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, daß er bereits Anstalten zur Flucht getroffen hat. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 52)
(4)
Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können, eine Untersuchungshaft aus den Gründen des Abs. 2 auch dann nicht, wenn die Haftzwecke durch Anwendung eines oder mehrerer gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden können. Wird von der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wegen einer gleichzeitigen Strafhaft Abstand genommen, so hat der Untersuchungsrichter die Abweichungen vom Vollzug der Strafbaft zu verfügen, die für die Zwecke der Untersuchung unentbehrlich sind.
(5)
Als gelindere Mittel sind anwendbar:
  1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu flüchten noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsort zu entfernen;
  2. das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Untersuchung zu vereiteln;
  3. die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder einen bestimmte!ll Umgang zu meiden, sich. a:lkoholisch.er Getränke oder anderer berausdten der Mittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nadtzugehen;
  1. die Weisung, jeden Wedtsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei Gerich.t oder einer anderen Stelle zu melden;
  2. die vorübergehende Abnahme der Reisepapiere;
  3. die vorübergehende Abnahme der zur Führung eines Fahrzeuges nötigen Papiere;
  4. die Leistung einer Sich.erheit nach. den §§ 190 bis 192.
(6)
Können die Haftzwecke durch die gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art oder die Anwendung gelinderer Mittel nich.t erreidtt werden, oder würde die Untersuchung durdt die Aufrechterhaltung der Strafhaft oder der Haft anderer Art wesentlidt ersdtwert, so ist vom Untersuchungsridtter die Untersuchungshaft zu verhängen. Damit tritt im Falle der Strafhaft eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.
(7)
Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muß die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, daß auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführten Haftgründe sei auszuschließen. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 52)
(8)
Der Beschluß des Untersuchungsridtters auf Verhängung der Untersuchungshaft samt Begründung ist dem Beschuldigten sofort zu eröffnen und binnen vierundzwanzig Stunden auch. schriftlich zuzustellen. Die mündliche Eröffnung ist im Protokoll zu vermerken. In der Begründung sind insbesondere auch. die bestimmten Tatsachen anzugeben, auf Grund derer das Gericht das Vorliegen eines oder mehrerer der im Abs. 2 angeführten Haftgründe angenommen hat.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 6)

§ 181. Begibt sich der Untersudtungsridtter gleich nach. Verübung eines Verbrech.ens oder Vergehens an Ort und Stelle, um den Tatbestand zu erheben, so kann er jedem, bei dem er es notwendig findet, verbieten, während desselben oder auch noch während des folgenden Tages seinen Aufenthaltsort zu verlassen. Der Untersuchungsrichter kann über Personen, die diesem Befehle zuwiderhandeln, nadt den Umständen des Falles eine Geldstrafe bis zu fünftausend Scbilling oder eine Freiheitsstrafe bis zu ach.t Tagen verhängen.

(BGBl. N,. 273/1971, Art. II Z. 7; BGBl. N,. 423/1974, Art. I Z. 13)

§ 182. Dem Beschuldigten ist für die Zeit. die er nodt in Untersuch.ungshaft angehalten wird, von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, wenn weder er selbst noch. sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger gewählt und die Untersuch.ungshaft schon aedu Monate gedauert hat. Liegen die VoraussetzuJlgeo

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des § 41 Abs. 2 vor, so ist dem Beschuldigten nach dieser Gesetzesstelle ein Verteidiger beizugeben.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. 1I Z. 8)

IH. B e h a n d I u n g der U n t e r s u c h u n g s
häftlinge
(BGBl. Nr. 143/1972, Art. I Z. 2)

§ 183. (1) Auf die Anhaltung in Untersuchungshaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden, es sei denn, daß in dieser Strafprozeßordnung etwas Besonderes bestimmt ist. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 54)

(2) Die Bestimmungen über die Anhaltung in Untersuchungshaft gelten auch für die vorläufige Verwahrung, wenn diese in einem gerichtlichen Gefangenenhaus durchgeführt wird.

§ 184. Die Anhaltung in Untersuchungshaft soU den im § 180 Abs. 2 bezeichneten Gefahren entgegenwirken. Nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und der darauf gegründeten Vorschriften dürfen den Untersuchungshäftlingen nur jene Besdlränkungen auferlegt werden, die der Erreichung der Haftzwecke oder der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten dienen. Die UntersudlUngshäftlinge sind mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühls, der Menschenwürde und mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln.

§ 185. Der Untersuchungshäftling ist in dem Gefangenenhaus des für das Strafverfahren zuständigen Gerichtshofes anzuhalten. Das Bundesministerium für Justiz hat jedoch die Zuständigkeit des Gefangenenhauses eines anderen Gerid1tshofes anzuordnen, wenn dies zur Erreichung der Haftzwecke notwendig ist.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 55)

§ 186. (1) Die Untersuchungshäftlinge sind womöglich einzeln zu verwahren. Personen verschiedenen Geschlechtes sind getrennt anzuhalten. Untersuchungshäftlinge, die der B.eteiligung an derselben strafbaren Handlung verdächtigt werden, sind so zu verwahren, daß sie nicht miteinander verkehren können. Nicht oder nur wegen geringfügiger strafbarer Handlungen vorbestrafte Untersuchungshäftlinge sollen nicht gemeinsd1aftlich mit anderen Untersuchungshäftlingen und Untersuchungshäftlinge nicht gemeinschaftlich mit Strafgefangenen verwahrt werden.

(2)
Die Untersuchungshäftlinge dürfen eigene Kleidung und Leibwäsche tragen, soweit sie über ordentliche Kleidungs-und Wäschestücke verfügen.
(3)
Den Untersumungshäftlingen ist auf ihr Ansuchen zu gestatten, daß ihnen auch andere als die im S 33 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes

genannten eigenen Gegenstände in ihren Gewahrsam überlassen werden, soweit kein Mißbrauch zu befürchten ist und die erforderliche überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Die überlassung von Nahrungs-und Genußmitteln ist jedoch nur in den im Strafvollzugsgesetz bestimmten Fällen gestattet.

(4)
Bequemlichkeiten und Beschäftigungen dürfen sich Untersuchungshäftlinge auf ihre Kosten verschaffen, insofern sie mit dem Zwecke der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung des Hauses stören noch die Sicherheit gefährden. Die Untersuchungshäftlinge haben das Recht, sich während der in der Tageseinteilung als Arbeitszeit oder Freizeit bestimmten Zeit selbst zu beschäftigen, soweit dadurch nicht die Haftzwecke oder die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet oder Mithäftlinge belästigt werden.
(5)
Arbeitsfähige Untersuchungshäftlinge können unter den für Strafgefangene geltenden Bedingungen arbeiten, wenn sie sich dazu bereit erklären und die Arbeit ohne Beeinträd1tigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist und von ihr auch keine Nachteile für die Untersuchung zu befürchten sind. Die den Untersuchungshäftlingen zustehende Arbeitsvergütung ist ihnen zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben. Die §§ 54 Abs. 4 und 156 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes finden keine Anwendung. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 56)
(6)
Einzelnummern oder Teile von Zeitungen und Zeitschriften dürfen einem Untersuchungshäftling dann nicht zugänglich gemacht werden, wenn von ihnen Nachteile für die Untersuchung oder eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu besorgen sind.
(7)
Ein .waffengebrauch nach § 105 Abs. 6 Z. 3 des Strafvollzugsgesetzes ist nur zulässig, wenn der Untersuchungshäftling eines Verbrechens dringend verdächtig ist, das ihn als einen für die Sicherheit des Staates, der Person oder des Eigentums allgemein gefährlichen Menschen kennzeimnet.

§ 187. (1) Die Untersuchungshäftlinge dürfen unbeschadet des § 45 dieses Bundesgesetzes und der §§ 85 und 88 des Strafvollzugsgesetzes mit allen Personen, von denen keine Beeinträchtigung des Zweckes der Untersuchungshaft zu befürchten ist, schriftlich verkehren und von solchen Personen Besuche empfangen.

(2) Der Briefverkehr unterliegt keinen Beschränkungen, es sei denn, daß durch den außerordentlichen Umfang des Briefverkehrs eines Untersuchungshäftlmgs die überwachung beeinträchtigt wird.. In diesem Fall sind diejenigen Beschränkungen anzuordnen, die für eine einwandfreie über.wachung notwendig sind. Schrei

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

ben, von denen eine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist, sind zurückzuhalten, soweit sich nicht aus den Bestimmungen der §§ 88 und 90 Abs .. 4 des Strafvollzugsgesetzes über den schriftlichen Verkehr mit Behörden und Rechtsbeiständen etwas anderes ergibt. Schreiben der Untersuchungshäftlinge, die den Verdacht erwecken, daß durch sie eine nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchende strafbare Handlung begangen wird, sind stets zurückzuhalten, es sei denn, daß sie an einen inländischen allgemeinen Vertretungskörper, ein inländisches Gericht oder eine andere inländische Behörde oder ap. die Europäische Kommission für Menschenrechte gerichtet sind.

(3) Die Untersuchungshäftlinge dürfen Besuche innerhalb der Amtszeit so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als die erforderliche überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Es darf den Untersuchungshäftlingen jedoch in keinem Fall verwehrt werden, mindestens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von einer Viertelstunde zu empfangen.

§ 188. (1) Die Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verk,ehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt beziehen, stehen, mit Ausnahme der überwachung der Paketsendungen, dem Untersuchungsrichter zu. Von der überwachung des Briefverkehrs darf nur insoweit abgesehen werden, als davon keine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 57)

(2)
Die Entscheidungen nach § 16 Abs. 2 Z. 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes stehen der Ratskammer zu. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z.57)
(3)
Im übrigen stehen alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu. Vor jeder Entscheidung nach § 186 Abs. 3 erster Satz, Abs. 4 und Abs. 5 erster Satz, ist eine .Außerung des Untersuchungsrichters einzuholen. Die von den Untersuchungshäftlingen begangenen Ordnungswidrigkeiten sind dem Untersuchungsrichter mitzuteilen. Das gleiche gilt von Vorfällen, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist.

§ 189. Der Präsident des Geridltshofes erster Instanz oder der von ihm dazu bestellte Richter hat in dem bei dem Gerichtshof eingerichteten Gefangenenhaus wenigstens einmal in jeder Woche unvermutet in Abwesenheit des unmittelbar aufsichtführenden Vollzugsbediensteten Nachschau zu halten und die Abstellung der auf Grund der Befragung der Untersuchungshäftlinge festgestellten Mängel zu veranlassen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 58)

IV. Si c her h e i t sie ist u n g, Au fheb u n g der v 0 r1 ä u f i gen Ver w a hrung und der Untersuchungshaft

§ 190. Sofern es sich nicht um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf eine mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, kann die wegen Verdachtes der Flucht verhängte Haft gegen Kaution oder Bürgschaft für eine von der Ratskammer mit Rücksicht auf die Folgen der strafbaren Handlung, die Verhältnisse der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheit Leistenden zu bestimmende Summe und gegen Ablegung der im § 180 Abs. 5

Z. 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse auf Verlangen unterbleiben oder aufgehoben werden; sie muß gegen die angegebenen Sicherheiten auf Verlangen unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die strafbare Handlung nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 9 und 10; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 59)

§ 191. (1) Die Kautions-oder Bürgschaftssumme ist entweder in barem Geld oder in solchen Wertpapieren, die nach den bestehenden Gesetzen zur Anlegung der Gelder von Minderjährigen oder Pflegebefohlenen verwendet werden dürfen, nach dem Börsekurse des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Pfandbestellung auf unbewegliche Güter oder durch taugliche Bürgen 1374 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), die sich zugleich als Zahler verpflichten, sicherzustellen.

(2)
Die Kautions-oder Bürgschaftssumme ist vorn Gerichte für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte ohne Erlaubnis von seinem Wohnort entfernt oder auf die an ihn ergangene Vorladung, die im Falle seiner Nichtauffindung: nach § 111 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zuzustellen ist, binnen drei Tagen vor Gericht nicht erscheint.
(3)
Dieses Erkenntnis ist, sobald es rechtskräftig geworden ist, gleich jedem Urteil exekutionsfähig. Die verfallenen Sicherheitsbeträge sind an die Bundeskasse abzuführen; dom hat der durch die strafbare Handlung Geschädigte das Recht, zu verlangen, daß vor allem seine Entschädigungsansprüche daraus befriedigt werden.

(BGBl. NT. 273/1971, Art. Il Z. 9)

§ 192. (1) Wenn der Beschuldigte nach gestatteter Freilassung Anstalten zur Flucht trifft oder wenn neue Umstände vorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der

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Sicherheitsleistung zu verhaften; ist er in diesen Fällen verhaftet worden, so wird die Kautionsoder Bürgschaftssumme frei.

(2)
Dasselbe ist der Fan, sobald das Strafverfahren durch Einstellung oder durch Endurteil rechtskräftig beendigt ist.
(3)
über die Freigabe der Kautions-oder Bürgschafts summe entscheidet der Untersuchungsrichter, nach rechtskräftiger Versetzung in den Anklagestand oder Anordnung der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter aber der Vorsitzende (Einzelrichter).

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. Il Z. 9; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 60)

§ 193. (1) Sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Haft so kurz wie möglich dauere.

(2)
Die vorläufige Verwahrung, die Untersuchungshaft sowie die Anwendung gelinder er Mittel sind aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen; die Untersuchungshaft auch, sobald ihre Dauer im Verhältnis zu den zu erwartenden Strafen offenbar unangemessen ist. Im übrigen darf eLie Dauer der bloß aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr verhängten Untersuchungshaft 180 Abs. 2 Z. 2) zwei Monate, die Dauer der auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund verhängten Untersuchungshaft 180 Abs. 2
Z.
1 und 3 oder Abs. 7) sechs Monate nicht übersteigen. Auf Antrag des Untersuchungsrichters oder Staatsanwaltes kann der Gerichtshof zweiter Instanz wegen besonderer Schwierigkeit oder besonderen Umfanges der Untersuchung bestimmen, daß die bloß aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr verhängte Haft bis zu drei Monaten, die auch oder ausschließlich aus einem anderen Grunde verhängte Haft bis zu einem Jahr, wenn es sich aber um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, bis zu zwei Jahren dauern dürfe. Die zeitliche Beschränkung der auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund als dem der Verdunkelungsgefahr verhängten Untersuchungshaft entfällt, sobald der Beschuldigte rechtskräftig in den Anklagestand versetzt oder die Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter angeordnet worden ist.

(BGBI. NT. 273/1971, Art. 11 Z. 11; BGBI. NT. 423/1974, Art. 1 Z. 61)

§ 194. (1) Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt übereinstimmend der Meinung, daß die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach § 180 Abs. 2 Z. 1 bis 3 oder Abs. 7 wegFanen sind oder daß mit gelinderen Mitteln nam § 180 Abs. 5 Z. 1 bis 6 das Auslangen gef1xnden werden kann. so hat der Unter

suchungsrichter sogleich die Enthaftung des Untersuchungsgefangenen zu verfügen. Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt übereinstimmend der Meinung, daß das gelinden~ Mittel nach § 180 Abs. 5 Z. 7 angewendet werden soll, so hat der UntersudlUngsrichter unverzüglich bei der Ratskammer eine Entscheidung über die Höhe der Sicherheitsleistung zu beantragen 94) und nach Vorliegen dieser Entscheidung sogleich die Enthaftung gegen Sicherheitsleistung und Gelöbnis zu verfügen. Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Untersuchungsrichter und Staatsanwalt nur in Ansehung der Art oder des Umfanges der anzuwendenden gelinderen Mittel, so ist gleichfalls vor der Enthaftung die Entscheidung der Ratskammer einzuholen.. Schließlich ist die Entscheidung der Ratskammer auch einzuholen, wenn der Untersuchungsrichter entgegen der Ansicht des Staatsanwaltes der Meinung ist, daß die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach § 180 Abs. 2 Z. 1 bis 3 oder Abs. 7 weggefallen sind oder daß mit gelinderen Mitteln nach § 180 Abs. 5 Z. 1 bis 7 das Auslangen gefunden werden kann. In allen vorstehend angeführten Fällen macht es keinen Unterschied, ob ein Antrag auf Aufhebung der Untersuchungshaft (Enthaftungsantrag) vorliegt oder nicht.

(2)
über Enthaftungsanträge, über die nicht nach Abs. 1 entschieden werden kann, sowie über Beschwerden gegen die Verhängung der Untersuchungshaft durch den Untersuchungsrichter ist ohne Verzug bei einer Haftprufungsverhandlung zu entscheiden.
(3)
Eine Haftprufungsverhandlung ist von Amts wegen durchzuführen, wenn nicht ohnedies nach Abs. 2 eine solche Verhandlung stattfinden muß und entweder die Untersuchungshaft schon zwei Monate gedauert hat, ohne daß eine solche Verhandlung durchgeführt worden ist, oder seit der letzten Haftprüfungsverhandlung schon drei Monate verstrichen sind und der Beschuldigte keinen Verteidiger hat. Auf die nach zwei Monaten von Amts wegen durchzuführende Haftprüfungsverhandlung kann der Beschuldigte verzichten, wenn er einen Verteidiger hat.
(4)
Sobald der Beschuldigte rechtskräftig in den Anklagestand versetzt oder die Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter angeordnet worden ist, sind Haftprufungsverhandlungen nicht mehr durchzuführen.. Ober die Aufrechterhaltung der Haft entsmeidet außerhalb einer Hauptverhandlung die Ratskammer in nichtöffentlicher Sitzung.

(BGBI. NT. 273//971, Art. II Z. 11; BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 62)

§ 1\95. (1) Die Verhandlung und Entsmeidung darüber, ob die Untersuchungshaft fortzusetzen oder, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel, aufzuheben ist (Haftprufungsverhandlung),

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

obliegt der Ratskammer. Die Ratskammer kann vor DurdUührung der Verhandlung rasch durchführbare ergänzende Erhebungen durch den Untersuchungsrichter anordnen.

(2)
Zur Verhandlung sind der Staatsanwalt und der Veneidiger zu laden; der Beschuldigte ist von der Verhandlung zu verständigen. Die Vorladung des Verteidigers und die Verständigung des Beschuldigten sind so vorzunehmen, daß ihnen eine Vorbereitungszeit von wenigstens drei Tagen zur Verfügung steht. An der Verhandlung nimmt auch der Untersuchungsrichter teil.
(3)
Der Beschuldigte ist zur Verhandlung vorzuführen, es sei denn, daß seine Vorführung wegen Krankheit unmöglich ist. Wird der Beschuldigte nicht vorgeführt, so muß er während der Verhandlung durch einen Verteidiger vertreten sein. Hat weder der Beschuldigte selbst noch sein gesetzlicher Vertreter einen Verteidiger gewählt, so ist ihm für die Verhandlung von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben. Liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 vor, so ist dem Beschuldigten nach dieser Gesetzesstelle ein Verteidiger beizugeben.
(4)
Die Verhandlung ist nichtöffentlich. Sie hat sich auf die Haftfrage zu beschränken. Die Erreichung des Untersuchungszweckes darf durch die Verhandlung nicht gefährdet werden.
(5)
Zuerst trägt der Untersuchungsrichter eine Darstellung des bisherigen Ganges der Untersuchung vor. Hierauf erhält der Staatsanwalt das Won und dann der Beschuldigte oder sein Veneidiger zur Erwiderung. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gebührt das Recht der letzten ltußerung. Nach diesen Vorträgen zieht sich die Ratskammer zur Beratung zurück. Die Ratskammer entscheidet über die Fortdauer der Untersuchungshaft durch Beschluß, der vom Vorsitzenden mündlich zu verkünden ist.
(6)
Gegen den Beschluß der Ratskammer steht dem Staatsanwalt und dem Beschuldigten die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen.
(7)
Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen nach Verkündung des Beschlusses beim Vorsitzenden der Ratskammer einzubringen und von diesem ohne Verzug dem Gerichtshof zweiter Instanz vorzulegen. Die gegen die Aufhebung der Untersuchungshaft gerichtete Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, wenn sie sofort angemeldet und binnen drei Tagen ausgefühn wird.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11)

$ 196. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanz hat über die Beschwerde ohne Verzug zu entscheiden; er kann zuvor vom Untersuchungsrichter Aufklärungen verlangen oder rasch durchführbare ergänzende Erhebungen anordnen.

(2)
Der Gerichtshof zweiter Instanz entscheidet über die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung.
(3)
Entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz, daß die Haft aufzuheben ist, und treffen die dafür maßgebenden Umstände nach der Aktenlage auch bei einem Mitbeschuldigten zu, der keine Beschwerde eingebracht hat, so hat der Gerichtshof so vorzugehen, als ob eine solche Beschwerde vorläge.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 63)

§ 197. über die Aufhebung der Anwendung gelinderer Mittel entscheidet der Untersuchungsrichter. Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt hierüber aber verschiedener Meinung, so entscheidet die Ratskammer in nichtöffentlicher Sitzung.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11)

XV. Hauptstüdt

Von der Vernehmung des Beschuldigten

§ 198. (1) Der Beschuldigte ist in der Voruntersuchung ohne Beisein des Anklägers oder anderer hiezu gesetzlich nicht berufener Personen vom Untersuchungsrichter zu vernehmen. Diese Vernehmung muß mit Anstand und Gelassenheit vorgenommen werden. Sie findet in der Regel mündlich statt, doch kann der Untersuchungsrichter bei verwickelten Punkten auch eine schriftliche Beantwonung gestatten. Gerichtszeugen sind der Vernehmung des Beschuldigten nur dann beizuziehen, wenn es der Untersuchungsrichter für nötig erachtet oder der Beschuldigte verlangt.

(2)
Ist ein Verhafteter mit Fesseln belegt worden, so müssen ihm diese vor seiner Vernehmung abgenommen werden, sofern dies ohne Gefahr geschehen kann. Auch. ist jedem Beschuldigten während seiner Vernehmung ein Sitz zu gestatten.
(3)
Ist der Beschuldigte der Gerichtssprache nicht kundig oder ist er taub oder stumm, so sind die Vorschriften der §§ 163 und 164 zu beobachten.

§ 199. (1) Der Untersuchungsrichter hat vor dem Beginne der Vernehmung den Beschuldigten zu ermahnen, daß er die ihm vorzulegenden Fragen bestimmt, deutlich und der Wahrheit gemäß beantworte.

(2) Nach der Vernehmung über die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten hat ihm der Untersuchungsrichter das. Verbrechen oder Vergehen, dessen er beschuldigt ist, im allgemeinen zu bezeichnen und ihn zu veranlassen, daß er sich über die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Tatsachen in einer zusammenhängenden, umständlichen ErZählung äußere. Die wei

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

teren Fragen sind mit Vermeidung aller unnötigen Weitläufigkeit auf die Ergänzung der Erzählung, auf die Entfernung von Dunkelheiten und Widersprüchen zu richten und insbesondere so zu stellen, daß der Beschuldigte alle gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe erfahre und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und zu seiner Rechtfertigung erhalte. Gibt er Tatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung an, so müssen sie erhoben werden, sofern sie nicht offenbar nur zur Verzögerung angegeben wurden.

§ 200. (1) Die an den BesdlUldigten zu richtenden Fragen dürfen nicht unbestimmt, dunkel, mehrdeutig oder verfänglich sein; sie müssen eine aus der andern nach der natürlichen Ordnung fließen. Es ist daher insbesondere die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in denen eine vom Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden angenommen wird.

(2) Fragen, durch die dem Beschuldigten Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, oder durch die ihm die zu erforschenden Mitbeteiligten durch Namen oder andere leicht erkennbare Merkmale bezeichnet werden, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Beschuldigte nicht in anderer Weise zu einer Erklärung über sie geführt werden konnte. Die Fragen sind in solchen Fällen wörtlich in das Protokoll aufzunehmen.

§ 201. Gegenstände, die sich auf das Verbrechen oder Vergehen beziehen oder zur Oberweisung des Beschuldigten dienen, sind ihm nach ihrer vorläufigen Beschreibung zur Anerkennung vorzulegen; sofern ihre Vorlegung nicht möglich ist, ist er zu diesen Gegenständen zum Zwecke ihrer Anerkennung zu führen. Der ~eschuldigte kann, wenn dies zur Beseitigung von Zweifeln über die Echtheit eines ihm beigemessenen Schriftstückes dienlich scheint, veranlaßt werden, einige Worte oder Sätze vor Gericht niederzuschreiben, ohne daß jedoch deshalb Zwangsmittel angewendet werden dürfen.

§ 202. Es dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden, um den Beschuldigten zu Geständnissen oder anderen bestimmten Angaben zu bewegen. Auch darf die Voruntersuchung durch das Bemühen, ein Geständnis zu erlangen, nicht verzögert werden.

§ 203. Verweigert der Beschuldigte die Antwort überhaupt oder auf bestimmte Fragen oder !!teIlt er sich taub, stumm, wahnsinnig oder blödsinnig und ist der Untersuchungsrichter in den letzten Fällen entweder durch seine eigenen Wahrnehmungen oder durdl Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen von der Verstellung überzeugt, so ist der Beschuldigte lediglich aufmerksam zu machen, daß sein Verhalten die Untersuchung nicht hemmen und daß er sich dadurch seiner Verteidigungsgrunde berauben könne.

§ 204. Weichen spätere Angaben des Beschuldigten von den früheren ab, widerruft er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er über die Veranlassung zu den Abweichungen und die Gründe seines Widerrufes zu befragen.

§ 205. (1) Wenn die Aussagen eines Beschuldigten in erheblichen Punkten von den Angaben eines wider ihn aussagenden Zeugen oder Mitbeteiligten abweichen, sind ihm diese im Laufe der Voruntersuchung nur dann gegenüberzustellen, wenn es der Untersuchungsrichter zur Aufklärung der Sache für notwendig hält. Bei solchen Gegenüberstellungen ist das im § 168 Abs. 3 vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.

(2) Die im § 152 Abs. 1 Z. 1 angeführten Personen dürfen, wenn sie sich als Zeugen abhören lassen, die Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten ablehnen, außer wenn dieser sie selbst verlangt.

§ 206. Geständnisse des Beschuldigten entbinden den Untersuchungsrichter nicht von der Pflicht, den Tatbestand, soweit als möglich, zu ermitteln. Ist das Geständnis umfassend und durch die übrigen Ergebnisse der Voruntersuchung unterstützt, so hängt die Vornahme weiterer Erhebungen von den besonderen Anträgen des Anklägers ab.

XVI. Hauptstück

Von der Versetzung in den Anklagestand

§ 207. (1) Dem Ankläger liegt ob, die Versetzung in den Anklagestand durch Einbringung der Anklageschrift einzuleiten.

(2) Die Anklageschrift muß enthalten:

    1.
    den Namen des Beschuldigten;
  1. die Angabe der ihm vom Ankläger zur Last gelegten strafbaren Handlung oder Handlungen nach allen ihren gesetzlichen, die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes bedingenden Merkmalen, wobei die besonderen Umstände des Ortes, der Zeit, des Gegenstandes usf. so weit hinzuzufügen sind, als dies zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig ist;
  2. die gesetzliche Benennung der strafbaren Handlung oder Handlungen, auf welche die Anklage gerichtet ist, sowie die Anführung der Stellen des Strafgesetzes, deren Anwendung beantragt wird., und die sonst zur Begründung der sachlichen Zuständigkeit erforderlichen Angaben;
  3. die Angabe des Gerichtes, VOK dem dW Hauptverhandlung stattfinden soll

211. Stück -Ausgegeben a.m 30. Dezemb.er 1975 -Nr. 631

(3)
Der Anklageschrift ist eine kurze, aber erschöpfende Begründung beizufügen, in der der Sachverhalt, wie er sich aus der Anzeige oder aus den Akten der Vorerhebungen oder Voruntersuchung ergibt, zusammenhängend zu erzählen ist.
(4)
Außerdem ist das Verzeichnis der vorzuladenden Zeugen und Samverständigen sowie der anderen Beweismittel, deren sich der Ankläger in der Hauptverhandlung zu bedienen gedenkt, in die Anklageschrift aufzunehmen oder ihr beizulegen.
(5)
Der Ankläger kann in der Anklageschrift auch den Antrag auf Verhaftung des Beschuldigten stellen.
(6)
Die Anklagesmrift ist in so vielen Ausfertigungen zu überreichen, daß jedem der Angeklagten ein Exemplar zugestellt und eines beim Untersumungsrichter zurückbehalten werden kann.

S208. (1) Die Anklagesmrift ist bei dem Richter, der die Voruntersumung geführt hat, und, falls keine Voruntersumung stattgefunden hat, beim Vorsitzenden der Ratskammer einzubringen.

(2) Hat der Untersumungsrimter (Vorsitzende der Ratskammer) Bedenken, dem Antrag auf Verhaftung des Besmuldigten stattzugeben, so holt er die Entsmeidung der Ratskammer ein. Ist kein solmes Bedenken vorhanden oder ist es durm die Entsmeidung der Ratskammer beseitigt, so teilt der Untersumungsrimter die Anklageschrift samt Beilagen dem Besmuldigten mit und belehn ihn darüber, daß er gegen die Anklageschrift Einsprum erheben \lnd die Entsmeidung des Gerichtshofes zweiter Instanz über die Zuständigkeit des in der Anklagesmrift genannten Geridltes und über die Zulässigkeit der Ankl.age begehren könne.

§ 209. (1) Befindet sim der Besmuldigte bereits in Haft, so ist ihm die Anklagesmrift längstens binnen vierundzwanzig Stunden, wird aber seine Verhaftung auf Grund der Anklagesmrift verfügt, so ist sie ihm zugleim mit dem Haftbefehle zuzustellen.

(2)
Zur Erhebung des Einsprumes steht dem Verhafteten eine Frist von vierzehn Tagen offen, die im letzten Falle vom Zeitpunkte seiner Einlieferung zu laufen beginnt. Den Einsprum kann er beim Untersumungsrimter zu Protokoll oder schriftlich anbringen.
(3)
Wird auf sein Verlangen die Anklageschrift seinem Verteidiger zugestellt, so läuft die Frist zur Erhebung des Einspruches von der Zustellung an den Verteidiger.
(4)
Bleibt der Beschuldigte auf freiem Fuße, so ist ihm die Anklageschrift mit der Belehrung zuzustellen. daß er den Einspruch dagegen binnen

vierzehn Tagen beim Untersuchungsrimter mündlich oder schriftlim erheben könne.

S 210. (1) Ist der Einsprum innerhalb der gesetzlichen Frist nicht erhoben worden oder hat der Besmuldigte ausdrücklim darauf verzimtet, so legt der Untersuchungsrimter die Akten dem Gerimtshof erster Instanz vor, der sofort die Hauptverhandlung anzuordnen hat.

(2)
Im entgegengesetzten Falle sendet der Untersumungsrimter nach Erhebung des Einsprumes die Akten dem Gerichtshofe zweiter Instanz unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Anklägers.
(3)
Der Gerichtshof zweiter Instanz entscheidet über den Einspruch nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes in nimtöffentlimer Sitzung.
(4)
In gleimer Weise ist vorzugehen, wenn sich der Besmuldigte gegen die vom Untersuchungsrimter oder von der Ratskammer über ihn verhängte Haft 208) besmwert; aum in diesem Fall hat der Gerichtshof zweiter Instanz so vorzugehen, als würde gegen die Anklageschrift Einspruch erhoben. § 196 Abs. 3 gilt sinngemäß. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 64)

§ 211. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanz weist die Anklagesmrift vorläufig zurück, wenn er dies zur Beseitigung eines Formgebremens oder zur besseren Aufklärung des Samverhaltes für notwendig erachtet.

(2) Der Ankläger hat hierauf binnen vierzehn Tagen seine allfälligen Anträge an den Untersuchungsrimter zu stellen oder eine Anklageschrift neuerlim zu überreichen (§§ 27 und 46).

§ 212. Wenn der Gerimtshof zweiter Instanz dafür hält, daß zur Vornahme der Hauptverhandlung ein anderes Gerimt seines Sprengels zuständig ist, so verweist er diese dahin und erkennt zugleim in der Sache selbst. Eramtet er dagegen die Zuständigkeit eines im Sprengel eines anderen Gerichtshofes zweiter Instanz liegenden Gerichtes als begründet, so spricht er seine eigene Nichtzuständigkeit aus und übersendet die Akten zur weiteren Entscheidung dem zuständigen Gerichtshofe zweiter Instanz.

§ 213. (1) Eramtet der Gerichtshof zweiter Instanz, daß der Anklage einer der folgenden Gründe entgegenstehe:

  1. daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe;
  2. daß es an genügenden Gründen fehle, den Besmuldigten der Tat für -rerdächtig zu halten;
  3. daß Umstände vorliegen, durm die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, oder daß die Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben seien;

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4. daß der nam dem Gesetz erforderlime Antrag eines hiezu Berechtigten fehle

so entsmeidet der Gerimtshof zweiter Instanz: es werde der Anklage keine Folge gegeben und das Verfahren eingestellt. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 65)

(2)
Betrifft dieser Aussprum nimt alle Anklagepunkte, so verfügt der Gerichtshof zugleim, daß die Punkte, über die er ergangen ist, aus der Anklagesmrift zu entfallen haben.
(3)
Kommt der Grund, dessentwegen der Anklage keine Folge gegeben wird, aum einem Mitangeklagten zustatten, der keinen Einsprum erhoben hat, so geht der Gerimtshof so vor, als ob ein solmer Einsprum vorläge.

§ 214. (1) Tritt keiner der in den §§ 211 bis 213 erwähnten Fälle ein, so lautet die Entsmeidung: Es werde der Anklage Folge gegeben.

(2) In diesem Fall ist zugleim über alle die Verbindung oder Trennung mehrerer Anklagen und die Vorladung von Zeugen und Samverständigen betreffenden Anträge Besmluß zu fassen. Außerdem ist sowohl in diesem Fall als aum in den Fällen der §§ 211 bis 213 über die Haft des Besmuldigten, über dessen Ablieferung an ein anderes Gerimt oder über dessen Versetzung auf freien Fuß die nötige Verfügung zu treffen.

§ 215. (1) Diese Entsmeidungen (§§ 21"1 bis 214) sind in der Art zu begründen, daß dadurm der Entsmeidung des erkennenden Gerimtes über die Hauptsame nimt vorgegriffen wird.

(2) In der Ausfertigung dieser Entsmeidung sind die Namen der Rimter anzugeben, die an der Verhandlung teilgenommen haben.

