Gericht: |
OLG Karlsruhe 6. Zivilsenat |
Entscheidungsname: |
Mobilstation |
Entscheidungsdatum: |
09.12.2020 |
Rechtskraft: |
ja |
Aktenzeichen: |
6 U 103/19 |
ECLI: |
ECLI:DE:OLGKARL:2020:1209.6U103.19.00 |
Dokumenttyp: |
Urteil |
Quelle: |
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Normen: |
§ 15 Abs 3 PatG, § 83 Abs 1 PatG, § 140a Abs 4 PatG |
Patentverletzungsverfahren bezüglich eines Patents zur „Identifizierung einer Mobilstation in einem Paketfunknetz“ - Mobilstation
Leitsatz
1. Der Inhaber eines standardessentiellen Patent, genügt seinen Obliegenheiten in der Regel, wenn er ein Angebot unterbreitet, das für den durchschnittlichen Lizenznehmer FRAND-Bedingungen entspricht und das Angebot in einer Art und Weise erläutert, die den konkreten Lizenzsucher dazu in die Lage versetzt, nachzuvollziehen, auf welchen Erwägungen die Höhe der Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen beruhen und weshalb der SEP-Inhaber die Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen als nicht ausbeuterisch und nicht diskriminierend erachtet.(Rn.308)
2. Die Obliegenheit des Patentbenutzers ein Gegenangebot zu unterbreiten, besteht jedenfalls schon dann, wenn das Lizenzangebot des SEP-Inhabers nicht klar und eindeutig FRAND-widrig ist und der SEP-Inhaber den Verletzer durch die Erläuterung seines Angebots und der von ihm behaupteten FRAND-Gemäßheit der Bedingungen in die Lage versetzt hat, seinerseits ein Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten.(Rn.311)
3. Den Patentbenutzer trifft auch unterhalb der Schwelle, ggf. zur Abgabe eines Gegenangebots gehalten zu sein, grundsätzlich die Obliegenheit, an Lizenzvertragsverhandlungen zielgerichtet mitzuwirken. Verletzt er diese Obliegenheit, kann er den Ansprüchen des SEP-Inhabers einen FRAND-Einwand grundsätzlich nicht mit Erfolg entgegenhalten.(Rn.304)
4. Diese Obliegenheit des Verletzers schließt regelmäßig ein, vom SEP-Inhaber angebotene Informationsmöglichkeiten wahrzunehmen und ihm etwaige Beanstandungen im Rahmen der Verhandlungen mitzuteilen. Mit ihr unvereinbar ist eine Verhaltensweise, die danach trachtet, Beanstandungen als Mittel für die spätere Rechtsverteidigung in einem Rechtsstreit zurückzuhalten.(Rn.316)
Orientierungssatz
Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die Revision vor dem BGH (X ZR 2/21) ist zurückgenommen worden.
Verfahrensgang
vorgehend LG Mannheim, 4. September 2019, 7 O 115/16
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 3 wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 04.09.2019, Az. 7 O 115/16, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen dahin abgeändert, dass dessen Verurteilung zur Unterlassung (Ziffer 1. des landgerichtlichen Tenors) entfällt sowie dessen Verurteilung zur Auskunft/Rechnungslegung (Ziffer 2. des landgerichtlichen Tenors) und dessen festgestellte Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz (Ziff. 3. des landgerichtlichen Tenors) jeweils auf Handlungen bis zum 18.09.2018 beschränkt werden.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich ihre Verurteilung nur auf Handlungen bezieht, die bis (einschließlich) zum 05.10.2019 begangen worden sind.
3. Die Widerklage der Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug fallen den Parteien wie folgt zur Last:
Von den gerichtlichen Kosten tragen die Beklagte zu 1 und zu 2 jeweils 45 % sowie der Beklagte zu 3 und die Klägerin jeweils 5 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1 und 2 jeweils 45 % und der Beklagte zu 3 5 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 trägt die Klägerin 50 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
5. Die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug fallen den Parteien wie folgt zur Last:
Von den gerichtlichen Kosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1 40 %, die Beklagte zu 2 45 % und der Beklagte zu 3 10 %. Die verbleibenden 5 % der Gerichtskosten trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 trägt die Klägerin ein Drittel. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
- 2.500.000 € hinsichtlich Unterlassung, Rückruf und Vernichtung
- 20.000 € hinsichtlich Auskunft und Rechnungslegung
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung der anderen Partei wegen der Kosten des Rechtsstreits (Ziff. 4 und 5) durch Sicherheitsleistung iHv. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit iHv. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
7. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer behaupteten Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, die Beklagten zu 1 und 2 zusätzlich auf Rückruf sowie Vernichtung in Anspruch und begehrt Feststellung der Schadensersatzpflicht, jeweils beschränkt auf Handlungen bis zum Schutzrechtsablauf.
2 Die Klägerin ist in dem beim DPMA geführten Register als Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten, am 5. Oktober 1999 angemeldeten Europäischen Patents EP [...] (= DE [...]; nachfolgend „Klagepatent“) betreffend eine „Identifizierung einer Mobilstation in einem Paketfunknetz“ eingetragen. Die Erteilung des während des Berufungsverfahrens infolge Zeitablaufs erloschenen Klagepatents wurde am 9. März 2005 veröffentlicht. Durch rechtskräftiges Urteil des Bundespatentgerichts vom 17. Oktober 2018 wurde das Klagepatent in dem Nichtigkeitsverfahren mit dem Aktenzeichen 6 Ni 70/16 (EP) (fortan: PGU) teilweise für nichtig erklärt.
3 Der zuletzt geltend gemachte unabhängige Anspruch 13 des Klagepatents (nachfolgend „Klagepatentanspruch“), welcher auf eine (hier durch Unterstreichung kenntlich gemachte) Einschränkung des erteilten Anspruchs 15 im Nichtigkeitsverfahren zurückgeht, hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
4 A mobile station (MS) for a cellular network, being adapted to use a temporary identity (TLLI) allocated by a network element, characterized in that said temporary identity (TLLI) comprises at least a part of the identifier of the network element (SGSN) that has allocated the temporary identity (TLLI) and that said temporary identity (TLLI) also comprises a paging identity which is unique to each mobile station (MS) in the paging area in question, and further characterized by said mobile station (MS) being adapted to use only part of said temporary identity (TLLI) in connection with paging.
5 Die Beklagten zu 1 und 2 vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland Mobilfunk-Telefone, welche den LTE-Standard unterstützen (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“). Der Beklagte zu 3 war bis zum 18. September 2018 Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und bis zum 12. Dezember 2017 [Organmitglied] der Beklagten zu 2.
6 Die Klägerin trat vor Klageerhebung als Verwalterin des [A.]-LTE/LTE-A-Pools über ihre britische Tochter [A.‘] (nachfolgend „[A.]“) am 1. Juni 2016 an die [X.]-Gruppe in Form aller für sie erreichbarer Unternehmen der Gruppe, hierunter auch die Beklagten zu 1 und zu 2, heran und bot ihr den Abschluss eines Portfolio-Lizenzvertrages am [A.]-LTE-Pool an, der auch das Klagepatent umfasste (vgl. Anlage K 4a).
7 Am 23. Juni 2016 bot die Klägerin parallel hierzu der Beklagten zu 2 eine bilaterale Lizenz an ihrem „[...] Programm“ an, das neben den 2G- und 3G- auch die LTE-Patente der Klägerin umfasst, welche die Klägerin in den [A.]-LTE-Pool eingebracht hat (Anlage K 4b).
8 [A.] hatte die [X.]-Gruppe bereits im Juni 2015 auf die Patente des [A.]-LTE-Pools aufmerksam gemacht. Einladungen zu einem Treffen auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) im September 2015 wies die Beklagtenseite unter Verweis darauf zurück, dass die ursprünglich gesetzte Antwortfrist von einem Monat zu kurz gewesen sei und man zu wenig Informationen erhalten habe. Nach weiterem Schriftwechsel überreichte [A.] am 1. Februar 2016 ein Schreiben, in dem sämtliche Patente des [A.]-LTE-Pools erläutert wurden und zudem einzelne Patente durch Claimcharts mit Blick auf deren Standardessentialität erläutert wurden. Zudem bot [A.] die Erläuterung etwaiger technischer Detailfra-gen hierzu an. Auf das Angebot ging die [X.]-Gruppe nicht ein, sondern beließ es bei einzelnen Nachfragen, die [A.] beantwortete.
9 Die Beklagten zu 1 und 2 unterbreiteten mit Schreiben vom 11. November 2016 zur Lizenzierung des „[...] Programms“ der Klägerin ein Gegenangebot (Anlage [...] B 7).
10 Mit ihrer am 22. Juni 2016 bei Gericht eingegangenen Klage machte die Klägerin zunächst nur Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend, erweiterte die Klage aber mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 um Unterlassungs-, Vernichtungs- und Rückrufansprüche und erstreckte sie mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 auf die Beklagten zu 2 und 3.
11 Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2017 teilte die Beklagte zu 1 wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2017 mit, dass sie entsprechend ihres Gegenangebots Auskünfte erteilt und durch Hinterlegungsantrag vom 15. Februar 2017 beim Amtsgericht Mannheim Sicherheit i.H.v. [...] € geleistet hatte (Anlage [...] B 14). Weitere Auskünfte gemäß dem Gegenangebot erteilte die Beklagte vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug am 7. Juni 2019 ebenso wenig wie sie keine weiteren Beträge für ihre fortlaufende Nutzung der patentierten Technologie leistete.
12 Am 8. November 2017 unterbreitete die Klägerin der [X.]-Gruppe ein modifiziertes Lizenzangebot an ihrem „[...] Programm“ mit reduzierten Lizenzraten (Anlage [...] B 28). Nachdem die Beklagtenseite mehr als drei Monate nicht auf dieses Angebot reagiert hatte, versandte die Klägerin am 9. Februar 2018 ein Erinnerungsschreiben (Anlage K 10). Daraufhin meldete sich die Beklagtenseite am 16. Februar 2018 per E-Mail bei der Klägerin und verlangte nach weiteren Claimcharts und kündigte an, mehr Zeit zur Prüfung der in der Patentbroschüre genannten Patente zu benötigen.