§ 216. (Aufgehoben)

§ 217. (Aufgehoben)

§ 218. Besmließt der Gerimtshof zweiter Instanz die Versetzung in den Anklagestand, ohne daß ihm .eine Anklagesduift vorliegt 48 Z. 2, § 114 Abs. 4), so wird sein Besmluß unter Beobamtung der im § 214 Abs. 2 und im § 215 sowie unter sinngemäßer Anwendung der über den Inhalt der Anklagesmrift im § 207 erteilten Vorsmrift ausgefertigt und vertritt für das weitere Verfahren die Stelle der Anklagesmrift.

§ 219. Ist der Besmuldigte remtskräftig in den Anklagestand versetzt (§§ 210, 214, 218), so kann die Zuständigkeit des Gerimtes nimt mehr ange{omten werden, das nach der Anklagesmrift oder dem durm den Einsprum veranlaßten Erkenntnisse zur Hauptverhandlung berufen ist. Im übrigen bleibt die Unterlassung des Einsprumes gegen die Anklageschrift ohne Einfluß auf das weitere Verfahren.

XVß. Hauptstück

Von den Vorbereitungen zur Hauptverhandlung

§ 220. (1) Jeder verhaftete Angeklagte muß in der Regel (§ 221 Abs. 2) binnen drei Tagen. namdem er remtISkräftig in den Anklagestand versetzt worden ist, in das Gefängnis des Gerimtshofes abgeführt werden, bei dem die Hauptverhandlung stattfindet. Nam seiner Ankunft in diesem Gefängnis ist der Angeklagte, sofern die Anklage auf eine der dem Gesmwornengerimt zur Aburteilung zugewiesenen strafbaren Handlungen gerimtet ist, längstens binnen vierundzwanzig Stunden vom Vorsitzenden des Smwurgerimtshof.es oder von dessen Stellvertreter oder vom Vorsteher des Gerimtshofes erster Instanz zu vernehmen, ob er seinen in der Voruntersumung abgelegten Aussagen etwas beizusetzen oder daran zu ändern finde. Falls er nom keinen Verteidiger hat, ist er zur Wahl eines Verteidigers aufzufordern und über die Voraussetzungen der Beigebung eines Verteidigers nam § 41 Abs. 2 zu belehren. Wählt weder der Angeklagte selbst nom sein gesetz~ limer Vertreter für ihn einen Verteidiger und. wird ihm aum nimt nam § 41 Abs. 2 ein Verteidiger beigegeben, so ist ihm sofort nam § 41 Abs. 3 ein Verteidiger beizugeben. (BGBL Nr. 569/1973, Art. III Z. 4; BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 66)

(2)
Ist der Angeklagte nimt verhaftet, so kann ihn der Vorsitzende zu dieser Vernehmung entweder vorladen oder diese Vernehmung durm das Bezirksgerimt veranlassen, in dessen Sprengel der Angeklagte simbefindet.
(3)
Die im ersten Absatz vorgesmriebenen Vorkehrungen zur Bestellung eines Verteidigers obliegen aum dem Vorsitzenden des Smöffengerimtes. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 66)

§ 221. (1) Der Tag der Hauptverhandlung wird vom Vorsitzenden in der Art bestimmt, daß dem Angeklagten, sofern dieser nimt selbst zu einer Abkürzung der Frist seine Zustimmung gibt, bei sonstiger Nimtigkeit von der Zustellung der Vorladung eine Frist von wenigstens drei Tagen und, falls es sich um eine dem Gesmwornengerimt zur Aburteilung zugewiesene straf· bare Handlung handelt, eine Frist von wenigstens amt Tagen zur Vorbereitung seiner Verteidigung bleibt. Der Tag der Hauptverhandlung in sowohl dem Angeklagten und dessen Verteidiger als aum dem Staatsanwalte, dem Privatankläger und dem Privatbeteiligten bekanntzugeben. Die Vorladung des Angeklagten hat die Androhung 'ZU enthalten, daß er im Falle seines Ausbleibens zu gewärtigen habe, daß je nach Umständen entweder die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit vorgenommen oder er durch einen Vorführungsbefehl zur Verhandlung gestellt oder, falls dies nich.t zeitgerech.t ausführbar sei.

211. Stuck -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

die Hauptverhandlung auf seine Kosten vertagt und er ,zur Verhandlung vorgeführt werde. Auch die Zeugen und Sachverständigen sind hiezu in der Art vorzuladen, daß in der Regel zwischen der Zustellung der Vorladung und dem Tag, an dem die Hauptverhandlung vorgenommen wird, ein Zeitraum von drei Tagen liegt. (BGBI. Nr. 42311974, Art. 1 Z. 67)

(2)
Der Regel nach findet die Hauptverhandlung am Sitze des Gerichtshofes erster Instanz statt; doch kann dessen Vorsteher zur Ersparung unverhältnismäßiger Reiseauslagen oder aus anderen wichtigen Gründen nach Anhörung des Anklägers und des Angeklagten anordnen, daß die Hauptverhandlung an einem anderen im Sprengel des Gerichtshofes gelegenen Ort abgehalten werde.
(3)
Ist zu erwarten, daß die Hauptverhandlung vor dem Schöffengerichte von längerer Dauer sein werde, so ist anzuordnen, daß ein Ersatzrichter und ein Ersatzschöffe der Verhandlung beiwohnen, um bei Verhinderung eines Richters oder Schöffen an dessen Stelle zu treten. Ist eine besonders lange Dauer der Hauptverhandlung zu erwarten, so können zu diesem Zweck noch ein weiterer Ersatzrichter und ein weiterer Ersatzschöffe beigezogen werden. Die Ersatzrichter treten in der in der Geschäftsverteilung bestimmten Reihenfolge an die Stelle des verhinderten Richters, die Ersatzschöffen in der Reihenfolge der Dienstliste an die Stelle des verhinderten' Schöffen. (BGBl. Nr. 42311974, Art. 1 Z. 67)

§ 221 a. (1) Den smöffengerichtsverhandlungen, die im Sprengel eines außerhalb des Gerichtshofsitzes gelegenen Bezirksgerichtes abgehalten werden, sind als Schöffen die Personen zuzuziehen, die nach der Reihenfolge der besonderen Dienstliste für regelmäßige Schöffengerichtsverhandlungen bei diesem Gericht als Schöffen zunächst berufen sind.

(2) Ist die Hauptverhandlung vor einem Schöffengericht im Sprengel eines außerhalb des Gerichtshofsitzes gelegenen Bezirksgerichtes durchgeführt worden, so können die gegen die Entsdteidungen des Sdtöffengeridttes und des Vorsitzenden zulässigen Redttsmittel, deren Ausführung und die Gegenausführung auch bei diesem Bezirksgericht angebracht werden.

(BGBI. Nr. 42311974, Art. 1 Z. 68)

§ 222. (1) Will der Ankläger, der Privatheteiligte oder der Angeklagte die Vorladung von Zeugen oder Sachverständigen beantragen, die nicht bereits nach der Anklageschrift oder dem über den Einspruch ergangenen Erkenntnisse vorzuladen sind, so hat er dies dem Vorsitzenden unter Angabe der Tatsachen und Punkte, über die der Vorzuladende vernommen werden soll, remtzeitig anzuzeigen.

(2) Die 'Liste der neu zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist dem Gegner längstens drei Tage vor der Hauptverhandlung mitzuteilen;' außerdem können diese Personen nidtt ohne seine Zustimmung vernommen werden, unbeschadet jedoch der dem Vorsitzenden in dieser Hinsicht eingeräumten Ermämtigung (§ 254).

§ 223. (Aufgehoben)

§ 224. (1) Sollte der Angeklagte oder sein Verteidiger darauf antragen, daß ein zur Verteidigung dienender Umstand noch näher erforscht werde, so hat der Vorsitzende, wenn er das Begehren begründet findet, die Erhebung ohne Zeitverlust zu veranstalten und, nachdem sie geschehen ist, dem Ankläger und dem Angeklagten oder dessen Verteidiger zum Zweck allfälliger Einsichtnahme Utid' weiterer Antragstellung davon Kenntnis zu geben. Eine gleidte Vervollständigung der Voruntersuchung ist auch auf Antrag des Anklägers oder des Privatbeteiligten zulässig.

(2) Die Erörterung der Ergebnisse sotmer -nachträglicher Erhebungen bleibt in der Regel (§ 227) der Hauptverhandlung vorbehalten.

§ 225. (1) Glaubt der Vorsitzende, daß einem auf Grund der §§ 222 und 224 gestellten Antrage nicht stattzugeben sei, so entscheidet hierüber die Ratskammer. In gleimer Weise hat er die Entscheidung der Ratskammer einzuholen, wenn er in Fällen, wo kein Einspruch gegen die Anklageschrift erhoben wurde, Bedenken trägt, alle darin namhaft gemachten Zeugen und Sachverständigen vorzuladen.

(2) Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig; jedoch kann der Antrag in der Hauptverhandlung erneuert werden.

§ 226. Weist der Angeklagte nadt, daß er wegen Krankheit oder einer sonstigen unabwendbaren Verhinderung bei der Hauptverhandlung, nicht erscheinen kann, oder beantragt der Ankläger oder der Angeklagte aus einem anderen erheblichen Grund die Verlegung der Hauptverhandlung, so hat der Vorsitzende hierüber zu entscheiden. Wegen einer Verhinderung des Verteidigers findet eine Vertagung nur dann statt, wenn das Hindernis dem Angeklagten oder dem Gerichte so spät bekannt wurde, daß ein anderer Verteidiger nicht mehr bestellt werden konnte.

(BGBI. N,.. 423/1974, Art. 1 Z. 69)

§ 227. (1) Tritt der Ankläger vor Beginn der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so stellt der Vorsitzende das Verfahren ein und widerruft die Anordnung der Hauptverhandlung.

(2) Haben nam der Versetzung in den Anklagestand nom gerimdidre Erhebungen stattgefunden, so hat der Anktäger das Remt, vor Beginn

211. Stück - Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

der Hauptverhandlung die von ihm eingebramte Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung einer neuen zurückzuziehen. Mit der neuen Anklagesmrift ist sodann nam Vorsmrift des

XVI. Hauptstückes vorzugehen; wegen der Haft des Angeklagten ist aber von der Ratskammer sogleich die nötige Verfügung zu treff(:n.

XVIII. Hauptstück Von der Hauptverhandlung vor den Gerichts

höfen erster Instanz und von den Remtsmitteln gegen deren Urteile

I. Hauptverhandlung und Urteil

1. öffentlichkeit der Hauptverhandlung

§ 228. Die Hauptverhandlung ist öffentlim bei sonstiger Nichtigkeit. Es ist nur erwadlsenen und unbewaffneten Pe1"5onen gestattet, als Zuhörer bei der Hauptverhandlung zu erscheinen. Doch darf Personen, die wegen ihres öffentlimen Dienstes zum Tragen einer Waffe verpflimtet sind, der Zutritt nicht verweigert werden.

§ 229. Die öffentlimkeit einer Hauptverhandlung darf nur aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung ausgeschlossen werden. Der Gerichtshof verfügt diese Ausschließung von Amts wegen oder auf den Antrag des Anklägers oder des Angeklagten nach darüber gepflogener geheimer Verhandlung und Beratung mit Besmluß. Der Besmluß ist samt Gründen in öffentlicher Sitzung zu verkünden und im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden. Gegen den Beschluß ist kein abgesondertes Redmmittel zulässig.

§ 230. (1) Nam der öffentlidIen Vf~rkündung dieses BesdIlusses müssen sich alle Zuhörer entfernen.

(2) Nur die durm die strafbare Handlung in ihren Remten Verletzten, wirklim angestellte Rimter, die Konzeptsbeamten der StaatsanwaltsdIaft und des Bundesministeriums für Justiz und die in der Verteidigerliste eingetragenen Personen dürfen niemals ausgesmlossen werden. Sowohl der Angeklagte als aum der Privatbeteiligte oder PrivatankIäger kann verlangen, daß der Zutritt drei Personen seines Vertrauens gestattet werde.

§ 230 a. Soweit die öffentlichkeit einer Verhandlung ausgeschlossen worden ist, ist es untersagt, Mitteilungen daraus zu veröffentlichen. Aum kann das Gerimt den anwesenden Personen die Geheimhaltung der Tatsamen zur Pflimt machen, die durch die Verhandlung zu ihrer Kenntnis gelangen. Dieser Beschluß ist im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden.

(BGBl. NT. 42311974, Art. I Z. 70)

S 231. Die Anordnung einer geheimen Sitzung auf Grund des § 229 kann nach dem Aufrufe der Sache in jedem Momente der Verhandlung begehrt werden. Die Ausschließung der öffentlichkeit kann für einen Teil des Verfahrens oder für die ganze Verhandlung stattfinden. Die Verkündung des Urteiles aber muß stets öffentlich geschehen.

2. Amtsverrichtungen des Vorsitzenden und des Gerichtshofes während der Hauptverhandlung

§ 232. (1) Der Vorsitzende leitet die Verhandlung.

(2)
Er ist verpflichtet, die Ermittelung der Wahrheit zu fördern, und hat dafür zu sorgen, daß Erörterungen unterbleiben, die die Hauptverhandlung ohne Nutzen für die Aufklärung der Sache verzögern würden.
(3)
Er vernimmt den Angeklagten und die Zeugen und bestimmt die Reihenfolge, in der die Personen zu spremen haben, die das Wort verlangen.
(4)
Wenn mehrere Anklagepunkte vorliegen, kann er verfügen, daß über jeden oder über einzelne davon abgesondert zu verhandeln sei.

§ 233. (1) Dem Vorsitzenden liegt die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entspremenden Anstandes im Gerichtssaal ob.

(2)
Wer vor Gerimt vernommen wird oder das-Gericht anredet, hat stehend zu sprechen; doch kann ihm der Vorsitzende einen Sitz gestatten. (BGBl. NT. 42311974, Art. 1 Z. 71)
(3)
Zeimen des Beifalles oder der Mißbilligung sind untersagt. Der Vorsitzende ist berechtigt, Personen, die die Sitzung durch solche Zeichen oder auf eine andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen. Widersetzt sim jemand oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende über die Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zu fünftausend Schilling, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerläßlim ist, eine Freiheitsstrafe bis zu amt Tagen verhängen. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 71)

§ 234. Wenn der Angeklagte die Ordnung der Verhandlung durch ungeziemendes Benehmen stört und ungeadltet der Ermahnung des Vorsitzenden und der Androhung, daß er aw der Sitzung werde entfernt werden, nidlt davon absteht, so kann er durch Beschluß des Gerichtshofes auf einige Zeit oder für die ganze Dauer der Verhandlung aus dieser entfernt, die Sitzung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm das Urteil durch ein Mitglied des Gerichtshofes in Gegenwart des Schriftführers verkündet werden.

§ 235. Der Vorsitzende hat darüber zu wachen, daß gegen niemand BesclUmpfungen oder offenbar ungegründete oder zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen vorgebracht werden. Hat sich

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der Angeklagte oder Privatankläger, der Privat

beteiligte, ein Zeuge. oder ein Sachverständiger

solche Kußerungen erlaubt, so kann der Gerichts

hof gegen ihn auf Antrag des Beleidigten oder

des Staatsanwaltes oder von Amts wegen eine

Ordnungsstrafe bis zu fünftausend Schilling,

wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung

unerläßlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu acht

Tagen verhängen.

(BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 72)

§ 236. (1) Macht sich ein Parteienvertreter (Verteidiger, Vertreter des Privatanklägers oder Privatbeteiligten), der nicht der Disziplinargewalt . einer Standesbehörde unterliegt, eines solchen Verhaltens schuldig oder verletzt er die dem Gerichte gebührende Achtung, so kann er vom Gerichtshof mit einem Verweis oder einer Geldstrafe bis zum Betrage von fünftausend Schilling belegt werden. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I

Z.73)
(2)
Setzt ein solcher Parteienvertreter sein ungebührliches Benehmen fort, so kann ihm der Vorsitzende das Wort entziehen und die Partei zur Wahl eines anderen Vertreters auffordern. Kommt der Angeklagte einer solchen Aufforderung nicht nach, so kann ihm auch von Amts wegen ein Verteidiger beigegeben werden. (BGBI. Nr. 569/1973, Art. III Z. 5)
(3)
Bei erschwerenden Umständen kann der Gerichtshof zweiter Instanz auf Antrag des Gerichtes dem schuldigen Parteienvertreter auch die Befugnis, als Vertreter in Strafsadten vor Gericht zu erscheinen, für die Dauer von einem bis zu sechs Monaten entziehen.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 13)

§ 236 a. Macht sich ein Parteienvertreter, der

der Disziplinargewalt einer Standesbehörde

unterliegt, des im § 235 umschriebenen Verhal

tens schuldig oder verletzt er die dem Gerichte

gebührende Achtung, so kann der Vorsitzende

nach Abmahnung die im § 236 Abs. 2 vor

gesehenen Maßnahmen treffen.

(BGBI. Nr. 273/1971, Art. II Z. 13)

§ 237. (1) Die auf Grund der §§ 233 bis 235 und 236 Abs. 1 und 2 ergehenden Beschlüsse und Erkenntnisse sind sofort zu vollstrecken. Gegen diese Beschlüsse und Erkenntnisse steht kein Rechtsmittel offen.

(2)
Begründet das in den genannten Paragraphen erwähnte Benehmen eine im Strafgesetze vorgesehene strafbare Handlung, so sind die Bestimmungen des § 278 anzuwenden.
(3)
Die Erklärung des Beleidigten oder Verletzten, daß er sich das Klagerecht wegen der gegen ihn begangenen strafbaren Handlung vorbehalte oder daß er auf das Klagerecht verzichte, steht der Anwendung der in den §§ 233 bis 236 enthaltenen Strafbestimmungen nicht entgegen.

§ 238. (1) Wenn im Laufe einer Hauptverhandlung über einzelne Punkte des Verfahrens von den Parteien entgegengesetzte Anträge gestellt werden oder wenn der Vorsitzende dem unbestrittenen Antrag einer Partei nicht stattzugeben findet, so entsdteidet über solche Zwischenfragen der Geridttshof sofort, ohne daß ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen zulässig ist.

(2) Die Entscheidungsgründe müssen jederzeit verkündet und im Protokoll ersidltlich gemacht werden.

3. Beginn der Hauptverhandlung

§ 239. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sadte durdt den Schriftführer. Der Angeklagte erscheint ungefesselt, jedoch, wenn er in Untersuchungshaft ist, in Begleitung einer Wache. Die zur Beweisführung etwa erforderlichen Gegenstände, die dem Angeklagten oder den Zeugen zur Anerkennung vorzulegen sind, müssen vor dem Beginn der Verhandlung in den Gerichtssaal gebracht werden.

§ 240. Der Vorsitzende befragt hierauf den Angeklagten um Vor-und Familiennamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Beruf, Wohnort und erforderlichenfalls über andere persönliche Verhältnisse und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende Anklage und auf den Gang der Verhandlung.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 74)

§ 240 a. (1) Nach der Ermahnung des Angeklagten sind die Schöffen, die in demselben Jahre noch nicht beeidigt worden sind, bei sonstiger Nichtigkeit zu beeidigen. Die Schöffen erheben sich von den Sitzen und der Vorsitzende richtet an sie folgende Anrede:

"Sie schwören und geloben vor Gott, die Beweise, die gegen und für den Angeklagten werden vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten gereichen kann, das Gesetz, dem Sie Geltung verschaffen sollen, treu zu beobachten, vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit niemand, außer mit den Mitgliedern des Gerichtshofes, Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu-oder Abneigung, der Furcht oder der Sdtadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sich mit UnparteiIidlkeit und Festigkeit nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten überzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können:'

(2) Sodann wird jeder Schöffe einzeln vom Vorsitzenden aufgerufen und antwortet: "Ich schwöre, so wahr 'mir Gott helfe." Das Religions

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bekenntnis der Schö1fen mamt hiebei keinen Untersdlied. Nur solme, die keinem Religionsbekenntnis angehören oder deren Bekenntnis die Eidesleistung untersagt, werden durdl Handsmlag verpflimtet.

(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer des Kalenderjahres; sie ist im Verhandlungsprotokoll und fortlaufend in einem besonderen Bume zu beurkunden.

§ 241. (1) Hierauf werden die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufgerufen; der Vorsitzende weist sie an, namdem er sie an die Heiligkeit des von ihnen abzulegenden Eides erinnert hat, sidt in das für sie bestimmte Zimmer zu begeben. Nach Umständen kann aum der Privatankläger oder Privatbeteiligte, wenn er als Zeuge zu vernehmen ist, unbeschadet seines Remtes, sim durm einen anderen bei der Verhandlung vertreten zu lassen, zur Entfernung aus dem Sitzungssaal angewiesen werden. Der Vorsitzende ordnet aum nam Befinden Maßregeln an, um Verabredungen oder Besprechungen der Zeugen zu verhindern.

(2) Bei den Samverständigen kann der Vorsitzende in allen Fällen, in denen er es für die Erforschung der Wahrheit zweckdienlich findet, verfügen, daß sie sowohl während der Vernehmung des Angeklagten als auch der Zeugen im Sitzungssaale bleiben.

§ 242. (1) Wenn Zeugen oder SadlVerständige, der an sie ergangenen Vorladung ungeachtet, bei der Hauptverhandlung nimt ersmeinen, so kann' der Gerimtshof deren ungesäumte Vorführung verfügen.

(2)
Ist diese nimt möglich, so entscheidet der Gerichtshof nach Anhörung des Anklägers und des Angeklagten oder seines Verteidigers, ob die Hauptverhandlung vertagt oder fortgesetzt werden und statt der mündlichen Abhörung jener Zeugen oder Sachverständigen die Verlesung ihrer in der Voruntersumung abgelegten Aussagen vorgenommen werden solL
(3)
Der Ausgebliebene ist zu einer Geldstrafe bis fünftausend Schilling zu verurteilen. Ist die Hauptverhandlung vertagt worden, so hat er überdies die Kosten der durm sein Ausbleiben vereitelten Sitzung zu tragen. Aum kann, um sein Erscheinen bei der neu angeordneten Sitzung zu simern, ein Vorführungsbefehl wider ihn erlassen werden. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z.7J)

§ 243. (1) Gegen die gemäß dem vorstehenden Paragraphen ausgespromene Verurteilung kann der Zeuge oder Samverständige binnen vierzehn T!lien Dach Zustellung de! gq;en ihn ergangenen &kenntnisses beim erkennenden Gel'idttshof Einsptu<h erheben.

(2)
Wenn er namzuweisen vermag, daß ihm die Vorladung nimt gehörig zugestellt worden ist oder daß ihn ein unvorhergesehenes und unab· wendbares Hindernis vom Ersmeinen abgehalten hat, wird ihm die Strafe namgesehen.
(3)
Eine Minderung der verhängten Strafe oder des ihm auferlegten Kostenbetrages !tann aus· gespromen werden, wenn er darzutun imstande ist, daß diese Strafe oder Kostenverurteilung nimt im richtigen Verhältnisse zu seinem Verschulden oder zu den Folgen seines Ausbleibens steht.
(4)
Wird der Einsprum erst nam dem Schluß der Hauptverhandlung erhoben, so entsmeidet hierüber der Vorsitzende. Gibt er dem Einsprum nicht zur Gänze Folge, so steht dem Zeugen oder Sachverständigen gegen die Entsmeidung die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerimtshof zweiter Instanz zu. (BGB!. Nr. 423/1974, Art. I Z. 76)
(5)
Im übrigen ist gegen die Entsmeidung über den Einsprum kein ReclltSmittel zulässig. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 76)

§ 244. Nachdem die Zeugen abgetreten sind, läßt der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit die Anklageschrift und, falls ein Erkenntnis vorliegt, nam dem ein Anklagepunkt zu entfallen hat, auch dieses verlesen.

4. Vernehmung des Angeklagten

§ 245. (1) Hierauf wird der Angeklagte vom Vorsitzenden über den Inhalt der Anklage vernommen. Beantwortet der Angeklagte die Anklage mit der Erklärung, er sei nicht smuldig, so hat ihm der Vorsitzende zu eröffnen, daß er beredttigt sei, der Anklage eine zusammenhängende Erklärung des Samverhaltes entgegenzustellen und nach Anführung jedes einzelnen Beweismittels seine Bemerkungen darüber vorzubringen. Weicht der Angeklagte von seinen früheren Aussagen ab, so ist er um die Grü.!1de dieser Abweimung zu befragen. Der Vorsitzende kann in diesem Falle sowie dann, wenn der Angeklagte eine Antwort verweigert, das über die früheren Aussagen aufgenommene Protokoll ganz oder teilweise vorlesen lassen.

(2)
Der Angeklagte kann zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen nimt verhalten werden.
(3)
Es ist dem Angeklagten unbenommen. sim aum während der Hauptverhandlung mit seinem Verteidiger-zu bespremen; es ist ihm jedocll nicht gestattet, sich mit dem Verteidiger unmittelbar über die Beantwortung der einzelnen an ihn gestellten Frag.en ItU beraten.

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5. Beweisverfahren

S 246. (1) Nam der Vernehmung des Angeklagten sind die Beweise in der vom Vorsitzenden bestimmten Ordnung vorzuführen und in der Regel die vom Ankläger vorgebramten Beweise zuerst aufzunehmen.

(2) Der Ankläger und der Angeklagte können im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lassen, jedom nur, wenn der Gegner zustimmt.

§ 247. (1) Zeugen und Samverständige werden einzeln vorgerufen und in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie sind vor ihrer Vernehmung zur Angabe der Wahrheit zu ermahnen. Samverständige, die den Eid bereits abgelegt haben, und Zeugen, die im Vorverfahren beeidigt wurden, sind an die Heiligkeit des abgelegten Eides zu erinnern.

(2)
Außer diesem Fall ist jeder von ihnen nam Beantwortung der allgemeinen Fragen und vor seiner weiteren Vernehmung unter Beobamtung des Gesetzes vom 3. Mai 1868, RGBl. Nr. 33, zu beeidigen, ein Zeuge jedom nur dann, wenn der Beeidigung kein gesetzliches Hindernis 170) entgegensteht und wenn der Vorsitzende sie zur Wahrheitsfindung für unerläßlim hält oder der Ankläger oder der Angeklagte sie verlangt. (BGB1. Nr. 423/1974, Art. I Z. 77)
(3)
Die Beeidigung kann aum bis nam der Abhörung des Zeugen vorbehalten werden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 77)

§ 248. (1) Der Vorsitzende hat bei der Abhörung der Zeugen und Sachverständigen die für den Untersudtungsridtter in der Voruntersudtung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar ersdteinen. Er hat dafür zu sorgen, daß ein nodt nicht vernommener Zeuge bei der Beweisaufnahme überhaupt, ein nimt vernommener Samverständiger bei der Vernehmung anderer Sachverständiger über denselben Gegenstand nimt zugegen sei.

(2)
Zeugen, deren Aussagen voneinander abweichen, kann der Vorsitzende einander gegenüberstellen.
(3)
Zeugen und Sadtverständige haben nam ihrer Vernehmung so lange in der Sitzung anwesend zu bleiben, als der Vorsitzende sie nimt entläßt oder ihr Abtreten anordnet. Die einzelnen Zeugen dürfen einander wegen ihrer Aussagen nimt zur Rede stellen.
(4)
Der Angeklagte muß nach der Abhörung eines jeden Zeugen, Samverständigen oder Mitangeklagten befragt werden, ob er auf die eben vernommene Aussage etwas zu entgegnen habe.

S 249. Außer dem Vorsitzenden sind auch die übrigen Mitglieder des Gerimtshofes, der Ankläger. der Angeklagte und der Privatbeteiligte sowie deren Vertreter befugt, an jede zu vernehmende Person, namdem sie das Wort hiezu vom Vorsitzenden erhalten haben, Fragen zu stellen. Der Vorsitzende ist beremtigt, Fragen zurü&.zuweisen, die ihm unangemessen ersmeinen.

§ 250. (1) Der Vorsitzende ist befugt, ausnahmsweise den Angeklagten während der Abhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen. Er muß ihn aber, sobald er ihn nam seiner Wiedereinführung über den in seiner Abwesenheit verhandelten Gegenstand vernommen hat, von allem in Kenntnis setzen, was in seiner Abwesenheit vorgenommen wurde, insbesondere von den Aussagen, die inzwischen gemacht worden sind.

(2) Ist diese Mitteilung unterblieben, so muß sie jedenfalls bei sonstiger Nimtigkeit vor Schluß des Beweisverfahrens nachgetragen werden.

§ 251. Sowohl der Angeklagte als aum der Ankläger können verlangen, daß sim Zeugen nach ihrer Abhörung aus dem Gerichtssaal entfernen und später wieder hereingerufen und entweder allein oder in Gegenwart anderer Zeugen nochmals vernommen werden. Der Vorsitzende kann dies audt von Amts wegen anordnen.

§ 252. (1) Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, dann die Gutamten der Sadtverständigen dürfen nur in folgenden Fällen vorgelesen werden:

  1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind; wenn ihr Aufenthalt unbekannt oder ihr persönIimes Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebremlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblimen Gründen füglim nimt bewerkstelligt werden konnte;
  2. wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen in wesentlimen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweimen;
  3. wenn Zeugen, ohne dazu beremtigt zu sein. oder wenn Mitschuldige die Aussage verweigern; endlich
  4. wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind.
(2)
Augenscheins-und Befundaufnahmen, gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse sowie Urkunden und Schriftstü&.e anderer Art, die für die Same von Bedeutung sind. müssen vorgelesen werden, wenn nicht beide Teile darauf verzimten.
(3)
Nam jeder Vorlesung ist der Angeklagte zu befragen. ob er darüber etwas zu bemerken habe.

§ 253. Im Laufe oder am Schlusse des Beweisverfahrens läßt der Vorsitzende dem Angeklagten und. soweit es nötig ist, den Zeugen und Sach

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verständigen die Gegenstände, die zur Aufklärung des Sachverhaltes dienen können, vorlegen und fordert sie auf, sich zu erklären, ob sie diese anerkennen.

§ 254. (1) Der Vorsitzende ist ermächtigt, ohne Antrag des Anklägers oder Angeklagten Zeugen und Sachverständige, von denen nam dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche Tatsachen zu erwarten ist, im Laufe des Verfahrens vorladen und nötigenfalls vorführen zu lassen und zu vernehmen.

(2) Der Vorsitzende kann audt neue Gutadtten abfordern oder andere Beweismittel herbeischaffen lassen, mit dem Geridtt einen Augensdtein vornehmen oder hiezu ein Mitglied des Gerimtes abordnen, das darüber Beridtt zu erstatten hat.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 78)

6. Vorträge der Parteien

§ 255. (1) Nadtdem der Vorsitzende das Beweisverfahren für geschlossen erklärt hat, erhält zuerst der Ankläger das Wort, um die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen und seine Anträge sowohl wegen der Schuld des Angeklagten als audt wegen der gegen ihn anzuwendenden Strafbestimmungen zu stellen und zu begründen. Einen bestimmten Antrag über die Bemessung der Strafe innerhalb des gesetzlidten Strafsatzes hat der Ankläger nicht zu stellen.

(2)
Der Privatbeteiligte erhält zunädtst nadt dem Staatsanwalte das Wort.
(3)
Dem Angeklagten und seinem Verteidiger steht das Recht zu, darauf zu antworten. Findet der Staatsanwalt, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte hierauf etwas zu erwidern, so gebührt dem Angeklagten und seinem Verteidiger jedenfalls die Schlußrede.

§ 256. (1) In der Regel ist in den Schlußvorträgen über alle im Urteile zu entscheidenden Fragen ungetrennt zu verhandeln.

(2) Dodt steht es dem Vorsitzenden oder dem Gerichtshofe 238) frei, zu verfügen, daß die Schluß vorträge über die Sdtuldfrage von denen über die Strafbestimmungen, über die privatredttlichen Ansprüdte und über die Prozeßkosten zu trennen seien. In diesen Fällen werden, nachdem der Gerimtshof über die Sdtuld des Angeklagten entsdtieden und seinen Aussprum verkündet hat, neuerlim Schlußvorträge gehalten, die jedoch auf die noch zu entsdteidenden Fragen einzusdtränken sind.

7. Urteil des Gerichtshofes

§ 257. Nadtdem der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen erklärt hat, zieht sidl der Geridltshof zur Uneilsfällung in das Beratungszimmer zurüdt. Der Angeklagte. wird, wenn er verhaftet ist, einstweilen aus dem Sitzungssaal abgeführt.

§ 258. (1) Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur auf das Rüdtsicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Aktenstüdte können nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie bei der Hauptverhandlung vorgelesen worden sind.

(2) Das Gericht hat die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als audt in ihrem inneren Zusammenhange sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Ober die Frage, ob eine Tatsadte als erwiesen anzunehmen sei, entsdteiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebradtten Beweismittel gewonnenen überzeugung.

§ 259. Der Angeklagte wird durch Urteil des Geridttshofes von der Anklage freigesprodten:

  1. wenn sidt zeigt, daß das Strafverfahren ohne den Antrag eines gesetzlidt berechtigten Anklägers eingeleitet oder gegen dessen Willen fortgesetzt worden sei;
  2. wenn der Ankläger nach Eröffnung der Hauptverhandlung und ehe der Geridttshof sich zur Sdtöpfung des Urteiles zurüdtzieht, von der Anklage zurüdttritt;
  3. wenn der Gerichtshof erkennt, daß die der Anklage zugrunde liegende Tat vom Gesetze nidtt mit Strafe bedroht oder der Tatbestand nidtt hergestellt oder nidtt erwiesen sei, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, oder daß Umstände vorliegen, durdt die die Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter Z. 1 und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist;
  4. wenn der Gerichtshof erkennt, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 79)

§ 260. (1) Wird der Angeklagte sdtuldig befunden, so muß das Strafurteil aussprechen:

  1. weldter Tat der Angeklagte sdtuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrüdtlidter Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände;
  2. weldte strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsadten, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird, unter gleichzeitigem Ausspruch, ob die strafbare Handlung ein Verbremen oder ein Vergehen ist;
  3. zu weldter Strafe der Angeklagte verurteilt wird; und zwar diese drei Punkte bei sonstiger Nichtigkeit; außerdem ist noch beizufügen:

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

  1. weldte strafgesetzlidten Bestimmungen auf ihn angewendet wurden;
  2. die Entsdteidung über die geltend gemadtten Entsdtädigungsansprüme und über die Prozeßkosten.
(2)
Wird der Angeklagte wegen vorsätzlimer und fahrlässiger Taten zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, so ist im. Ansdtluß an den Strafaussprudt festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlidt begangene strafbare Handlungen eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe endällt.
(3)
Ist die im. Abs. 2 genannte Feststellung im Strafurteil unterblieben, so ist sie von Amts wegen oder auf Antrag eines zur Ergreifung der Niduigkeitsbesdtwerde Beredttigten mit Besdlluß nadtzuholen. Gegen diesen Beschluß, der dem Ankläger und dem Angeklagten zuzustellen ist, steht jedem zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten die binnen vierzehn Tagen einzubringende Besdtwerde an den Gerimtshof zweiter Instanz zu. Ist außer über die Besmwerde nom über eine von wem immer ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zu entsmeiden, so entsmeidet der Oberste Gerimtshof audt über die Beschwerde.

(BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 80)

§ 261. (1) Erachtet das Schöffengericht, daß die der Anklage zugrunde liegenden Tatsamen an sidt oder in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine zur Zuständigkeit des Geschwornengerichtes gehörige strafbare Handlung begründen, so sprimt es seine Nichtzuständigkeit aus. (BGBl. Nr. 423/ 1974, Art. I Z. 81)

(2) Sobald dieses Urteil in Rechtskraft erwamsen ist, hat der Ankläger längstens binnen vierzehn Tagen (§§ 27 und 46) seine Anträge wegen Einleitung oder Wiedereröffnung der Voruntersuchung oder -falls deren Wiedereröffnung nicht notwendig ist -wegen Anordnung der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht anzubringen. Im ersten Falle muß eine neue Anklagesmrift eingebracht werden; außer diesem Fall aber ist bei der neuen Hauptverhandlung die ursprüngliche Anklageschrift und der nach diesem Paragraphen gefällte Aussprum des Smöffengerimtes zu verlesen.

§ 262. Eramtet der Gerichtshof, daß die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den erst in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine andere als die in der Anklage bezeichnete, nicht einem Gerimte höherer Ordnung vorbehaltene strafbare Handlung begründen, so hat er die Parteien über den geänderten remtlimen Gesidttspunkt zu hören und iiber einen allfälligen Vertagungsantrag zu entsdtelden. Das Urteil sdtöpft er nach seiner redttlichen überzeugung, ohne an die in der Anklagesdtrift enthaltene Bezeichnung der Tat gebunden zu sein.

§ 263. (1) Wird der Angeklagte bei der Hauptverhandlung nom einer anderen Tat besdtuldigt, als wegen der er angeklagt ist, so kann der Gerimtshof, wenn sie von Amts wegen zu verfolgen ist, auf Antrag des Staatsanwaltes oder des durm diese Tat Verletzten, in anderen Fällen aber nur auf Begehren des zur Privatanklage Beremtigten die Verhandlung und das Urteil auch auf diese Tat ausdehnen. Die Zustimmung des Angeklagten ist nur dann erforderlim, wenn er bei seiner Verurteilung wegen dieser Tat unter ein strengeres als das Strafgesetz fiele, das auf die in der Anklageschrift angeführte strafbare Handlung anzuwenden wäre.

(2)
Verweigert in einem solchen Falle der Angeklagte seine Zustimmung zur sofortigen Aburteilung oder kann nicht sofort geurteilt werden, weil eine sorgfältigere Vorbereitung nötig erscheint oder weil der Gerichtshof zur Aburteilung über die hinzugekommene strafbare Handlung nicht zuständig ist, so hat sim das Urteil auf den Gegenstand der Anklage zu besdtränken und dem Ankläger ~ auf sein Verlangen -die selbständige Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat vorzubehalten, außer welmem Falle wegen dieser Tat eine Verfolgung nidtt mehr zulässig ist.
(3)
Nam Umständen kann der Gerimtshof auch, wenn er über die hinzugekommene Tat nicht sofort aburteilt, die Hauptverhandlung abbremen und die Entsmeidung über alle dem Angeklagten zur Last fallenden strafbaren Handlungen einer neuen Hauptverhandlung vorbehalten.
(4)
In beiden Fällen muß der Ankläger binnen vierzehn Tagen (§§ 27 und 46) seine Anträge wegen Einleitung des gesetzlichen Verfahrens anbringen.

§ 264. (1) Wird gegen den Angeklagten ein Strafurteil gefällt, so steht dessen Vollstreckung der Umstand nimt entgegen, daß die Verfolgung wegen einer anderen strafbaren Handlung nom vorbehalten ist.

(2) Mamt der Ankläger von dem im. § 263 erwähnten Vorbehalte Gebrauch, so kann der Gerichtshof anordnen, daß die Vollstreckung des unter diesem Vorbehalt erlassenen Urteiles bis zur Entscheidung über die neue Anklage auf sim zu beruhen habe. In diesem Falle sind beide Urteile hinsichtlich der Redttsmittel so zu behandeln, als wären sie gleimzeitig gefällt worden.

§ 265. (1) Liegen die zeitlimen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe infolge Anrechnung einer VorhUt oder einer im. Ausland verbüßten Strafe schon im Zeitpunkt des Urteils vor, so hat das Geridtt

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dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit mit Beschl.uß bedingt nachzusehen, wenn auch die übrigen im § 46 StGB genannten Voraussetzungen vorliegen. In diesem Beschluß hat das Gericht gegebenenfalls auch Weisungen zu erteilen und einen Bewährungshelfer zu bestellen (§ 50 StGB).

(2) Für den Beschluß nach Abs. 1 und für das Verfahren nach einer solchen bedingten Entlassung gelten die Bestimmungen des

XXVIII. Hauptstückes dem Sinne nadl. (BGBI. Nr. 42311974, Art. 1 Z. 82)

§ 265 a. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 42311974, Art.! Z. 82)

§ 265 b. (Aufgehoben)

§ 265 c. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 42311974, Art.! Z. 82)

§ 266. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 42311974, Art.! Z. 82)

§ 267. An die Anträge des Anklägers ist der Gerichtshof nur insoweit gebunden, daß er den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde.

8. Verkündung und Ausfertigung des Urteiles

§ 268. Unmittelbar nach dem Beschlusse des Gerichtshofes ist der Angeklagte wieder vorzuführen oder vorzurufen und ist in öffentlicher Sitzung vom Vorsitzenden das Urtei~ samt dessen wesentlichen Gründen unter Verlesung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu verkünden. Zugleich belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel.

§ 269. Hat sich der Angeklagte zur Urteilsverkündung nicht eingefunden, so kann der Vorsitzende ihn zu diesem Zwecke vorführen lassen oder anordnen, daß ihm das Urteil entweder durch einen hiezu abgeordneten Richter mündlich eröffnet oder in Abschrift zugestellt werde.

§ 270. (1) Jedes Urteil muß binnen vierzehn Tagen vom Tage der Verkündung schriftlich ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie vom Schriftführer unterschrieben werden.

(2) Die Urteilsausfertigung muß enthalten:

  1. die BezeidlDung des Gerichtes und die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichtshofes sowie den des Staatsanwaltes (Privatanklägers) und des Privatbeteiligten;
  2. den Vor-und Familiennamen sowie den Namen. unter dem der Angeklagte allenfalls sonst noch bekannt ist, sein Alter. Stand. Gewerbe oder

seine Beschäftigung, ferner den Namen seines Verteidigers ;

  1. den Tag der Hauptverhandlung und des ergehenden Urteiles;
  2. das Erkenntnis des Gerichtshofes über die Sdtuldfrage, und zwar im Fall eines Strafurteiles mit allen im § 260 aufgeführten Punkten; endlich
  3. die Entscheidungsgründe. In diesen muß in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat, von weldten Erwägungen er bei der Entscheidung der Redttsfragen und bei Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde und, im Fall einer Verurteilung, weldte Ersdtwerungsund Milderungsumstände er gefunden hat. Im Falle einer Verurteilung zu einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe sind die für die Bemessung des Tagessatzes maßgebenden Umstände 19 Abs. 2 StGB) anzugeben. Bei einem freispredtenden Urteile haben die Entscheidungsgründe insbesondere deutlidt anzugeben, aus welchem der im § 259 angegebenen Gründe sich der Geridttshof zur Freisprechung bestimmt gefunden hat.

(3) Schreib-und Rechenfehler, ferner solche Formgebrechen und Auslassungen, die nicht die im § 260 Abs. 1 Z. 1 bis 3 und Abs. 2 erwähnten Punkte betreffen, hat der Vorsitzende jederzeit, allenfalls nach Anhörung der Parteien, zu berichtigen. Die Zurückweisung eines auf eine solche Beridttigung abzielenden Antrages sowie die vorgenommene Berichtigung können von jedem zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten oder sonst Beteiligten mit der binnen vierzehn Tagen einzubringenden Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz angefodtten werden. Ist außer über die Beschwerde noch über eine von wem immer ergriffene Nichtigkeitsbesdtwerde zu entsdteiden, so entsdteidet der Oberste Gerichtshof audt über die Beschwerde. Die beschlossene Verbesserung ist am Rande des Urteils beizusetzen und muß allen Ausfertigungen beigefügt werden.

(BGBI. Nr. 42311974, Art. ! Z. 83)

9. Protokollführung

§ 271. (1) Ober die Hauptverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein vom Vorsitzenden und vom Sdtriftführer zu unterschreibendes Protokoll aufzunehmen. Es soll die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichtshofes, der Parteien und ihrer Vertreter enthalten, alle wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens beurkWl

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den, insbesondere anführen, weldte Zeugen und Sadtverständigen vernommen und weldte Aktenstücke vorgelesen wurden, ob die Zeugen und Samverständigen beeidigt wurden und aus weldten Gründen die Beeidigung erfolgte, endlim alle Anträge der Parteien und die vom Vorsitzenden oder vom Gerimte darüber getroffenen Entscheidungen vermerken. Den Parteien steht es frei, die Feststellung einzelner Punkte im Protokoll zur Wahrung ihrer Rechte zu verlangen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 84)

(2)
Der Vorsitzende hat, wo es auf Feststellung der wörtlichen Fassung ankommt, auf Verlangen einer Partei sofort die Verlesung einzelner Stellen anzuordnen.
(3)
Der Antworten des Angeklagten und der Aussagen der Zeugen oder Sachverständigen geschieht nur dann eine Erwähnung, wenn sie Abweichungen, Veränderungen oder Zusätze der in den Akten niedergelegten Angaben enthalten oder wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der öffentlichen Sitzung das erstemal vernommen werden.
(4)
Wenn der Vorsitzende oder der Gerichtshof es angemessen findet, kann er die stenographische Aufzeidt.nung aller Aussagen und Vorträge anordnen; auf rechtzeitiges Verlangen einer Partei und gegen vorläufigen Erlag der Kosten ist sie stets zu verfügen. Die stenographischen Aufzeidt.nungen sind jedoch binnen achtundvierzig Stunden in gewöhnliche Schrift zu· übertragen, dem Vorsitzenden oder einem von ihm hiemit betrauten Richter zur Prüfung vorzulegen und dem Protokoll beizuschließen.
(5)
Es steht übrigens den Parteien frei, in das abgesmlossene Protokoll und dessen Beilagen Einsicht und von ihnen Abschrift zu nehmen.

§ 272. Ober die Beratungen und Abstimmungen während und am Schlusse der Hauptverhandlung ist in den Fällen, wo sich das Gericht zur Besdt.lußfassung in das Beratungszimmer zurückgezogen hat, ein abgesondertes Protokoll zu führen.

10. Vertagung der Hauptverhandlung

§ 273. Die Hauptverhandlung darf, wenn sie begonnen hat, nur insoweit unterbrodten werden, als es der Vorsitzende zur nötigen Erholung der dabei beteiligten Personen oder zur unverzüglichen Herbeischaffung von Beweismitteln erforderlich findet; sie kann nach dem Ermessen des Gerichtshofes in dringenden Fällen auch an einem Sonn-oder Feiertage fortgesetzt werden.

§ 274. Ist der Verteidiger, ungeachtet gehöriger Ladung, bei der Hauptverhandlung nicht erschienen oder hat er sich vor deren Sdt.luß entfernt oder tritt der im § 236 Abs. 2 vorgesehene Fall ein. und kann ein anderer Verteidiger überhaupt nicht oder doch nicht ohne Beeinträmtigung der Verteidigung des Angeklagten bestellt werden, so ist die Verhandlung zu vertagen. Die Kosten der Bestellung eines anderen Vertreters und der Vertagung hat der schuldige Verteidiger zu tragen.

§ 275. Erkrankt der Angeklagte während der Hauptverhandlung in dem Maße, daß er ihr nicht weiter beiwohnen kann, und willigt er nicht selbst ein, daß die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und seine in der Voruntersuchung abgegebene Erklärung vorgelesen werde, so ist die Verhandlung zu vertagen.

§ 276. Eine Vertagung der Hauptverhandlung kann nach Ermessen des Gerichtes auch dann beschlossen werden, wenn der Gerichtshof aus irgendeinem Anlasse vorläufig noch neue Erhebungen oder Untersuchungshandlungen oder die Herbeischaffungneuer Beweismittel anzuordnen findet oder wenn sich wegen äußerer Hindernisse eine zeitweilige AufsdJ.iebung der Verhandlung als notwendig oder zweckmäßig darstellt.

§ 276 a. Ist die Verhandlung, nachdem sie begonnen hatte, vertagt worden (§§ 274 bis 276), so kann der Vorsitzende in der späteren Verhandlung die wesentlichen Ergebnisse der früheren nach dem Protokoll und den sonst zu berücksichtigenden Akten mündlich vortragen und die Fortsetzung der Verhandlung daran anknüpfen. Die Verhandlung ist jedoch zu wiederholen, wenn sich die Zusammensetzung des Gerichtes geändert hat oder seit der Vertagung mehr als ein Monat verstrichen ist oder wenn es eine der Parteien nach dem Vortrage des Vorsitzenden und vor der Fortsetzung der Verhandlung begehrt, es sei denn, daß das Begehren offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung der Sache gestellt wird.

11. Zwischenfälle

§ 277. Ergibt sich aus der Hauptverhandlung mit Wahrsdleinlichkeit, daß ein Zeuge wissentlich falsch ausgesagt habe, so kann der Vorsitzende über dessen Aussage ein Protokoll aufnehmen und nach geschehener Vorlesung und Genehmigung vom Zeugen unterfertigen lassen; er kann den Zeugen aum verhaften und dem Untersuchungsrichter vorführen lassen.

§ 278. (1) Wird während der Hauptverhandlung im Sitzungssaal eine strafbare Handlung verübt und dabei der Tater auf frischer Tat betreten, so kann darüber mit Unterbrechung der Hauptverhandlung oder an deren Sdt.luß auf Antrag des dazu berechtigten Anklägers sowie nach Vernehmung des Beschuldigten und der vorhandenen Zeugen vom versammelten Gerichte s0gleich abgeurteilt werden. Rechtsmittel gegen ein solmes Urteil haben keine aufsmiebende W'U'kung.

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(2)
Ist zur Aburteilung ein Gericht höherer Ordnung zuständig oder die sofortige Aburteilung nicht tunlich, so läßt der Vorsitzende den Täter dem Untersuchungsrichter vorführen.
(3)
über einen solchen Vorgang ist ein besonderes Protokoll aufzunehmen.

§ 279. Hat der Angeklagte während der Hauptverhandlung eine strafbare Handlung begangen, so sind die Bestimmungen des § 263 voll anzuwenden.

H. R e c h t s mit tel g e gen das U r t eil

§ 280. Gegen die Urteile der Gerichtshöfe erster Instanz stehen nur die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Beruf~ng offen. Die Nichtigkeitsbeschwerde geht an den Obersten Gerichtshof, die Berufung an den. Gerichtshof zweiter Instanz.

§ 281. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann gegen ein freisprechendes Urteil nur zum Nachteile, gegen ein verurteilendes sowohl zum Vorteile als auch zum Nachteile des Angeklagten ergriffen werden, jedoch, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften audl in anderen Fällen zugelassen ist, nur wegen eines der folgenden Nichtigkeitsgründe :

1. wenn der GeridltShof nicht gehörig besetzt war, wenn nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beiwohnten oder wenn sich ein ausgeschlossener Ridlter (§§ 67 und 68) an der Entscheidung beteiligte; es sei denn, daß der die Nichtigkeit begründende Tatumstand dem Beschwerdeführer noch vor oder während der Hauptverhandlung bekannt und von ihm nicht gleich beim Beginne der Hauptverhandlung oder sofort, nachdem er in dessen Kenntnis gelangt war, geltend gemacht wurde;

1 a. wenn der Angeklagte nicht während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, obwohl dies zwingend vorgeschrieben war; (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 85)

  1. wenn trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers ein Schriftstück über einen nach dem Gesetze nichtigen Vorerhebungs-oder Voruntersuchungsakt in der Hauptverhandlung verlesen wurde;
  2. wenn in der Hauptverhandlung eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 120, 151, 152, 170, 221, 228, 240 a, 244, 250, 260, 271, 427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1 und 2); (BGEl. Nr. 42311974, Art. I Z. 85)
  3. wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder-wenn durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwisdl-enerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des

Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist;

  1. wenn der Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen 270 Abs. 2 Z. 4 und 5) undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist; wenn für diesen Ausspruch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind; oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine gerichtliche Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs-oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht;
  2. wenn der Gerichtshof mit Unrecht seine Nichtzuständigkeit 261) ausgesprochen hat;
  3. wenn das ergangene Endurteil die Anklage nicht erledigt oder
  4. diese gegen die Vorschrift der §§ 262, 263 und 267 überschritten hat;
  5. 9.
    wenn durch den Ausspruch über die Frage, a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, b) ob Umstände vorhanden seien, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, oder ob die Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben seien, endlich c) ob die nach dem Gesetz erforderliche Anklage fehle,

ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde; (BGBl. Nr. 42311974, Art. I Z. 85)

  1. wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen wurde, das darauf nicht anzuwenden ist;
  2. wenn der Gerichtshof seine Strafbefugnis, die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweit dieser durch namentlich im Gesetz angeführte Erschwerungs-oder Milderungsumstände begründet wird, die Grenzen für die Bemessung eines Tagessatzes oder die Grenzen der ilim zustehenden Strafschärfung oder außerordentlichen Strafmilderung überschritten, bei der Festsetzung einer Ersatzfreilieitsstrafe gegen § 19 Abs. 3 StGB oder durch die Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vorhaft gegen § 38 StGB verstoßen oder die Bestimmungen des § 293 Abs. 3 oder des § 359 Abs. 4 verletzt oder unrichtig _angewendet hat. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z.85)

(2) Der unter Abs. 1 Z. 1 a angeführte Nichtigkeitsgrund kann zum Nachteile des Angeklagteti nicht geltend gemacht werden.

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(3) Die unter Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vorteile des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte. Zum Nach.teile des Angeklagten können sie nur geltend gemacht werden, wenn erkennbar ist, daß die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß auf die Entscheidung zu üben vermochte, und wenn außerdem der Ankläger sich. ihr widersetzt, die Entscheidung des Gerichtshofes begehrt und sich sofort nach der Verweigerung oder Verkündung dieser Entsch.eidung die Nich.tigkeitsbesch.werde vorbehalten hat.

§ 281 a. Der Umstand, daß der Gerichtshof zweiter Instanz, der die Versetzung in den An klagestand ausgesproch.en hat (§§ 214 und 218), nicht zuständig war, kann durch. eine gegen das Endurteil gerich.tete Nichtigkeitsbesdlwerde geltend gemacht werden.

§ 282. (1) Zugunsten des Angeklagten kann die Nichtigkeitsbesch.werde sowohl von ihm selbst als auch. von seinem Ehegatten, seinen Verwandten in auf-und absteigender Linie und seinem Vormund und vom Staatsanwalte, gegen seinen Willen aber nur im Falle der Minderjährigkeit von den Eltern und vom Vormund ergriffen werden. Soweit es sich um die Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe handelt, ist die zugunsten des Angeklagten von anderen ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde als von ihm selbst eingelegt anzusehen.

(2)
Zum Nachteile des Angeklagten kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur vom Staatsanwalt oder vom Privatankläger ergriffen werden.
§ 283. (1) Die Berufung kann nur gegen den Ausspruch. über die Strafe, soweit nicht der im § 281 Abs. 1 Z. 11 erwähnte Nichtigkeitsgrund vorliegt, und gegen den Ausspruch über die privatrechtlich.en Ansprüch.e ergriffen werden.
(2)
Wegen des Ausspruches über die Strafe kann die Berufung von allen zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten ergriffen werden, und zwar zum Nachteile des Angeklagten, wenn das Gerich.t nich.t auf die strengste gesetzlich zulässige Strafart erkannt, wenn es eine gesetzlich zulässige Nebenstrafe nich.t verhängt hat, und wegen des Strafausmaßes, wenn die verhängte Geld-oder Freiheitsstrafe das gesetzliche Höchstmaß nicht erreicht; zugunsten des Angeklagten aber, wenn das Gericht nicht auf die mildeste bei Anwendung der außerordentlich.en Strafmilderung zulässige Strafart erkannt, wenn es eine nicht zwingend vorgeschriebene Nebenstrafe verhängt hat, und wegen des Strafausmaßes, wenn die verhängte Geld-oder Freiheitsstrafe das bei Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung zulässige Mindestmaß über

steigt. Bestimmt das Gesetz kein Mindestmaß, so kann wegen des Strafausmaßes zugunsten des Angeklagten Berufung ergriffen werden, wenn eine Strafe das gesetzlich.e Mindestmaß von Strafen dieser Art übersteigt.

(3)
Bei Geldstrafen, die in Tagessätzen zu bemessen sind, ergibt sich das im Abs. 2 genannte Höchstmaß aus der im Gesetz angedrohten Höchstzahl der Tagessätze und der gesetzlichen Obergrenze für die Bemessung eines Tagessatzes, das im Abs. 2 genannte Mindestmaß aus der Mindestzahl der Tagessätze und der gesetzlichen Untergrenze für die Bem:essung eines Tagessatzes.
(4)
Wegen des Ausmaßes der Ersatzfreiheitsstrafe kann, soweit es nicht gesetzlich bestimmt ist, zugunsten und zum Nachteil des Angeklagten Berufung ergriffen werden.
(5)
Die im § 260 Abs. 2 erwähnte Feststellung kann zugunsten und zum Nachteil des Angeklagten mit Berufung angefochten werden.
(6)
Gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche können nur der Angeklagte und dessen gesetzlicher Vertreter und Erben Berufung einlegen.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. I1 Z. 14; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 86)

1. Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden

§ 284. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteiles beim Gerichtshof erster Instanz anzumelden. War der Angeklagte bei der Verkündung des Urteiles nicht gegenwärtig 234), so ist sie binnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vom Urteile verständigt wurde 269).

(2)
Für die im § 282 erwähnten Angehörigen des Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde von demselben Tage, von dem an sie für den Angeklagten beginnt.
(3)
Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft darf nur wegen einer Nichtigkeitsbeschwerde des Staatsanwaltes, und zwar bloß dann aufgeschoben werden, wenn diese sogleich bei Verkündung des Urteiles angemeldet wird und nach den Umständen die Annahme begründet ist, daß sich der Angeklagte dem Verfahren durch die Flucht entziehen werde. Gegen die Entlassung aus der Haft ist kein Rechtsmittel zulässig.
(4)
Dem Beschwerdeführer muß, sofern dies nicht schon geschehen ist, eine Urteils abschrift zugestellt werden.

§ 285. (1) Der Besmwerdeführer hat das Recht. binnen vierzehn Tagen nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des

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Redttsmittels zugestellt wurde, binnen vierzehn Tagen nam der Zustellung eine Ausführung seiner Besdlwerdegründe beim Gerimt in zweifamer Ausfertigung zu überreimen. Er muß entweder in dieser Schrift oder bei Anmeldung seiner Besmwerde die Nimtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeimnen, widrigens auf seine Besmwerde vom Obersten Gerimtshofe keine Rücksicht zu nehmen ist. Hat er eine Beschwerdeschrift innerhalb der gesetzlichen Frist überreicht, so ist diese seinem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen seine Gegenausführung überreichen könne.

(2) Nach überreichung dieser Gegenausführung oder nach Ablauf der hiezu bestimmten Frist sind aUe Akten an den Obersten Gerichtshof zu senden, der darüber zu entscheiden hat.

§ 285 a. Der Gerichtshof erster Instanz, bei dem eine gegen ein Endurteil gerimtete Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet wird, hat diese zurückzuweisen:

  1. wenn sie zu spät angemeldet oder wenn sie von einer Person eingebramt wurde, der die Nichtigkeitsbesmwerde nicht zukommt oder die auf sie verzichtet hat;
  2. wenn nimt bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde oder in ihrer Ausführung einer der im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 angegebenen Nichtigkeitsgcünde deutlich und bestimmt bezeichnet, insbesondere wenn der Tatumstand, der den Nidltigkeitsgrund bilden soll, nicht ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung angeführt ist;
  3. wenn die unter Z. 2 geforderte Angabe, soweit es sich nicht um eine von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde handelt, nicht entweder zu Protokoll oder in einer Eingabe gemacht wird, die von einem Verteidiger 39) untersdtrieben ist. Besteht der Mangel lediglich im Fehlen der Unterschrift eines berechtigten Verteidigers, so ist die Eingabe vorerst zur Behebung dieses Mangels und Wiedervorlage binnen vierzehn Tagen zurückzustellen.

§ 285 b. (1) Der im § 285 a erwähnte Beschluß ist vom Vorsitzenden zu fassen, und zwar in den im § 285 a unter Z. 2 und 3 erwähnten Fällen nimt früher, als die Ausführung der Nichtigkeitsbesmwerde überreicht oder die hiezu bestimmte Frist abgelaufen ist. (BGBl. Nv. 423/1974, An.l Z. 87)

(2)
Gegen den Besmluß steht die Beschwerde nn den Obersten Gerichtshof offen; sie ist binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung des Beschlusses beim Gerichtshof erster Instanz einzubringen und von diesem binnen weiteren drei. Tagen an 'den Obersten Gerichtshof einzusenden.
(3)
Diese Beschwerde hat keine aufschiebende W"U'kung.
(4)
Der Oberste Gerichtshof entscheidet über die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung des Generalprokurators.
(5)
Gibt der Oberste Gerichtshof der Beschwerde Folge, so läuft im Falle des § 285 a
Z.
1 die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde, sofern diese nicht schon erstattet ist, vom Tage der Eröffnung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes; dem Beschwerdeführer ist gleichzeitig mit dieser Eröffnung, wenn es nicht bereits geschehen ist, eine Ausfertigung des Urteiles zuzustellen; im übrigen ist nach § 285 vorzugehen.
(6)
Wird diese Beschwerde zurückgewiesen und war mit der Nichtigkeitsbeschwerde die 13erufung verbunden, so leitet der Oberste Gerichtshof nach Abweisung der Beschwerde die Akten an den zur Entsmeidung über die Berufung zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz.

§ 285 c. (1) Der Oberste Gerichtshof hat über die nach § 285 Abs. 2 an ihn gelangte Nichtigkeitsbeschwerde nur dann zuerst in nichtöffentlimer Sitzung nach Anhörung des Generalprokurators zu beraten, wenn der Generalprokurator oder der Berichterstatter einen der in den §§ 285 d, 285 e und 285 f bezeichneten Beschlüsse beantragt.

(2) Außerdem' wird der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung der Sache unter Beobachtung der hiefür im § 286 erteilten Vorsduift angeordnet, ohne daß es hiezu eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofes bedarf.

§ 285 d. (1) Bei der nichtöffentlichen Beratung kann die Nimtigkeitsbeschwerde sofort zurückgewiesen werden:

  1. wenn sie schon vom Gerichtshof erster Instanz nach § 285 a hätte zurückgewiesen werden sollen oder wenn der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund bereits durch eine in derselben Sache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beseitigt ist;
  2. wenn die Nichtigkeitsbeschwerde sich auf die im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 8 angegebenen Nichtigkeitsgründe stützt und der Oberste Gerichtshof einstimmig erachtet, daß die Beschwerde, ohne daß es einer weiteren Erörterung bedarf, als offenbar unbegründet zu verwerfen sei.

(2) Der vorstehende Beschluß kann bei der nichtöffentlichen Beratung auch dann ergehen. wenn wegen anderer Nichtigkeitsgründe oder weü der Oberste Gerichtshof sich die Ausübung der ihm nach § 290 Abs. 1 zustehenden Befugnis vorbehalten will, ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anzuberaumen ist.

§ 285 e. Bei der nidltöffentlimen Beratung über eine zum Vorteile des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde kann dieser, sofern der Generalprokurator mstimmt, sofort Folge

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

gegeben werden, wenn sim zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nimt zu vermeiden ist, eine Entsmeidung des Obersten Gerimtshofes in der Same selbst aber nom nimt einzutreten hat.

§ 285 f. Bei der nichtöffentlichen Beratung kann ferner die Einholung tatsächlicher Aufklärungen über behauptete Formverletzungen 281 Abs. 1 Z. 1 bis 4) angeordnet werden.

§ 285 g. Den im § 285 d erwähnten Beschluß kann der Oberste Gerichtshof auch bei der Beratung über eine auf Grund des § 285 b an ihn gelangte Beschwerde fassen, wenn die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde überreicht oder die Frist hiezu verstrichen ist.

§ 285 h. Die Bestimmungen der §§ 285 c bis 285 g sind auch auf Nichtigkeitsbeschwerden nach § 281 a anzuwenden.

§ 285 i. Der Oberste Gerichtshof ist in jedem Falle, in dem er auf Grund der §§ 285 b bis 285 h eine Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde zurüdtweist, die offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung der Sache angebracht wurde, berechtigt, gegen den Beschwerdeführer oder nach Umständen gegen dessen Vertreter auf eine Geldstrafe bis zu fünftausend Schilling zu erkennen.

(BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z. 88)

$ 286. (1) Wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung der Sache anberaumt, so ist die Vorladung des Angeklagten sowie des allenfalls einschreitenden Privatanklägers in der Art vorzunehmen, daß sie diese wenigstens acht Tage vor dem Gerichtstag erhalten. Dabei ist ihnen zu bedeuten, daß im Fall ihres Ausbleibens ihre Beschwerden und Ausführungen vorgetragen und der Entscheidung zugrunde gelegt werden würden.

(2)
Ist der Angeklagte verhaftet, so wird er vom Gerichtstage mit dem Beisatz in Kenntnis gesetzt, daß er nur durch einen Verteidiger erscheinen könne.
(3)
Hat er einen Verteidiger bereits namhaft gemacht, so ist die Vorladung nur an diesen zu richten.
(4)
Hat er noch keinen Verteidiger, so ist ihm von Amts wegen ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben 41 Abs. 3). Liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 vor, so ist dem Angeklagten nach dieser Gesetzesstelle ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben. (BGBI. Nr. 56911973, Art. III Z. 6; BGBI. NT. 42311974, Art. 1 Z. 89)

§ 287. (1) Die Verhandlung der Sache vor dem Obersten Gerimtshof am angesetzten Gerimtstag ist öffentlim nam den Vorsdlriften der $S 228 bis 231.

(2)
Zuerst trägt der Berichterstatter eine Darstellung des bisherigen Ganges des Strafverfahrens vor und bezeichnet die vom Beschwerdeführer aufgestellten Nichtigkeitsgründe und die sich daraus ergebenden Streitpunkte, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äußern.
(3)
Hierauf erhält der Beschwerdeführer das Wort zur Begründung seiner Besmwerde und sodann sein Gegner zur Erwiderung. Dem Angeklagten oder seinem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten l\ußerung. Ist ein Teil nicht erschienen, SO wird dessen Beschwerdeschrift oder Gegenausführung vorgelesen. Hierauf rieht sich der Gerichtshof in sein Beratungszimmer zurück.

$ 288. (1) Findet der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde unbegründet, so hat er sie zu verwerfen und, wenn sie offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung der Same angebracht wurde, gegen den Beschwerdeführer oder nach Umständen gegen dessen Vertreter auf eine Geldstrafe bis fünftausend Schilling zu erkennen. (BGBI. NT. 42311974, Art. I Z. 90)

(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so ist das Urteil, soweit es angefochten und durch den Nichtigkeitsgrund berührt ist, aufzuheben und nach Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründe gemäß den folgenden Vorschriften zu erkennen und weiter zu verfahren:

  1. Liegt einer der im § 281 Abs. 1 unter Z. 1 bis 5 angeführten Nichtigkeitsgründe vor, so ordnet der Oberste Gerichtshof eine neue Hauptverhandlung an und verweist die Sadle nach seinem Ermessen' entweder an denselben oder an einen anderen Geridltshof erster Instanz.
  2. Hat der Gerichtshof mit Unredlt seine Nichtzuständigkeit ausgesprodlen oder die An~ klage nidlt erledigt 281 Abs. 1 Z. 6 und 7), so trägt ihm der Oberste Geridltshof auf, sich der Verhandlung und UrteilsfäI1ung zu unterziehen, die sich im Falle der Z. 7 auf die unerledigt gebliebenen Anklagepunkte zu beschränken hat.
  3. In aHen anderen Fällen erkennt der Oberste Geridltshof in der Sadle selbst, indem er seiner Entsdleidung die Tatsadlen zugrunde legt, die der Gerichtshof erster Instanz ohne Obersdlreitung der Anklage ($ 281 Abs. 1 Z. 8) festgestellt hat. Findet der Oberste Geridltshof jedodl im Urteil und dessen Entsdleidungsgründen die Tatsachen nidlt festgestellt, die bei ridltiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnisse zU" grunde zu legen wären, so verweist er die Sache zu neuer Verhandlung und Entsdleidung an denselben oder an einen anderen Gerichtshof erster Instanz, geeignetenfalls auch an das zuställdige Bezirksgeridlt.

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 288 a. Findet der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 a gegründet, so vernichtet er die Hauptverhandlung, verweist die Sache zur nochmaligen Verhandlung vor das zuständige Gericht erster Instanz und verfügt die sonst nötige Verbesserung des Verfahrens.

§ 289. War die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen einzelne im Urteil enthaltene Verfügungen gerichtet und findet der Oberste Gerimtshof, daß diese vom Inhalte des ganzen Urteiles trennbar seien, so steht ihm auch frei, das angefomtene Urteil nur teilweise aufzuheben. Eben dies ist der Fall, wenn dem angefochtenen Urteile mehrere strafbare Handlungen zugrunde liegen und die Nimtigkeitsbesmwerde sim nur auf das Verfahren oder die Beurteilung hinsimtlim einzelner von ihnen besmränkt, zugleim aber die erforderlime teilweise Wiederholung des Verfahrens oder auch ohne diese ein neuer Aussprum hinsidltlim dieser einzelnen strafbaren Handlung ausführbar ersmeint.