13 Durch Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 hat die Klägerin vor Erteilung eines Hinweises durch das Bundespatentgericht zum Rechtsbestand nach § 83 Abs. 1 PatG beantragt, das Verfahren bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen oder das Ruhen des Verfahrens anzuordnen oder jedenfalls den bestimmten Verhandlungstermin vor dem Landgericht aufzuheben. Auf Anfrage des Landgerichts nach einer Zustimmung zur einvernehmlichen Aussetzung (AS I 432) haben die Parteien derselben zugestimmt. Das Landgericht hat die Verhandlung des Rechtsstreits daraufhin durch Beschluss vom 30. Januar 2018 entsprechend dem Wunsch der Parteien ausgesetzt (AS I 447 f.). Mit Schriftsatz vom 6. November 2018 hat die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, nachdem das Klagepatent durch (Stuhl-)Urteil des Bundespatentgerichts vom 17. Oktober 2018 (zunächst ohne Entscheidungsgründe) eingeschränkt aufrechterhalten worden war. In ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 haben die Beklagten darauf verwiesen, der FRAND-Komplex sei noch nicht vor der Kammer erörtert worden. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 12. März 2019 auf die Notwendigkeit der Erörterung der FRAND-Problematik verwiesen, den das Landgericht klarstellend in der Terminsverfügung vom 9. April 2019 wiederholt hat.
14 Am 26. Juni 2018 unterbreitete die Klägerin der [X.]-Gruppe einschließlich der Beklagten zu 1 und 2 in der Zeit der einvernehmlichen Aussetzung ein neues Lizenzangebot an ihrem neu konzeptionierten sog. „Mobile Communication ([...])-Programm“ (Anlagen K 10a und b). Das neue Angebot basierte auf einer grundlegenden Umstrukturierung der Lizenzprogramme der Klägerin und umfasste eine einzige Lizenz an allen von [A.] verwalteten Patenten für den 3G- und 4G-Standard, wobei die Lizenzgebühren gegenüber den Vorgängerprogrammen mit [...] € in der Compliant-Rate und [...] € in der Standard-Rate gegenüber einer Akkumulation der Gebühren an den im [...]-Programm aufgehenden vorherigen Lizenzprogrammen reduziert wurden. Den Zuschnitt des neuen Lizenzprogramms veranschaulicht nachfolgende Abbildung:
15 Mit dem Angebot verwies die Klägerin auf einen Link zu zwei Patentbroschüren (zum 3G-und 4G-Standard), in denen alle Patente des [...]-Programms aufgeführt sind. Den jeweiligen Patentansprüchen der in der Broschüre aufgezählten Patente sind die Bereiche der Standards zugeordnet, aus denen sich eine Verletzung dieser Patente nach Ansicht der Klägerin ergibt (Anlage K 10c). Ferner waren vorhanden ein Link zu Ausführungen zur Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren anhand eines Vergleichs mit anderen am Markt etablierten Lizenzprogrammen (Anlage K 10d) nebst einer „Proud list“ von 20 Patenten des [...]-Programms inklusive Claimcharts, eine Auflistung der nach Ansicht der Klägerin verletzenden Produkte der Beklagten sowie eine anonymisierte Übersicht über die bestehenden Lizenzverträge am [...]-Programm sowie am LTE-Licensing- und 3G-Licensing-Programm, welche das Datum des Abschlusses des jeweiligen Vertrages sowie die jeweils vereinbarte Lizenzgebühr enthielt (Anlage K 10p). Die nicht namentlich benannten Lizenznehmer akzeptierten ausweislich der Aufstellung jeweils die Standardraten, die nach dem jeweiligen Programm vorgesehen sind.
16 Die Klägerin bat in dem Schreiben um Rückmeldung bis 27. Juli 2018. Nachdem eine Antwort ausblieb, schickte die Klägerin am 15. September 2018 ein Erinnerungsschreiben mit dem 15. Oktober 2018 als Äußerungsfrist an die Beklagte zu 2. Die Beklagte zu 2 meldete sich am letzten Tag der Frist, dem 15. Oktober 2018, der zwei Tage vor der Nichtigkeitsverhandlung über das Klagepatent lag (17. Oktober 2018), und verwies auf ihr Gegenangebot aus dem November 2016, ohne inhaltlich auf das Angebot der Klägerin einzugehen und bemängelte die fehlende Offenlegung der Namen der Lizenznehmer durch die Klägerin. Am 22. Oktober 2018 übersandte die Klägerin an die Beklagte zu 2 den Entwurf einer Geheimhaltungsvereinbarung (Anlagen K 10g und K 10h, sog. „Non-Disclosure Agreement (NDA)“). Am 15. November 2018 erläuterte die Klägerin ihr Programm den Beklagten auf einem Treffen in [...]. Das NDA-Agreement unterzeichnete die Beklagtenseite trotz mehrmaliger Nachfrage in den Monaten November 2018 bis Januar 2019 (Anlagen K 10j, k und l) in der Folgezeit nicht und gab zunächst auch kein Gegenangebot ab. Ein solches Gegenangebot unterbreiteten die Beklagten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2019 ebenso wie sie erst nach diesem Zeitpunkt weitere Auskünfte erteilten und sich darauf beriefen, die bereits in Erfüllung ihres ersten Gegenangebots im Jahr 2017 hinterlegte Sicherheit sei für die Abdeckung der zwischenzeitlich seit 2017 angelaufenen Gebühren genügend, und trugen hierzu erstmals im Schriftsatz vom 5. Juli 2019 vor.
17 Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei seit dem 18. Juni 2014 Inhaberin des Klagepatents. Mit der Übertragung von der ursprünglichen Patentanmelderin und Inhaberin [B.] auf [B.‘] und schließlich auf sie seien auch die geltend gemachten vergangenheitsbezogenen Ansprüche auf sie übertragen worden.
18 Die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
19 Die Verletzung ergebe sich zwangsläufig aus der Beachtung des LTE Standards; und zwar namentlich aus den Standarddokumenten 3GPP TS 23.003 V8.17.0 (Anlage K 6a), 3GPP TS 23.401 V8.18.0 (Anlage K 6b), 3GPP TS 23.272 V8.1.0 (Anlage K 6c), ETSI TS 136 331 V8.21.0 (Anlage K 6d), ETSI TS 124 301 V8.10.0 (Anlage K 6e; nachfolgend einheitlich „Standard“ bzw. „Standarddokumente“).
20 Die Globally Unique Temporary UE Identity (GUTI) des Standards stelle eine vorübergehende Identität im Sinne des Klagepatents dar. Dies ergebe sich daraus, dass sie im Standard bereits als solche bezeichnet werde und auch die Funktionalität der vorübergehenden Identität des Klagepatents erfülle. Denn sie diene der eindeutigen Identifikation der Mobilstation UE und gleichzeitig des Netzwerkelements Mobile Management Entity (MME) und kennzeichne damit eine „Route“ zwischen diesen Einheiten.
21 Im Standard werde bei Funkrufen (Paging) die S-TMSI verwendet. Diese sei einerseits eine Funkruf-Identität und andererseits nur ein Teil der vorübergehenden Identität (GUTI). Dass die Mobilstation beim Einwählen in das LTE-Netzwerk zunächst die ganze GUTI benötige, beziehungsweise dass ihr dann eine neue GUTI als Ganzes zugewiesen werde, könne nicht erstaunen. Die GUTI kennzeichne schließlich die Route zwischen Mobilstation und Netzwerk. Werde eine solche Route neu eingerichtet, müsse das standardgemäße Netzwerk auch eine neue GUTI vergeben. Beim Paging gehe es dann aber nur um die konkreten Funkrufe. Klagepatentgemäß solle nur bei diesen die Funkruf-Identität verwendet werden.
22 Die S-TMSI sei ausweislich des Standards für jedes Mobiltelefon in dem entsprechenden Bereich der „tracking area“ einzigartig, sodass Funkruf-Anfragen korrekt ausgegeben werden könnten.
23 Die kartellrechtlichen Einwendungen der Beklagten stünden der Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht entgegen.
24 Mit Blick auf das zunächst – vor der einvernehmlichen Aussetzungsphase – unterbreitete Angebot einer Lizenznahme an ihrem „[...] Programm“ habe sie durch Angabe der Compliant Rate und der Standard Rate die Berechnung transparent gemacht. Auf ihrer Webseite seien ausreichend Informationen zu den Poolpatenten und deren Standardessentialität sowie die Standardverträge abrufbar bereitgehalten. Die FRAND-Gemäßheit dieses Angebots ergebe sich schon aus dem Schreiben nach Anlage K 4b sowie ergänzend aus den in der Replik ausgeführten Umständen. Insbesondere sei eine Stücklizenz gegenüber allen Lizenznehmern gleichbehandelnd und nicht wie die Beklagten meinten per se diskriminierend. Entscheidend sei eine Durchschnittsbetrachtung, die den Wert des Portfolios mit Blick auf die Bedeutung des Standards über alle relevanten Länder gleich ansetze. Eine Anpassungsklausel hinsichtlich der Portfoliolizenzgebühr erweise sich nicht als erforderlich, solange sich der Bestand des Portfolios nicht dramatisch verändere, und sei auch in den in vergleichbaren Technologielizenzprogrammen gelebten Verträgen unüblich. Eine solche Mittelwertbildung wie sie die Klägerin praktiziere, entspreche den üblichen Gepflogenheiten im Lizenzierungsgeschäft. Einerlei, ob man die Top-Down-Methode oder das Vergleichsmarktkonzept – wie der Beklagten auch im Schreiben nach Anlage K 4b mitgeteilt – anwende, erweise sich die von der Klägerin geforderte Gebühr als FRAND-gemäß. Im Vergleich zu den Lizenzraten von [...], [...], dem [...] LTE-Pool sowie den aus den Veröffentlichungen von [...] und [...] (Anlagen K 9a und b) ersichtlichen Lizenzbeträgen sei das Angebot der Klägerin deutlich günstiger und damit angemessen. Der auch der Beklagtenseite angebotene Lizenzvertrag werde auch in der Praxis gelebt. Soweit Abweichungen vorlägen, seien diese gerechtfertigt.
25 Mit Blick auf das in der Aussetzungsphase unterbreitete [...]-Programm wie das [...] Programm argumentiert die Klägerin gleichermaßen, dass eine Übermittlung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen erst nach Unterzeichnung eines NDA-Agreements durch Abschnitt 4.4 des „ETSI Guide on IPRs“ anerkannt sei und dem Umstand Rechnung trage, dass FRAND eine Bandbreite unterschiedlicher Bedingungen als kartellrechtskonform zulasse. Daher bestehe auch Raum für die Anerkennung von Geheimhaltungsinteressen der SEP-Inhaberseite. Etwa könnten die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners, die Bedeutung für den Absatzmarkt, die Gründe für die Gewährung einer Einmalzahlung wie die Schaffung schneller Liquidität legitime geheimhaltungsbedürftige und -würdige Belange oder geschäftliche Strategien betreffen. Zudem seien auch die Geheimhaltungsbelange der Dritten zu berücksichtigen wie etwa deren Bestreben, nach außen nicht als Lizenznehmer in Erscheinung treten zu wollen.