§ 290. (1) Der Oberste Gerimtshof hat sim auf die vom Beschwerdeführer ausdrücklich oder dom durm deutlime Hinweisung geltend gemachten Nimtigkeitsgründe zu beschränken. überzeugt er sich jedom aus Anlaß einer von wem immer ergriffenen Nimtigkeitsbeschwerde, daß zum Nachteile des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden sei 281 Abs. 1 Z. 9 bis 11) oder daß dieselben Gründe, auf denen seine Verfügung zugunsten eines Angeklagten beruht, auch einem Mitangeklagten zustatten kommen, der die Nichtigkeitsbesmwerde nimt ergriffen hat, so hat er von Amts wegen so vorzugehen, als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden.

(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde lediglim zu~ gunsten des Angeklagten ergriffen worden, so kann der Oberste Gerichtshof keine strengere Strafe über den Angeklagten verhängen, als das angefochtene Urteil ausgespromen hatte.

§ 291. Das Urteil des Obersten Gerichshofes 'ist, namdem sim dieser in den Gerimtssaal zurückbegeben hat, samt den Entscheidungsgründen mündlim zu verkünden; hat der Angeklagte der Verhandlung beim Obersten Gerichtshofe nicht beigewohnt, so ist ihm ohne Verzug eine amtlim beglaubigte Absmrift des Urteiles durch den Gerichtshof erster Instanz zuzustellen. Für die Ausfertigung des Urteiles und die Führung des Protokolls bei den Verhandlungen des Obersten Gerimtshofes sind die in den §§ 260, 268 bis 271 enthaltenen Vorsmriften zu beobamten.

§ 292. Das Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde rimtet sim im allgemeinen nam den in den §§ 286 Abs. 1 bis 3 und 287 bis 291 ent:' haltenen Vorsdlriften. Der Angeklagte (Verurteilte) ist, wenn das nimt zu einer unangemessenen Verzögerung des Venahrens führt, vom Gerimtstag mit der Bemerkung in Kenntnis zu setzen, daß es ihm freistehe zu ersmeinen. Das gleime gilt für den Privatbeteiligten, sofern der Aussprum über die privatremtlimen Ansprüme von der Nimtigkeitsbesmwerde betroffen ist, und für die sonst Beteiligten, sofern ihre Remte betroffen sind. Findet der Oberste Gerichtshof die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Besmwerde gegründet, so hat er zu erkennen, daß in der fraglichen Strafsame durm den angefooo.tenen Besdlluß oder Vorgang, durm das gepflogene Verfahren oder durm das erlassene Urteil das Gesetz verletzt worden sei. Dieser Aussprum ist in der Regel ohne Wirkung auf den Angeklagten. Ist jedom der Angeklagte durm ein solmes nimtiges Urteil zu einer Strafe verurteilt worden, so steht es dem Obersten Gerimtshofe frei, nach seinem Ermessen entweder den Angeklagten freizusprechen oder einen milderen Strafsatz anzuwenden oder nach Umständen eine Erneuerung des gegen diesen gepflogenen Verfahrens anzuordnen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 91)

§ 293. (1) Das Gerimt, an das die Same nach den §§ 288 und 292 zu neuer Verhandlung verwiesen wird, hat dabei die ursprünglime Anklage zugrunde zu legen, sofern nimt der Oberste Gerichtshof eine Abweichung angeordnet hat.

(2)
Es ist an die Rechtsansimt gebunden, von der der Oberste Gerimtshof bei seiner Entsmeidung ausgegangen ist.
(3)
Die Bestimmung des § 290 Abs. 2 ist aum für das auf Grund der neuen Hauptverhandlung ergehende Urteil maßgebend.
(4)
Gegen dieses Urteil kann die Nimtigkeitsbesmwerde aus allen im § 281 erwähnten Gründen ergriffen werden, soweit diese nimt bereits durm eine in derselben Sache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beseitigt sind.

2. Verfahren bei Berufungen § 294. (1) Die Berufung ist innerhalb der im § 284 bezeichneten Frist beim Gerichtshof erster Instanz anzumelden. Sie hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Strafart gerichtet ist oder wenn der Angeklagte, insofern

sie gegen das Strafmaß gerichtet ist, nicht selbst erklärt, die Strafe einstweilen antreten zu wollen.

(2) Dem Besmwerdeführer muß, sofern dies nimt smon gesmehen ist, eine Urteilsabsdlrift zugestellt werden. Der Besmwerdeführer hat das Remt, binnen vierzehn Tagen naoo. der Anmeldung der Berufung, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nam der Anmeldung des Remtsmittels zugestellt wurde, binnen vierzehn Tagen naoo. der Zustellung eine Ausführung seiner BesmwerdegrüDde beim Gerimt in zweifamer Ausfertigung zu überreimen. Er muß entweder

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

in dieser Sduift oder bei der Anmeldung ausdrüdtlich erklären, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde, widrigens auf seine Berufung vom Gerichtshofe zweiter Instanz keine Rüdtsicht zu nehmen ist. Die Anmeldung, die die Berofungsgronde enthält, oder die rechtzeitig eingebrachte Ausführung ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen seine Gegenausführung überreichen könne.

(3)
Nach Oberreichung dieser Gegenausführung oder nach Ablauf der hiezu bestimmten Frist sind alle Akten dem Gerichtshofe zweiter Instanz vorzulegen, der über die Berufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung berät, wenn der Berichterstatter oder der Oberstaatsanwalt beantragt, die Berufung aus einem der im folgenden Absatz angeführten Gründe zurüdiZuweisen.
(4)
Der Gerichtshof zweiter Instanz kann die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zurüdtweisen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einer Person ergriffen worden ist, der das Berufungsrecht üherhaupt nicht oder nicht in der Richtung zusteht, in der es in Anspruch genommen wird, oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn der Berufungswerber weder bei der Anmeldung der Berufung noch in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat, auf die Berufung daher keine Rüdtsicht zu nehmen ist.
(5)
Wird über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, so hat der Vorsitzende einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung anzuordnen. Für die Anberaumung und Durchführung des Gerichtstages gelten die Bestimmungen der §§ 286 und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, daß stets auch der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen ist und die Vorführung des verhafteten Angelclagten veranlaßt werden kann. Ist die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche' gerichtet, so ist auch der Privatbeteiligte vorzuladen.

(BGBI. Nr. 22911962, Art. 1 Z. 3)

§ 295. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanz hat sich bei seiner Entscheidung auf die der Berufung unterzogenen Punkte zu beschränken und dabei den Ausspruch des Gerichtes über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz zugrunde zu legen. Setzt er die Strafe zugunsten eines oder mehrerer Mitschuldiger aus Gründen herab, die auch anderen zustatten kommen, so hat er von Amts wegen so vorzugehen, als hätten auch diese Mitschuldigen die Berufung ergriffen.

(2) Ist die Berufung lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffen worden, so kann der Gerichtshof zweiter Instanz keine strengere Strafe über den Angeklagten verhängen, als das erste Urteil ausgesprochen hatte.

(3) Gegen seine Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

§ 296. (1) Ist außer über die Berufung auch über eine Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden, die von der einen oder der anderen Seite ergriffen worden ist, so sind bei VorIegung der Akten an den Obersten Gerichtshof auch die Aktenstüdte beizulegen, die die Berufung betreffen. In diesem Fall entscheidet der Oberste Gerichtshof auch über die Berufung.

(2)
Der Oberste Gerichtshof berät über die Berufung nur dann in nichtöffendicher Sitzung, wenn der Berichterstatter oder der Generalprokurator die Zurüdtweisung der Berufung aus einem der im § 294 Abs. 4 angeführten Gründe beantragt und nicht über die Nichtigkeitsbeschwerde bei einem Gerichtstag zur öffentlimen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde entschieden werden muß.
(3)
Wird über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, so entsmeidet der Oberste Gerichtshof über die Berufung entweder beim Gerimtstag zur öffentlimen Verhandlung übet die Nichtigkeitsbesmwerde oder, wenn über diese in nichtöffendimer Sitzung entschieden wurde, bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung. Für die Anberaumung und Durchführung des Gerichtstages gelten die Bestimmungen der §§ 286 und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, daß stets auch der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen ist und die Vorführung des verhafteten Angeklagten veranlaßt werden kann. Ist die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlimen Ansprüche gerichtet, so ist aum der Privatbeteiligte vorzuladen.

(BGBI. NT. 22911962, Art. I Z. 4)

XIX. Hauptstüdt

Von den Gesmwornengerimtell

1. Allgemeine Bestimmungen

§ 297. (Aufgehoben; BGBI. NT. 423/1974, Art. 1 Z.92) § 298. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 42311974, Art. 1 Z.92)

§ 299. (Aufgehoben; EGBI. NT. 423/1974, ATt.l Z.92) § 300. (1) Das Gesc:hwornengerimt besteht aus dem Smwurgerichtshof und der Gesmwomen

bank.

(2) Dem Schwurgerichtshofe gehören drei Richter an, von denen einer den Vorsitz führt; die Geschwornenbank setzt sich aus acht Geschwornen zusammen.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

(3) Ist zu erwarten, daß die Hauptverhandlung von längerer Dauer sein werde, so kann der Vorsitzende verfügen, daß ein Ersatzrichter und ein oder zwei Ersatzgeschworne der Hauptverhandlung beiwohnen, um bei Verhinderung eines

Rimters oder eines Gesmwornen an dessen Stelle zu treten. Ist eine besonders lange Dauer der Hauptverhandlung zu erwarten, so können zu diesem Zweck noch ein weiterer Ersatzrichter und

ein oder zwei weitere Ersatzgesmworne beigezogen werden. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 93)

(4) Sind mehrere Ersatzgeschworne beigezogen worden, so treten sie in der Reihenfolge der Dienstliste an die Stelle des verhinderten Geschwornen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 93)

§ 301. (1) Die Mitglieder des Schwurgerichtshofes, die Ersatzrimter und die Reihenfolge Angeklagten die im § 240 vorgesmriebenen Fragen und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende Anklage und auf den Gang der Verhandlung.

§ 305. (1) Hierauf beeidigt der Vorsitzende bei sonstiger Nimcigkeit die Gesmwornen, die in demselben Jahre nom nimt beeidigt worden sind. Er gibt die Namen der smon beeidigten

Geschwornen bekannt und erinnert diese an die

Heiligkeit des von ihnen abgelegten Eides. Sodann fordert er die Gesmwornen auf, sim von den Sitzen zu erheben, und hält an sie folgende Anrede:

"Sie smwören und geloben vor Gott, die Beweise, die gegen und für den Angeklagten werden vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu

ihres Eintrittes werden durm die Geschäftsver-Iassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des

teilung bestimmt. Als Vorsitzender und als dessen Ersatzmann sollen nur Richter bestimmt werden, die mindestens fünf Jahre als Richter bei einem Gerichtshof erster Instanz in Strafsachen oder als Staatsanwälte tätig gewesen sind.

(2) Die Bildung der Listen, denen die Geschwornen zu entnehmen sind, die Heranziehung der in diesen Listen verzeichneten Personen zum Dienst als Geschworne und die wegen Pflichtverletzungen der Geschwornen zulässigen Maßnahmen regelt ein besonderes Gesetz.

II. Hau p t ver h a n d I u n g vor dem
Ge s eh w
0 r ne n g e ri c h te
1. Allgemeine Bestimmungen

$ 302. (1) Die Hauptverhandlung richtet shh, soweit in diesem Hauptstücke nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des XVIII. Hauptstückes. Was dort für den Gerichtshof und den Vorsitzenden bestimmt ist, gilt für den Schwurgerichtshof und dessen Vorsitzenden.

(2) Der Vorsitzende des Smwurgerichtshofes ist insbesondere verpflichtet, den Geschwornen Rum außer den Fällen, für die es im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist, die zur Ausübung ihres Amtes erforderlichen Anleitungen zu geben und sie nötigenfalls an ihre Pflichten zu erinnern.

$ 303. Soweit nam den folgenden Vorschriften der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschwornen zu entsmeiden hat, richten sim Abstimmung und Besmlußfassung nam den für die Smöffengerimte geltenden Bestimmungen.

2. Beginn der Hauptverhandlung

§ 304. Sobald die Gesmwornen ihre Sitze in der alphabetismen Reihenfolge ihrer Namen, Ersatzgesmworne nam den übrigen Gesmwor

.nen, . eingenommen haben, beginnt die Haupt

verhand.1\1Dg mit dem Aufrufe der Sache durm

den Smriftführer. Der Vorsitzende stellt an den Angeklagten .gereichen kann, das Gesetz, dem Sie Geltung versmaffen sollen, treu zu beobachten, vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit niemand außer mit den Mitgliedern des Schwurgerichts hofes und Ihren Mit

geschwornen Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu-oder Abneigung, der Furcht oder der Schadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sich mit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten

überzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können."

(2) Sodann wird jeder noch nimt beeidigte Geschworne einzeln vom Vorsitzenden aufgerufen und antwortet: "Ich schwöre, so wahr mir

Gott helfe." Das Religionsbekenntnis der Gesdiwornen mamt dabei keinen Unterschied. Nur Geschworne, die keinem Religionsbekenntnis angehören oder deren Bekenntnis die Eidesleistung untersagt, werden durch Handschlag verpflich

tet.

(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer des Kalenderjahres. Sie ist im Verhandlungsprotokoll und fortlaufend in einem besonderen Abschnitte des Buches über die Beeidigung der Smöffen 240 a Abs. 3) zu beurkunden.

3. Beweisverfahren

§ 306. Nam der Beeidigung der Gesmwornen läßt der Vorsitzende durch den Schriftführer die Zeugen und Samverständigen aufrufen und trifft die im § 241 angeführten Verfügungen. Das Verfahren gegen ungehorsame Zeugen oder Samverständige rimtet· sim nam den Vorsdlriften der §§ 242 und 243.

§ 307. Sobald die Zeugen und, sofern der Vorsitzende nidlt gemäß § 241 etwas anderes verfügt hat, audl die Samverständigen abgetreten sind, läßt der Vorsitzende bei sonstiger Nun

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

tigkeit die Anklagesmrift und, falls ein Erkenntnis des Gerimtshofes zweiter Instanz vorliegt, nam dem ein Anklagepunkt zu entfallen hat ($ 213 Abs. 2), aum dieses vorlesen.

§ 308. (1) Der Vorsitzende vernimmt hierauf den Angeklagten und leitet die Vorführung der Beweismittel unter Beobamtung der in den §§ 245 bis 254 enthaltenen Anordnungen.

(2) Das Remt der Fragestellung 249) steht aum dem Ersatzrimter und den Gesmwornen mit Einsmluß der Ersatzgesmwornen zu.

§ 309. (1) Aum Geschworne einschließlim der Ersatzgeschwornen können Beweisaufnahmen zur Aufklärung von erheblimen Tatsamen, die Gegenüberstellung von Zeugen, deren-Aussagen voneinander abweimen 248 Abs. 2), und die nommalige Vernehmung bereits abgehörter Zeugen 251) begehren.

(2) Ober ein solmes Begehren entsmeidet der Smwurgerichtshof.

4. Fragestellung an die Geschwornen

§ 310. (1) Nam Schluß des Beweisverfahrens stellt der Vorsitzende nach vorläufiger Beratung' des Sdtwurgerichtshofes die an die Geschwornen zu richtenden Fragen fest. Sie sind schriftlich abzufassen, vom Vorsitzenden zu unterfertigen und bei sonstiger Nimtigkeit vorzulesen. Sowohl dem Ankläger als auch dem Verteidiger ist eine Niederschrift der Fragen zu übergeben.

(2)
Nach Verlesung der Fragen ist ein Rüdttritt des Anklägers von der Anklage ni mt mehr zulässig.
(3)
Die Parteien sind berechtigt, eine Xnderung oder Ergänzung der Fragen zu beantragen. Ober einen solchen Antrag entsmeidet der Schwurgerichtshof ; gibt er ihm statt, so müssen die Fragen von neuem schriftliCh abgefaßt, vom Vorsitzenden unterfertigt und bei sonstiger Nimtigkeit nochmals vorgelesen werden.
(4)
Der Vorsitzende übergibt sodann mindestens zwei Ausfertigungen der Fragen den Gesmwornen.

§ 311. (1) Die Fragestellung an die Gesmwornen entfällt, wenn der Schwurgerichtshof nam Anhörung der Parteien erkennt, daß der Angeklagte freizusprechen sei, weil einer der im § 259 Z. 1 und 2 erwähnten Fälle vorliegt oder die Verfolgung aus anderen Gründen des Prozeßremtes ausgeschlossen ist.

(2) Kann jedom über diese Frage nidtt entsdtieden werden, ohne einer den Gesdtwornen vorbehaltenen. Feststellung entscheidender Tatsamen oder der rechtlichen Beurteilung der Tat durm die Geschwornen vorzugreifen, so iSt vorerst der Wahrspruch der Gesmwornen abzuwarten 3'a7).

§ 312. (I) Die Hauptfrage ist darauf geridltet, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nam Ort, Zeit, Gegenstand usw. soweit beizufügen, als es zur deutlimen Bezeimnung der Tat oder f,ür die Entsdleidung über die Entsdtädigungsansprüme notwendig ist.

(2) Treffen in der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegten Tat die Merkmale mehrerer strafbarer Handlungen zusammen, ohne daß eine in der anderen aufgeht, so ist für jede der zusammentreffenden strafbaren Handlungen eine besondere Hauptfrage zu stellen.

§ 313. Sind in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebradlt worden, die -wenn sie als erwiesen angenommen werden -die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden, so ist eine entsprechende Frage nam dem Strafausschließungs-oder Strafaufhebungsgrunde (Zusatzfrage) zu stellen. Kommen die Voraussetzungen des § 42 StGB in Betramt, so ist eine Zusatzfrage nach ihrem Vorliegen zu stellen.

(BGBI. Nr. 423/1974. Art.! Z. 94)

§ 314. (1) Sind in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebramt worden, nam denen -wenn sie als erwiesen angenommen werden -ein eines vollendeten Verbrechens oder Vergehens Angeklagter nur des Versumes schuldig oder ein als unmittelbarer Täter Angeklagter als Täter anzusehen wäre, der einen anderen dazu bestimmt hat, die Tat auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hat, oder wonam die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte, so sind entspredtende Schuldfragen (Eventualfragen) an die Geschwornen zu stellen. (BGBI. NT. 423/1974. Art.! Z. 95)

(2) Eine Frage, nach der die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein strengeres Strafgesetz als das in der Anklageschrift angegebene fiele. kann gestellt werden, sofern der Smwurgerichtshof nach Anhörung der Parteien die Vertagung der Hauptverhandlung oder die Ausscheidung des Verfahrens wegen dieser Tat nicht für notwendig eramtet.

§ 315. (1) Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung noch einer anderen als der der Anklagesmrift zugrunde liegenden Tat besdtuldigt worden oder hat er während der Hauptverhandhing eine strafbare Handlung begangen. 10 sind die Bestimmungen der 5S 263 und 279 anzuwenden.

(2) Ist dia Verhandlung auf die neue Tat ausgedehnt worden, so sind audl wegen dieser Tu die entspredienden Fragen zu stellen. Die Stellung

211. Stü<k -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

solcher Fragen unterbleibt jedoch, wenn sich in der Hauptverhandlung ergibt, daß eine bessere Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung notwendig ist. In diesem Falle hat der Schwurgerichtshof die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, dem die hinzugekommene Tat zur Last gelegt ist, abzubrechen und die Entscheidung über alle diesem Angeklagten zur Last liegenden strafbaren Handlungen einer neuen Hauptverhandlung vorzubehalten oder, falls er diesen Vorgang nicht für zweckmäßig erachtet, dem Ankläger auf dessen Verlangen die Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat im Urteile vorzubehalten.

§ 316. Erschwerungs-und Milderungsumstände sind nur unter der Voraussetzung Gegenstand einer Zusatzfrage an die Geschwornen, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die -wenn sie als erwiesen angenommen werden -einen im Gesetze namentlich angef,ührten Erschwerungs-oder Milderungsumstand begründen würden, der nach dem Gesetze die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt.

§ 317. (1) Die an die Geschwornen zu richtenden Fragen sind so zu fassen, daß si(: sich mit Ja oder Nein beantworten lassen.

(2)
Welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstande besonderer Fragen zu machen sind, bleibt ebenso wie die Reihenfolge der Fragen der Beurteilung des Schwur,gerichtshofes im einzelnen Fall überlassen.
(3)
Fragen, die nur für den Fall der Bejahung (Zusatzfragen) oder für den Fall der Verneinung einer anderen Frage (Eventualfragen) gestellt werden, sind als solche ausdrücklich zu bezeichnen.

5. Vorträge der Parteien; Schluß der Verhandlung

§ 318. (1) Nach Verlesung der Fragen werden der Ankläger und der Privatlbeteiligte, der Angeklagte und sein Verteidiger in der im § 255 bezeichneten Reihenfolge gehört.

(2) In den Schlußvorträgen sind alle im Urteile zu entscheidenden Punkte zu behandeln.

§ 319. Hierauf erklärt der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen; der Angeklagte wird, wenn er verhaftet ist, einstweilen aus dem Sitzungssaal abgeführt.

6. Wahl des Obmannes der Geschwornen; Rechtsbelehrung durm den Vorsitzenden

§ 320. (1) Die Gesmwornen begeben sich hierauf in das für sie bestimmte Beratungszimmer und wählen einen Obmann aus ihrer Mitte mit einfadter Stimmenmehrheit. Der Smwurgeridmhof zieht sidt indessen in sein Beratungszimnter zurück.

(2) Der Ersatzrimter und die Ersatzgesmwornen dürfen im Beratungszimmer nur anwesend sein, sofern sie vor Smluß der Verhandlung an die Stelle eines verhinderten Mitgliedes des Gesmwornengerimtes getreten sind.

§ 321. (1) Der Vorsitzende verfaßt nam Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Schwurgerichtshofes die den Geschwornen zu erteilende Rechtsbelehrung. Das Smriftstück ist von ihm zu unterfertigen und dem Protokoll über die Hauptverhandlung anzuschließen.

(2) Die Rechtsbelehrung muß -für jede Frage gesondert -eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt-oder Eventualfrage geridttet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen.

§ 322. Nach Ausfertigung der Rechtsbelehrung begibt sich der Schwurgerichtshof mit <fem Schriftführer in das Beratungszimmer der Ges(hwornen. Der Vorsitzende läßt die Anklageschrift, das nach § 307 vorgelesene Erkenntnis des Gerichtshofes zweiter Instanz, die Beweisgegenstände, Augensmeinsprotokolle und die übrigen Akten mit Ausnahme der in der Hauptverhandlung nicht vorgelesenen Vernehmungsprotokolle in das Beratungszimmer smaffen.

§ 323. (1) Im Beratungszimmer der Gesmwornen erteilt ihnen der Vorsitzende die Remtsbelehrung. Weicht er dabei von der Niederschrift 321 Abs. 1) ab oder geht er über sie hinaus, insbesondere wegen Fragen der Gesmwornen, so sind die Knderungen und Ergänzungen der Niederschrift über die Rechtsbelehrung in einem Anhange beizufügen, den der Vorsitzende un terfertigt.

(2)
Im Ansd11uß an die Rechtsbelehrung bespricht der Vorsitzende mit den Geschwornen die einzelnen Fragen; er führt die in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurück, hebt die für die Beantwortung der Frage entscheidenden Tatsachen hervor, verweist auf die Verantwortung des Angeklagten und auf die in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweise, ohne sich in eine Würdigung der Beweismittel einzulassen, und gibt die von den Geschwornen etwa begehrten Aufklärungen. Er belehrt ferner den Obmann der Geschwornen über die ihm obliegenden Aufgabtm, insbesondere über den Vorgang bei der Abstimmung und Aufzeichnung ihres Ergebniss~
(3)
Am Schiusse seines Vortrages überzeugt sich der Vorsitzende, ob seine Belehrung von den Geschwornen verstanden worden ist. und er" gänzt sie, wenn es zur Behebung von Zweifeln

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

erforderlich ist. Er übergibt sodann dem Obmanne der Geschwornen die Niederschrift. der Rechtsbelehrung und des allfälligen Anhanges zu ihr.

7. Beratung und Abstimmung der Geschwornen

§ 324. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmig der Ansicht, daß seine Anwesenheit während der Beratung der Geschwornen zur besseren Aufklärung schwieriger Tat-oder Rechtsfragen zweckmäßig sei, so beschließt er, ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen, dieser Beratung ganz oder teilweise beizuwohnen.

(2)
Vor dieser Beschlußfassung ist der Obmann der Geschwornen zu hören; dieser hat die Meinung der Geschwornen einzuholen. Spricht sich die Mehrheit der Geschwornen gegen die Teilnahme des Schwurgerichtshofes an der Beratung aus, so kann ein Beschluß im Sinne des Abs. 1 nicht gefaßt werden.
(3)
Ein Beschluß im Sinne des Abs. 1 ist vom Vorsitzenden den Geschwornen mitzuteilen. Eine schriftliche Ausfertigung dieses Beschlusses samt Gründen ist von den Mitgliedern des Schwurgerimtshofes zu unterfertigen und dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen. Ein Rechtsmittel steht gegen den Beschluß nicht offen.

§ 325. (1) Der Obmann leitet die Beratung der Geschwornen damit ein, daß er ihnen folgende Belehrung vorliest:

"Das Gesetz fordert von den Gesmwornen nur, daß sie alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft prüfen und sich dann se1bst fragen, welchen Eindruck in der Hauptverhandlung die wider den Angeklagten vorgeführten Beweise und die Gründe seiner Verteidigung auf sie gemamt haben.

Nam der durch diese Prüfung der Beweismittel gewonnenen überzeugung allein haben die Gesmwornen ihren Ausspruch über Schuld oder Nidltsmuld des Angeklagten zu fällen. Sie dürfen dabei ihrem Eide gemäß der Stimme der Zuoder Abneigung, der Furcht oder Schadenfreude kein Gehör geben, haben vielmehr mit Unparteilichkeit und Festigkeit so zu entscheiden, wie sie es vor Gott und ihrem Gewissen verantworten können.

Die Beratung und Abstimmung hat sich nur auf die den Gesmwornen vorg~egten Fragen zu beschränken. Welche gesetzlichen Folgen den Angeklagten treffen, "fenn er smuldig gesprochen wird, werden die Geschwornen gemeinsam mit dem Gerichtshof in einer späteren Beratung zu entscheiden haben.

Die Geschwornen haben sich bei ihrer Abstimmung standig ihre beschworene Prucht vor Augen zu halten, das Gesetz treu zu beobachten und ihm Geltung zu versmaffen. Sie sind dazu berufen, Recht zu spremen, aber nicht berechtigt, Gnade zu üben.«

(2) Mehrere Abdrucke dieser Belehrung sowie der Bestimmungen der §§ 326, 329, 330, 331, 332 Abs. 1 bis 3 sowie des § 340 sollen im Beratungszimmer der Geschwornen angeschlagen sein.

S 326. Die Gesmwornen dürfen ihr Beratungszimmer nicht verlassen, bevor sie ihren Ausspruch über die an sie gerimteten Fragen gefällt haben. Niemand darf während der Beratung und Abstimmung ohne Bewilligung des Vorsitzenden in ihr Beratungszimmer eintreten; auch ist den Geschwornen jeder Verkehr mit dritten Personen untersagt. Gegen Geschworne und dritte Personen, die diesem Verbot zuwiderhandeln, ist vom Geridmhof eine Ordnungsstrafe bis zu fünftausend Schilling zu verhängen. Gegen eine solche Entscheidung steht dem Bestraften die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz zu.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 96)

§ 327. (1) Entstehen bei den Geschwornen im Zuge der Beratung Zweifel über den Sinn der ihnen gestellten Fragen, über das von ihnen bei der Abstimmung zu beobachtende Verfahren oder über die Fassung einer Antwort, oder äußern die Geschwornen den Wunsm nach einer Ergänzung des Beweisverfahrens zur Aufklärung erheblicher Tatsachen oder nach Knderung oder Ergänzung der an sie gerichteten Fragen, so ersucht der Obmann der Geschwornen, wenn der Schwurgerichtshof nicht an der Beratung teilnimmt, den Vorsitzenden schriftlich, sich in das Beratungszimmer zu begeben. Der Schwurgerichtshof begibt sich hierauf mit dem Schriftführer in das Beratungszimmer. Der Vorsitzende erteilt den Geschwornen die erforderliche Belehrung.

(2)
Die Belehrung ist zu Protokoll zu nehmen und das Protokoll dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen.
(3)
Im übrigen wird über die Beratung der Geschwornen kein Protokoll gef,ührt.

§ 328. Äußern die Geschwornen bei der Beratung den Wunsch nach einer Ergänzung des Beweisverfahrens zur Aufklärung erheblicher Tatsamen 309) oder nach Knderung oder Ergänzung der an sie gerichteten Fragen, so ist die Verhandlung wieder zu eröffnen; sofern es sim um eine Ergänzung oder Knderung der Fragen handelt, gelten die Bestimmungen des § 310 Abs. 3 und 4 sinngemäß.

§ 329. Der Abstimmung der Geschwornen darf bei sonstiger Nidltigkeit niemand beiwohnen.

S 330. (1) Der Obmann der Gesmwornen läßt über die einzelnen Fragen der Reihe nam mündlich absümmen, indem er jeden Geschwornen

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -NI'. 631

um seine Meinung befragt; er selbst gibt seine Stimme zuletzt ab.

(2) Die Geschwornen stimmen über jede Frage mit "ja" oder "nein" ab; dom ist ilinen auch gestattet, eine Frage nur teilweise zu bejahen. In diesem Fall ist die Besmränkung kurz beizufügen (zum Beispiel: "Ja, aber nidlt mit diesen oder jenen in der Frage enthaltenen Umständen").

§ 331. (1) Zur Bejahung der an die Gesmwornen gerimteten Fragen ist absolute Stimmenmehrheit, das ist mehr als die Hälfte sämtlicher Stimmen, erforderlich; bei Stimmengleichheit gibt die dem Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag. Ist eine Schuldfrage zuungunsten des Angeklagten bejaht worden, so können sich die überstimmten Geschwornen der Abstimmung über die für diesen Fall gestellten Zusatzfragen enthalten; ihre Stimmen werden dann den dem Angeklagten günstigsten zugezählt.

(2)
Der Obmann zählt die Stimmen und sdueibt in zwei Niederschriften der Fragen neben jede Frage, je nachdem sie durch die Geschwornen beantwortet worden ist, "ja" oder "nein", mit den allfälligen Beschränkungen, unter Angabe des Stimmen verhältnisses und unterschretbt di~e Aufzeichnung des Wahrspruches der Geschwornen. Es dürfen darin keine Radierungen vorkommen; Ausstreichungen, Randbemerkungen oder Einschaltungen müssen vom Obmanne durch eine von ihm unterschriebene Bemerkung ausdrücklich genehmigt sein.
(3)
Nach Beendigung der Abstimmung hat der Obmann in einer kurzen Niederschrift, gesondert für jede Frage, die Erwägungen anzugeben, von denen die Mehrheit der Gesmwornen bei der Beantwortung dieser Frage ausgegangen ist. Die Niederschrift ist im Einvernehmen mit diesen Geschwornen abzufassen und vom Obmanne zu unterfertigen.
(4)
Der Obmann der Geschwornen benachrichtigt sodann den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes schriftlich von der Beendigung der Abstimmung.

8. Verbesserung des Wahrspr·uches der Geschwornen

§ 332. (1) Der Schwurgerichtshof begibt sich darauf mit dem Schriftführer, dem Ankläger und dem Verteidiger in das Beratungszimmer der Geschwornen.

(2) Der Obmann der Geschwornen übergibt eine von ihm unterschricmene AufzeidlDung des Wahrspruches und der im § 331 Abs. 3 bezeimneten Niederschrift-dem Vorsitzenden. Dieser unterzeiclmet sie, läßt sie vom Smriftführer vorlesen und von ihm mitfertige.n.

(3)
Nam der Verlesung kann in der Regel kein GesmwoFner von seiner Meinung abgehen.
(4)
Wird jedom von einem oder mehreren Gesmwornen behauptet, daß bei der Abstimmung ein Mißverständnis unterlaufen sei, odei' kommt der Schwurgerimtshof nach Anhörung des Anklägers und des Verteidigers zu der überzeugung, daß der Wahrsprum der Geschwomen undeutlim, unvollständig oder in sich widerspreChend ist oder mit dem Inhalte der im § 331 Abs. 3 bezeichneten Niederschrift in Widersprndi steht, so trägt er den Geschwornen die Verbesserung des Wahrspruches auf.
(5)
Hält in einem solchen Falle der Smwurgerichtshof eine Änderung oder Ergänzung der Fragen für wünschenswert oder wird eine solche vom Ankläger oder vom Verteidiger beantragt, so ist die Verhandlung wieder zu eröffnen und nam Vorsmrift des § 310 Abs. 3 und 4 zu verfahren.
(6)
Das über die Beratung des Smwurgerichtshofes (Abs. 4 und 5) aufgenommene Protokoll und der ursprüngliche Wahrspruch und die im § 331 Abs. 3 bezeichnete Niederschrift sind dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen.

§ 333. Hält der Schwurgerichtshof eine Verbesserung des Wahrspruches für erforderlich oder ist in diesem Fall auch die Fragestellung geändert oder ergänzt worden, so eröffnet der Vorsitzende den Geschwornen, daß sie nur zur Änderung der beanstandeten Antworten 332 Abs. 4) und zur Beantwortung der neu oder in geänderter Fassung vorgelegten Fragen 332 Albs. 5) berechtigt sind. Die neuen oder geänderten Fragen sind dem Obmanne der Geschwornem im zwei Ausfertigungen zu übergeben.

9. Weiteres Verfahren bis zur gemeinsamen Beratung über die Strafe

§ 334. (1) Ist der Schwurgerimtshof einstimmig der Ansimt, daß sich die Geschwornen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsame geirrt haben. ~ beschließt er -ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen -, daß die Entsmeidung ausgesetzt und die Sache dem Obersten Gerichtshofe vorgelegt werde. Betrifft der Irrtum der Geschwornen nur den Aussprum über einen von mehreren Angeklagten oder den Aussprum über einzelne von mehreren Anklagepunkten und bestehen gegen die gesonderte Verhandlung und Entsmeidung keine Bedenken, so hat sich die Aussetzung der Entscheidung auf diesen Angeklagten oder diesen Anklagepunkt Zlll beschränken und bleibt ohne Einfluß auf die übrigen. Ist die Entscheidung über einen oder mehrere denselben Angeklagten betreffende Anklagepunkte ausgesetzt worden, so sind die Bestimmungen des § 264 dem Sinne nadt anzuwenden.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

(2)
Der Oberste GeridltShof verweist die Same vor ein anderes Gesmwornengericht desselben oder eines anderen Sprengels, wenn aher nur noch über eine strafbare Handlung zu entscheiden ist, die für sich allein nicht vor das Geschwornengericht gehört, an das von ihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gerimt.
(3)
Bei der wiederholten Verhandlung darf keiner der Rimter den Vorsitz führen und keiner der Geschwornen zugelassen werden, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben.
(4)
Stimmt der Wahrspruch des zweiten Gesmwornengerichtes mit dem des ersten überein, so ist er dem Urteile zugrunde zu legen.

$ 335. Wird die Entsmeidung nicht ausgesetzt, so ist der Wahrsprum der Geschwornen dem Urteile zugrunde zu ,legen.

§ 336. Haben die Gesmwornen die Schuldfragen verneint oder Zusatz fragen 313) bejaht, so fällt der Schwurgerichtshof sofort ein freisprechendes Urteil.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 97)

$ 337. Ebenso wird der Angeklagte durm Urteil des Schwurgerichtshofes freigesprochen, wenn ihn die Geschwornen zwar schuldig gesprochen haben, der Schwurgerichtshof jedoch der Meinung ist, daß bei Zugrundelegung der Tatsachen, die im Wahrsprume der Geschwornen festgestellt sind, und der rechtlimen Beurtei,lung, die die Geschwornen der Tat haben angedeihen lassen, die Verfolgung aus Gründen des Prozeßrechtes ausgeschlossen sei 311), oder daß die Tat, die der Angeklagte nam dem Aussprume der Gesmwornen begangen hat, vom Gesetze nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei.

10. Gemeinsame Beratung über die Strafe § 338. Ist der Angeklagte schuldig befunden worden und ist er nicht nach § 336 oder § 337 freizusprechen, so entscheidet der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Gesmwornen 303) über die zu verhängende Strafe und die etwa anzuwendenden Maßnahmen der Besserung und

Sicherung sowie über die privatrechtlichen Ansprüche und die Kosten des Strafverfahrens.

$ 339. (Au/gehoben; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z.98)

11. Verkündung des Wahrsprumes und des Urteiles

$ 340. (1) Nach Wiedereröffnung der Sitzung läßt der Vorsitzende den Angeklagten vorführen oder vorrufen und fordert den Obmann der Geschwornen auf, den Wahrsprum mitzuteilen. Dieser erhebt sich und sprimt:

,,Die Geschwornen hahen nam Eid und Gewissen die an sie gestellten Fragen beantwortet, wie folgt:"

(2) Der Obmann verliest sodann bei sonstiger Nichtigkeit in Gegenwart aller Geschwornen die an sie gerimteten Fragen und unmittelbar nach jeder den beigef.ügten Wahrsprum der Gesmwornen.

§ 341. (1) Der Vorsitzende verkündet sodann in der öffentlichen Gerichtssitzung in Gegenwart des Anklägers, des Angeklagten (§$ 234, 269) und des Verteidigers das Urtei:l samt den wesentlimen Gründen oder den Besmluß auf Aussetzung der Entsmeidung ($ 334), diesen ohne Begründung.

(2) Anschließend belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel.

12. Ausfertigung des Urteiles, Protokollführung

§ 342. Das Urtei'l ist in der im $ 270 vorgesmriebenen Weise auszufertigen. In der Ausfertigung sind auch die Namen der Gesmwornen anzuführen, die der Ersatzgeschwornen jedoch nur dann, wenn diese vor Sdlluß der Verhandlung an die Stel'le eines verhinderten Geschwornen getreten sind. Die Ausfertigung muß auch die an die Geschwornen gestellten Fragen und ihre Beantwortung enthalten. Auf die im § 331 Abs. 3 bezeidlnete Niedersmrift darf im Urtei:le kein Bezug genommen werden.

§ 343. (1) Für die Führung des Protokolls über die Hauptverhandlung sowie über die Beratungen und Abstimmungen des Gerimtshofes oder des Gesmwornengerimtes während und am Schlusse der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 271, 272 und 305 Abs. 3.

(2) Das Hauptverhandlungsprotokoll muß auch die Namen der Geschwornen einschließlich der Ersatzgeschwornen entha'lten. Ist infolge Verhinderung eines Geschwornen ein Ersatzgeschworner an dessen Stelle getreten, so ist das im HauptverhandlungsprotokoH zu beurkunden.

IH. R e c h t s mit tel g e gen U r t eil e der Geschwornengerichte

§ 344. Gegen die Urteile der Gesmwornengerichte stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbesmwerde und der Berufung offen. Die für Rechtsmittel gegen Urteile der Schöffengerichte und für das Verfahren über solche Rechtsmittel geltenden Vomhriften (§§ 280 bis 296) sind auf Rechtsmittel gegen Urteile der Geschwornengerichte dem Sinne nach anzuwenden, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. An die Stelle der in den §§ 285 a, 285 d und 285 f bezeichneten Nichtigkeitsgrunde des § 281 Abs. 1 treten die folgenden Nichtigkeitsgründe des § 345 Ab!. 1, und zwar im § 285 a die der Z. 1 bis 13, im § 285 d die der Z. 1 bis 4 und im $ 285 f die der Z. 1 bis 5.

211. Stüclt -Aus!~egeben am 30. Dezember 1915 -Nr. 631

§ 345. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur wegen eines der folgenden Nichtigkeitsgründe ergriffen werden:

  1. wenn der Schwurgerichtshof oder die Geschwornenbank nicht gehörig besetzt war, wenn nicht alle Richter und Geschwornen der ganzen Verhandlung beigewohnt haben oder wenn sich ein ausgeschlossener Richter oder Geschworner (§§ 67, 68) an der Verhandlung beteiligt hat; als nicht gehörig besetzt gilt die Ge,schwornenbank auch dann, wenn in einer Jugendstrafsache nicht Geschworne für Jugendstrafsachen oder nicht mindestens zwei im Lehrberufe tätige oder tätig gewesene Personen der Geschwornenbank angehört haben;
  2. wenn die Hauptverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers geführt worden ist;
  3. wenn trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers ein Schriftstück über einen nach dem Gesetze nichtigen Vorerhebungs-oder Voruntersuchungsakt in der Hauptverhandlung vorgelesen worden ist;
  4. wenn in der Hauptverhandlung eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 120, 151, 152, 170, 221, 228, 250, 260, 271, 305. 307, 310, 329, 340, 427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1 und 2); (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 99)
  5. wenn in der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist;
  6. wenn eine der in den §§ 312 bis 317 enthaltenen Vorschriften verletzt worden ist;
  7. wenn an die Geschwornen eine Frage mit Verletzung der Vorschrift des § 267 gestellt und diese Frage bejaht w.orden ist;
  8. wenn der Vorsitzende den Geschwornen eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt hat (§§ 321, 323, 327);
  9. wenn die Antwort der Geschwornen auf die gestellten Fragen undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist;
  10. wenn der Schwurgerichtshof den Geschwornen die Verbesserung des Wahrsprudles gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers mit Unrecht aufgetragen oder, obgleich ein oder mehrere Geschworne ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis behauptet haben, mit Unrecht nicht aufgetragen hat (§ 332 Abs. ,4);

11. wenn durch die Entscheidung über die Frage,

a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründet oder

b) ob die Verfolgung der Tat aus Gründen

des Prozeßrechtes ausgeschlossen ist, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden ist;

  1. wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen worden ist, das darauf nicht anzuwenden ist;
  2. wenn das Geschwornengericht die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweit er durch namentlich im Gesetz angeführte Erschwerungsoder Milderungsumstände begründet wird, die Grenzen für die Bemessung eines Tagessatzes oder die Grenzen der mm zustehenden Strafschärfung oder außerordentlichen Strafmilderung überschritten, bei der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe gegen § 19 Abs. 3 StGB oder durch die Anrechnung oder Nidltanrechnung einer Vorhaft gegen § 38 StGB verstoßen oder wenn es die Bestimmungen des § 293 Abs. 3 oder des § 359 Abs. 4 verletzt oder unrichtig angewendet hat. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 99)
(2)
Die in der Z. 1 des Abs. 1 angeführten Nichtigkeitsgründe können nur dann geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer den die Nichtigkeit begründenden Umstand gleidl bei Beginn der Verhandlung oder, wenn er ihm erst später bekanntgeworden ist, sogleich, nachdem er ihm zur Kenntnis gekommen war, geltend gemacht hat.
(3)
Die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6 und 10 erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vorteile des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte.
(4)
Zum Nachteile des Angeklagten können die unter Abs. 1 Z. 2 und 7 erwähnten Nichtigkeitsgründe niemals, die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6 und 10 erwähnten aber nur dann geltend gemacht werden, wenn erkennbar ist, daß die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß auf die Entscheidung üben konnte, wenn sich außerdem der Ankläger widersetzt, die Entscheidung des Schwurgerichtshofes begehrt und sich sofort nach der Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat.

§ 346. Der Ausspruch über die Strafe kann. soweit nicht der im § 345 Abs. 1 Z. 13 erwähnte NichtigkeitSgrund vorliegt, in den im § 283

211. Swdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

angeführten Fällen mit Berufung angefochten werden. (BGBl. NT. 27311971, Art. 11 Z. 15)

§ 347. Werden die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung oder beide Rechtsmittel nicht schon in der Sitzung des Geschwornengerichtes angemeldet, so sind sie beim Gerichtshof erster Instanz einzubringen. Diesem steht das weitere Verfahren und die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof oder an den Gerichtshof zweiter Instanz zu.

§ 348. Für den Gerichtstag beim Obersten Gerichtshof ist dem Angeklagten, wenn er keinen Verteidiger hat, ohne Rücksicht auf Art und Höhe der für die strafbare Handlung, die dem Angeklagten in der Anklageschrift oder im Urteil erster Instanz zur Last gelegt wird, angedrohten Strafe, ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben 286 Abs. 4).

(BGB~. Nr. 56911973, ATt. I/l Z. 7)

§ 349. (1) Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 1 bis 9 erwähnten Nichtigkeitsgründe vor, so hebt der Oberste Gerichtshof den Wahrspruch der Geschwornen und das darauf beruhende Urteil auf und verweist, sofern er nicht aus dem im § 345 Abs. 1 Z. 7 angeführten Grunde den Angek1agten freispricht, die Sache an das Geschwornengericht des von ihm zu bezeichnenden Gerichtshofes zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.

(2) Werden nicht alle Teile des Wahrspruches vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund getroffen und ist eine Sonderung möglich, so läßt der Oberste Gerichtshof die nicht betroffenen Teile des Wahrspruches und des Urteiles von dieser Verfügung unberührt und trägt dem Gericht, an das die Sache verwiesen wird, auf, die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruches der Entscheidung mit zugrunde zu legen.

§ 350. (1) Liegt der im § 260 angeführte Nichtigkeitsgrund vor, so verweist der Oberste Gerichtshof die Sache an das Gesmwornengericht, das das Urteil gefällt hat, mit dem Auftrage zurück, nach Tunlichkeit in der gleichen Zusammensetzung ein neues Urteil auf Grund des früheren Ausspruches der Geschwornen zu fällen.

(2) Liegt der im § 345 Abs. 1 Z. 10 bezeichnete Nimtigkeitsgrund vor, so hebt der Oberste Gerichtshof den Wahrspruch der Geschwornen, soweit er vom Nidltigkeitsgrunde betroffen ist, und das darauf beruhende Urteil auf. Ist den Geschwornen mit Unrecht die Verbesserung des Wahrsprumes aufgetragen worden, so entscheidet er auf Grund des ursprünglichen Wahrspruches in der Same selbst. Ist den Geschwornen die -Verbesserung wegen eines von ihnen behaupteten Mißverständnisses mit Unrecht nidlt aufgetragen worden, so verweist der Oberste Gerichtshof die Same an das Geschwornengericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurüdt.

§ 351. Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 11 bis 13 angeführten Nichtigkeitsgründe vor, so entscheidet der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst. Sind jedoch die der Feststellung durch die Geschwornen vorbehaltenen Tatsachen, die er seiner Entscheidung zugrunde zu legen hätte, im Wahrspruche der Geschwornen nicht festgestellt, so verweist er die Same an das Gesmwornengericht des von ihm zu bezeichnenden Gerichtshofes, wenn aber die strafbare Handlung bei richtiger Anwendung des Gesetzes nicht mehr vor das Geschwornengericht gehört, an das von ihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.

XX. Hauptstück

Von der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen

I. Wie der auf nah m e des V e rfahrens

§ 352. (1) Ist das Strafverfahren wider eine bestimmte Person durch Einstellung, Zurüdtweisung der Anklage oder Rücktritt von der Anklage vor der Hauptverhandlung beendigt worden, so kann dem Antrage des Staatsanwaltes oder Privatanklägers auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur dann stattgegeben werden, wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist und wenn neue Beweismittel beigebracht werden, die geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten zu begründen. (BGBl. NT. 42311974, Art. 1. Z. 100)

(2)
Ober die Zulassung dieses Antrages entsmeidet, namdem die nötig befundenen Vorerhebungen gepflogen worden sind, die Ratskammer; gegen die Entscheidung kann beim Gerichtshofe zweiter Instanz Beschwerde geführt werden. Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung des Besch.Jusses beim Gerichtshof erster Instanz anzubringen.
(3)
Dem Privatankläger, der seine Klage zurückgenommen hat, kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nie bewilligt werden.

§ 353. Der rechtskräftig Verurteilte kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach voUzogener Strafe verlangen:

1. wenn dargetan ist, daß seine Verurteilung durch Fälschung einer Urkunde oder durch falsches Zeugnis oder Bestechung oder eine sonstige strafbare Handlung einer dritten Person veranlaßt worden ist;

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

  1. wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Vet1bindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen; oder
  2. wenn wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Ver-gleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die NichtsdlUld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist.

§ 354. Den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten können, und zwar auch nach dessen Tod, alle Personen stellen, die berechtigt wären, zu seinen Gunsten die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung zu ergreifen. Erlangt der Staatsanwalt die Kenntnis eines Umstandes, der einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten begründen kann 353), so ist er verpflichtet, hievon den Angeklagten oder sonst eine zur Stellung dieses Antrages berechtigte Person in Kenntnis zu setzen oder selbst den Antrag zu stellen.

$ 355. Der Staatsanwalt oder Privatankläger kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen einer Handlung, hinsichtlich deren der Angeklagte durch rechtskräftiges Urteil freigesprochen worden ist, nur insofern beantragen, als die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist und als entweder

  1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde oder durch falsches Zeugnis, Bestechung oder eine sonstige strafbare Handlung des Angeklagten oder einer dritten Person herbeigeführt worden ist, oder
  2. der Angeklagte später gerichtlich oder außergerichtlich ein Geständnis der ihm beigemessenen Tat ablegt oder sich andere neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben, die allein oder in Verbindung mit den fr,üher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Angeklagten zu begründen. (BGBl. NT. 423/1974, Art. I Z. 101)

§ 356. Der Staatsanwalt kann die Wiederaufnahme des Verfahrens, um zu bewirken, daß eine Handlung, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, nach einem strengeren Strafgesetz beurteilt werde, nur unter den im § 355 erwähnten Voraussetzungen und überdies nur dann beantragen, wenn die wirklich verubte Tat

1. mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen einer mit nicht mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verurtei:lt wurde, oder

  1. mit mehr als fünf jähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen eines Vergehens verurteilt wurde, oder
  2. sich als ein Verbremen darstellt, während der Angeklagte nur wegen eines mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens verurteilt wurde.

(BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 102)

§ 357. (1) Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist bei dem Gerichtshof erster Instanz zu beantragen, bei dem es anhängig war. Ist eine der im § 356 angeführten Taten von einem Bezirksgericht abgeurteilt worden, so ist der Antrag bei dem Gerichtshof erster Instanz zu stellen, zu dessen Sprengel das Bezirksgericht gehört. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 103)

(2)
Der Untersuchungsrichter hat die Tatsachen zu erheben, durch die der Antrag begründet wird. Sodann ist im Falle des § 353 der Staatsanwalt oder der Privatankläger, in den Fällen der §§ 355 und 356 aber der Beschuldigte zu vernehmen und vom Gerichtshof erster Instanz über die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden.
(3)
Gegen diesen Beschluß steht nur die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen. Sie ist binnen vierzehn Tagen beim Gerichtshof erster Instanz anzubringen.
(4)
Beschließt der Gerichtshof zweiter Instanz die Wiederaufnahme des Verfahrens, so ist er auch berechtigt, einen anderen Gerichtshof zur Führung der UIitersuchung zu bestellen.

§ 358. Durch den Beschluß, der der Wiederaufnahme des Strafverfahrens stattgibt, wird das frühere Urteil insoweit für aufgehoben erklärt, als es die strafbare Handlung betrifft, hinsichtLich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Die gesetzlichen Folgen der im ersten Erkenntnis ausgesprochenen Verurteilung dauern einstweilen fort und sind nur dann und insoweit als aufgehoben anzusehen, als sie nicht auch durch das neue Erkenntnis einzutreten haben.

§ 359. (1) Die Sache tritt durch die Wiederaufnahme in der Regel 360) in den Stand der Voruntersuchung. Diese ist nach Maßgabe der die Wiederaufnahme bewilligenden Entscheidung und der neuen Beweise zu führen oder zu ergänzen. Die für die Einstellung der Voruntersuchung und die Versetzung in den Anklagestand geltenden Vorschriften sind auch hier anzuwenden. Wird infolgedessen das Verfahren ohne Vornahme einer Hauptverhandlung beendigt, so hat der Beschuldigte das Recht, die öffentliche Bekanntmachung der Einstellung oder des Erkenntnisses zu verlangen, wodurch die Anklage endgültig zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidungen haben gleidle Wirkung mit dem Erkenntnisse, wodurch der Angeschuldigte freigesprochen wird.

2-t.1. Smick -Amgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

(2)
Kommt es zur neuen Hauptverhandlung, so ist von ihr aum der Privatbeteiligte in Kenntnis zu setzen; es sind die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten, die nimt mehr vernommen werden können, aus den Akten vorzulesen, und schließlich ist ein neues Urteil zu smöpfen.
(3)
Wird durm dieses Erkenntnis der Angeklagte verurteilt, so ist eine bereits erlittene Strafe auf Freiheits-und Geldstrafen anzurechnen 38 StGB). (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 104)
(4)
Ist die Wiederaufnahme nur zugunsten des Angeklagten bewilligt worden, so kann das neue Urteil keine smwerere Strafe über ihn verhängen, als ihm das erste Erkenntnis auferlegte.
(5)
Gegen das neue Erkenntnis stehen dieselben Remtsmittel offen wie gegen jedes andere Urteil.

§ 36Q. (1) Das Gericht, das die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigten für zulässig erklärt, kann, sofern der Ankläger damit einverstanden ist, sofort ein Urteil fällen, wodurm der Beschuldigte freigesprochen oder seinem Antrag auf Anwendung eines milderen Strafsatzes stattgegeben wird.

(2)
Gegen ein solmes Erkenntnis ist kein Rechtsmittel zulässig.
(3)
Der Freigesprochene kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses verlangen.

§ 361. (1) Das Gesum eines Verurteilten um Wiederaufnahme des Verfahrens hemmt den Vollzug der Strafe nicht; es sei denn, daß der über die Wiederaufnahme entscheidende Gerimtshof nach Anhörung des Anklägers die Hemmung des Strafvollzuges nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet.

(2) Wird die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme remtskräftig ausgespromen, so ist der Vollzug der Strafe unverzüglim einzustellen (§ 358) und über die Haft des Beschuldigten nam den im XIV. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen zu entsdleiden.

§ 362. (1) Der Oberste GeridltShof ist beremtigt, nach Anhörung des Generalprokurators im außerordentlichen Weg und ohne an die im § 353 vorgezeichneten Bedingungen gebunden zu sein, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des wegen eines Verbrechens oder Vergehens Verurteilten zu verfügen, wenn sich ihm

  1. bei der vorläufigen Beratung über eine Nimtigkeitsbesmwerde oder nach der öffentlichen Verhandlung über die Beschwerde oder
  2. bei einer auf besonderen Antrag des Generalprokuratun vorgenommenen PriiEung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Rimtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsamen ergeben. die aum nicht durch einzelne vom Obersten Gerichtshof etwa angeordnete Erhebungen beseitigt werden.
(2)
Der Oberste Gerichtshof kann in solchen Fällen auch sofort ein neues Urteil schöpfen, wodurch der Beschuldigte freigesprochen oder ein milderer Strafsatz auf ihn angewendet wird 360 Abs. 3); hiezu ist jedoch Einstimmigkeit und die Zustimmung des Generalprokurators erforderlich.
(3)
Anträge von Privaten, die auf Herbeiführung eines der vorstehend erwähnten Besdllüsse des Obersten Geri'chtshofes abzielen, sind von den Gerichten abzuweisen, bei denen sie einlaufen; aum dürfen sie niemals zum Gegenstande der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gemacht werden.
(4)
Auf die vom Obersten Gerichtshofe verfügte Wiederaufnahme des Strafverfahrens sind die §§ 358 und 359 anzuwenden.
(5)
Die Entsmeidung über die Hemmung des Strafvollzuges und über die Verweisung des weiteren Verfahrens an das Gerimt eines anderen Sprengels steht nur dem Obersten Gerichtshofe zu.

§ 363. Das Strafverfahren kann unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme nam den allgemeinen Vorschriften, und zwar durm das danam zuständige Gerimt eingeleitet oder fortgesetzt werden:

  1. wenn die Vorerhebungen eingestellt worden sind, ehe eine bestimmte Person als Beschuldigter behandelt wurde;
  2. wenn der zur Klage noch berechtigte Privatankläger die Anklage anbringt, während im früheren Verfahren die Einstellung oder ein freisprechendes Urteil lediglich wegen Mangets des nach dem Gesetz erforderlichen Antrages eines Beteiligten erfolgt ist;
  3. wenn sim der Staatsanwalt beim Rücktritte von der Verfolgung nach § 34 Abs. 2 oder bei der Erklärung nach $ 57 Abs. 3 die spätere Verfolgung vorbehalten hat und seit der remtskräftigen Beendigung des inländismen Strafverfahrens noch nimt mehr als drei Monate oder seit der remtskräftigen Beendigung des ausländismen Strafverfahrens nom nimt mehr als ein Jahr verstrimen ist; wenn dem Ankläger bei der Beendigung des Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder Vergehens die Verfolgung wegen anderer strafbarer Handlungen vorbehalten worden ist oder wenn sim erst namher Verdachtsgründe für eine andere früher begangene strafbare Handlung ergeben haben.

(BGBI. NT. 423/1974, Alt. I Z. 10J)

n~ Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen

§ 364. (1) Wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels gegen ein Uneil kann das zur Entscheidung über das Re<htsmittel

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

berufene Gerh.ht dem Beschuldigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilen, sofern er:

  1. nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten,
  2. um die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses ansucht und
  3. 3.
    die Anmeldung zugleich anbringt.
(2)
Das Gesuch ist bei dem Gerimt anzubringen, bei dem das Remtsmittel anzumelden war. Dieses Gericht teilt das Gesuch samt der Anmeldung dem Ankläger zur Erstattung seiner Kußerung und allfälligen Gegenausführung mit und legt nach Ablauf der für die Gegenausführung offenstehenden Frist die Akten dem zur Entscheidung über das Remtsmittel berufenen Gerichte vor, das, falls es die Wiedereinsetzung bewilligt, sofort in der Hauptsache erkennt.
(3)
Gegen die Verweigerung der Wiedereinsetzung ist kein Rechtsmittel zulässig.
(4)
Das Gesuch hemmt, solange die Wiedereinsetzung nicht bewilligt ist, die Vollstreckung nicht; es sei denn, daß das Gericht, bei dem es angebracht wird, nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet, die Aussetzung der Vollstreckung zu verfügen.

XXI. Hauptstück
Von den Erkenntnissen und Verfü.gungen des
Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen
Ansprüche

§ 365. (1) Der aus der strafbaren Handlung entstandene Schaden und die sonstigen für die privatrechtlichen Folgen wichtigen Nebenumstände sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Dem Geschädigten ist, wenn es zweifelhaft ist, ob er vom stattfindenden strafrechtlichen Verfahren Kenntnis habe, hievon Mitteilung zu machen, damit er von seinem Rechte, sich dem Strafverfahren anzuschließen, Gebrauch machen könne.

{2} Im Falle des Anschlusses bleibt es dem Privatbeteiligten oder, falls dieser sich selbst zu vertreten nicht berechtigt ist, dessen gesetzlichem Vertreter überlassen, seine Ansprüche auszuführen und genügend darzutun. Der Besmuldigte ist darüber zu vernehmen; auch sind die zur Erforschung des Schadens nötigen Erhebungen zu pflegen. Der Privatbeteiligte kann die Verfolgung seiner Ansprüche zu jeder Zeit, selbst während der Hauptverhandlung, wieder aufgeben.

§ 366. (1) Wird der Beschuldigte nicht verurteilt, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Entschädigungsansprüchen jederzeit auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

(2) Wird der Beschuldigte verurteilt, so hat in der Regel der Gerichtshof zugleich über die privatrechtlichen Ansprüche des Geschädigten zu entscheiden. Erachtet das Strafgericht, daß die Ergebnisse des Strafverfahrens nicht ausreichen, um auf Grund ihrer über die Ersatzansprüche verläßlich urteilen zu können, so verweist es den Privatbeteiligten auf den Zivilremtsweg. Gegen diese Verweisung steht kein Rechtsmittel offen.

§ 367. (1) Ist eine Sache, von der das Gericht sich überzeugt, daß sie dem Privatbeteiligten gehöre, unter den Habseligkeiten des Angeklagten, eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers an der strafbaren Handlung oder an einem solchen Orte gefunden worden, wohin sie von diesen Personen nur zur Aufbewahrung gelegt oder gegeben wurde, so ordnet der Gerichtshof an, daß sie nach eingetretener Rechtskraft des Urteiles zurückzustellen sei. Mit ausdrücklicher Zustimmung des Beschuldigten kann jedoch die Ausfolgung auch sogleich geschehen.

(2) Die dem Geschädigten entzogenen Gegenstände können auch vor der Hauptverhandlung durch den Untersuchungsrichter zurückgestellt werden, wenn ihre Aufbewahrung nicht zur überweisung des Beschuldigten, eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers nötig ist und wenn der Besmuldigte und der Ankläger damit einverstanden sind.

§ 368. Ist das entzogene Gut bereits in die Hände eines Dritten, der sich an der strafbaren Handlung nicht beteiligt hat, auf eine zur übertragung des Eigentumes gültige Art oder als Pfand geraten oder ist das Eigentum des entzogenen Gegenstandes unter mehreren Geschädigten streitig oder kann der Geschädigte sein Recht nicht sogleich genügend nachweisen, so ist das auf Zurückstellung des Gutes gerichtete Begehren auf den ordentlichen Zivilrechtsweg zu verweisen.

§ 369. (1) Wenn das dem Geschädigten entzogene Gut nicht mehr zurückgestellt werden kann, sowie in allen Fällen, in denen es sich nicht um die Rückstellung eines entzogenen Ge'genstandes, sondern um den Ersatz eines erlittenen Schadens oder entgangenen Gewinnes oder um Tilgung einer verursamten Beleidigung handelt 1323 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), ist im Strafurteile die Schadloshaltung oder Genugtuung zuzuerkennen, insofern sowohl ihr Betrag als auch die Person, der sie gebührt, mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann.

(2) Ergeben sich aus den gepflogenen Erhebungen Gründe zu vermuten, daß der Geschädigte seinen Schaden zu hoch angebe, so kann ihn das Gericht nach Erwägung aller Umstände, allenfalls nach vorgenommener Schätzung durch Sachverständige ermäßigen.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 370. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z.106)

§ 371. (1) Ergibt sich aus der Schuld des Angeklagten die gänzliche oder teilweise Ungiiltigkeit eines mit ihm eingegangenen Rechtsgeschäftes oder eines Rechtsverhältnisses, so ist im Strafurteil auch hierüber und über die daraus entspringenden Rechtsfolgen zu erkennen.

(2) Der rechtswirksame Ausspruch, daß eine Ehe nichtig sei, bleibt jedoch stets dem Zivil

_ gerichte vorbehalten. Das Strafgericht kann die Nichtigkeit einer Ehe nur als Vorfrage beurteilen 5).

§ 372. Dem -Privatbeteiligten steht es frei, den Zivilrechtsweg zu betreten, wenn er sich mit der vom Strafgericht ihm zuerkannten Entschädigung nicht begnügen will.

§ 373. Ist das über die privatremtlimen Ansprüme ergangene strafgerichtlime Erkenntnis in Remtskraft erwamsen, so ist jeder Beteiligte beremtigt, vom Gerimte, das in erster Instanz erkannt hat, die Anmerkung der Remtskräftigkeit des Erkenntnisses auf dem Urteile zu begehren; ein solmes Erkenntnis hat dann die Wirkung, daß um seine Exekution unmittelbar beim Zivilgericht angesumt werden kann.

§ 374. Um Knderung des remtskräftigen straf<>erichtlimen Ausspruches über privatremt

(2) Die Auffindung von Gegenständen, deren Wert neunhundert Schilling nicht erreicht und derentwegen eine unverzüglidle abgesonderte Bekanntmachung nicht aus anderen Gründen notwendig erscheint, kann von Zeit zu Zeit in gemeinsamen Edikten bekanntgemacht werden. (BGBI. Nr. 17511963, Art. II Abs. 1 Z. 3)

§ 377. Ist das fremde Gut von solcher Besc:haffenheit, daß es sic:h ohne Gefahr des Verderbens nicht durch ein Jahr aufbewahren läßt, oder wäre die Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so hat das Gericht die Veräußerung des Gutes durch öffentliche Versteigerung, bei sinngemaßem Vorliegen der im § 280 der Exekutionsordnung bezeichneten Voraussetzungen aber auf die dort vorgesehene Weise einzuleiten. Der Kaufpreis ist beim Strafgerichte zu erlegen. Zugleich ist eine umständliche Besmreibung jedes verkauften Stückes unter Angabe des Käufers und des Kaufschillings den Akten beizulegen.

(BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z. 107)

§ 378. (1) Wenn binnen der Ediktalfrist niemand ein Recht auf die beschriebenen Gegenstände dartut, so sind sie, wenn sie aber der Dringlimkeit wegen verkauft wurden, so ist ihr Erlös dem Besmuldigten auf sein Verlangen auszufolgen, sofern nicht durch einen Beschluß des zur Entsmeidung in erster Instanz berufenen G~rimtes au~gesprochen ist, da~ die R.emtmäßigkelt des BeSltzes des Besmuldlgten mmt glaub

lime "Ansprüdle wegen neu aufgefundener Beweis-, würdig sei.
mittel sowie um Aufhebung seiner Vollstreckung
I (2) Gegen diese Besmlüsse, die vom Vorsitzen
wegen eines namgefolgten Tatumstandes kann
Iden zu fassen sind, steht dem Ankläger und dem
außer dem Fall einer aus anderen Gründen statt-Besmuldigten die binnen vierzehn Tagen einzu
findenden Wiederaufnahme des Strafverfahrens
Ibringende Beschwerde an den übergeordneten

vom Verurteilten und dessen Remtsnamfolgern nur vor dem Zivilrimter angesumt werden.

§ 375. Wenn bei einem BesdlUldigten ein nach allem Ansmeine fremdes Gut gefunden-wird, dessen Eigentümer er nimt angeben kann oder

Gerimtshof zu. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 108)

§ 379. Gegenstände, die dem Beschuldigten nicht ausgefolgt werden, sind auf die im § 377 angeordnete Weise zu veräußern. Der Kaufpreis

will, und wenn sich binnen einer angemessenen ist an die Bundeskasse abzugeben. Dem BeredlFrist niemand. mit einem Eigentums~nspru~e Itigten steht jedoch frei, seine Ansprüche auf den gemeld~t hat, ~st vom Untersuchungsnmter dIe IKaufpreis gegen den Bund binnen dreißig Jahren Beschrelbung emes s~lche~. Gutes so abzufassen, vom Tage der dritten Einsmaltung des Ediktes daß es zwar vom Elgentumer erkannt werden, im Zivilrechtswege geltend zu mamen.

kann, daß jedom einige wesentlime Untersmeidungszeimen versmwiegen werden, um ihre Bezeichnung dem Eigentümer als Beweis seines Remtes vorzubehalten.

§ 376. (1) Eine solme Besmreibung ist durch Edikt an den Orten öffentlim bekanntzumachen, wo sim der Beschuldigte aufgehalten hat oder wo die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen begangen wurden. In diesem Edikt ist der Eigentümer aufzufordern, daß er sidl binnen Jahresfrist vom Tage der dritten Einschaltung des Ediktes melde und sein Eigentumsrecht nachweise.

XXII. Hauptstück

Von den Kosten des Strafverfahrens

§ 380. (1) Sofern die besonderen Vorsmriften über die Gerimtsgebühren nichts anderes bestimmen, sind in Strafsachen keine Gebühr~n zu entrimten.

(2) Werden Besmuldigte zu Wagen befördert, so haben die Gemeinden den nötigen Vorspann beizuschaffen und dafür die Vergütung nach den für den Vorspann bestehenden Vorschriften anzusprechen.