26 Vor dem Hintergrund, dass alle Lizenznehmer an dem [...]-Programm sowie den anderen neuen Programmen ohnehin die Standardvertragskonditionen akzeptiert hätten, habe die Beklagtenseite auch keinerlei Interesse an der Mitteilung der Namen ohne Unterzeichnung eines NDA-Agreements, weil sie diese Tatsachen nicht kennen müsse, um die FRAND-Gemäßheit des klägerischen Angebots beurteilen zu können. Die Weigerung der Beklagten, das NDA-Agreement zu unterzeichnen, müsse – wenn man die Beklagten nicht ohnehin als lizenzunwillig beurteile – dazu führen, dass von der Klägerin keine weiteren Angaben erwartet werden könnten. Durch das Angebot einer Lizenznahme im [...]-Programm seien Angaben zu den Lizenzverträgen unter dem bilateralen „[...] Programm“ der Klägerin prozessual überholt. Das Gegenangebot der Beklagten sei verspätet gewesen, die Berechnung der Lizenzgebühr weit unterhalb des Marktüblichen. Bei der erforderlichen Korrektur der von Beklagtenseite zugrunde gelegten Annahmen zur (Topdown)-Berechnung einer angemessenen Lizenzhöhe pro Patentfamilie komme man zu einem Betrag von [...] €, womit die [...]-Lizenz sich als FRAND-konform erweise, da sie aus 65 3G-Patentfamilien und 84 LTE-Familien bestehe, womit sich eine Gebühr von [...] € für die 3G-Poolpatente pro Gerät bzw. [...] € für die LTE-Poolpatente ergäbe, sodass die [...]-Raten von [...] € für die 3G-Compliant-Rate bzw. [...] € für die LTE-Compliant-Rate sogar niedriger seien. Auch seien die Beanstandungen der Beklagten zu den im bilateralen [...]-Programm enthaltenen Klauseln großteils nicht mehr einschlägig, weil diese im [...]-Programm nicht mehr enthalten seien, oder sie seien ohnedies kein Grund, das Angebot als kartellrechtswidrig zu charakterisieren. Zudem streite der Umstand, dass alle Lizenznehmer unverändert die Standardbedingungen des [...]-Programms akzeptiert hätten, für die FRAND-Konformität dieses Angebots.
27 Insbesondere kennzeichne das Verhalten der Beklagten während der fast eineinhalb-jährigen Phase nach Vorlage eines verbesserten Lizenzangebots zu ihrem „[...] Programm“ durch die Klägerin im November 2017, in der das vorliegende Verfahren einverständlich ausgesetzt gewesen sei, die Beklagte ebenso als lizenzunwillig und eine bloße Verzögerungstaktik verfolgend wie ihr prozesstaktisches Verschweigen der gesamten Verhandlungshistorie während dieser Zeit im Schriftsatz vom 8. April 2019.
28 Die Klägerin hat beantragt,
29 1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzen Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft (im Falle der Beklagten Ziff. 1 und 2) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
30 Mobilstationen, nämlich Mobiltelefone, für ein zelluläres Netzwerk, die dafür ausgelegt sind, eine vorübergehende Identität, die von einem Netzwerkelement zugewiesen wurde, zu verwenden,
31 in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
32 wenn die vorübergehende Identität mindestens einen Teil des Identifikators des Netzwerkelements umfasst, der die vorübergehende Identität zugewiesen hat, und wobei die vorübergehende Identität auch eine Funkruf-Identität umfasst, die für jede Mobilstation in dem betreffenden Funkruf-Bereich einzigartig ist, und wobei die Mobilstation ausgelegt ist, nur einen Teil der vorübergehenden Identität in Verbindung mit Funkrufen zu verwenden.
33 2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung, hinsichtlich der Angaben zu a. und b. unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie seit dem 09.04.2005 die in Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen haben,
34 und zwar unter Angabe
35 a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
36 b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
37 c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
38 d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
39 e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
40 wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Empfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
41 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1 bezeichneten und seit dem 09.04.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
42 4. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden verurteilt, die in Ziff. 1 bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und vor dem 29.04.2006 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 699 24 130 (deutscher Teil des EP [...] B1) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten diese Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen.
43 5. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden verurteilt, in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindliche, in Ziff. 1 bezeichnete Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder oder zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
44 Die Beklagten haben beantragt,
45 1. die Klage abzuweisen,
46 2. hilfsweise der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung der Anträge auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
47 Die Beklagten haben geltend gemacht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht. Insbesondere stelle die GUTI keine klagepatentgemäße vorübergehende Identität dar. In Standards, die erst deutlich nach dem Zeitrang des Klagepatents entstanden seien (UMTS, LTE), finde sich eine ganze Reihe von Bezeichnern bzw. Identifikatoren, die auch teilweise als „[…] temporary […] identity“ oder „[…] temporary […] identifier“ bezeichnet würden. Um zu beantworten, welcher dieser Bezeichner die klagepatentgemäße vorübergehende Identität TLLI sei, stelle sich dem Fachmann mithin die Frage, welcher derjenigen Bezeichner, die in den aktuellen Standards zu finden seien und die auch teilweise als „[…] temporary […] identity“ oder „[…] temporary […] identifier“ bezeichnet würden, die Funktionen der vorübergehenden Identität TLLI im Sinne des Klagepatents, wie sie dort vor dem Hintergrund des GPRS-Standards erläutert sei, erfülle. Mithin kämen nur diejenigen Bezeichner als klagepatentgemäße TLLI in Betracht, die der vorübergehenden Identität aus dem Klagepatent funktional am nächsten kämen. Dies sei nicht die GUTI, sondern allenfalls die M-TMSI, die innerhalb der GUTI die maßgebliche klagepatentgemäße Funktion erfülle.
48 Die S-TMSI könne nicht als klagepatentgemäße Funkruf-Identität betrachtet werden, weil sich aus dem Standard nicht ergebe, dass diese auch in der „paging area“ einzigartig sei. Aus dem Standard ergebe sich lediglich, dass sie in der „tracking area“ einzigartig sei.
49 Auch werde die S-TMSI von der Mobilstation nicht anspruchsgemäß verwendet. Selbst in dem Fall, dass der „paging request“ einen Bezeichner umfasse, der mit der in der betreffenden Mobilstation gespeicherten S-TMSI übereinstimme, gebe der Standard nicht vor, dass die Mobilstation nur einen Teil der vorübergehenden Identität verwenden dürfe. Der Standard gebe allenfalls vor, dass auch die S-TMSI an das Netzwerk gesendet werde. Es gebe keine Vorgabe im Standard, dass die entsprechende Antwort nicht auch die gesamte GUTI einschließlich der S-TMSI enthalten dürfe.
50 Außerdem erhalte die Mobilstation die GUTI vom Netzwerk immer nur als eine Art „Box“. In den allermeisten Fällen sei es für die Mobilstation nicht erforderlich, diese „Box“ zu öffnen. Nur im Zusammenhang mit dem Paging könne es erforderlich werden, die „Box“ zu öffnen. Die S-TMSI, die in der GUTI nicht als separater Teilbezeichner vorliege, sondern erst aus dem MME Code und der M-TMSI zusammengesetzt werden müsse, habe im Standard keine andere Funktion als die als „paging identity“. Mithin sei es für die Mobilstation technisch „im Zusammenhang mit dem Paging“, wenn also eine Funkruf-Anfrage vom Netzwerk empfangen werde, zwingend erforderlich, die „Box“, d.h. die gesamte GUTI, heranzuziehen, d.h. die „Box zu öffnen“, darin die einzelnen Elemente zur S-TMSI zusammenzusetzen, um diese S-TMSI schließlich mit einem im Rahmen der Funkruf-Anfrage empfangenen Bezeichner vergleichen zu können. Insofern müsse die Mobilstation zwingend eingerichtet sein, im Zusammenhang mit dem Paging die gesamte GUTI, d.h. „die Box“, zu verwenden, und nicht nur einen Teil davon, denn dieser Teil müsse zunächst aus der „Box“ extrahiert werden.
51 Der Beklagte zu 3 sei im Hinblick auf sein – insoweit unstreitiges – Ausscheiden bei den Beklagten zu 1 und 2 nicht passivlegitimiert. Ihn treffe auch kein Verschulden.
52 Den Beklagten stünden gegen die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche kartellrechtliche Einwendungen zu, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt ein FRAND-gemä-ßes Lizenzangebot unterbreitet habe. Die Beklagten hätten ihren Willen erklärt, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen. Das Angebot der Klägerin, an ihrem „[...] Programm“ Lizenz zu nehmen, sei nicht FRAND-gemäß gewesen. Es fehle bereits an einer Erläuterung der Klägerin, warum dieses Angebot FRAND-konform sein solle. Hierzu sei eine mathematisch exakte Berechnung erforderlich. Verweise auf alte Gebührensätze anderer Patentverwerter seien nicht ausreichend. Es führe bei entsprechender Zahlung auch für alle anderen SEPs, von denen ein Mobiltelefon Gebrauch mache, zu einer Belastung mit mehreren hundert Prozent des Nettoverkaufspreises und übersteige den angemessenen Höchstsatz ausgehend von [...] % des Nettoverkaufspreises als Höchstbelastungsgrenze um mehr als das [...]-fache, wenn die Beklagten diese Konditionen akzeptierten. Auch Umfang und Bedingungen des Vertrages verstießen gegen das FRAND-Gebot. Zudem sei es unzureichend, Informationen über weitere Lizenznehmer nur nach Abschluss eines NDA-Agreements (vgl. Anlage [...] B 3) herausgeben zu wollen, dessen Bedingungen zeigten, dass die Klägerin an einer diskriminierungsfreien Vergabe von Lizenzen in Wahrheit kein Interesse habe. Die Auswahl von lediglich fünf angeblich repräsentativen Lizenzverträgen am „[...] Programm“ in teilgeschwärzter Form sei unzureichend, um die dem SEP-Inhaber obliegende Transparenzpflicht zu erfüllen. Insgesamt seien die technischen Erläuterungen vor Klageerhebung jedenfalls zum Klagepatent unzureichend gewesen – auch sei die zunächst nur vergangenheitsbezogene Ansprüche adressierende Klageschrift insoweit aus Rechtsgründen nicht beachtlich.
53 Ihre zuvor zusammengefassten grundsätzlichen Beanstandungen, die sie vor der einvernehmlichen Aussetzung vorgebracht hatte, haben die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. April 2019 nach Wiederanrufung des Verfahrens durch die Klägerin wiederholt. Sie haben insbesondere vorgetragen, die Klägerin habe immer noch keine belastbaren Angaben zu den konkreten Lizenzbedingungen gemacht, die sie Dritten gewähre. Das Angebot nach Anlage K 4b diskriminiere die Beklagten nach wie vor. Es mangele an einer Vorlage von Drittlizenzverträgen, die teils bereits durch andere Gerichte als Belege für einen Marktmachtmissbrauch durch die Klägerin angesehen worden seien. Die erforderliche mathematisch exakte Kalkulation der Lizenzgebühr sei bislang immer noch unterblieben. Anders als in den Fällen des MPEG-LA-Pools, in denen das Landgericht Düsseldorf eine Situation zu entscheiden gehabt habe, in der es mehr als 1.400 Lizenzverträge und damit eine etablierte Lizenzierungspraxis gegeben habe, fehle es vorliegend an einer solchen. Auch zeige das weitere verbesserte Vertragsangebot der Klägerin vom 8. November 2017 aufgrund der gegenüber dem Angebot nach Anlage K 4b erheblich reduzierten Lizenzbeträge bereits, dass jenes Angebot evident nicht FRAND-gemäß gewesen sei.
54 Soweit die Beklagten zu dem weiteren Gang der Verhandlungen nach Aussetzung des Verfahrens zunächst keine weiteren Ausführungen zum [...]-Angebot der Klägerin gehalten, sondern diesen erstmals in Ausübung ihres Nachschubrechts geleistet haben, haben sie die Auffassung vertreten, vorher zu weiterem Vortrag nicht verpflichtet gewesen zu sein. Es sei zunächst an der Klägerin gewesen darzulegen, dass sie das FRAND-Procedere eingehalten habe. Zudem seien die Beklagten aus Kapazitätsgründen – sie habe nur [...] Juristen, die sich mit einer Vielzahl von Lizenzverhandlungen zu befassen hätten – und aufgrund der [...]schen Sommerferien gehindert gewesen, zeitnah auf die Vorschläge der Klägerin einzugehen. Eine drucklose Verhandlungssituation habe es auch durch die einvernehmliche Aussetzung nicht gegeben, weil die Klägerin das hiesige Verfahren noch vor dem Treffen in [...] am 15. November 2018 schon mit Schriftsatz vom 6. November 2018 wieder angerufen habe, um Druck aufzubauen. Zur FRAND-Konformität ihres neuen Angebots habe die Klägerin nichts Substantielles in das Verfahren eingeführt; Vortrag im Schriftsatz vom 17. Mai 2019 hierzu sei verspätet. Der [...]-Pool sei unfair zusammengestellt, weil eine Vielzahl evident nicht standard-essentieller Patente aufgenommen sei. Es sei insoweit schon darauf verwiesen worden, dass Stichproben in den 34 Patentfamilien, die Gegenstand des bilateralen „[...] Programms“ der Klägerin gewesen seien, gezeigt hätten, dass zumindest fünf Patentfamilien nicht standardrelevant seien. Da diese 34 Patentfamilien auch Gegenstand des [...]-Angebots seien, gelte dies gleichermaßen auch für das [...]-Angebot. Es sei zu vermuten, dass mindestens 80 % der Patente in dem Pool in Wahrheit nicht standardrelevant seien. Die Lizenzgebühren des [...]-Angebots seien überhöht, weil das Portfolio eine Vielzahl von Patenten umfasse, die die Beklagten niemals benutzen würden, weil sie ihre Mobilfunkgeräte ausschließlich in Europa vertrieben. Weiterhin seien die Regelungen zur Erschöpfung diskriminierend, weil sie eine unvertretbare Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten vorsähen. Zudem sei die Lizenz zu beanstanden, weil sie nicht unwiderruflich sei, keine Anpassungsklausel enthalte, die Gefahr der Doppelzahlungen bei 5G-Geräten begründe und zu weitgehende Bankgarantien einfordere.
55 Auskunftserteilung und Schadensersatzleistung seien allenfalls insoweit geschuldet, als der Schaden nach der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie zu berechnen sei.
56 Der Vollstreckungsschutzantrag sei durch drohende, nicht wiedergutzumachende Schäden aus einer Vollstreckung des Unterlassungstitels gerechtfertigt. Die Beklagtenseite vertreibe die angegriffene Ausführungsform über große Wiederverkäufer von elektronischen Geräten, wie z.B. [...] und [...], sowie auch über die Shops der Netzbetreiber wie [...], [...] und [...]. Es sei schwierig, von diesen Unternehmen überhaupt gelistet zu werden und sehr wichtig, dass die angebotenen Smartphones auch erhältlich seien. All diese Wiederverkäufer investierten in die Werbung für die vertriebenen Produkte, d.h. in Fernsehwerbung, Flyer, Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung etc. Vor diesem Hintergrund frustriere die Unmöglichkeit, an [...], [...] sowie die Shops der [...], von [...] und [...] zu liefern, deren Investitionen in Werbung und in die Auswahl ihres Sortiments an Smartphones. Mithin führe die Unfähigkeit, diese deutschen Wiederverkäufer mit den von ihnen bestellten Produkten zu beliefern, unausweichlich zu erheblichen und langfristigen Schäden für die Geschäfte der Beklagtenseite. Eine Listung bei einem bedeutenden Wiederverkäufer einmal zu verlieren, könne bedeuten, dass man den Kunden für immer verloren habe. Der deutsche Markt würde der Beklagtenseite nicht mehr vertrauen, wenn es sich herausstellte, dass man nicht in der Lage sei, das zu liefern, was man versprochen habe. Daher würde die Vollstreckung eines Unterlassungstitels, der den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland verbiete, Schäden verursachen, die durch Schadensersatzzahlungen nicht auszugleichen seien. Darüber hinaus sei es nahezu unmöglich, die durch die Vollstreckung des Unterlassungstitels erlittenen Einbußen zu beziffern, denn es sei extrem schwierig darzulegen, welcher Umsatz erzielt worden wäre, wäre der Unterlassungstitel nicht vollstreckt worden.
57 Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe ergänzend verwiesen wird, die Beklagten zu 1 und zu 2 unter Abweisung der insoweit weitergehenden Klage zum Rückruf/Entfernen von seit dem 29.04.2006 auf den Markt gebrachten Erzeugnissen aus den Vertriebswegen ohne die geforderten Modalitäten verurteilt und im Übrigen die Beklagten antragsgemäß verurteilt.
58 Die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Anspruchs 13 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
59 Unter der vorübergehenden Identität verstehe der Fachmann eine Übermittlungsadresse zum Adressieren der Mobilstation für die Kommunikation zwischen der Mobilstation und einem Netzwerkelement, die beim Aufbau einer logischen Verbindung zwischen dem zuständigen Netzwerkelement und der Mobilstation im Zuge des erstmaligen Anmeldens der Mobilstation oder beim Wechsel in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Netzwerkelements zugewiesen werde (vgl. BPatG, Urt. v. 17.10.2018 – 6 Ni 70/16 (EP), S. 17; Klagepatentschrift Abschn. [0024] ff. mit Fig. 3). Der Klagepatentanspruch sei nicht auf eine spezifische Übermittlungsadresse aus dem GPRS-Standard oder überhaupt den GPRS-Standard beschränkt. Nach Merkmal c sei außerdem erforderlich, dass die vorübergehende Identität mindestens einen Teil des Identifikators des sie zuweisenden Netzwerkelements umfasse. Hierdurch werde ermöglicht, dass bei einem Wechsel der Mobilstation in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Netzwerkelements das neue Netzwerkelement aus der vorübergehenden Identität entnehmen könne, von welchem Netzwerkelement die Mobilstation zuvor bedient worden sei, um mit diesem Daten austauschen zu können. Zugleich werde durch die Bildung der vorübergehenden Identität unter Rückgriff auf den Identifikator des zuweisenden Netzwerkelements verhindert, dass verschiedene Netzwerkelemente verschiedenen Mobilstationen zufällig dieselbe vorübergehende Identität zuwiesen.
60 Nach Merkmal b müsse die Mobilstation dazu ausgelegt sein (being adapted to), die vorübergehende Identität zu verwenden. Auf welche Weise dies geschehe, sei durch den Anspruchswortlaut nicht weiter beschränkt. Merkmal b erfordere insbesondere nicht, dass die Mobilstation die vorübergehende Identität inhaltlich auswerte und den enthaltenen Teil des Identifikators des Netzwerkelements gezielt verwende (vgl. BPatG, Urt. v. 17.10.2018 – 6 Ni 70/16 (EP), S. 18 f. mit Verweis auf Fig. 2 und 3 sowie Abschn. [0046] f. i.V.m. Abschn. [0033] f. und Abschn. [0041]). Eine unveränderte Weiterleitung genüge. Entsprechendes gelte auch für die Verwendung nur eines Teils der vorübergehenden Identität im Zusammenhang mit Funkrufen nach den Merkmalen d und e.
61 Merkmal e erfordere, dass die Mobilstation dazu ausgelegt sei, in Verbindung mit Funkrufen nur einen Teil der vorübergehenden Identität zu verwenden (to use only part of said temporary identity), also gerade nicht (auch) die gesamte vorübergehende Identität. Hieran unmittelbar anknüpfend sehe Merkmal d vor, dass die vorübergehende Identität eine Funkruf-Identität umfasse (comprises), die für jede Mobilstation in dem betreffenden Funkruf-Bereich einzigartig sei. Aus dem inhaltlichen Kontext entnehme der Fachmann, dass mit dem Teil der vorübergehenden Identität aus Merkmal e jene Funkruf-Identität nach Merkmal d gemeint sei.
62 Den Funkruf (paging) im Sinne des Klagepatents verstehe der Fachmann als Kommunikation zwischen einem Netzelement und der Mobilstation, wenn sich die Mobilstation im Ruhemodus befinde und von dem Netzelement in einem bestimmten Bereich, in dem sich die Mobilstation zuletzt befunden habe, „ausgerufen“ werde, um die Mobilstation beispielsweise über einen eingehenden Anruf oder ein anderes Ereignis zu informieren (vgl. Abschn. [0017]; vgl. auch BPatG, Urt. v. 17.10.2018 – 6 Ni 70/16 (EP), S. 19).