361

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Ne. 631

§ .381. (1) Die Kosten des Strafyerfahrens, die von der zum Kostenersatze verpflichteten Partei zu ersetzen sind, umfassen:

  1. einen Pauschalbetrag als Anteil an den im folgenden nicht besonders angeführten Kosten der Strafrechtspflege einschließlich der Kosten von Amtshandlungen der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe im Dienste der Straf justiz (Pauschalkostenbeitrag) ;
  2. die Gebühren der Sachverständigen, sofern diese Gebühren insgesamt den Betrag von 250 S übersteigen;
  3. eine Vergütung für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Amtern, Anstalten) in der Höhe, wie sie für solche Auskünfte, Befunde und Gutachten in Privatange1egenheiten zu entrichten wäre;
  4. die Kosten der Beförderung und Bewachung des Beschuldigten, einschließlich der durch eine Auslieferung des Beschuldigten aus einem fremden Staat verursachten Kosten, sowie die Kosten aus dem Ausland geladener Zeugen, sofern diese Kosten insgesamt den Betrag von 250 S übersteigen;
  5. die durch die Beschlagnahme von Sachen verursachten Kosten, sofern sie insgesamt den Betrag von 250 S übersteigen;
  6. die Kosten der Vollstreckung des Strafurteiles, ausgenommen die Kosten des Vollzuges einer Freiheitsstrafe;
  7. die im Strafverfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren;
  8. die Kosten der Verteidiger und anderer Parteienvertreter. (BGBI. Nr. 267/1968, Art. I; BGBI. Nr. 145/ 1969, Art. II Z. 2)

(2) Diese Kosten werden, soweit sich aus besonderen gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt, mit Ausnahme der unter Abs. 1 Z. 3, 7 und 8 bezeichneten Kosten vom Bunde vorgeschossen, vorbehaltlich des Rückersatzes nach den Bestimmungen der §§ 389 bis 391. (BGBt.

Nr. 267/1968, Art. 1; BGBI. Nr. 145/1969, Art.ll

Z.2)

(3) Der Pauschalkostenbeitrag (Abs. 1 Z. 1) darf folgende Beträge ni mt übersteigen:

  1. im Verfahren vor den Geschwornengerichten .....••.•........•.....• 15.000 S,
  2. im Verfahren vor den Smöffengerichten •.•.•.•••••••..•...••.• 7.500 S,
  3. im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz . . • • 3.000 S,
  4. im Verfahren vor den Bezirks

gerichten •••••...•••.•..•••.•.•• 1.000 S. (BGBI. N,. 267/1968, A,t. 1; BGBI. N,. 423/ 1974, Art. 1 Z. 109)

(4)
Sprimt ein Gerimtshof lediglim eine Verurteilung wegen einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerimte fallenden strafbaren Handlung aus, so darf der Pauschalkostenbeitrag den für das Verfahren vor den Bezirksgerichten vorgesehenen Betrag nicht übersteigen. Im Verfahren vor den Bezirksgerichten auf Grund einer Privatanklage ist ein Pauschalkostenbeitrag nicht zu bestimmen, wenn keine Hauptverhandlung stattgefunden hat und auch keine Zeugen-oder Sachverständigengebühren aufgelaufen sind. (BGBt. Nr. 267/1968, Art. 1; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z.109)
(5)
Bei Bemessung des Pauschalkostenbeitrages sind die Belastung der im Strafverfahren tätigen Behörden und Dienststellen und das Ausmaß der diesen erwachsenen, nicht besonders zu vergütenden Auslagen sowie das Vermögen, das Einkommen und die anderen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen maßgebenden Umstände zu berücksichtigen. (BGBI. Nr. 267/1968, Art. 1)
(6)
Die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers sind bei Bemessung des Pauschalkostenbeitrages nicht zu berücksichtigen, wenn die Beiziehung notwendig war, weil der Angeklagte der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig ist. Das gleiche gilt für Kosten, die daraus erwachsen, daß der Angeklagte wegen eines Gebrechens nicht fähig ist, sich mit dem Gericht zu verständigen, und eine Person zugezogen werden muß, die fähig ist, die Verständigung zwischen dem Gericht und dem Angeklagten zu vermitteln. Weitergehende Rechte, die sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlidt eingeräumt sind, blei,ben unberührt. (BGBI. Nr. 267/1968, Art. I)
(7)
Die Kosten der Verwahrungs-und Untersuchungshaft sind bei Bemessung des Pauschalkostenbeitrages zu berücksichtigen, es sei denn, daß der Verhaftete für die Haft entschädigt worden ist. Bei der Berücksichtigung ist auf eine vom Verurteilten in der Verwahrungs-oder UntersudlUQ-gshaft etwa geleistete Arbeit angemessen Bedacht zu nehmen. (BGBI. Nr. 145/1969, Art. 11 Z. 2; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 109)

§ 382. Die Gebühren der Gerichtsabgeordneten und der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für Zustellungen, Vorladungen, Botengänge und für die Vorführung, Wachebegleitung oder Beförderung des Beschuldigten oder anderer Personen werden durch besondere Verordnungen geregelt.

§§ 383 bis 386. (Aufgehoben)

§ 387. (Aufgehoben; BGBI. Nr.145/1969, Art.ll

Z.3)

§ 388. (Aufgehoben; BGBI. N,. 145/1969, Art. /I Z. J)

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 389. (1) Wird der Angeklagte einer strafbaren Handlung schuldig erkannt, so ist in der Ent~ scheidung zugleich auszudrüdten, daß er auch die Kosten des Strafverfahrens zu ersetzen habe.

(2)
Doch hat der Gerichtshof in dem Falle, wenn sim das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kos.ten hinsichtlich der Handlungen, deren der Angeklagte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vom Ersatz auszusmeiden.
(3)
Die Verpflichtung zum Ersatze der Kosten trifft jedoch den rechtskräftig Verurteilten nur

.für seine Person und, insofern er nach eingetretener Rechtskraft des Urteiles gestorben ist, seinen Nachlaß, keineswegs aber dritte Personen, die nach dem Gesetz oder aus übernommener Pflicht für seinen Unterhalt zu sorgen haben. Von mehreren Angeklagten ist jeder einzelne zur Tragung des Pauschalkostenbeitrages, der dem gegen ihn gefällten Erkenntnis entspricht, sowie der Kosten zu verurteilen, die durch seine Anhaltung in Verwahrungs-und Untersuchungshaft, seine Verteidigung, den Strafvollzug oder durch besondere, nur bei ihm eingetretene Ereignisse oder durch sein besonderes Verschulden entstanden sind. Zur Bezahlung aller anderen Kosten des Strafverfahrens sind sämtliche Angeklagten zur ungeteilten Hand zu verurteilen, sofern der Gerichtshof nicht besondere Gründe findet, eine Beschränkung dieser Haftung eintreten zu lassen.

§ 390. (1) Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt, so sind die Kosten in der Regel vom Bunde zu tragen. Soweit aber das Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers oder gemäß § 48 lediglich auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat, ist diesen der Ersatz aller infolge ihres Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen.

(2)
Haben mehrere Privatankläger oder Privatbeteiligte wegen derselben Handlung erfolglos Bestrafung derselben Personen begehrt, so haften sie für die Kosten des Strafverfahrens zur ungeteilten Hand. Haben sie erfolglos die Bestrafung verschiedener Personen oder die Bestrafung derselben Personen wegen verschiedener Handlungen begehrt, so haftet jeder für die besonderen Kosten, die nur durch seinen Antrag entstanden sind, und für denPauschalkostenbeitrag, der zu entrichten gewesen wäre, wenn seine Anklage den einzigen Gegenstand des Verfahrens gebildet hätte; die Anteile der einzelnen Ankläger an den gemeinsamen Kosten hat das Gericht nach dem Maß ihrer Beteiligung am Verfahren zu bestimmen.
(3)
Die Staatsanwaltsdlaft kann nie zum Ersatze der Kosten veruneilt werden.

(4) Wurde endlich das Strafverfahren durch eine wissentlich falsche Anzeige veranIaßt, so hat die Kosten der Anzeiger zu ersetzen.

§ 3903. (1) Den nadl den §§ 389 und 390 zum Kostenersatze Verpflichteten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, sofern sie nidlt durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners verursacht worden sind. Ist ein solches Rechtsmittel vom Privatankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffen worden, so ist ihm der Ersatz der dadurch verursachten Kosten unabhängig vom Ausgange des Verfahrens aufzuerlegen .

(2) Für die durch ein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten haftet der Antragsteller.

§ 391. (1) Die Kosten des Strafverfahrens sind jedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird~

(BGBI. NT. 423/197'4, ATt. I Z. 110)

(2)
Ist nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen, daß die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nidlt bloß zum Teile hereingebracht werden können, so hat das Gericht, soweit tunlidl, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlich zu erklären; andernfalls entfällt eine Entscheidung über die Einbringlichkeit der K~sten. Der Besmluß, womit die Kosten für uneinbringlich erklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und, wenn später Umstände der· bezeidlneten Art hervorkommen, nachträglich gefaßt werden.
(3)
Gegen Entscheidungen der Gerichte, womit ein Antrag abgelehnt wird, die Kosten für uneinbringlich zu erklären, ist kein Rechtsmittel zulässig.

(BGBI. NT. 145/1969, Art. II Z. 4)

§ 392. (1) In den Fällen, in denen die Beschwerde über den Kostenpunkt nicht ohnehin mit dem wider das Urteil offenstehenden Rechts~ mittel angebracht werden kann, steht dem Staatsanwalte, ferner jedem, der sich sonst durch eine Entscheidung oder Verfügung des Gerichtes über die Kosten gekränkt erachtet, frei, sich darüber beim Gerichtshofe zweiter Instanz zu beschweren. soweit der Rechtszug nicht ausdrüdtlich untersagt ist.

(2) Die Beschwerden sind bei dem Gerichte, das in erster Instanz entschieden hat, längstens binnen vierzehn Tagen zu überreichen und von diesem an den Gerichtshof zweiter Instanz einzubegleiten,. der darüber endgültig entscheidet.

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

$ 39.3. (1) Wer sich im Strafverfahren eines Vertreters bedient, hat in der Regel auch die für diese Vertretung auflaufenden Kosten, und zwar selbst in dem Falle zu zahlen, wenn ihm ein solcher Vertreter von Amts wegen beigegeben wird.

(2)
Wurde dem Angeklagten ein Verteidiger nach § 41 Abs. 2 beigegeben, so sind diesem auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten. (BGBI. Nr. 569/1973, Art. III Z. 8)
(3)
In den Fällen, in denen dem Beschuldigten, dem Privatankläger, dem Privatbeteiligten 48) oder dem, der eine wissentlich falsche Anzeige gemacht hat, der Ersatz der Prozeßkosten überhaupt zur Last fällt, haben diese Personen auch alle Kosten der Verteidigung und der Vertretung zu ersetzen.
(4)
Soweit jedoch der Privatbeteiligte mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden ist, bilden die zur zweckentsprechenden Geltendmachung seiner Ansprüche im Strafverfahren aufgewendeten Kosten seines Vertreters einen Teil der Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem über den Anspruch erkannt wird.

§ .394. Gebührt dem Vertreter einer Partei eine Belohnung, so ist ihre Bestimmung sowohl in dem Falle, wenn sich der Beschuldigte, der Privatankläger oder der Privatlbeteiligte selbst einen solchen wählte, als auch dann, wenn dem Angeklagten ein Verteidiger von Amts wegen beigegeben wurde, dem freien übereinkommen zwischen dem Vertreter und dem Zahlungspflichtigen überlassen.

(BGBI. Nr. 569/1973, Art.lIl Z. 9)

§ 395. (1) Wird über die Höhe der nach § 393 Abs. 3 zu ersetzenden Kosten kein übereinkommen erzielt, so steht jedem Teile frei, sie von dem Gerichte, das in erster Instanz entschieden hat, und, wenn die Verteidigung oder Vertretung nur vor einem höheren Gerichte stattgefunden hat, von diesem bestimmen zu lassen. Vor der Bemessung der Gebühren ist dem Gegner des Antragstellers Gelegenheit zur ~ußerung zu geben. Wird der Antrag von der zum Ersatze der Kosten verurteilten Partei gestellt, so hat das Gericht dem Gegner aufzutragen, seine Gebührenrechnung binnen einer angemessenen Frist vorzulegen, widrigenfalls die Gebühren auf Grund der vom Antragsteller beigebrachten und sonst dem Gerichte zur Verfügung stehenden Behelfe bestimmt würden.

(2) Bei der Bemessung der Gebühren ist auch zu profen, ob die vorgenommenen Vertretungshandlungen notwendig waren oder sonst nach der Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt sind. Die Kosten des Bemessungsverfahrens sind als Kosten des Strafverfahrens anzusehen.

(3)
Für die Entlohnung solcher Leistungen der in der Verteidigerliste eingetragenen Vertreter, die eine durchschnittliche Bewertung zulassen, kann das Bundesministerium für Justiz einen Tarif aufstellen. Der Tarif kann örtlich verschieden sein.
(4)
Gegen den Beschluß des Gerichtshofes erster Instanz, womit die Gebühren bestimmt werden. steht beiden Teilen die Beschwerde an den Gericlltshof zweiter Instanz offen. Sie ist binnen vierzehn Tagen anzubringen und hat aufschiebende Wirkung. Gegen die Bestimmung der Gebühren durch ein höheres Gericht ist kein Rechtsmittel zulässig.
(5)
Die vorhergehenden Absätze sind auch anzuwenden, wenn zwischen dem von Amts wegen bestellten Verteidiger und dem von ihm vertretenen Beschuldigten über die Entlohnung kein übereinkommen erzielt wird. Das Gericht hat die Entlohnung des von Amts wegen bestellten Verteidigers festzusetzen und dem Beschuldigten die Zahlung aufzutragen. Der rechtskräftige Beschluß ist vollstredtbar.

§ 395 a. Alle nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes zu fassenden Beschlüsse obliegen außerhalb der Hauptverhandlung dem Vorsitzenden.

(BGB1. Nr. 42311974, Art.l Z.111)

XXIII. Hauptstüdt

Von der Vollstredtung der Urteile

§ 396. Jeder durch ein Urteil freigesprochene Angeklagte ist, wenn er verhaftet ist, sogleich nach der Verkündung des Urteiles in Freiheit zu setzen; es sei denn, daß die Ergreifung eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung oder andere gesetzliche Gründe seine fernere Verwahrung nötig machten.

§ 397. Jedes Strafurteil ist ungesäumt in Vollzug zu setzen, sobald feststeht, daß der Vollstreckung kein gesetzliches Hindernis und insbesondere kein rechtzeitig und von einem hiezu Berechtigten ergriffenes Rechtsmittel entgegensteht, dem das Gesetz aufschiebende Wirkung beimißt (§ 284 Abs. 3, § 294 Abs. 1 und § 344). Ist ein Rechtsmittel zugunsten des verhafteten Angeklagten von solchen Personen ergriffen WOl'den, die hiezu gegen seinen Willen nicht berechtigt sind, so ist der Angeklagte hievon in Kenntnis zu setzen und über den dadurch herbeigeführten Aufschub der Strafvollstreckung zu belehren. Dasselbe hat zu geschehen, wenn es zweifelhaft ist, ob der verhaftete Angeklagte der Einlegung des Rechtsmittels durch seinen Verteidiger zugestimmt habe. Die Anordnung des Vollzuges des Strafurteiles steht dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes zu.

(BGB1. N,.14511969. Art. II Z. 5)

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

$ 398. Jede RedltSwirkung eines Strafurteils beginnt, wenn nidltS anderes bestimmt ist, mit seiner Rechtskraft.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. ! Z. 112)

§ 399. Ein Strafurteil gegen eine Person, die ein öffentliches Amt oder eine öffentliche Würde bekleidet, ist ihrem unmittelbaren Vorgesetzten bekanntzugeben, sobald es rechtskräftig wurde.

§ 400. über die Anrechnung einer vom Verurteilten nach der Fällung des Urteiles erster Instanz in Vorhaft zugebrachten Zeit 38 StGB) hat der Vorsitzende des Gerichtes, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluß zu entscheiden. Gegen diesen Beschluß steht dem Verurteilten und dem Ankläger die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an den iibergeordneten Gerichtshof zu.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 113)

§ 401. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 145/1969, Art. Jl Z. 6) § 401 a. (Atsfgehoben; BGBI. Nr. 145/1969, Art. Jl Z. 6)

§ 402•. Ist in einem Strafurteil auf den Verlust eines Rechtes erkannt worden oder ist in einem Gesetz vorgesehen, daß die Verurteilung einen solchen Verlust nach sich zieht oder nach sich ziehen kann, so hat das Strafgericht die rechtskräftige Verurteilung der in Betracht kommenden Stelle bekanntzumachen. Sofern dieser Stelle nicht schon nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Urteilsausfertigung zugestellt· werden muß, ist ihr eine solche Ausfertigung auf ihr Ersuchen zu übersenden.

(BGBI. NT. 145/1969, Art. II Z; 7) § 403. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 75/1968, Art. lV Z.2) § 404. (Aufgehoben; BGBI. NT. 75/1968, Art. lV Z.2) § 405. Wie auf Freiheitsstrafen lautende Strafurteile zu vollziehen sind, bestimmen besondere Gesetze. (BGBI. Nr. 145/1969, Art. II Z. 8)

§ 406. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 145/1969, Art. II Z. 9)

§ 407. Von der Verurteilung einer Person, die nicht die österreichisdle Staatsbürgerschaft besitzt, ist die für die Ausübung der Fremdenpolizei zuständige Behörde unverzüglich zu verständigen.

(BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 114) § 408. (1) Ist der Verfall oder die Einziehung von Gegenständen ausgesprochen und befinden sich diese Gegenstände nicht bereits in gerichtlicher Verwahrung, so ist der Verurteilte oder ein anderer Inhaber der Gegenstände vom Strafgericht schriftlich aufzufordern, sie binnen vierzehn Tagen zu erlegen. widrigens sie ihm zwangsweise abgenommen werden. Kommt der Inhaber

dieser Aufforderung nicht nach, so ist die Einbringungsstelle um die Einleitung der Exeku\tion zu ersuchen. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. 1l Z. 10; BGBl. Nr. 423/1974, Art.! Z. 115)

(2) Ein verfallener oder eingezogener Gegenstand, dessen Wert 15.000 S übersteigt, ist der Finanzlandesdirektion zur Verfügung zu stellen, in deren Sprengel das Gericht seinen Sitz hat. Im übrigen sind verfallene oder eingezogene Gegenstände, die in wissenschaftlicher oder geschiclttlicher Beziehung oder für eine Lehr-, Versuchs-, Forscltungs-oder sonstige Faclttätigkeit von Illteresse sind, den hiefür in Osterreidt be-stehenden staatlichen Einrichtungen und Sanunlungen zur Verfügung zu stellen, Gegenstände, die zur Deckung des Sachaufwandes der Justiz unmittelbar herangezogen werden können, hiezu zu verwenden, andere Gegenstände ~ber auf die im § 377 angeordnete Weise zu veräußern. Gegenstände, die danach weder verwendet noch verwertet werden können, sind zu vernichten. (BGBI. Nr. 423/1974, Art.! Z. 115)

§ 409. (1) Wenn der Verurteilte eine über ihn verhängte Geldstrafe nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen vierzehn Tagen zu zahlen, widrigens sie zwangsweise eingetrieben werde.

(2)
Wie Geldstrafen einzutreiben sind, ist im Gerichtlichen EinbringungsgesetZ 1962, in der jeweils geltenden Fassung, bestimmt.
(3)
Ersatzfreiheitsstrafen sind wie andere Freiheitsstrafen zu vollziehen. Der Vollzug hat jedoch zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt oder durch eine öffentliche Urkunde nadtweist, daß sie gezahlt ist. Darauf ist in der Strafvollzugs anordnung und in der Aufforderung zum Straf antritt hinzuweisen. Die Anordnung des Strafvollzuges ist vorläufig zu hemmen, solange über einen Antrag auf Neubemessung des Tagessatzes 410 a) nicht rechtskräftig entschieden ist, es sei denn, daß es des unverzüglichen Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, oder daß der Antrag offenbar aussichtslos ist. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z.116)

(BGBI. Nr. 145/1969, Art. 1I Z. 10)

§ 409 a. (1) Wäre die unverzügliche Zahlung einer Geldstrafe für den Verurteilten unmöglim oder mit besonder.er Härte verbunden, so hat ihm der Vorsitzende auf seinen Antrag durch Beschluß einen angemessenen Aufschub zu gewähren. Der Aufsmub darf jedoch bei Zahlung der ganzen Strafe auf einmal oder Entrichtung einer 180 Tagessätze nicht übersteigenden Strafe in Teilbeträgen nimt länger sein als ein Jahr, bei Entrichtung einer 180 Tagessätze übersteigenden Strafe in Teilbeträgen. nicllt länger als zwei Jahre und bei Entrichtung einer nidlt in Tages

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

sätu.n bemessenen Geldstrafe in Teilbeträgen nid::lt länger als fünf Jahre. In die gewährte Aufsdi.ubsfrist werden Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördlime Anordnung angehalten w;orden ist, nimt eingeremnet.

(2)
Die Entrimtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, daß alle nom aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Verurteilte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.
(3)
Gegen den Besmluß des Vorsitzenden steht dem Verurteilten und dem Ankläger die binnen vierzehn Tagen einzubringende Besmwerde an den übergeordneten Gerimtshof zu.

(BGB1. Nr. 42311974, Art. I Z. 117)

§ 410. (1) Wenn nam eingetretener Remtskraft eines Strafurteiles Milderungsgrunde hervorkommen, die zur Zeit der Urteilsfällung nom nimt vorhanden oder dom nimt bekannt waren und die zwar nimt die Anwendung eines anderen Strafsatzes, aber dom offenbar eine mildere Bemessung der Strafe herbeigeführt haben würden, so hat der Gerimtshof erster Instanz, sobald er sim vom Vorhandensein dieser Milderungsgründe überzeugt, einen Antrag auf angemessene Milderung der Strafe an den Gerimtshof zweiter Instanz zu stellen, der über den Antrag nam Anhörung des Oberstaatsanwaltes entsmeidet.

(2)
Gegen die Ablehnung eines auf Strafmilderung gerimteten Gesumes oder Antrages ist kein Remtsmittel zulässig.
(3)
Tritt der Gerimtshof zweiter Instanz dem Antrag auf Milderung einer vom Obersten GeridltShofe bemessenen Strafe bei, so hat er dieSEm Antrag dem Obersten Geridltshofe vorzulegen, der darüber nam Anhörung des Generalprokurators endgültig entsmeidet.

§ 410 a. Ober die Neubemessung des Tagessatzes nam § 19 Abs. 4 StGB" hat das Gerimt, das in erster Instanz erkannt hat, auf Antrag mit Besmluß zu entsmeiden. Der VO'I'sitzende hat die Erhebung der für die Entsmeidung maßgebenden Umstände zu veranlassen. Gegen den BesdUuß steht dem Verurteilten und dem Ankläger die binnen vierzehn Tagen einzubringende Besmwerde an den übergeordneten Gerimtshof zu.

(BGBl. Nr. 423/1974. Art. I Z. 118)

§ 411. (1) Eine im Gesetze nimt vorgesehene Naduicht oder Milderung der St.'"afe steht nur dem Bundespräsidenten zu.

(2)
Gnadengesudle haben keine aufsdüebende Wirkung. Sie sind, sofern nidlt in einzelnen Fallen besondere höhere Aufträge ergehen, nam den folgenden Bestimmungen zu behandeln.
(3)
Bringt ein Verurteiltff nadt Antritt der Strafe beim Leiter der Anstalt zum Vollzug von

Freiheitsstrafen oder bei dem mit einer Namschau beauftragten Beamten ein Gnadengesuch an, so ist es mit der Kußerung des Anstaltsleiters übel:' das Betragen und den Gesundheitszustand des Strafgefangenen dem Gerichte zu übermitteln, das in erster Instanz erkannt hat.

(4)
Dieses Gerimt, an das auch alle anderen Gnadengesume zu leiten sind, hat das Gesum zu prüfen und zuriimzuweisen, wenn es nimt findet, daß wimtige Griinde für die Milderung oder Namsicht der Strafe spremen. Im entgegengesetzten Falle legt es das Gesum mit seinem Antrage dem Gerimtshof zweiter Instanz vor, der darüber nam Anhörung des Oberstaatsanwaltes Besmluß faßt und das Gesum entweder zuriimweist oder mit seinem Antrage dem Bundesministerium für Justiz vorlegt. Hat über das Urteil der Oberste Gerimtshof auf Grund des § 288 Abs. 2 Z. 3 oder des § 351 entschieden, so ist der das Gnadengesuch befürwortende Antrag des Gerimtshofes zweiter Instanz an den Obersten Gerimtshof zu rimten: der Oberste Gerimtshof entsmeidet nam Anhörung des Generalprokurators, ob das Gesum zurümzuweisen oder beim Bundesministerium für Justiz zu befürworten sei.
(5)
Gegen die Zuriidtweisung eines Gnadengesumes durm eines der genannten Gerimte ist keine Besmwerde zulässig.
(6)
Die vorstehenden Bestimmungen gelten aum für Gesume um gnadenweise Tilgung einer Verurteilung. Betrifft das Gesum mehrere Verurteilungen, so kommt die Prüfung des Gesuches jenem Gerimt zu, das zuletzt entsmieden hat, unter Gerimten versmiedener Ordnung aber dem Gerimtshof erster Instanz, der zuletzt entsmieden hat. Betrifft das Gesum nur ausländisme Verurteilungen, so kommt die Prüfung dem Gerimtshof erster Instanz zu, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, sonst dem Landesgerimt für Strafsamen Wien. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 119)
XXIV.
Hauptstück
Vom Verfahren gegen Unbekannte,
Abwesende und Flümtige
I.
Verfahren gegen Unbekannte,

Abwesende und Flüchtige während der Voruntersuchung

§ 412. Wenn der Täter eines Verbremens oder Vergehens nimt bekannt ist oder nicht vor Gerimt gestellt werden kann, so muß dom die Erhebung der Besmaffenheit der Tat auf Antrag des Staatsanwaltes mit der vorschriftsmäßigen Sorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden. Das Verfahren ist in solmen Fällen erst, wenn keine Anhaltspunkte zu weiteren Nachforsmungen mehr vorhanden sind, bis zur künftigen Entdedtung oder Auffindung des Täters einzustell"en.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 413. Wenn ein Abwesender, von dem es jedoch nicht wahrscheinlich ist, daß er flüchtig geworden sei, eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt erscheint und die Bedingungen zu einem Haftbefehle nach § 175 nicht vorhanden sind, so ist nur die Erforschung seines Aufenthaltes einzuleiten; erst wenn er nach dessen Ermittlung auf die an ihn ergangene Vorladung nicht erscheint, ist ein Vorführungsbefehl gegen ihn zu erlassen oder sind nach Beschaffenheit der Umstände die in den folgenden Paragraphen bezeichneten Maßregeln wider ihn anzuwenden.

§ 414. Ist vom Beschuldigten den Umständen nach anzunehmen, daß er die Flucht ergriffen habe, oder wird ein Abwesender eines Verbrechens oder Vergehens unter Umständen beschuldigt, die nach § 175 seine Verhaftung rechtfertigen würden, so haben sich die mit der Erforschung und Verfolgung der Verbrechen und Vergehen beauftragten Behörden zur Habhaftwerdung des Beschuldigten nach Umständen der Hausdurchsuchung, der Ersuchschreiben an andere Behörden, in deren Bereich er anzutreffen sein dürfte, der gerichtlichen Nacheile oder Steckbriefe zu bedienen.

§ 414 a. Unter den im § 149 a Abs. 1 unter

Z. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen kann das Gericht im Verfahren wegen einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung auch die überwachung eines Fernmeldeverkehrs anordnen, wenn zu erwarten ist, daß durch die überwachung der Aufenthaltsort des flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ausgeforscht werden kann. § 149 a Abs. 2 und 3 sowie § 149 b sind sinngemäß anzuwenden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 120)

§ 415. Läßt sich hoffen, einen flüchtig gewordenen Verdächtigen durch Nacheile zu erreichen, so sind der Untersuchungsrichter und in dringenden Fällen die Bezirksgerichte und Sicherheitsbehörden verpflichtet, ihn durch hiezu bestellte Personen verfolgen zu lassen. die mit offenen Beglaubigungsschreiben zu versehen sind. Sie sind dabei nicht auf ihren Bezirk beschränkt, sondern können diese Verfolgung bis an die Grenzen der Republik österreich ausdehnen. Alle Gerichte und Sicherheitsbehörden sind den Nacheilenden beizustehen verpflichtet.

§ 416. (1) Steckbriefe dürfen gegen Flüchtige und gegen solche Abwesende, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, nur dann erlassen werden, wenn diese eines Verbrechens oder eines vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens dringend verdächtig erscheinen. Steckbriefe können nur vom Gericht erlassen werden.

(2) Ein Ste&brief ist auch auszufertigen, wenn ein wegen einer der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen Verhafteter aus dem Untersuchungs-oder Strafgefängnis entweicht.

(3) Gegen die nur einer anderen als der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen Beschuldigten kann kein Steckbrief erlassen werden; wenn jedoch an deren Habhaftwerdung sehr gelegen ist, kann den Behörden eine Beschreibung ihrer Person mit der Aufforderung mitgeteilt werden, in Fällen der Auffindung dem Strafgeridlt, das die Personsbeschreibung erlassen hat, Mitteilung zu machen.

(BGBt. Nr. 423/1974, Art. I Z. 121)

§ 417. (1) In jedem Steckbrief ist die strafbare Handlung zu benennen, deren der Beschuldigte verdächtig ist, seine Person so genau als möglich zu beschreiben und das an alle· Gerichte und Sicherheitsbehörden gerichtete Ersuchen um seine vorläufige Festnehmung und Einlieferung beizufügen. Die Stedtbriefe sind nach den bestehenden Vorschriften zu verbreiten und insbesondere auf das schleunigste allen Bezirksgerichten, Sicherheitsbehörden und Aufsichtsorganen der Umgebung mitzuteilen. Nach Erfordernis ist auch eine weitere Verbreitung der Steckbriefe und nach Umständen deren Kundmachung durch die öffentlichen Blätter zu veranlassen. (BGB/. Nr. 423/1974, Art. I Z. 122)

(2) Wie mit Stedtbriefen so ist auch mit der Beschreibung und Kundmachul!g von gestohlenen oder geraubten Sachen, von Gegenständen eines verübten Betruges oder einer unternommenen strafbaren Handlung gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen vorzugehen. Die Beschreibung ist insbesondere dann kundzumachen, wenn es sich um Gegenstände handelt, die einen großen Wert haben oder so beschaffen sind, daß Hoffnung vorhanden ist, durch ihre Bekanntmachung den Täter selbst zu entdecken oder noch ferneres übel zu verhindern oder dem Geschädigten Entschädigung zu verschaffen. Jedermann ist verpflichtet, so gleich der Obrigkeit anzuzeig.en, was er von den beschriebenen Gegenständen erfährt.

§ 418. Sobald die Gründe entfallen, die den Stedtbrief oder die Beschreibung veranlaßt haben, ist der Widerruf unverzüglich zu veranlassen.

§ 419. Einem abwesenden oder flüchtigen Beschuldigten, der sich gegen sicheres Geleit dem Gerichte stellen zu wollen bereit erklärt, kann dieses Geleit vom Bundesministerium für Justiz nach eingeholtem Gutachten des Oberstaatsanwaltes beim Gerichtshofe zweiter Instanz, in dessen Sprengel das untersuchende Gericht sich befindet, allenfalls gegen Sicherheitsleistung mit der Wirkung erteilt werden, daß der Beschuldigte bis Zur Urteilsfällung in erster Instanz von der Haft befreit bleiben soll.

211. Stü<k -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 420. Das simere Geleit äußert seine Wirkung nur in Beziehung auf das Verbrechen oder Ver~ gehen, für das es erteilt ist. Es verliert seine Wirkung, wenn der Beschuldigte auf eine an ihn ergangene Vorladung ohne genügende Recht~ fertigung ausbleibt, wenn er Anstalten zur Flucht macht, wenn er sich der Fortsetzung der Unter~ suchung durch die Flucht oder durch Verbergen seines Aufenthaltes entzieht oder wenn er eine der Bedingungen nicht erfüllt, unter denen ihm das simere Geleit erteilt worden ist.

n. Ver f a h ren g e gen A b wes end e

und Flüchtige nach dem Schlusse der Voruntersuchung

§ 421. (1) Erhebt am Schlusse der Voruntersuchung der Ankläger die Anklage wegen eines Verbrechens oder Vergehens gegen einen Beschuldigten, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist oder nicht in der Republik österreich liegt, so ist die Anklageschrift dem hiefür zu bestellenden Verteidiger zuzustellen; dieser ist berechtigt, binnen vierzehn Tagen nach dieser Zustellung den Einspruch zu erheben. Im übrigen sind die Bestimmungen des XVI. Hauptstü<kes auch in diesem Fall anzuwenden.

(2)
Die rechtskräftig gewordene Versetzung in den Anklagestand ist zu veröffentlichen, und zwar, wenn es sich um ein Verbrechen handelt, in Form eines Steckbriefes.
(l)
Ist Aussidtt vorhanden, daß die Auslief~ rung des im Auslande befindlichen Beschuldigten gemäß den bestehenden Sta3ltsverträgen erwirkt werden könne, so hat sich das Geridtt nach Anhörung des Staatsanwaltes im vorgeschriebenen Weg an die ausländische Strafgerichtsbehörde zu wenden, in deren Bezirke sich der Angeklagte befindet. Sollten der Auslieferung Schwierigkeiten entgegengesetzt werden. so ist wegen deren Behebung vom Gerichtshof zweiter Instanz dem Bundesministerium für Justiz zu berichten.
(4)
Wenn der Angeklagte später sidt stellt oder ergriffen wird, ist ihm die Anklageschrift und das über den Einspruch ergangene Erkenntnis mitzuteilen. Ist die Versetzung in den Anklagestand bereits rechtskräftig geworden und gibt der Angeklagte zu seiner Verteidigung Umstände an, deren Erhebung er verlangt, so ist nach Vorschrift des § 224 vorzugehen.

UI. U n geh 0 r sam ver f a h ren g e gen Abwesende und Flüchtige

§ 422. (1) Nach der Versetzung in den Anklagestand hat das Strafverfahren gegen solche, denen die Vorladung zur Hauptverhandlung wegen ihrer Abwesenheit nidlt zugestellt werden kann, bis zu ihrer Betretung auf sich zu beruhen.

(2) Nur wenn der Ankläger die Einleitung des Ungehorsamverfahrens ausdrücklich begehrt, hat der zur Abgabe des StraferkenntniSses zuständige Gerichtshof dieses Verfahren mittels öffentlidler Vorladung einzuleiten.