63 Zum Funkruf-Bereich (paging area) enthalte der Klagepatentanspruch weder nach seinem Wortlaut noch funktional Einschränkungen und lege ihn insbesondere nicht auf eine „routing area“ fest.
64 Die Mobilstation verwende die Identität im Zusammenhang mit Funkrufen schon dann, wenn sie die empfangene Funkruf-Identität mit der ihr zugewiesenen Identität vergleiche, um zu erkennen, ob sie angesprochen werde (vgl. vgl. BPatG, Urt. v. 17.10.2018 – 6 Ni 70/16 (EP), S. 20, zum allgemeinen Verwenden im Zusammenhang mit Funkrufen, wie noch in Anspruch 13 nach dem Hauptantrag der Patentinhaberin im Nichtigkeitsverfahren vorgesehen, d.h. noch ohne die Einschränkung „use only part of said temporary identity“).
65 Dementsprechend seien auch an die Verwendung nur eines Teils der vorübergehenden Identität nach Merkmal e, d.h. an die Verwendung nur der Funkruf-Identität, keine strengere Anforderung zu stellen. Eine Verwendung liege zum einen in dem Abgleich der Mobilstation, ob die ausgerufene Funkruf-Identität der eigenen Funkruf-Identität entspreche, und zum anderen – bei Übereinstimmung – in einer Beantwortung des Funkrufs mit der eigenen Funkruf-Identität (anstatt mit ihrer gesamten vorübergehenden Identität).
66 Ob die Mobilstation hierzu zum Zwecke des Abgleichs zunächst auf ihre gesamte vorübergehende Identität zurückgreife, welche die Funkruf-Identität enthalte, sei funktional unbeachtlich. Funktional bestehe kein Anlass, dass die Mobilstation zum Zwecke der Prüfung und der Reaktion auf den eingehenden Funkruf ihre Funkruf-Identität nicht aus ihrer vorübergehenden Identität ableiten dürfte, die sie ohnehin kenne, sobald sie ihr zugewiesen worden sei. Funktional entscheidend sei vielmehr nur, dass erstens das Netzelement die Mobilstation ausschließlich mit der kurzen Funkruf-Identität ausrufe, zweitens die Mobilstationen als Information zur Prüfung, ob sie angesprochen seien, vom Netzwerk lediglich die kurze Funkruf-Identität empfingen und drittens die angesprochene Mobilstation auch lediglich mit der kurzen Funkruf-Identität antworte.
67 Von dieser Lehre machten die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß unmittelbar Gebrauch.
68 Der Standard umfasse unstreitig mit der GUTI (Globally Unique Temporary UE Identity) eine vorübergehende Identität, die von einem Netzwerkelement zugewiesen werde (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 5.3.7: „The MME may initiate the GUTI Reallocation procedure to reallocate the GUTI […]“) und die mindestens einen Teil des Identifikators des Netzwerkelements umfasse, das die vorübergehende Identität zugewiesen habe (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The purpose of the GUTI is to provide an unambiguous identification of the UE that does not reveal the UE or the user’s permanent identity in the Evolved Packet System (EPS). It also allows the identification of the MME and network.”). Unbeachtlich sei, ob der Standard noch andere vorübergehende Identitäten kenne und ob diese ebenfalls die vom Klagepatent vorgesehenen Funktionalitäten erfüllten bzw. der im Klagepatent erläuterten vorübergehenden Identität TLLI des GPRS-Standards funktional „am nächsten kommen“, wie es die Beklagten geltend machten. Der Vorrichtungsanspruch schließe weder nach seinem Wortlaut noch funktional aus, dass die Mobilstation zusätzlich noch weitere vorübergehende Identitäten nutze. Dies werde von den Beklagten soweit ersichtlich auch nicht geltend gemacht.
69 GUTI erfülle alle von Merkmal b geforderten Funktionalitäten. Die Funktionalitätsbeschreibung im Standard (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The purpose of the GUTI is to provide an unambiguous identification of the UE that does not reveal the UE or the user’s permanent identity in the Evolved Packet System (EPS). It also allows the identification of the MME and network. It can be used by the network and the UE to establish the UE’s identity during signalling between them in the EPS.”) stimme mit der dargestellten Funktionalität im Klagepatent überein (vgl. bspw. Abschnitt [0014]). Die in der GUTI enthaltene M-TSMI, die die Mobilstation innerhalb des Bereichs einer MME eindeutig identifiziere, könne keine anspruchsgemäße vorübergehende Identität sein, weil nur die GUTI die Mobilstation global eindeutig identifiziere und sie zudem Teil der Funkrufidentität sei.
70 GUTI umfasse auch mindestens einen Teil des Identifikators des sie zuweisenden Netzwerkelements und weise mit der S-TMSI eine anspruchsgemäße Funkruf-Identität auf. Es gelte für ihre Zusammensetzung nach Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1:
71 GUTI = GUMMEI (Globally Unique MME Identifier) + M-TMSI (M-Temporary Mobile Subscriber Identity) mit
72 GUMMEI = MCC (Mobile Country Code) + MNC (Mobile Network Code) + MMEI (Mobility Management Entity Identifier),
73 wobei der MMEI der Identifikator des die GUTI zuweisenden Netzwerkelements sei und seinerseits aus der MME Group ID und dem MME Code bestehe. Insgesamt gelte damit:
74 GUTI = MCC + MNC + MME Group ID + MME Code + M-TMSI,
75 wobei die beiden letzten Elemente im Standard auch als S-TMSI (shortened TMSI) bezeichnet würden (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The S-TMSI shall be constructed from the MMEC and the M-TMSI“). Die S-TMSI werde im Standard als Identität bei Funkrufen benutzt (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „For paging purposes, the mobile is paged with the S-TMSI“; Ziff. 2.9: „The S-TMSI is the shortened form of the GUTI to enable more efficient radio signalling procedures (e.g. paging and Service Request)“).
76 Die S-TMSI stelle damit unstreitig eine Funkruf-Identität dar, die im Sinne des ersten Halbsatzes des Merkmals d in der vorübergehenden Identität (GUTI) enthalten sei. Die Beklagten hätten explizit eingeräumt, dass die S-TMSI im Standard keine andere Funktion als die als „paging identity“ habe (vgl. Schriftsatz vom 05.07.2019, S. 29).
77 Die S-TMSI sei im Sinne des zweiten Halbsatzes des Merkmals d für jede Mobilstation in dem betreffenden Funkrufbereich einzigartig, dem je nach Situation entweder einer tracking area oder mehreren tracking areas im Standard entsprächen.
78 Das Mobility Management des Standards diene dazu, die gegenwärtige Position der Mobilstation innerhalb des Netzes nachzuvollziehen (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.1). Eine Mobilstation könne in einer oder mehreren „tracking areas“ registriert sein, die in der „tracking area“-Liste enthalten seien, wobei alle „tracking areas“ von derselben Mobility Management Entity (MME) bedient würden. Die MME rufe die Mobilstation im Ruhemodus mit dem Funkruf in all ihren „tracking areas“, in denen die Mobilstation registriert sei und zu denen die nächstliegende Annahme sei, dass sich die Mobilstation noch in einer dieser „tracking areas befinde“:
79 „The location of a UE in ECM-IDLE state is known by the network on a Tracking Area List granularity. A UE in ECM-IDLE state is paged in all cells of the Tracking Areas in which it is currently registered. The UE may be registered in multiple Tracking Areas. All the tracking areas in a Tracking Area List to which a UE is registered are served by the same serving MME.“ (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.2)
80 „Tracking Area list management comprises the functions to allocate and reallocate a Tracking Area Identity list to the UE. All the tracking areas in a Tracking Area List to which a UE is registered are served by the same serving MME.” (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.3)
81 Die Zuordnung der Mobilstation zu mehreren „tracking areas“ einer MME und die Erfassung dieser „tracking areas“ in der „tracking area“-Liste ergebe sich im Übrigen auch aus dem von den Beklagten als Anlage B 34 vorgelegten Lexikonauszug zum Akronym TA (tracking area).
82 Der so grundlegend definierte Zuschnitt der Funkruf-Bereiche werde im Standard für konkrete Anwendungsfälle wiederholt, beispielsweise für den Fall eines eingehenden Anrufs für die Mobilstation im Ruhemodus (vgl. Anlage K 6c, S. 19) oder für den Network triggered Service Request, bei der ebenfalls die Mobilstation im ECM-IDLE state signalisiert werden solle (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 5.3.4.3). Entsprechend dem dargestellten Zuschnitt der Funkruf-Bereiche sende in diesem Fall die MME eine Paging Nachricht an jede eNodeB einer oder mehrere tracking areas, in welchen die Mobilstation registriert sei (vgl. Anlage K 6b, S. 86, Nr. 3a). Die jeweilige eNodeB sende sodann die Paging Nachricht an die Mobilstation weiter (vgl. Anlage K 6b, S. 86, Nr. 4a).
83 In dem so definierten Funkrufbereich des Standards sei die Funkruf-Identität S-TMSI einzigartig. Sie sei zum einen in jedem tracking area einzigartig (vgl. „The IE S-TMSI contains an S-Temporary Mobile Subscriber Identity, a temporary UE identity provided by the EPC which uniquely identifies the UE within the tracking area […]“, Anlage K 6d, S. 168), aber auch dann, wenn der Funkruf-Bereich mehrere tracking areas umfasse. Wie ausgeführt werde die TSMI gebildet durch den MME Code und die M-TSMI. Der MME Code beziehe sich auf die MME (und identifiziere diese wie dargestellt zusammen mit der MME Group ID eindeutig) und sei für ein und dieselbe MME immer derselbe. Der M-TMSI selbst sei einzigartig für jede Mobilstation im gesamten Bereich einer einzelnen MME, denn er identifiziert dort die Mobilstation (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The GUTI has two main components: one that uniquely identifies the MME which allocated the GUTI; and one that uniquely identifies the UE within the MME that allocated the GUTI. Within the MME, the mobile shall be identified by the M-TMSI.“). Bereits der M-TSMI führe zur Einzigartigkeit des S-TMSI im Funkbereich. Die Ergänzung der S-TMSI um den MME Code führe lediglich dazu, dass die S-TMSI in einem noch weiteren Bereich als dem einer einzigen MME einzigartig sei, nämlich insbesondere in sog. MME Pool Areas (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 3.1), in welchen eine Mobilstation parallel von mehr als nur einer MME bedient werden könne. In solchen MME Pool Areas sei der MME Code jeder MME einzigartig (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The Operator shall need to ensure that the MMEC is unique within the MME Pool area and, if overlapping Pool areas are in use, unique within the area of overlapping MME pools.“). Jede MME einer MME Pool Area habe damit einen anderen MME Code. Selbst falls zwei unterschiedliche MME jeweils in ihrem Bereich einer Mobilstation zufällig dieselbe M-TMSI zuweisen sollten, wäre die S-TMSI beider Mobilstationen immer noch unterschiedlich, weil diese sich in ihrem Bestandteil des MME Codes unterschieden.
84 Die Mobilstation sei nach dem Standard dazu ausgelegt, nur die Funkruf-Identität S-TMSI als Teil der vorübergehenden Identität GUTI in Verbindung mit Funkrufen zu verwenden. Wie bereits dargestellt, erfolgten Funkrufe im Standard mit der Funkruf-Identität S-TMSI (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „For paging purposes, the mobile is paged with the S-TMSI“). Dementsprechend antworte die Mobilstation auch mit ihrer S-TMSI (vgl. Anlage K 6c, Ziff. 7.2, S. 19: “The UE establishes an RRC connection and sends Service Request (CS Fallback Indicator) to MME. The UE indicates its S-TMSI in the RRC signalling“ für einen eingehenden Anruf; ebenso Anlage K 6c, Ziff. 8.2.4, S. 30 für eine eingehende SMS). Entgegen der Auffassung der Beklagten schließe der Standard damit aus, dass die Mobilstation mit umfassenderen Bitfolgen als dem S-TMSI beispielsweise sogar der gesamten GUTI antworte, welche überhaupt nicht benötigt würden, der Empfänger nicht erwarte und damit potentiell störend seien. Dass dies in der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich so implementiert wäre, hätten die Beklagten im Übrigen nicht behauptet. Wie die Vorgänge programmtechnisch ausgestaltet seien, insbesondere ob die GUTI – wofür es keine Anhaltspunkte gebe – programmtechnisch zur Auslesung der S-TMSI zunächst ganz oder von dort – so die Beklagten – nur die S-TMSI eingelesen werde oder ob die S-TMSI separat gespeichert werde, sei unerheblich. Entscheidend sei, dass das Auslesen der S-TMSI in jedem Fall gerade dazu diene, zum eigentlichen Pagen nur noch die S-TMSI und nicht die längere Bitfolge zu nutzen. So sende die MME ihren Funkruf nur mit der S-TMSI (statt mit der gesamten GUTI), vergleiche die Mobilstation im Funkruf nur diese S-TMSI mit ihrer eigenen in der ihr zugewiesenen GUTI enthaltenen S-TMSI und reagiere, falls sie angesprochen sei, nur mit der aus der GUTI entnommenen S-TMSI. Damit werde funktional zum Pagen einzig die ausgelesene S-TMSI verwendet.
85 Dies rechtfertige die gestellten Anträge im tenorierten Umfang.
86 Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Zwar könne sie sich im Hinblick auf die abgetretenen Folgeansprüche aus der Patentverletzung in der Vergangenheit nicht auf die Indizwirkung der Registereintragung berufen. Die Kammer sei jedoch auf der Grundlage der vorgelegten Dokumente (Anlagen K 1b, K 1c) gem. § 286 ZPO davon überzeugt, dass mit diesen Vereinbarungen wie dargelegt das Klagepatent und, wie in ihnen vorgesehen, bereits entstandene Ansprüche übertragen worden seien. Die Kammer sei aufgrund der Anlagen davon überzeugt, dass – wie dort notariell beglaubigt – Vereinbarungen mit diesem Inhalt tatsächlich durch die genannten Personen unterzeichnet worden seien. Deren Vertretungsmacht stellten die Beklagten ohnehin nicht in Abrede. Da die Beklagten nur allgemein den tatsächlichen Abschluss der Verträge und die Wirksamkeit der Übertragung bestritten, genügten die vorgelegten Anlagen zur Überzeugungsbildung. Dies gelte auch im Hinblick auf die Wirksamkeit der Übertragung nach dem anwendbaren Sachrecht (§ 293 ZPO), gegen welche die Beklagten nichts substantiiert erinnert hätten.
87 Die Passivlegitimation des Beklagten zu 3 hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ergebe sich daraus, dass er unstreitig im Verletzungszeitraum Geschäftsführungsorgan der übrigen Beklagten gewesen sei. Ob dies im Zeitpunkt der Klageerhebung noch der Fall gewesen sei, sei unerheblich. Die von den Beklagten behauptete teilweise Erschöpfung aufgrund der Verwendung von [...]-Chipsätzen sei ebenfalls unerheblich, denn die Beklagten legten nicht dar, dass die Rechte der Klägerin bezüglich aller von ihnen vertriebenen Geräte ausnahmslos erschöpft seien. Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB stehe den Beklagten gegenüber dem Unterlassungsanspruch nicht zu.
88 Der Anspruch auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen sei begründet, jedoch seien dem Verletzer keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der zu ergreifenden Mittel zu machen, so dass die Klage insoweit teilweise abzuweisen sei. Soweit sich der Antrag der Klägerin seinem Wortlaut nach auf „vor“ dem 29.04.2006 auf den Markt gebrachte Erzeugnisse beziehe, handle es sich um ein im Wege der Auslegung zu korrigierendes offensichtliches Schreibversehen.
89 Das für die festgestellte Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 3 als Geschäftsführer der Beklagten ergebende Verschulden ergebe sich aus den Grundsätzen der Entscheidung „Glasfasern II“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2016, 257, 264). An den Maßstäben ändere das Vorliegen eines standardessentiellen Klagepatent aus dem von einer Vielzahl von Schutzrechten betroffenen, technisch komplexen Mobilfunkbereich nichts. Die behauptete Einrichtung und Einbindung einer Rechtsabteilung mit in Patentsachen kundigen Mitarbeitern und eines leitenden Juristen stehe einer Verantwortlichkeit nicht entgegen, zumal die Patentverletzung selbst nach Hinweis der Klägerin auf die Verletzung im Juni 2015 fortgesetzt worden sei.
90 Den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten stehe ein kartellrechtlicher Zwangslizenzeinwand nicht zu, der die Durchsetzbarkeit der Ansprüche auf Auskunft/Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach ohnehin grundsätzlich unberührt lasse.
91 Zwar komme der Klägerin unstreitig eine marktbeherrschende Stellung zu. Die Beklagten hätten aber nicht in der Art eines grundsätzlich lizenzwilligen Verhandlungspartners binnen angemessener Zeit auf das [...]-Angebot der Klägerin reagiert. Zumindest dann, wenn ein auf konkret dargelegten Tatsachen fußendes Angebot in seiner Gesamtschau eine Ausgestaltung aufweise, die es einem ehrlichen Lizenzsucher abverlange, bei einem typischen anfänglichen Auseinanderliegen der Verhandlungspositionen inhaltlich auf das Angebot zu reagieren, müsse der Verletzer alsbald ohne Verzögerungstaktik mit einem Gegenangebot reagieren, selbst wenn das Angebot nach seiner Auffassung – wie regelmäßig – nicht den FRAND-Kriterien entspreche. Demgegenüber hätten die Beklagten ausweislich des zwischen den Parteien unstreitigen Ganges der Gespräche über eine mögliche Lizenznahme eine Verzögerungstaktik verfolgt und jedenfalls auf das [...]-Angebot der Klägerin, das diese in der Zeit der einverständlichen Aussetzung des vorliegenden Verfahrens unterbreitet habe und über das in einer druckfreien Situation hätte verhandelt werden können, nicht in der Art und Weise reagiert, wie es nach den geschäftlichen Gepflogenheiten von einem Lizenznehmer zu erwarten sei, der ernsthaft an einer Lizenznahme interessiert sei. Das gesamte vorgerichtliche und gerichtliche Verhalten der Beklagten sei dadurch gekennzeichnet, dass es auf eine Verzögerung der Verhandlungen angelegt gewesen sei, wobei sich eine beachtliche Lizenzwilligkeit auch noch aus nach Klageerhebung vollzogenen Handlungen ergeben und der SEP-Inhaber Informationsobliegenheiten nach Klageerhebung grundsätzlich ebenfalls noch nachholen könne.
92 Ob die zuvor angebotene bilaterale Lizenznahme an dem „[...]-Programm“ FRAND gewesen sei, könne dahinstehen, jedenfalls das [...]-Angebot habe eine Reaktionspflicht ausgelöst. Dass die Beklagten trotz Nachfassens der Klägerin im September 2018 mehr als drei Monate auf das [...]-Angebot vom 26.06.2018 nicht reagiert hätten, könne nicht mit [...]schen Sommerferien oder Personalengpässen gerechtfertigt werden. Noch nicht einmal auf diese angeblichen Gründe hätten sie damals hingewiesen, sondern sie erst mehr als ein halbes Jahr später vorgebracht.