§ 423. Die öffentliche Vorladung muß enthalten:

  1. den Vor-und F-amiliennamen, das Alter. den Geburtsort, Stand oder das Gewer:be und den Wohnort des Angeklagten, soweit dies alles bekannt ist;
  2. die Bezeichnung des Verbrechens mit den den Strafsatz bedingenden Umständen;
  3. die Aufforderung an den Angeklagten, bin~ nen einer angemessenen Frist, die mit wenigstens einem Monate festzusetzen ist, beim Gerichte zu erscheinen und sich wegen der ihm zur Last gelegten Tat zu verantworten, widrigens gegen ihn als einen Ungehorsamen nach dem Gesetze verfahren und ihm die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte werde untersagt werden.

§ 424. Diese öffentlime Vorladung ist an dem Orte, wo das Verbremen begangen wurde, am Sitze des Gerimtshofes erster Instanz sowie am Wohnort oder letzten Aufenthaltsorte des Angeklagten anzusmlagen und im Amtsblatte des Landes in angemessenen Zwismenräumen dreimal einzuschalten. Nach Umständen kann auch ihre Einschaltung in andere in-und ausländische Blätter verfügt werden. Außerdem ist diese Vor~ ladung dem etwa bekannten Bevollmächtigten des Angeklagten, seinem Vormund oder Ehegatten oder einem seiner nahen Verwandten besonders zu eröffnen. Die Veröffentlichung dieser Vorladung besorgt der Ankläger.

§ 425. Stellt sim der Angeklagte nicht während der in der Vorladung festgesetzten Frist 423), so erkennt auf Antrag des Anklägers die Ratskammer, daß dem Angeklagten während seiner Abwesenheit die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte untersagt sei. Der Einleitung oder Fortsetzung eines Zivilprozesses gegen den Angeklagten steht der Umstand, daß über die gegen ihn erhobene Anklage die strafgerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen ist, fortan nicht im Wege.

§ 426. Wenn der Angeklagte sim stellt oder in der Folge betreten wird, ist auf Antrag des Anklägers nach Vorsmrift des XVIII. Hauptstümes weiter zu verfahren.

§ 427. (1) Ist der Angeklagte bei der Hauptverhandlung nicht erschienen, so kann in seiner Abwesenheit die Hauptverhandlung vorgenommen und das Urteil gefällt werden, jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann, wenn es sidl um ein Vergehen handelt, der Angeklagte bereits

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

vom Gericht vernommen und ihm die Vorladung zur Hauptverhandlung noch persönlich zugestellt wurde. In diesem Falle wird dem Angeklagten das Urteil durch einen hiezu bestimmten Richter eröffnet oder in Abschrift zugestellt. Ist dies wegen seiner Abwesenheit nicht möglich, so ist das Urteil auf die im § 424 angegebene Art zu veröffentlichen. (BGB1. Nr. 42311974, Art. I Z.123)

(2)
Kann jedoch die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht vorgenommen oder fortgesetzt werden, weil den vorstehend bezeichneten Bedingungen nicht entsprochen ist oder weil der Gerichtshof erachtet, daß in Abwesenheit des Angeklagten eine vollkommen beruhigende Aufklärung des Sachverhaltes nicht zu erwarten sei, so ist nach § 221 vorzugehen. Kann die Vorführung des Angeklagten nicht bewerkstelligt werden, so steht es dem Ankläger frei, auf Einleitung des in den §§ 423 bis 426 bezeichneten Verfahrens anzutragen; die im § 423 unter Z. 3 erwähnte Frist kann in diesem Fall auf vierzehn Tage abgekürzt werden.
(3)
Gegen das in Abwesenheit des Angeklagten gefällte Urteil kann dieser beim Gerichtshof erster Instanz innerhalb von vierzehn Tagen Einspruch erheben. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung gegen ein Abwesenheitsurteil können auch nach Ablauf der Anmeldungsfrist zusammen mit dem Einspruch angemeldet werden. Dem Einspruch ist stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, daß der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. In diesem Fall ist eine neue Hauptverhandlung anzuordnen. Bleibt der Angeklagte auc:h bei dieser aus, so ist das durch Einspruch angefochtene Urteil ihm gegenüber als rechtskräftig anzusehen. Ober den Einspruch entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes in nichtöffentlicher Sitzung. Weist er den Einspruch zurück, so steht dem Angeklagten gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr offen. Hat der Verurteilte zugleich mit dem Einspruche die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung ergriffen oder liegt eine von anderer Seite ergriffene Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde vor, so ist von dem Gerichte, dem die Akten nach Vorschrift der §§ 285 und 294 vorgelegt werden, vorerst über den Einspruch in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden; nur wenn der Einspruch zurückgewiesen wird, ist in die Prüfung der Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen.

§ 428. Durch das Nichterscheinen eines Angeklagten und das dadurch veranlaßte Ungehorsamverfahren darf das Verfahren gegen die anwesenden Mitangeklagten nicht verzögert werden. Werden in solchen Fällen Gegenstände, die zur überweisung der Angeklagten dienen können, den Eigentümern zurückgestellt, so kann diesen die Verpflichtung auferlegt werden, die Beweisstücke auf Begehren wieder beizubringen. Zugleich ist eine genaue Beschreibung der zurückgestellten Gegenstände zu den Akten zu bringen.

XXV. Hauptstück

Vom Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen und beim Verfall

(BGB!. NT. 42311974, Art. I Z. 124)

1. Vom Ver f a h ren zur U n t erb r i ngung in einer Anstalt für geistig a b no r m e R e c h t s b r e ehe r n ach § 21 Ab s. 1 StGB

§ 429. (1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 StGB gegeben seien, so hat der Ankläger einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift dem Sinne nach. Für das Verfahren auf Grund eines solchen Antrages gelten sinngemäß die Bestimmungen über das Strafverfahren, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird.

(2) Einem Antrag nach Abs. 1 muß eine Voruntersuchung gegen den Betroffenen vorangehen, für die folgende Besonderheiten gelten:

  1. Der Betroffene muß durch einen Verteidiger vertreten sein. Dieser ist zur Stellung von Anträgen zugunsten des Betroffenen auch gegen dessen Willen berechtigt.
  2. Der Betroffene ist mindestens durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zu untersuchen.
  3. Der Untersuchungsrichter kann zu jeder Vernehmung des Betroffenen ein oder zwei Sachverständige beiziehen.
  4. Ist anzunehmen, daß die Hauptverhandlung in Abwesenheit d~ Betroffenen wird durchgeführt werden müssen 430 Abs. 5), so ist dem Ankläger, dem Privatbeteiligten, dem Verteidiger und dem gesetzlichen Vertreter des Betroffenen Gelegenheit zur Beteiligung an einer absdlIießenden Vernehmung des Betroffenen zu geben.
  5. Von Vernehmungen des Betroffenen ist abzusehen, soweit sie wegen seines Zustandes nicht oder nur unter erheblicher Gefährdung seiner Gesundheit möglich sind.
(3)
Das nach § 8 der Entmündigungsordnung zuständige Bezirksgericht ist sogleich vom Verfahren zu verständigen.
(4)
Liegt einer der im S 180 Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründe vor, kann der Betraf

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

fene nimt ohne Gefahr für sim oder andere auf freiem Fuß bleiben oder ist seine ärztliche Beobamtung erforderlich, so ist seine vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Remtsbrecher oder seine Einweisung in eine öffentlime Krankenanstalt für Geisteskrankheiten anzuordnen. Diese Krankenanstalten sind verpflichtet, den Betroffenen aufzunehmen und für die erforderliche Simerung seiner Person zu sorgen. Die Pflegegebühren .trägt der Bund.

(5)
Ober die Zulässigkeit der vorläufigen Anhaltung ist auf Antrag oder von Amts wegen in sinngemäßer Anwendung der §§ 113, 114 und 194 bis 196 zu entscheiden. Auf die vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sind die Bestimmungen über den Vollzug der Anhaltung in einer solmen Anstalt dem Sinne nam anzuwenden.
(6)
Im Falle eines Strafurteils (§ 434) ist die vorläufige Anhaltung auf Freiheits-und Geldstrafen anzuremnen 38 StGB).

§ 430. (1) Zur Entsmeidung über den Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbremer nam § 21 Abs. 1 StGB ist das Gericht berufen, das für ein Strafverfahren auf Grund einer Anklage oder eines Strafantrages gegen den Betroffenen wegen seiner Tat zuständig wäre; an Stelle des Einzelrichters ist jedom das Smöffengerimt berufen.

(2)
Das Gericht entscheidet über den Antrag nam öffentlicher mündlimer Hauptverhandlung, die in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des XVIII. und XIX. Hauptstückes durchzuführen ist, durm Urteil.
(3)
Während der ganzen Hauptverhandlung muß bei sonstiger Nimtigkeit ein Verteidiger des Betroffenen anwesend sein, der zur Stellung von Anträgen zugunsten des Betroffenen auch gegen dessen Willen beremtigt ist.
(4)
Der Hauptverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Sachverständiger 429 Abs. 2
Z.
2) beizuziehen.
(5)
Soweit der Zustand des Betroffenen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung innerhalb angemessener Frist nicht gestattet oder von einer solchen Beteiligung eine erheblime Gefährdung seiner Gesundheit zu besorgen wäre, ist die Hauptverhandlung in Atbwesenheit des Betroffenen durmzuführen. Hierüber entsmeidet das Gerimt nam Vernehmung der Samverständigen und Durdtführung der allenfalls sonst erforderlimen Erhebungen mit Beschluß. Der Beschluß kann aum smon vor der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden gefaßt werden und ist in diesem Fall durm da6 binnen vierzehn Tagen einzubringende Remtsmittel der Besmwerde gesondert anfemtbar. Ein Besmluß, die Hauptverhandlung

zur Gänze in Abwesenheit des Betroffenen durmzuführen, darf nur gefaßt werden, namdem sim der Vorsitzende vom Zustand des Betroffenen überzeugt und mit ihm gespromen hat. Wird von der Vernehmung des Betroffenen ganz oder teilweise abgesehen, wurde er aber in der Voruntersuchung vernommen, so ist das hierüber aufgenommene Protokoll zu verlesen.

(6) Ein Ansmluß an das Verfahren wegen privatrechtlicher Ansprüme ist unzulässig.

§ 431. (1) Hat der Betroffene einen gesetzlichen Vertreter, so sind diesem der Antrag und sämtliche gerimtlimen Entsmeidungen auf dieselbe Weise bekanntzumachen wie dem Betroffenen selbst. Der gesetzlime Vertreter ist aum von der Anordnung der Hauptverhandlung zu benachrichtigen.

(2)
Der gesetzlime Vertreter ist berechtigt, für den Betroffenen aum gegen dessen Willen Einspruch gegen den Antrag (§§ 208 bis 210) zu erheben und alle Remtsmittel zu ergreifen, die das Gesetz dem Betroffenen gewährt. Die Frist zur Erhebung von Remtsmitteln läuft für den ges.etzlichen Vertreter von dem Tage, an dem ihm die Entscheidung eröffnet wird.
(3)
Hat der Betroffene keinen gesetzlichen Vertreter, ist dieser der Beteiligung an der mit Strafe bedrohten Handlung des Betroffenen verdächtig oder überwiesen, kann er dem Betroffenen aus anderen Gründen im Verfahren nicht beistehen oder ist er trotz ordnungsgemäßer Benamrimtigung zur Hauptverhandlung nicht ersmienen, so stehen die Remte des gesetzlimen Vertreters dem Verteidiger des Betroffenen zu.
(4)
Von der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Remtsbrecher nam § 21 Abs. 1 StGB sind die nam § 12 der Entmündigungsordnung und nam § 109 der Jurisdiktionsnorm zuständigen Gerichte zu verständigen.

§ 432. Im gesmwornengerimtlichen Verfahren ist dcn Geschwornen eine Zusatzfrage zu stellen, ob der Betroffene zur Zeit der Tat zuremnungsunfähig war. Haben die Gesmwornen diese Frage bejaht und etwaige andere Zusatzfragen (§ 313) verneint, so ist vom Sch.wurgerichtshof gemeinsam mit den Gesmwornen über die Unterbrin-:gung zu entsmeiden 303).

§ 433. (1) Das Urteü kann in sinngemäßer Anwendung der §§ 281 (345) und 283 (346) zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Nimtigkeitsbesmwerde und Berufung angefomten werden. Im Falle der Unterbringung stehen diese Rechtsmittel aum dem Betroffenen und seinen Angehörigen ($ 282) zu. Die Anmeldung der Nichtigkeitsbesmwerde oder der Berufung hat aufsmiebende Wirkung.

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(2) Für die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen gelten die Bestimmungen des XX. Hauptstüc."-es dem Sinne nach.

§ 434. (1) Erachtet das Gericht in einem Verfahren, das auf die Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gerichtet ist, daß der Betroffene wegen der Tat bestraft werden könnte, so hat es die Parteien hierülber zu hören. In der Hauptverhandlung ist über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden. Das gleiche gilt, wenn das Gericht in einem Strafverfahren zur Auffassung gelangt, daß eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Wird das Verfahren vom Einzelrichter geführt, so hat dieser bei sonstiger Nichtigkeit 468 Abs. 1 Z. 2) seine Nichtzuständigkeit auszusprechen 261).

(2)
Der Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt .für geistig abnorme Rechtsbrecher steht einer Anklageschrift gleich. Der Ankläger hat jedoch das Recht, den Antrag bis zum Beginn der Hauptverhandlung gegen eine Anklageschrift auszutauschen.
(3)
Auf Grund der Anklageschrift kann eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB nur angeordnet werden, wenn in der Hauptverhandlung die Vorschriften des § 430 Abs. 3 und 4 und des § 431 Abs. 1 letzter Satz bedbachtet worden sind. ErJorderlichenfalls ist die Hauptverhandlung zu vertagen 276).

11. Vom Ver f a h ren zur U n t erb r i ngung in einer Anstalt für geistig ab n 0 r m e Re c h t sb r e ehe r na c h § 21 A b s. 2 S t G B, i n ein e r Ans tal t für e n t w ö h nun g s b ,e d ü ,r f ,ti geR e c h t sb r e c her n ach § 22 S t G B 0 der i n einer Anstalt für gefährliche

R ü c k fall s t ä t ern ach § 23 S t G B

§ 435. (1) über die Anwendung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen ist in der Regel 441) im Strafurteil zu entscheiden.

(2)
Die Anordnung der Unterbringung in einer der in diesen Bestimmungen genannten Anstalten oder ihr Unterbldben bildet einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung angefochten werden.
(3)
Hat das Gericht durch die Entscheidung über die vO!1beugenden Maßnahmen seine Befugnisse überschritten, so kann das Urteil wegen Nichtigkeit nach den §§ 281 Abs. 1 Z. 11 oder 345 Abs. 1 Z. 13 angefochten werden.

§ 436. (1) Die Anordnung der Unterbringung in einer der in den §§ 21 Abs. 2 und 23 StGB vorgesehenen Anstalten darf nur erfolgen, wenn eine Voruntersuchung stattgefunden hat.

(2) Für diese Voruntersuchung gelten im Falle des § 21 Abs. 2 StGB die im § 429 Abs. 2 Z. 1 bis 3 erwähnten Besonderheiten.

§ 437. BeaJbsichtigt der Ankläger, einen Antrag auf Unterbringung in einer der in den §§ 21 Abs. 2, 22 oder 23 StGB vorgesehenen Anstalten zu stellen, so hat er das in der Anklageschrift zu erklären. Das Gericht kann die Unterbringung jedoch auch ohne einen solchen Antrag anordnen.

§ 438. Liegen hinreichende Grunde für die Annahme, daß die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGB gegeben seien, und Haftgründe 180 Abs. 2 und 7) vor, kann der Beschuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten in einem gerichtlichen Gefangenenhaus angehalten werden, so ist mit Beschluß anzuordnen, daß die Untersuchungshaft durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu vollziehen ist. Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sind in diesem Fall die Bestimmungen über den Vollzug dieser vorbeugenden Maßnahmen dem Sinne nach anzuwenden.

§ 439. (1) Die Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen ist nichtig, wenn nicht während der ganzen Hauptverhandlung ein Verteidiger des Beschuldigten anwesend war.

(2)
Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig a,bnorme Rechtsbrecher nach § 21 Albs. 2 StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter darf bei sonstiger Nichtigkeit überdies nur nach Beiziehung zumindest eines Sachverständigen 429 Abs. 2 Z. 2) angeordnet werden.
(3)
Sieht das Gericht von der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher wegen der Höhe der ausgesprochenen Strafe ab 22 Albs. 2 StGB), so hat es diesen Umstand in den Entscheidungsgrunden auszusprechen.

§ 440. Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist in einem Verfahren, in dem hinreichende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGB vorliegen, § 431 dem Sinne nach anzuwenden.

§ 441. (1) Liegen hinreichende Gr,ünde für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen gegeben seien 65 Abs. 5 StGB), so hat der Ankläger einen Antrag auf

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Unterbringung in einer der in diesen Bestimmungen genannten Anstalten zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift dem Sinne nach.

(2) Die §§ 430 Abs. 1 und 2, 433, 436, 439 Abs. 1 und 2 sowie 440 gelten in diesem Fall entsprechend.

§ 442. Liegt einer der im § 180 Abs. 2 genannten Haftgründe vor, so ist die vorläufige Anhaltung des Betroffenen in einer der im § 441 Abs. 1 genannten Anstalten anzuordnen. § 429 Abs. 5 und 6 gilt dem Sinne nach.

III. Vom V e rf a hr e n h e i m V e rf a 11 und bei der Einziehung

§ 443. (1) über den Verfall und die Einziehung ist in der Regel (§§ 445, 446) im Strafurteil zu entscheiden.

(2)
Die Entscheidung über den Verfall oder die Einziehung oder ihr Unterbleiben bildet einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten oder des sonst vom Verfall oder von der Einziehung Betroffenen 444) mit Berufung angefochten werden.
§ 444. (1) Personen, die ein Recht auf die vom Verfall oder von der Einziehung bedrohten Sachen haben oder ein solches Recht geltend machen, sind zur Hauptverhandlung zu laden. Sie haben in der Hauptverhandlung und im nachfolgenden Verfahren, soweit es sich um den Verfall oder die Einziehung handelt, die Rechte des Beschuldigten. Durch ihr Nichterscheinen werden das Verfahren und die Urteilsfällung nicht gehemmt.
(2)
Machen die im Abs. 1 erwähnten Personen ihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Verfall oder die Einziehung geltend, so steht es ihnen frei, ihre Ansprüche auf den Gegenstand oder dessen Kaufpreis 408) binnen 30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen.

§ 445. (1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen des § 26 StGB gegeben seien, ohne daß in einem Strafverfahren oder in einem auf Unterbringung in einer der in den §§ 21 bis 23 StGB genannten Anstalten gerichteten Verfahren über die Einziehung entschieden werden kann, so hat der Ankläger einen gesonderten Antrag auf Einziehung zu stellen.

(2) über diesen Antrag hat das Bezirksgericht des Tatortes, ist dieser aber nicht bekannt oder im Ausland gelegen, das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand befindet, in einem selbständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Die Bestimmungen über die Hauptverhandlung im Verfahren vor den Bezirksgerichten sowie § 444 sind dem Sinne nach anzuwenden.

(3) Das Urteil kann in sinngemäßer Anwendung der §§ 463 bis 468 zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Berufung angefochten werden.

§ 446. Ergeben sich die Voraussetzungen für das selbständige Verfahren erst in der Hauptverhandlung, so kann die Entscheidung auch in einem Urteil ergehen, in dem der Beschuldigte freigesprochen oder der Antrag auf Anstaltsunterbringung abgewiesen wird.

XXVI. Hauptstück

Vom Verfahren vor den Bezirksgerichten (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 125)

§ 447. (1) Das Verfahren wegen der strafbaren Handlungen, die den Bezirksgerichten zur Untersuchung und Bestrafung zugewiesen sind, richtet sich zunächst nach den in diesem Hauptstück enthaltenen Vorschriften. In allen Punkten aber, worüber hier keine besondere Vorschrift erteilt ist, sind die Bestimmungen anzuwenden, die für das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz gelten.

(2) Als Verteidiger oder Vertreter bestellte Rechtsanwälte sind befugt, sich im Verfahren wegen der den Bezirksgerichten zur Bestrafung zugewiesenen strafbaren Handlungen durch in der Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragene Personen vertreten zu lassen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 126)

LAnklage

§ 448. (1) Die öffentliche Anklage obliegt Bediensteten der Staatsanwaltschaft, die nicht rechtskundig sein müssen (Bezirksanwälte). Diese Bediensteten sind dem Staatsanwalt beim Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel das Bezirksgericht liegt, unmittelbar untergeordnet, haben dessen Weisungen zu befolgen und ihm allmonatlich einen Ausweis über die erledigten Strafsachen und über den Stand der noch anhängigen vorzulegen 31).

(2) Ist der Bezirksanwalt verhindert, sich an der Hauptverhandlung zu heteiligen, so kann der Vorsteher des Bezirksgerichtes 'in dringenden Fällen eine zum Richteramt befähigte oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zum Anklagevertreter bestellen.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 127)

§ 449. Dem durch eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung in seinen Rechten Verletzten steht es frei, sich dem Straf

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

verfahren anzuschließen. Verweigert der zu den Verrichtungen der Staatsanwaltschaft berufene Beamte die Verfolgung, so kann der Privatbeteiligte den Antrag auf gesetzliche Bestrafung stellen (§§ 451 und 457).

II. 0 r den tl ich e s V e rf a h ren vor den Bezirksgerichten

§ 450. Hält das Bezirksgericht dafür, daß der Gerichtshof erster Instanz oder das Geschwornengericht zuständig sei, so hat es dies dem Staatsanwalt am Gerichtshof erster Instanz oder dem Privatankläger (§§ 46, 449) bekanntzugeben. Verweist aber der Gerichtshof erster Instanz oder ein höheres Gericht die Sache wieder an das Bezirksgericht zurück, so kann dieses sie nicht weiter wegen Nichtzuständigkeit von sich abweisen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 128)

§ 451. (1) Es findet weder eine förmliche Voruntersuchung noch eine abgesonderte Verhandlung über die Versetzung in den AnkJ.agestand statt. Es genügt ein allgemeiner, schriftlich oder mündlich angebrachter Antrag auf gesetzliche Bestrafung.

(2)
überzeugt sich der Richter, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen, so hat er das Verfahren mit Beschluß einzustellen. Gegen diesen Beschluß steht dem Ankläger das Rechtsmittel der Beschwerde 481) zu. (BGBI. Nr. 423/ 1974, Art. I Z. 129)
(3)
Wird dem Richter zugleich der Beschu'ldigte vorgeführt und gesteht er die ihm zur Last gelegte Tat oder erscheinen der Ankläger und der Beschuldigte zugleich vor dem Richter, und sind alle Beweismittel für die Anklage und Verteidigung zur Hand, so kann der Richter mit Zustimmung des Beschuldigten sogleich die Verhandlung vornehmen 456) und das Urteil fällen.
(4)
Außer diesem Fall aber ist nach Vornahme der etwa nötig befundenen Vorerhebungen ein Tag zur Hauptverhandlung festzusetzen.

§ 452. Bei allen Vorerhebungen hat der Richter des Bezirksgerichtes im allgemeinen die für die Untersuchungsrichter erteilten Vorschriften zu beobachten, jedoch unter nachstehenden Beschränkungen:

1. Die vorläufige Festnehmung des Beschuldigten zum Zwecke der Vorführung kann außer den im § 175 Abs. 1 Z. 2 und 3 erwähnten Fällen nur dann stattfinden, wenn der ausdrücklich zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Beschuldigte dieser Aufforderung nicht nachkommt. Reisenden ist die Fortsetzung der Reise zu gestatten, insofern nicht zu besorgen ist, daß dadurch die Untersuchung oder die Vollstreckung des Urteiles vereitelt werde.

  1. Kann dem Beschuldigten die Vorladung nicht zugestellt werden, so hat das weitere Verfahren bis zu seiner Betretung auf sich zu beruhen. Die Ausfertigung von Steckbriefen ist unzulässig; dagegen kann in wichtigeren Fällen den Behörden eine Beschreibung der Person des Beschuldigten mitgeteilt werden (§ 416).
  2. Die Untersuchungshaft darf nur wegen Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr verhängt werden. Die Haftprüfung obliegt auch im Verfahren vor Bezirksgerichten der Ratskammer. Gegen ihre Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig. Die Untersuchungshäftlinge sind in dem Gefangenenhaus des Gerichtshofes erster Instanz anzuhalten. § 185 zweiter Satz gilt dem Sinne nach. (BGBl. Nr. 273/1971, Art. 11 Z. 16; BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 130)
  3. Die Durchsuchung von Papieren dritter Personen und die Beschlagnahme oder öffnung von Briefen ist nicht gestattet.
  4. Gerichtszeugen sind bei keiner Untersuchungshandlung erforderlich.
  5. Die Führung eines Protokolls ist nur bei solchen Erhebungen erforderlich, die zum Beweise bei der Hauptverhandlung gebraucht und in dieser nicht wiederholt werden sollen; in anderen Fällen genügt die kurze Aufzeichnung des wesentlichen Inhaltes der von den vernommenen Personen gemachten Aussagen durch den Protokollführer oder auch durch den vernehmenden Richter selbst.
  6. Der § 41 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. (BGBI. NT. 569/1973, Art; 111 Z. 10)

§ 453. (Altfgehoben; BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z.131.)

§ 454. Kann die Verhandlung nicht nach § 451. sogleich nach Anbringung der Anklage stattfinden, so ist der Beschuldigte, falls er nidlt verhaftet ist, zur Hauptverhandlung durch einen schriftlichen Befehl vorzuladen, der die wesentlichen Tatsachen der ihm zur Last gelegten strafharen Handlung und die Aufforderung enthalten muß, zur festgesetzten Stunde zu erscheinen und die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel mitzubringen oder dem Richter so zeitig anzuzeigen, daß sie zur Hauptverhandlung noch herbeigeschafft werden können. Zugleich ist die Warnung beizufügen, daß im Falle seines Ausbleiben, dennoch mit der Verhandlung und Urteilsfällung vorgegangen werden würde.

§ 455. (1) Die Vorladung ist in der Regel so einzurichten, daß dem Beschuldigten von ihrer Zustellung nach Abrechnung der Zeit, die er benötigt, um skh an den Ort des Gerichtes zu

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

verfügen, bis zur Hauptverhandlung ein Zeitraum von wenigstens vierundzwanzig Stunden freibleibt. In dringenden Fällen aber, bei unbedeutenden Gesetzesübertretungen und wenn sim der Beschuldigte am Orte des Gerichtes befindet, kann diese Frist auch abgekürzt werden. Nur auf Grund besmeinigter erheblicher Hindernisse kann dem Antrage des Beschuldigten auf Vertagung der Verhandlung stattgegeben werden.

(2)
Es steht dem Beschuldigten unter den in den §§ 39 und 40 erwähnten Besmränkungen, die der Beurteilung des Richters unterliegen, frei, sich eines Verteidigers zu bedienen.
(3)
Ist der Beschuldigte nicht verhaftet, so kann er sich, wenn er nicht persönlich erscheinen wiH, bei der Verhandlung durm einen Mamthaber vertreten lassen, der sich mit einer besonderen Vollmacht auszuweisen hat; doch steht es dem Gerichte zu, in allen Fällen, wo es im Interesse der Erforschung der Wahrheit nötig befunden wird, sein persönliches Erscheinen zu veranlassen. Personen, die, ohne in der Verteidigerliste eingetragen zu sein, aus solmen Vertretungen ein Gewe1"be machen, sind als Machthaber nicht zuzulassen.

§ 456. Die Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerichte 9) ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit, jedom unter den in den §§ 228 bis 231 enthaltenen Beschränkungen. Schreitet ein Privatankläger ein, so wird die öffentlichkeit ausgeschlossen, wenn beide Teile übereinstimmend darauf antragen.

§ 457. Die Verhandlung beginnt mit dem Vortrage der Anklage. Hierauf wird der Beschuldigte oder sein Machthaber darüber vernommen, und die Beweise werden vorgeführt. Sodann werden der Ankläger und der Privatbeteiligte mit ihren Anträgen und der Besmuldigte und sein Verteidiger mit ihrer Antwort gehört. Der Ankläger kann sich darauf beschränken, im allgemeinen den Antrag auf Anwendung des Gesetzes zu stellen.

§ 458. (1) Nam Schluß der Verhandlung wird das Urteil gefällt, samt den wesentlimen Gründen vom Rimter verkündet und bei sonstiger Nimtigkeit dem Protokoll einverleibt oder beigelegt.

(2) Wird jedom der Beschuldigte freigespromen oder nach einem umfassenden und durm die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützten Geständnis verurteilt oder wird die aus mehreren Punkten bestehende Anklage teils auf die eine, teils auf die· andere Art erledigt und verzimten in a1len diesen Fällen die Parteien auf alle Remtsmittel oder melden sie innerhalb der hiefür offenstehenden Frist kein Remtsmittel an, so können das Protokoll über die Hauptverhandlung (§ 271) Und die Ausfertigung des Urteiles durm einen vom Rimter und vom Smriftführer zu untersmreibenden Vermerk ersetzt werden, der zu enthalten hat:

  1. die im § 270 Abs. 2 erwähnten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe;
  2. im Falle einer Verurteilung die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;
  3. im Falle einer Verurteilung zu einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe die für die Bemessung des Tagessatzes maßgebenden Umstände 19 Abs. 2 StGB) in Schlagworten;
  4. die Namen der vernommenen Zeugen und Sachverständigen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 132)

(3) Wenn ein Privatbeteiligter im Falle einer Verurteilung mit Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird 366 Abs. 2), so sind überdies die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung anzuführen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. 1

Z.132)
(4)
Der Richter ist befugt, nach Schluß der Verhandlung die Fällung des Urteiles bis auf den folgenden Tag auszusetzen.
(5)
Im übrigen haben die im XVIII. Hauptstücke für die Hauptverhandlung erteilten Vorsmriften auch für die Verhandlung vor dem Bezirksgerichte zu gelten.

§ 459. Wenn der Beschuldigte der gehörigen Vorladung ungeachtet zur bestimmten Stunde nicht erscheint, kann der Rimter, wenn er die Vernehmung des Beschuldigten nötig findet, ihn zum persönlichen Erscheinen auffordern oder, wenn das bereits gesmehen ist, vorführen lassen. Außerdem wird sofort das Verfahren begonnen, die Beweise werden aufgenommen, und es wird hierauf nach Anhörung des Anklägers das Urteil gefällt und verkündet. Dem ausgebliebenen Beschuldigten ist eine amtliche Abschrift des Urteiles zuzustellen.

I1LMandatsverfahren

§ 460. (1) Wird von einer Behörde oder von einem Sicherheitsorgan ein auf freiem Fuß befindlicher Beschuldigter auf Grund eigener dienstlimer Wahrnehmung oder eines Geständnisses angezeigt, oder reimen die durmgeführten Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände aus, so kann der Rimter die Strafe ohne vorausgehendes Verfahren durm Strafverfügung festsetzen, falls er nur eine Geldstrafe von nidlt mehr als 60 Tagessätzen zu verhängen findet. (BGBI. NT. 423/1974, Art. 1 Z.133)

(2) Die Strafverfügung ist vor der Zustellung an den Besmuldigten dem mit den staatsanwalt

211. Stüdt -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

schaftlichen Verrichtungen betrauten Beamten zur Einsicht vorzulegen. Dieser kann dagegen binnen vierzehn Tagen Einspruch erheben. In diesem Fall ist das ordentliche Verfahren einzuleiten.

§ 461. In der Strafverfügung muß angegeben sem:

  1. die Beschaffenheit der strafbaren Handlung, die Zeit und der Ort ihrer Begehung;
  2. der Name der Person oder Behörde, die die Anzeige gemacht hat;
  3. die Straffestsetzung unter Anführung der Strafbestimmung, auf die sie sich gründet;
  4. daß es dem Beschuldigten freistehe, wenn er sich durch die Strafverfügung beschwert finden sollte, innerhalb einer vierzehntägigen Frist, von der Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinen Einspruch <lagegen beim Bezirksgerichte (§ 81) schriftlich oder zu Protokoll anzumelden und zugleich die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel anzuzeigen, daß aber, falls in dieser Frist kein Einspruch erhoben wird, die Straf~ verfügung in Rechtskraft übergehen und gegen ihn vollstreckt werden würde.

§ 462. (1) Erhebt der Beschuldigte in der vierzehntägigen Frist Einspruch, so tritt das ordentliche Verfahren ein.

(2) Gegen die Strafverfügung ist außer dem Einspruche kein Rechtsmittel zulässig; doch kann dem Beschuldigten, wenn die' Voraussetzungen des § 364 Abs. 1 Z. 1 und 2 eintreten, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden.

IV. R e c h t s mit tel g e gen U r t eil e der Bezirksgerichte

§ 463. Gegen Urteile der Bezirksgerichte, die gegen einen Anwesenden ergangen sind, ist nur das Rechtsmittel der Berufung zulässig, und zwar an den Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel das Bezirksgericht liegt.

§ 464. Die Berufung 'kann ergriffen werden:

  1. wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe;
  2. wegen des Ausspruches über die Schuld und die Strafe, wegen des Strafausspruches jedoch nur unter den im § 283 bezeichneten Voraussetzungen;
  3. wegen der Entscheidung über die privatrechtlichen Anspruche.

S465. (1) Zugunsten des Angeklagten kann die Berufung sowohl von ihm selbst als auch von seinem Ehegatten, seinen Verwandten in aufund absteigender Linie, seinem Vormund und im Falle der Minderjährigkeit des Angeklagten von seinen Eltern und seinem Vormund auch gegen seinen Willen ergriffen werden. Der öffentliche Ankläger kann stets auch gegen den Willen des Angeklagten zu dessen Gunsten die Berufung ergreifen. (BGBI. NT. 423/1974, ATt.