93 Auch der weitere Gang der Verhandlungen belege, dass es den Beklagten nicht ernsthaft auf die Fortführung der Gespräche angekommen sei. So habe sich die Beklagtenseite am letzten Tag der in dem Erinnerungsschreiben genannten Frist, dem 15. Oktober 2018, zugleich mithin zwei Tage vor der Nichtigkeitsverhandlung über das Klagepatent (17. Oktober 2018) gemeldet und nur auf ihr Gegenangebot aus dem November 2016 verwiesen, ohne inhaltlich auf das [...]-Angebot der Klägerin einzugehen, und die fehlende Offenlegung der Namen der Lizenznehmer durch die Klägerin bemängelt. Am 22. Oktober 2018 habe die Klägerin an die Beklagte zu 2 darauf den Entwurf eines NDA-Agreements (Anlagen K 10g und h) übersandt und am 15. November 2018 ihr Programm der Unternehmensgruppe der Beklagten auf einem Treffen in [...] erläutert. Das NDA-Agreement habe die Beklagte trotz mehrmaliger Nachfrage der Klägerin in den Monaten November 2018 bis Januar 2019 (K10j, k und l) in der Folgezeit nicht unterzeichnet. Folglich habe die Klägerin von sich aus die Offenlegung weiterer Informationen angeboten, wenn die Beklagtenseite das NDA-Agreement unterzeichnet hätte. In eine inhaltliche Auseinandersetzung über etwaige Beanstandungen an dem NDA-Agreement seien die Beklagten aber zunächst nicht eingetreten. Prozessual seien etwaige Hintergründe der Kammer erstmals im Zuge der mündlichen Verhandlung vage angedeutet (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung) und sodann konkret erst im Schriftsatz vom 5. Juli 2019 ausgeführt worden, obwohl ein Nachschubrecht mit Blick auf die Umstände des NDA-Komplexes nicht gewährt, sondern ein entsprechender Antrag ausdrücklich durch Kammerbeschluss zurückgewiesen worden sei. Konkreter Vortrag zu allen Umständen, die den FRAND-Komplex des Falles beträfen, seien aber bereits unmittelbar nach Wiederanrufung des Verfahrens durch die Klägerin im November 2018 angezeigt gewesen. Auch im Schriftsatz vom 08.04.2019 hätten sich die Beklagten nicht zum [...]-Angebot verhalten. Die Kammer, die die Erörterung der FRAND-Problematik bereits in der Verhandlung vom 17.02.2017 adressiert habe, habe hierauf nochmals klarstellend in der Ladung vom 09.04.2019 zum Termin am 07.06.2019 hingewiesen. Soweit im Schriftsatz der Beklagten vom 05.07.2019 Vortrag zur Frage des NDA-Agreements und somit mittelbar auch zu dieser Facette des FRAND-Einwands enthalten sei, wäre dieser als verspätet zurückzuweisen, worauf es indes aus den nachstehenden Gründen nicht ankomme.
94 Zwar möge der SEP-Inhaber dem Lizenzsucher dann, wenn er nicht ausschließlich Lizenzverträge abgeschlossen habe, die unverändert gegenüber den etwa auf einer Internetseite verfügbaren Standardverträgen seien, es dem Lizenzsucher (wenigstens im Prozess) zu ermöglichen haben, sich innerhalb der Konditionen, die anderen Wettbewerbern gewährt worden seien, einzuordnen. Zumindest dann, wenn der SEP-Inhaber darlege, ausschließlich Standardlizenzverträge mit öffentlich verfügbaren Konditionen abgeschlossen zu haben, ohne dass es zu bedeutsamen Differenzierungen mit Blick auf die jeweiligen Vertragspartner gekommen wäre, müsse der SEP-Inhaber nicht formalistisch eine Vielzahl inhaltsgleicher Standardverträge offenlegen. Jedenfalls in diesem Fall genüge die Angabe der Anzahl der Verträge, um beurteilen zu können, ob es sich um ein in der Praxis gelebtes und im Geschäftsfeld akzeptiertes Lizenzierungsprogramm handele. Lege der SEP-Inhaber wie vorliegend mit der Unterbreitung des [...]-Programms eine Liste mit Lizenznehmern vor, deren Namen er geschwärzt habe, und sei aus dieser Liste wie vorliegend ersichtlich, dass alle Lizenznehmer ausnahmslos die nach den Standardbedingungen – hier entweder des neuen [...]-Programms oder der alten Lizenzprogramme, aus denen das [...]-Programm hervorgegangen sei – vorgesehenen Raten akzeptiert hätten, müsse der Lizenzsucher konkrete Tatsachen vortragen, warum er nähere Angaben zu diesen Lizenznehmern einfordere. Wenn alle Lizenznehmer die Standardbedingungen akzeptiert hätten und sich die Lizenznehmer daher naturgemäß in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung innerhalb des ohnedies auch dem Lizenzsucher bekannten Marktumfeldes unterschieden, sei nämlich eine weitergehende Information, welche konkreten Unternehmen betroffen seien, für den Lizenzsucher nicht erforderlich, um das unabhängig von der unterschiedlichen Unternehmensstruktur der Lizenznehmer vielfach akzeptierte Standardangebot des SEP-Inhabers darauf zu überprüfen, ob es in dem Sinne FRAND-gemäß sei. An solchem konkreten Vortrag der Beklagten fehle es vorliegend.
95 Das [...]-Angebot der Klägerin hätten die Beklagten auch nicht deshalb unbeachtet lassen dürfen, weil es nicht FRAND-konform gewesen wäre. Unabhängig von dem Streit der Parteien über die zutreffende Berechnung der FRAND-konformen Lizenzgebühr könne sich die Klägerin vorliegend jedenfalls auf ein hinreichend etabliertes Lizenzprogramm berufen, dessen Standardbedingungen akzeptiert worden seien. Konkreter Vortrag der Beklagten zu einer gleichwohl im Raum stehenden aufklärungsbedürftigen Ungleichbehandlung fehle.
96 Abgesehen davon müsse für die Erfüllung der Informationsobliegenheiten der Klägerin berücksichtigt werden, dass sie nicht rundheraus weitere Informationen abgelehnt habe, sondern die Informationen unabhängig von einer Darlegung des Informationsinteresses der Beklagten offengelegt hätte, wenn diese ein NDA unterzeichnet hätten. Die Beklagten seien trotz mehrfacher Nachfragen erst gar nicht und dann nicht unter Vorbringen konkreter Argumente darauf eingegangen, weshalb sie das NDA nicht unterzeichneten, sondern hätten solche Argumente erst in dem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.07.2019 vorgetragen. Erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hätten sie ein modifiziertes NDA unterzeichnet.
97 Der mithin zumindest unter den vorliegenden Umständen geringeren Substanziierungslast habe die Klägerin durch Vorlage der Liste mit (geschwärzten) Lizenznehmern an dem [...]-Programm sowie seinen Vorgängerprogrammen genügt. Zur Schaffung einer drucklosen Verhandlungssituation habe die einvernehmliche Aussetzung mit Blick auf das Rechtsbestandsverfahren genügt, die die Klägerin bereits vor dem nach § 83 PatG erteilten Hinweis des Patentgerichts angeregt habe. Unschädlich sei, dass die Klägerin das Verfahren vor dem Treffen in [...] am 15.11.2018 wieder aufgerufen habe, denn die Beklagten hätten sich monatelang nicht zu dem [...]-Angebot verhalten. Dies gehe zu ihren Lasten, zumal sie auch auf das nachgebesserte bilaterale [...] Lizenzprogramm allein mit einem nicht nachvollziehbaren Verlangen nach weiteren Claimcharts reagiert hätten, obwohl die betroffenen Patentfamilien die nämlichen gewesen seien. Dies dokumentiere kein ernsthaftes Interesse an einer Lizenznahme, wie sie den geschäftlichen Gepflogenheiten entspreche, und könne nicht für die Beklagten streiten, wenn es um die Festlegung des Grades an Substantiierung der FRAND-Konformität durch die Klägerin gehe.
98 Das [...]-Angebot erweise sich bei der unter den vorliegenden Umständen jedenfalls ausreichenden Prüfungstiefe durch die Kammer auf die FRAND-Konformität auch nicht aus sonstigen Gründen als nicht FRAND-konform. Die Grundsätze der Entscheidung Wasserpreise Calw II des Bundesgerichtshofs seien auf SEP-Patente nicht übertragbar.
99 Bei der Beurteilung des Gesamtvertragswerks komme es auf eine Gesamtbetrachtung an, so dass ein Verstoß gegen die kartellrechtlichen Pflichten im Regelfall nicht allein durch Beanstandungen einzelner Klauseln dargetan werden könne, sofern nicht bereits die einzelne Klausel unabhängig vom sonstigen Vertragsgefüge eine nicht hinzunehmende Wirkung habe. Die vorliegenden Einzelbeanstandungen verfingen aber auch in der Sache nicht. Dass die Darlegungs- und Beweislast für eine Erschöpfung beim Lizenznehmer liege, sei nicht zu beanstanden. Eine missbräuchliche Zusammensetzung des Patentpools durch Aufnahme von nicht standardessentiellen Patenten hätten die Beklagten nicht dargelegt. Hierfür genügten die herangezogenen angeblich nicht standardessentiellen Patente nicht. Weiter sei nicht zu beanstanden, dass der Pool außereuropäische Patente enthalte, die die Beklagten nach ihrem Vortrag nicht benutzten. Es sei Wesen der Poolbildung, dass nicht alle Patente in gleichem Maße für jeden Lizenznehmer relevant seien. Dies wirke sich unterschiedlich aus und könne nur in außergewöhnlichen Fällen ein Missbrauch sein, wofür nichts vorgetragen sei. Das Fehlen einer Anpassungsklausel für das Auslaufen von Poolpatenten sei mangels konkreten Vortrags zu den Auswirkungen ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagten hätten den Vortrag der Klägerin nicht erheblich bestritten, dass ihr Angebot ausgeglichen sei, weil auch umgekehrt eine gerichtliche Bestätigung des Rechtsbestands oder der Verletzung eines Poolpatents oder das Erstarken erfasster Anmeldungen zum Patent nicht zu einer Anpassung führten. § 313 Abs. 1 BGB bleibe zudem unberührt und sei nicht etwa durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen, wonach die Verpflichtung zur Errichtung der vollen Gebühr selbst bei Aufrechterhaltung nur eines einzigen Schutzrechts fortbestehe. Die Beschränkung der Laufzeit auf 5 Jahre sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Angebot könne auch nicht deshalb als FRAND-widrig angesehen werden, weil bei der Verletzung von Berichtspflichten oder bei Zahlungsverzug über 30 Tagen ein außerordentliches Kündigungsrecht vorgesehen sei (Klauseln 4.3 und 4.4 des [...]-Lizenzangebots, Anlage K 10b). Gleiches gelte für die nach derzeitiger Sachlage rein denkmögliche Doppelvergütung für 5G-Technologielizenzpakete bei Schnittmengen zwischen den Technologien der Standardgenerationen und die geforderten Bankgarantien.
100 Selbst wenn das erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung unterbreitete Gegenangebot vom 05.07.2019 berücksichtigt würde, ändere dies nichts daran, dass sich die Beklagten nicht FRAND-konform verhalten hätten. Weder hätten die Beklagten ihr – kurz vor dem ersten Verhandlungstermin – unterbreitetes Gegenangebot sodann durch Rechnungslegung und Hinterlegung weitergelebt, noch sei das Gegenangebot zum [...]-Angebot der Klägerin FRAND-konform. Es sei ersichtlich nicht ausreichend, allein den Hinterlegungsbetrag, der im Zusammenhang mit dem ersten Gegenangebot hinterlegt worden sei, für ausreichend zu erachten. Das neue Gegenangebot betreffe eine weltweite Portfoliolizenz. Bei der Berechnung der Lizenzgebühren meinten die Beklagten sich indes auf die Entrichtung allein der auf das inländische Klageschutzrecht entfallenden Gebühren zurückziehen zu können. Folglich lebten die Beklagten ihr eigenes Gegenangebot selbst nicht ernsthaft – ebenso wie sie schon keine Veranlassung gesehen hätten, ihr zuerst unterbreitetes Gegenangebot weiter durch Rechnungslegung und Hinterlegung auszufüllen.