Z. 134)

(2)
Erben des Angeklagten, die nicht in einem der erwähnten Verhältnisse zum Angeklagten standen, können die Berufung nur wegen der im Urteil allenfalls enthaltenen Entscheidung über privatrechtlime Ansprüme ergreifen oder fortsetzen.
(3)
Zum Nachteile des Angeklagten kann die Bl\rufung nur vom Ankläger und vom Privatbeteiligten, von diesem aber nur wegen seiner privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.
§ 466. (1) Die Berufung ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteiles beim Bezirksgericht anzumelden.
(2)
War der Angeklagte bei der Verkündung des Urteiles nicht anwesend, so ist die Berufung binnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vom Urteile verständigt wurde.
(3)
Für die im § 465 erwähnten Angehörigen des Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldung der Berufung von demselben Tage, von dem an sie für den Angeklagten beginnt.
(4)
Die Anmeldung der Berufung hat aufschiebende Wirkung.
(5)
Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft darf nur wegen einer Berufung des Staatsanwaltes, und zwar bloß dann aufgeschoben werden, wenn <liese sogleich bei Verkündung des Urteiles angemeldet wird und nach den Umständen die Annahme begründet ist, daß sich der Angeklagte dem Verfahren durch die Flucht entziehen werde. Gegen die Entlassung aus der Haft ist kein Rechtsmittel zulässig.
(6)
Wenn der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte sich weder durch den Ausspruch über die Schuld noch durch <len über die Strafart, sondern nur durch das Strafmaß beschwert erachtet, so kann er die Strafe einstweilen antreten. Eben dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte keine Berufung ergriffen hat und der Ankläger seine Berufung nur gegen das Strafmaß richtet.
(7)
Dem Beschwerdeführer muß, sofern dies nicht schon geschehen ist, eine Urtei'lsabschrift zugestellt werden.

§ 467. (1) Der Beschwerdeführer hat das Recht, binnen vierzehn Tagen nach der Anmel<lung der Berufung, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vierzehn Tagen nach der Zustellung eine Ausführung der Grunde seiner Berufung beim Bezirksgerichte zu überreichen und allenfalls neue Tatsachen oder Beweismittel

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

unter genauer Angabe aller zur Beurteilung ihrer Erheblichkeit dienenden Umstände anzuzeigen.

(2)
Er hat entweder bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift ausdrücklich zu erklären, durch welme Punkte des Erkenntnisses 464) er sich besmwert finde und welme Nichtigkeitsgründe er geltend machen wolle, widrigens auf die Berufung oder auf Nichtigkeitsgründe vom Gerichtshof erster Instanz keine Rücksimt zu nehmen ist. Doch steht es der Berücksichtigung eines deutlim und bestimmt bezeichneten Beschwerdepunktes oder Nichtigkeitsgrundes nicht entgegen, daß sim der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Benennung vergriffen hat.
(3)
Die zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung gegen den Ausspruch üher die Schuld

enthält auch die Berufung gegen die Strafhemessung.

(4)
Geschieht die Anmeldung der Berufung mündlich, so hat der Richter, der das Protokoll hierüber aufnimmt, den-Beschwerdeführer zur genauen Angabe der Beschwerdepunkte besonders aufzufordern und über die Rechtöfolgen der Unterlassung dieser AngaJbe zu belehren.
(5)
Die Berufung oder Berufungsausführung ist in zweifacher Ausfertigung vorzulegen oder aufzunehmen. Eine Ausfertigung ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen seine Gegenausführung überreimen könne. Nam überreichung dieser Gegenausführung oder nam Aiblauf der hiezu bestimmten Frist sind alle Akten dem Gerichtshofe erster Instanz vorzulegen. (BGBl. Nr. 229/1962,-Art. I Z.5)

§ 468. (1) Wegen Nimtigkeit kann die Berufung gegen Urteile der Bezirksgerichte, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur aus einem der folgenden Gründe ergriffen werden:

  1. wenn das Bezirksgericht örtlich unzuständig oder nicht gehörig besetzt war oder wenn ein gesetzlich ausgesdl'lossener Richter (§§ 67 und 68) (las Urteil gefällt hat;
  2. wenn das Bezirksgericht nicht zuständig war, weil die Tat, über die es geurteilt hat, in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz oder des Geschwornengerichtes fällt;
  3. wenn eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 120, 151, 152, 170, 271, 456 und 458), oder wenn einer der im $ 281 Abs. 1 Z. .. und 5 erwähnten Nimtigkeitsgronde vorliegt;
  4. aus den im S 281 Abs. 1 Z. 6 bis 11 angesehenen: GrUnden.

(2) Die unter Abs. 1 Z. 1 und 3 erwähnten Nichtigkeitsgründe können nur unter den im § 281 bezeichneten Bedingungen geltend gemacht werden; dom wird auch der Ankläger der Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes deshalb nicht verlustig, weil er hinsichtlich eines Formgebremens die Entscheidung des Richters nimt begehrt und sich die Beschwerde nicht sofort nach Verweigerung oder Verkündung der Entscheidung vorbehalten hat.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 135)

§ 469. Der Gerichtshof berät über die Berufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung, wenn der Berimterstatter oder der Staatsanwalt einen der im § 470 angef.ührten Besmlüsse beantragt.

(BGBl. Nr. 229/1962, Art. I Z. 6)

§ 470. Bei der nichtöffentlichen Beratung kann der Gerichtshof:

  1. die Berufung als unzulässig zurückweisen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einer Person ergriffen worden ist, der das Berufungsremt überhaupt nimt oder nicht in der Richtung zusteht, in der es in Anspruch genommen wird, oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn der Berufungswerber bei der Anmeldung der Berufung oder in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sim beschwert findet, oder die Nichtigkeitsgründe, derentwegen allein die Berufung ergriffen worden ist, nicht deutlich und bestimmt bezeichnet hat;
  2. besdtließen, Aufklärungen über behauptete Formverletzungen einzuholen, oder seine eigene Unzuständigkeit aussprechen und die Strafsame an den zuständigen Gerichtshof abtreten;
  3. wenn schon vor der öffentlichen Verhandlung uber die Berufung feststeht, daß das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist, der Berufung stattgeben, das Urteil, soweit es angefomten wird, aufheben und die Same an da·s Bezirksgericht, das das Urteil gefällt hat, oder an ein anderes Bezirksgericht seines Sprengels, wenn aber das Urteil wegen örtlicher Unzuständigkeit des Gerimtes aufgehoben wird, an das örtlich zuständige Bezirksgerimt zurückweisen.

§ 471. (1) Wird über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, so hat der Vorsitzende einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung Ülber die Berufung anzuordnen und dazu den Ankläger, den Angeklagten, dessen Verteidiger und die Zeugen und Sachverständigen remtzeitig vorzuladen, die voraussichtlich zu vernehmen sein werden.

(2) Dem Angeklagten müssen mit Rüdtsicht auf seine Entfernung vom Sitze des Berufungs. gerichtes wenigstens drei Tage zur Vorbereitung seiner Verteidigung freibleiJben.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

(3)
Ist der Angeklagte verhaftet, so kann der Geridltshof seine Vorführung veranlassen.
(4)
Sowohl dem Angeklagten als aum dem Privatanlcläger ist in der Vorladung zu bemerken, daß aum im Falle ihres Ausbleibens mit Berücksimtigung des in der Berufungsa.usführung und in der Gegenausführung Vorgebramten über die Berufung dem Gesetze gemäß erkannt werden würde.
(5)
Ist die Berufung wegen der Entsmeidung über die privatremtlimen Ansprüche ergriffen, so ist auch der Privatbeteiligte mit der im vorigen Absatz angeführten Bemerkung vorzuladen, andernfalls ist er vom Gerichtstage mit der Bemerkung in Kenntnis zu setzen, daß es ihm freistehe zu erscheinen.
(6)
Hat der Privatankläger oder der Privatbeteiligte einen Vertreter namhaft gemacht, so ist die Vorladung an diesen zu richten.

(BGBl. Nr. 22911962, Art. I Z. 7)

§ 472. (1) Die Verhandlung vor der Berufungsbehörde ist öffentlim nam den Vorschriften der §§ 228 bis 231.

(2)
Sie beginnt mit dem Vortrag eines Mitgliedes des Berufungssenates als Berichterstatters; der Vortrag soll weder Gutachten noch Anträge enthalten, sondern nur das Tatsächliche des Falles, den bisherigen Verlauf der Sache, soweit es zur Beurteilung der angebrachten Beschwerde erforderlich ist, das Wesentliche der Berufungsschrift und die sim daraus ergebenden Streitpunkte umfassen.
(3)
Der auf die Berufungspunkte sich beziehende Teil des Erkenntnisses erster. Instanz samt den Entscheidungsgründen ist jederzeit und, wenn es der Vorsitzende für zweckdienlich erachtet, auch das über die Hauptverhandlung erster Instanz aufgenommene Protokoll vorzulesen.

§ 473. (1) Hierauf sind die etwa vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen und der Angeklagte, wenn er persönlich anwesend ist, zu vernehmen, wobei die für die Hauptverhandlung vor den Gerichtshöfen erster Instanz gegebenen Vorsmriften zu beobamten sind.

(2) Zeugen und Samverständige, die bereits in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerimte vernommen worden sind, sind nommals abzuhören, wenn der Gerimtshof gegen die Rimtigkeit der auf ihre Aussagen gegründeten, im Urteil erster Instanz enthaltenen Feststellungen Bedenken hegt oder die Vernehmung neuer Zeugen oder Samverständiger über dieselben Tatsamen notwendi.g findet. Außer diesem Fa:I!le hat der Gerichtshof die in erster Instanz aufgenommenen Protokolle seiner Entsmeidung zugrunde zu legen.

(3)
Sodann wird der, der die Berufung einlegte, zu ihrer Begründung und sodann der Gegner zur Erwiderung aufgefordert.
(4)
Dem Angelclagten oder seinem Verteidiger gebührt jedenfalls das Remt der letzten ~ußerung.
(5)
Hierauf zieht sidt der Gerimtshof zur Beratung und Beschlußfassung zurück.

§ 474. Der Gerimtshof erkennt, wenn er die Berufung nicht als unzulässig oder ungegründet zurückzuweisen oder seine eigene Nimtzuständigkeit auszusprechen findet, in der Same selbst nam den für die Urteilsfällung der Gerichtshöfe erster Instanz geltenden Vorsmriften, insofern nicht in den nämstfolgenden Paragraphen etwas anderes angeordnet ist.

§ 475. (1) Wird das Urteil des Bezirksgerimtes wegen eines der im § 468 Abs. 1 unter Z. 1 und 3 angeführten Nimtigttei~gründe aufgehoben, so verweist der Gerichtshof die Same zu neuer Verhandlung an das Bezirksgericht, das das Urteil gefällt hat, oder an ein anderes Bezirksgerimt seines Sprengels, wenn al)er das Urteil wegen örtlimer Unzuständigkeit des Bezirksgerim~es aufgehoben wird, an das örtlim zuständige Bezirksgerimt. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 136)

(2)
Wird das Urteil des Bezirksgerichtes wegen des im § 468 Abs. 1 unter Z. 2 angeführten Nichtigkeitsgrundes aufgehoben, so ist die Same nicht an das zuständige Gericht zu verweisen. Es obliegt vielmehr dem Ankläger, binnen vierzehn Tagen (§§ 27 und 46) die zur Einleitung des gesetzlimen Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen. (BGBl. Nr. 42311974, Art. I Z.136)
(3)
Hat das Bezirksgerimt bezüglich einer Tatsache, auf die sim die Anklage bezieht, mit Unremt seine Nichtzuständigkeit ausgesprochen oder die Anklage nicht vollständig erledigt 281 Abs. 1 Z. 6 und 7), so trägt ihm der Gerichtshof auf, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen, die sich in letztem Fall auf die unerledigt gebliebenen Anklagepunkte zu beschränken hat.

§ 476. In den im § 475 Abs. 1 und 3 erwähnten Fällen steht es jedom der BeruIungsbehörde frei, sofort oder in einer späteren Sitzung, nötigenfalls unter Wiederholung oder Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung und unter Verbesserung der mangelhaft befundenen Prozeßhandlung, in der Same selbst zu erkennen.

§ 477. (1) Der Gerimtshofhat sich auf die in Besdlwerde gezogenen Punkte zu besdlränken und darf nur die Teile des erstrimterlimen Erkenntnisses ändern, gegen die die Berufung gerichtet ist. überzeugt er sidt. jedoch aus Anlaß einer von wem immer ergriffenen Berufung,

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

daß zum Namteile des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet wurde 281 Abs. 1

Z. 9 bis 11) oder daß dieselben Gründe, auf denen seine Verfügung zugunsten eines Angeklagten beruht, auch einem Mitangeklagten zustatten kommen, der die Berufung nicht oder nidlt in der in Frage kommenden Richtung ergriffen hat, so hat der Gerichtshof so vorzugehen, als wäre eine solche Berufung eingelegt.

(2)
Ist die Berufung lediglich zugunsten des A':J:geklagten ergriffen worden, so kann der Gericlltshof keine strengere Strafe gegen den Angeklagten verhängen, als das erste Urteil ausgesprochen hat.
§ 478. (1) Gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes, das gemäß § 459 über Ausbleiben des Angeklagten erlassen wurde, kann dieser binnen vierzehn Tagen von der Zustellung des Urteiles beim erkennenden Bezirksgericht Einspruch erheben, wenn ihm die Vorladung nicht gehörig zugestellt worden ist oder er nachweisen kann, daß er durch ein unabwendbares Hindernis abgehalten worden sei. .
(2)
Ober diesen Einspruch hat das Bezirksgericht nach vorläufiger Vernehmung des Anklägers zu erkennen. Verwirft es den Einspruch, so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerimtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu. Der Angeklagte ist in diesem Falle berechtigt, mit diesem Rechtsmittel für den FaIl der Verwerfung die Berufung zu verbinden, mit der nach den Bestimmungen der §§ 469 bis 472 zu verfahren ist.
(3)
Findet das Bezirksgericht oder infolge der Beschwerde der Gerichtshof den Einspruch begründet, so ist eine neue Verhandlung vor dem Bezirksgericht anzuordnen, bei der, wenn der Angeklagte erscheint, die Sache so verhandelt wird, wie im § 457 vorgesmrieben ist. Erscheint der Angeklagte bei dieser zweiten Verhanetlung abermals nicht, so ist der Einspruch als nicht erhoben und das angefochtene Urtei'l als rechtskräftig anzusehen.

§ 479. Gegen die Urteile der Gerichtshöfe erster Instanz über eine gemäß den §§ 463, 464 und 478 an sie gelangte Berufung ist nur die Nimtigkeitsheschwerde an den Obersten Gerimtshof zur Wahrung des Gesetzes (§§ 33 und 292) zulässig.

§ 480. (1) Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens rimtet sich nach den im XX. Hauptstück aufgestellten Grundsätzen. Ober die Zulassung der Wiederaufnahme entscheidet das Bezirksgericht. Gegen die Verweigerung der Wiederaufnahme steht nur die Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz. offen. die binnen vierzehn Tagen beim Bezirksgericht anzubringen ist.

(2) Die dem Obersten Gerichtshof im § 362 eingeräumte Befugnis steht ihm bei strafbaren Handlungen. die in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen. nicht zu. (BGBI. NT. 423/ 1974. Art. ! Z. 137)

§ 481. Gegen Entscheidungen des Bezirksgerichtes, insofern sie der Berufung nicht unterliegen, steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu.

V. M i I der u n gun d Na c h sie h t der
Strafe
(BGBI. NT. 145/1969, Art. 11 Z. 11)

§ 482. Wenn ein Gesuch um Milderung oder Nachsicht der Strafe (§§ 410 und 411) noch vor Antritt der Strafe eingebracht wurde und sich auf solche rücksichtswürdige Umstände stützt, die erst nach dem ergangenen Urteile hervorgetreten sind, kann mit der Vollstreckung der Strafe innegehalten werden. insofern sonst der Zweck des Gesuches ganz oder zum Teile vereitelt würde.

(BGBI. Nr. 145/1969. Art. 11 Z. 11)

XXVII. Hauptstück
Vom Verfahren vor dem Einzelrichter des
Gerichtshofes erster Instanz.
(BGBI. Nr. 423/1974. Art.! Z. 138)

§ 483. Das Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz wird durch einen schriftümen Antrag des Anklägers auf Bestrafung des Beschuldigten eingeleitet.

(BGB!. Nr. 423/1974, Art. ! Z. 139)

§ 484. (1) Der Antrag hat die im § 207 Abs. 2

Z. 1 bis 4 angeführten Angaben zu enthalten. Im Antrage sind ferner die Beweismittel anzugeben, deren sich der Ankläger bedienen will. Auch die Verhaftung des Beschuldigten kann zugleich beantragt werden. (BGBI. NT. 423/1974, Art. ! Z. 140)

(2)
Der Antrag ist in so vielen Ausfertigungen zu überreichen, daß jedem der Beschuldigten eine Ausfertigung zugestellt und eine bei den Akten zurückbehalten werden kann.
(3)
Der Antrag ist an den Einzelrichter zu richten und, wenn keine Voruntersumung stattgefunden hat, unmittelbar bei ihm, andernfalls aber beim Untersuchungsrichter einzubringen. Der Untersuchungsrichter übersendet die Akten, nachdem er die 7.ur Beendigung des Vorverfahrens etwa noch erforderlichen Entsmeidungen getroffen hat, dem Einzelrichter.

S 485. (1) Der Einzelrichter hat die Entscheidung der Ratskammer einzuholen, wenn er der Ansicht ist.

1. daß Bedenken gegen die V-erhaftung des Beschuldigten bestehen.

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

  1. daß das Gericht oder daß er nicht zuständig sei,
  2. daß der Antrag an einem Formgebrechen leide,
  3. daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe,
  4. daß es an genügenden Gründen fehle, den Beschuldigten der Tat für verdächtig zu halten,
  5. daß Umstände vorliegen, durm die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, oder daß die Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben seien oder
  6. daß der nam dem Gesetz zur Verfolgung erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehle.

(2) Ober Haftbesmwerden hat die Ratskammer in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 194 und 195 zu entscheiden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 141)

§ 486. (1) Entscheidet die Ratskammer, daß das angerufene Gericht unzuständig sei, so hat sie die Sache dem zuständigen Gerimt abzutreten.

(2) Wird der Antrag wegen eines Formgebremens vorläufig zurückgewiesen oder die Zuständigkeit des Einzelrimters verneint, so hat der Ankläger binnen vierzehn Tagen die zur Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens erforderlimen Anträge zu stellen (§§ 27 und 46).

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)

(3)
Hält die Ratskammer einen der im § 485 Albs. 1 Z. 4 bis 7 angeführten Umstände für gegeben, so stellt sie das Verfahren ein. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)
(4)
Gegen die Entscheidung der Ratskammer über die Haft steht beiden Parteien, gegen eine Entscheidung, womit das Verfahren eingestellt wird, dem Ankläger die Beschwerde an den Gerimtshof zweiter Instanz offen. (BGBl. Nr. 273/1971, Art. Il Z. 19; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)
(5)
An Besmlüsse der Ratskammer oder des Gerimtshofes zweiter Instanz, mit denen die Zuständigkeit des Gerichtes oder des Einzelrichters oder die Strafbarkeit, Strafwürdigkeit oder Verfolgbarkeit der Tat bejaht wird, ist das erkennende Gerimt nimt gebunden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)

§ 487. Bestehen keine Bedenken gegen die Anträge des AnMägers oder sind die erhobenen Bedenken durm die Entsmeidung der Ratskammer oder des Gerichtshofes zweiter Instanz beseitigt, so ist die Hauptverhandlung anzuordnen.

(BGB1. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 143)

S 488. Für die Vorbereitungen zur Hauptverhandlung, die Hauptverhandlung und das Urteil gelten dem Sinne nam die Bestimmungen des XVII. und XVIII. Hauptstückes (§§ 220 bis 279) mit folgenden Abweimungen und Ergänzungen:

  1. Der Vorladung des Beschuldigten zur Hauptverhandlung ist eine Ausfertigung des Strafantrages anzusmließen. Außer dem im § 221 vorgeschriebenen In'halt hat die Vorladung des Besmuldigten auch die Aufforderung zu enthalten, die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel mitzubringen oder dem Gericht so frühzeitig anzuzeigen, daß sie zur Hauptverhandlung noch herbeigesmafft werden können. Auch ist der Beschuldigte über sein Recht, sim eines Verteidigers zu bedienen (§ 41), und über die Voraussetzungen der Beigebung eines Verteidigers nam § 41 Abs. 2 zu belehren.
  2. Die Bestimmungen der §§ 224 und 276 über die Vornahme von Erhebungen oder Untersumungshandlungen durch den Untersumungsrichter sind nur anwendbar, wenn die Beweise nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden können.
  3. Wenn weder eine Voruntersuchung nom gerimtliche Vorerhebungen stattgefunden haben, ist die öffentlichkeit der Hauptverhandlung auf Verlangen des Beschuldigten auszuschließen.
  4. Der Einzelrichter hat die Befugnisse und Obliegenheiten des Vorsitzenden und des Geridltshofes.
  5. Statt der Anklageschrift ist der Antrag auf Bestrafung vorzulesen.
  6. Eramtet sich der Einzelrichter für unzuständig, weil die dem· Strafantrag zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine Zuständigkeit des Geschwornen-oder Schöffengerimtes begründen, so spricht er mit Urteil seine Unzuständigkeit aus. Sobald dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, hat der Ankläger binnen vierzehn Tagen die zur Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens erforderIimen Anträge zu stellen (§§ 27 und 46).
  7. Der § 458 Abs. 2 und 3 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß im Falle einer Verurteilung die im § 260 Z. 1 genannten Angaben ganz oder teilweise durch Verweisung auf den Strafantrag ersetzt werden können, wenn das Gerimt den darin dargestellten wesentlimen Samverhalt ohne Xnderung als erwiesen angenommen hat oder die abweichenden Feststellungen mit wenigen Worten angegeben werden können; das gilt für den Fall eines Freisprums dem Sinne nam.

(BGBl. Nr. 423/1974. Att. 1 Z. M)

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

§ 489. (1) Gegen die vom Einzelrichter gefällten Urteile ist außer dem Einspruch nach § 427 nur das Rechtsmittel der Berufung zulässig, über das der Gerichtshof zweiter Instanz entscheidet. Für das Verfahren gelten dem Sinne nach die Vorsdl.riften der §§ 464 bis 477 und 479 mit Ausnahme des zweiten Satzes im § 468 Ahs. 2. Als Nichtigkeitsgründe nach § 468 Abs. 1 Z. 3 sind die im § 281 Abs. 1 Z. 2 bis 5 angeführten Umstände anzusehen. (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z.145)

(2)
Die Gerichtstage zur öffentlichen Verhandlung über Berufungen finden am Sitze des Gerichtshofes zweiter Instanz statt, doch kann der Präsident dieses Gerichtshofes mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse oder nach Anhörung des Anklägers und des Angeklagten auch aus anderen wichtigen Gründen anordnen, daß der Gerichtstag an einem anderen im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz gelegenen Ort abgehalten werde; der Anhörung bedarf es nicht, wenn sich der Angeklagte im Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz in Haft befindet, in dessen Bezirke der Geridltstag abgehalten werden soll.
(3)
Von der Verhandlung und Entscheidung über eine Berufung sind auch Mitglieder des Gerichtshofes zweiter Instanz ausgeschlossen, die im vorangegangenen Verfahren an der Entscheidung der Ratskammer über die Einstellung des Verfahrens oder an der Entscheidung über die Beschwerde gegen die von der Ratskammer beschlossene Einstellung 486) beteiligt waren.

(BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 145)

§ 490. (1) Für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens und die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen gelten dem Sinne nach die Bestimmungen des XX. Hauptstüdtes mit Ausnahme des § 362; über die Zulassung der Wiederaufnahme entscheidet der Einzelrichter.

(2)
Auch alle anderen außerhalb der Hauptverhandlung zu treffenden Entscheidungen, zu denen sonst der Gerichtshof berufen ist, liegen dem Einzelrichter ob. (BGBI. Nr. 42311974, Art. I Z.146)
(3)
Der Rechtszug gegen seine Entscheidungen richtet sich, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, nach den allgemeinen für das Verfahren vor den Gerichtshöfen geltenden Vorschriften.

§ 491. Die §§ 427 und 428 sind dem Sinne nach aum auf das Verfahren vor dem Einzelrichter anzuwenden.

(BGBI. Nr. 423/1974, Art.! Z. 147)

§ 491 a. (Aufgehoben; BGBI. N,. 423/1974, Art.! Z. 148)

§ 491 b. (Aufgehoben; BGBI. Nr. 423/1974, Art.! Z. 148)

xxvm. Hauptstüdt

Vom Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Namsimt von vorbeugenden Maßnahmen, Erteilung von Weisungen und Bestellung eines Bewährungshelfers

(BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 149)

I. Bedingte Nachsicht einer Strafe, der U n t erb r i n gun gin ein e r A nnalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechtsfolge

§ 492. (1) Die bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer RedltSfolge ist in das Urteil aufzunehmen.

(2) Das Geridlt hat den Verurteilten über den Sinn der bedingten Nachsicht zu belehren und ihm, sobald die Entscheidung darüber rechtskräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen, die kurz und in einfachen Worten den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, die ihm auferlegten Verpflichtungen und die Gründe angibt, aus denen die Nachsicht widerrufen werden kann.

§ 493. (1) Die bedingte Nachsicht oder deren Unterbleiben bildet einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung angefochten werden. Die Berufung hat nur, soweit es sich um die Vollstreckung der Strafe oder der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder um den Eintritt der Rechtsfolge handelt, aufschiebende Wirkung.

(2)
Hat das Gericht durch die Entscheidung über die bedingte Nachsicht seine Befugnisse überschritten, so kann das Urteil wegen Nichtigkeit nach den §§ 281 Abs. 1 Z. 11, 345 Abs. 1
Z.
13 oder 468 Abs. 1 Z. 4 angefochten werden.

11. E r t eil u n g von W eis u n gen und Bestellung eines Bewährungshelfers

§ 494. über die Erteilung von Weisungen und die Bestellung eines Bewährungshelfers entscheidet das Gericht mit Beschluß. Die Entscheidung obliegt in der Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht, sonst dem Vorsitzenden.

III. W i der ruf ein erb e d i n g t e n
Nachsicht

§ 495. (1) übet den Widerruf der bedingten Nachsimt einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Remtsbrecher oder einer Remtsfolge entsmeidet das Gericht in nimtöffentlidter Sitzung mit Beschluß.

211. Stü<.k -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

(2)
Die Besmlußfassung über einen Widerruf bei namträglimer Verurteilung 55 StGB) obliegt unter Gerichten gleimer Ordnung jenem, dessen Urteil eine bedingte Namsimt enthält und zuletzt remtskräftig wurde; unter Gerimten versmiedener Ordnung entsmeidet jenes höherer Ordnung, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und zuletzt rechtskräftig wurde.
(3)
Vor der Entsmeidung hat das Gericht den Ankläger, den Verurteilten und den Bewährungshelfer zu hören und eine Strafregisterauskunft einzuholen. Von der Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn sich erweist, daß sie ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht durchführbar ist.

§ 496. Das Gericht und die Sicherheitsbehörden 177 Abs. 2) können den Verurteilten in vorläufige Verwahrung nehmen, wenn dringender VerdOacht besteht, daß Grund zum Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe vorhanden sei, und die Flucht des Verurteilten zu befürd1ten ist 180 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3).

IV. End g ü I t i geN ach sie h t

§ 497. (1) Der Ausspruch, daß die bedingte Nachsimt einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Remtsbrecher oder einer Rechtsfolge endgültig geworden ist, hat durm Besmluß des Vorsitzenden zu erfolgen.

(2)
Vor der Entsmeidung ist der Ankläger zu hÖren und eine Strafregisterauskunft einzuholen.
V.
Gern ein sam e B e s tim m u n gen

§ 498. (1) Alle Beschlüsse, die sich auf die Erteilung von Weisungen, die Bestellung eines Bewährungshelfers, die Verlängerung der Probezeit, die gerimtliche Anordnung einer vorläufigen Verwahrung, den Widerruf einer bedingten Nachsimt oder die endgültige Nachsimt beziehen, können mit Besmwerde an den übergeordneten Gerimtshof angefomten werden.

(2) Die Besmwerde steht zugunsten des Verurteilten diesem und allen anderen Personen zu, die zugunsten eines Angeklagten Nimtigkeitsbesmwerde erheben können, zum Namteil des Verurteilten aber nur dem Ankläger. Die Besmwerde ist binnen vierzehn Tagen nam Bekanntmamung des Besmlusses an den Remtsmittelwerber, wenn er aber diesem nimt bekanntzumamen war, binnen vierzehn Tagen nam Bekanntmamung an den Verurteilten einzubringen. Die Besmwerde hat aufsdliebende Wirkung, es sei denn, daß sie gegen die Anordnung einer vorläufigen Verwahrung geridttet ist.

(3) Die Besmwerde kann audt mit einer Nichtigkeitsbesmwerde oder Berufung gegen das Urteil verbunden werden, das zugleim mit dem angefochtenen Beschluß ergangen ist 494). In diesem Fall ist die Besmwerde rechtzeitig eingebramt, wenn das Remtsmittel, mit dessen Ausführung sie verbunden ist, rechtzeitig eingebramt wurde. Wird die Besmwerde mit einem anderen Remtsmittel verbunden oder wird sonst gegen das zugleim mit dem angefomtenen Besmluß ergangene Urteil Nimtigkeitsbesmwerde oder Berufung erhoben, so entsmeidet der für deren Erledigung zuständige Gerichtshof aum über die Besmwerde.

XXIX. Hauptstüdi (BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 149 und 150)

Von der Ausübung der StraEgeridttsbal'keit über Soldaten im Frieden

§ 499. Soldat im Sinne dieses Gesetzes ist jeder Angehörige des Präsenzstandes des Bundesheeres.

§ 500. (1) Alle Soldaten unterstehen im Frieden der Strafgerichtsbarkeit der bürgerlimen Gerichte.

(2)
Soweit im folgenden nimts anderes bestimmt ist, sind die allgemeinen Vorschriften über das Verfahren in Strafsamen auch auf Soldaten anzuwenden.
§ 501. (1) Es hindert die gerimtlime Ahndung einer Tat nimt, daß sie aum als Verstoß gegen eine besondere militärische Dienst-oder Standespflicht disziplinär geahndet werden kann.
(2)
Das Gericht darf ein Strafverfahren wegen eines mit nicht mehr als semsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem Militärstrafgesetz aber nicht einleiten, ein eingeleitetes Verfahren yorläufig nimt fortsetzen, sobald ihm bekanntgeworden ist, daß wegen der Tat ein militärismes Ordnungsstrafverfahren oder Disziplinarverfahren durmgeführt wird; solange deswegen das gerichtlime Strafverfahren nimt eingeleitet oder fortgesetzt wird, ruht die Verjährung. (BGBI. Nr. 344/1970, IIl. Hauptstück, Art. II Z. 1; BGBI. Nr. 423/1974, Art. I Z. 151)
(3)
Der Staatsanwalt kann von der Verfolgung einer im Abs. 2 bezeimneten Tat absehen oder zurü<.ktreten, wenn anzunehmen ist, daß das Gerimt nam § 42 StGB vorgehen würde. (BGBI. NT. 423/1974, Art. I Z. 151)

§ 502. (1) Aum militärisme Kommanden sowie jene Soldaten, die dem für die niilitärisme Simerheit und Ordnung im Standort oder in der

211. Stück -Ausgegeben am 30. Dezember 1975 -Nr. 631

Unterkunft verantwortlichen Kommandanten (Ortskommandanten oder Unterkunftskommandanten) zum Zwecke der Besorgung dieser Aufgaben unterstellt sind, und, soweit sie nicht schon zu diesem Personenkreis zählen, Wachen können die vorläufige Verwahrung 177) des einer strafbaren Handlung Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter vornehmen,

  1. wenn der Verdächtige auf einer militärischen Liegenschaft auf frischer Tat betreten wird oder
  2. wenn der Verdächtige Soldat ist, einer der im § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 angeführten Umstände vorliegt und die vorfaufige Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

(2) Der in Verwahrung Genommene ist unverzüglich, jedenfalls aber vor Ablauf von 48 Stunden seit Beginn der Verwahrung dem U ntersuchungsrichter abzuliefern 4 des Gesetzes vom

27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87).

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 152)

§ 503. (1) Von jeder Ladung und von jeder Verhaftung oder Enthaftung eines Soldaten sowie von der Anordnung des Vollzuges der gegen Soldaten verhängten Freiheitsstrafen ist das unmittelbar vorgesetzte Kommando zu benachrichtigen; die Benachrichtigung von der Ladung hat zu entfallen, wenn diese durch das vorgesetzte Kommando zugestellt wird.

(2) Die Einleitung des Strafverfahrens gegen einen Soldaten ist seinem Disziplinarvorgesetzten anzuzeigen. Diesem sind nach rechtskräftiger Beendigung des StrafverIahr.ens die Akten zur Einsicht zu übersenden.

(3)
Die Verurteilung eines Wehrpflichtigen der Reserve ist seinem Standeskörper bekanntzugeben.
(4)
Die bevorstehende Entlassung eines Soldaten aus einer Strafvollzugsanstalt ist von dieser, die Entlassung aus einem gerichtlichen Gefangenenhaus vom Gerichte dem nächstgelegenen militärischen Kommando anzuzeigen, damit die zur übernahme notwendigen Verfügungen rechtzeitig getroffen werden können.

§ 504. Von Amtshandlungen der Geridlte und Sicherheitsbehörden und ihrer Organe auf militärischen Liegenschaften ist der Kommandant vorher in Kenntnis zu setzen; auf sein Verlangen ist ein von ihm beigegebener Soldat zuzuziehen.

§ 505. Ladungen und gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen sind Soldaten in der Regel durch das unmittelbar vorgesetzte Kommando z,uzustel1en. Dieses hat das rechtzeitige Ersmeinen des Geladenen zu veranlassen und ihn nötigenfalls auch ohne ein besonderes darauf gerichtetes Ersuchen dem Gerich1le vorzuführen.

§ 506. (1) Soldaten sind bei ihrer Vernehmung als Beschuldigte, Zeugen oder SadlVerständige um ihren Standeskörper und Dienstgrad und, wenn sie als Beschuldigte vernommen werden, auch um den Tag zu befragen, an dem ihr Präsenzdienst begonnen hat (§§ 166, 199 und 240).

(2) Der Dienstgrad und der Standeskörper des Beschuldigten sind in der Anklageschrift 207 Abs. 2 Z. 1), im Strafantrag 484), in der UrteilsausfertigU!D.g 270 Abs. 2 Z. 2), in der öffe1l!t.lichen Vorladung 423 Z. 1), in Steckbriefen und Personsbeschreibungen 416) und in ahlen Benachr.ich,tigungen militärischer Stellen 503) anzugeben.

Druck der Osterreidtisdten Staatsdruckerei