101 Der in den Schriftsätzen nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltene Vortrag sei nicht mehr zu berücksichtigen gewesen und gebiete auch nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 296a, 156 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Abwendungsbefugnis nach § 712 ZPO seien nicht dargetan.
102 Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel der vollumfänglichen Klageabweisung weiterverfolgen.
103 Die Beklagten machen geltend, dem Landgericht seien mehrere entscheidungserhebliche Fehler bei der Auslegung des Klagepatents unterlaufen. So habe es das Klagepatent anhand des nachveröffentlichten LTE-Standards und verletzungsorientiert ausgelegt. Es habe sich auch nicht mit der Aufgabenstellung befasst und nicht beachtet, dass die Beschreibung der erteilten Fassung des Klagepatents nach der rechtskräftigen teilweisen Nichtigerklärung durch die Entscheidungsgründe des Patentgerichts ergänzt bzw. ersetzt werde. Bei funktionsorientierter Auslegung sei die GUTI nicht die patentgemäße TLLI.
104 Die zutreffende Definition der vorübergehenden Identität ergebe sich aus Abs. 13, 14 der Klagepatentschrift. Unzutreffend sei der Ansatz des Landgerichts, die M-TSMI könne keine anspruchsgemäße vorübergehende Identität sein, weil sie im Standard Teil der Funkruf-Identität sei. Vielmehr sei die M-TSMI gerade die „paging identity“ i.S.d. Abs. 57 der Klagepatentschrift. Es stimme auch nicht, dass nach dem Klagepatent mit der Funkruf-Identität geantwortet werde, vielmehr geschehe dies mit der gesamten vorübergehenden Identität (vgl. Abs. 58), d.h. der S-TMSI.
105 Die in Abs. 36 der Klagepatentschrift beschriebene Problematik habe sich damals noch nicht gestellt, sondern beruhe auf Spekulationen über zukünftige Entwicklungen, wenn ein vorgegebener Bereich (Routing Area) evtl. nicht mehr von genau einem Netzwerkelement (SGSN) verwaltet würde. Die Aufgabenstellung gelte jedenfalls für Anspruch 13 in der aufrechterhaltenen Fassung nicht mehr, der sich auf Abs. 57 stütze, der insoweit nunmehr den allgemeinen Beschreibungsteil bilde. Die Eindeutigkeit der Identität werde daher nach der Einschränkung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren nicht mehr wie in Abs. 37 mittels des Netzwerkelement-Identifikators erreicht, sondern durch die „paging identity“, die durch ein zentrales Master-Netzwerkelement vergeben werde und den Netzwerkelemente-Identifikator nicht mehr enthalte.
106 Das der nunmehr maßgeblichen Beschreibungsstelle aus Abs. 57 bis Abs. 59 zugrundeliegende Problem sei, dass eine Mobilstation mit verschiedenen „paging identities“ gepaged werde, wenn sie bei mehreren Netzwerkelementen registriert sei. Einfacher wäre es, wenn die Mobilstation nur auf eine „paging identity“ im Paging-Kanal achten müsse (Abs. 57). Bei der Lösungsvariante nach Abs. 57 werde beim Paging (nur) im Downlink auf den Netzwerkelement-Identifikator verzichtet, d.h. der ursprüngliche Grundgedanke des Klagepatents verworfen, und die Eindeutigkeit der paging identity über die Zuweisung durch den BSS/RNC oder ein gesondertes „Master Network Element“ sichergestellt. Es werde nicht die TLLI der ersten Lösungsvariante aus Abs. 37 verwendet, sondern eine „extended“ TLLI, die drei Bezeichner umfasse, u.a. den Netzwerkelement-Identifikator und die „paging identity“. Letztere entspreche der TLLI, in die aber der Netzwerkelement-Identifikator nicht mehr hineinkopiert sei. Vielmehr werde hieraus die „extended“ TLLI geschaffen, indem der Netzwerkelement-Identifikator mit der TLLI assoziiert werde (Abs. 57 f.). Die „paging identity“ sei für jede Mobilstation einzigartig, so dass es ausreiche, diese Paging-Identität zu verwenden, um eine im betreffenden Paging-Bereich registrierte Mobilstation auszurufen (Abs. 58). In dieser Paging-Identity komme der Netzwerkelement-Identifikator nicht mehr zum Einsatz. Die Paging-Antwort der gerufenen Mobilstation müsse hingegen weiterhin den Netzwerkelemente-Identifikator aufweisen, andernfalls könne die Basisstation die Antwort nicht dem richtigen Netzwerkelement weiterleiten (Abs. 60). Die vom Landgericht herangezogene Antwort nur mit der Paging Identity könne es nicht geben.
107 Entgegen den Erwartungen des Klagepatents habe sich indes das GPRS-Netzwerk nicht dahin entwickelt, dass z.B. eine „paging area“ durch mehrere Netzwerkelemente gleichzeitig bedient werde oder ein Netzwerkelement gleichzeitig mehrere Paging-Bereiche bediene. Erst im UMTS- bzw. LTE-Standard sei die Situation aus Abs. 36 f. der Klagepatentschrift eingetreten, dass bestimmte Bereiche des Netzwerks (nun als „tracking area“ oder MME Pool Area bezeichnet und einem Routing- oder Paging-Bereich im GRPS-Standard etwa entsprechend) nicht mehr von immer genau einem Netzwerkelement (nun Mobility Management Entity (MME), das in etwa die Rolle des SGSN im GPRS-Standard spiele) bedient würden. Der MME Area Pool werde durch mehrere MME bedient. Der Bezeichner M-TMSI, der eine temporäre Verbindung zwischen MME und Mobilstation identifiziere und durch den innerhalb des MME die Mobilstation identifiziert werden müsse (vgl. Anlage K 6a Ziff. 2.8.1), erfülle dabei exakt die Rolle des TLLI/P-TMSI im GRPS-Stan-dard bzw. der Klagepatentschrift (Abs. 13, 14). Entsprechend würden beim Übergang der Mobilstation von einem LTE- zu einem GPRS-Netzwerk dessen Bestandteile auf die korrespondierenden Bezeichner gemäß GPRS-Standard abgebildet (vgl. K 6a Ziff. 2.8.2.1.1). Die in der GUTI enthaltene GUMMEI diene dazu, die MME global und dauerhaft eindeutig zu identifizieren, was mit der Problemstellung, bei der es um eine temporäre TLLI gehe, nichts zu tun habe. Der MME Code entspreche funktional dem Netzwerkelement-Identifikator im Klagepatent (Abs. 57), wobei eine MME Pool Area, das von mehreren MME betreut werde, einem Paging Area gemäß Klagepatent entspreche (vgl. Anlage K 6a Ziff. 2.8.1 ; K 6b, Ziff. 3.1, Ziff. 4.3.5.2 erster Abs.). Es gelte die auf Seite 56/57 der Berufungsbegründung eingeblendete Entsprechungsliste, so dass alle Bezeichner des LTE-Standards, die über M-TMSI und MME Code hinausgingen, insbesondere die GUTI, außer Acht gelassen werden müssten. Die vorübergehende Identität sei ein temporärer und räumlich beschränkter Bezeichner einer logischen Verbindung zwischen einem Netzwerkelement und einer Mobilstation. Da die weiteren Bestandteile der GUTI, nämlich MCC, MNC und MME Group ID nicht dazu dienten, die Mobilstation temporär oder räumlich begrenzt zu charakterisieren, könne die GUTI nicht die vorübergehende Identität sein, sondern nur die S-TMSI. Eine nach oben nicht begrenzte vorübergehende Identität würde Merkmal e inhaltsleer machen.
108 Im GPRS-Standard könne nur die TLLI oder die P-TMSI als vorübergehende Identität i.S.d. Merkmal b angesehen werden, einen Netzwerkelement-Identifikator gebe es dort nicht.
109 Im LTE-Standard könne die vorübergehende Identität nur die M-TMSI oder die aus M-TMSI und MME Code zusammengesetzte S-TMSI sei, die einer extended TLLI im Klagepatent (Abs. 57) entspreche. Eine Funkruf-Identität könne nur die M-TMSI sein. Die M-TMSI sei aber nicht eindeutig im Funkruf-Bereich. Da die Mobilstation im Zusammenhang mit dem paging die S-TMSI verwende, verwende sie zudem nicht nur einen Teil der vorübergehenden Identität, sondern die gesamte vorübergehende Identität. Eine beliebige Erweiterung der S-TMSI könne keine vorübergehende Identität sein. Nach dem patentgerichtlichen Urteil sei der Begriff der vorübergehenden Identität eng auszulegen, so dass er genau den Bezeichner umfasst, der die Funktionalität habe, welche das Klagepatent der TLLI zuweise. Eine Ansammlung von (zumal bis auf M-TSMI nicht vorübergehenden) Bezeichnern wie die GUTI genüge nicht. Bei einem anderen Verständnis hätte das Patentgericht den Gegenstand von Anspruch 13 in der aufrechterhaltenen Fassung ebenfalls als durch NK 9 neuheitsschädlich vorweggenommen ansehen müssen.
110 Verfehlt sei es auch, dass das Landgericht den MME Identifier (MMEI) als anspruchsgemäßen Netzwerkelement-Identifikator und nicht den in ihm enthaltenen MME Code ansehe.
111 Bei der Erörterung des Merkmals d habe das Landgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, weil es Gesichtspunkte heranziehe, die nicht vorgetragen und erörtert worden seien. Nach dem Klagepatent (Abs. 57, 58, 59) müsse im Uplink – und im Downlink dann, wenn die Mobilstation noch nicht registriert sei - im Zusammenhang mit dem paging die gesamte extended TLLI verwendet werden und nicht lediglich die klagepatentgemäße paging identity. In dieser speziellen, dem Anspruch 13 zugrundeliegenden Ausführungsform dürfe der Netzwerkelement-Identifikator nicht in die vorübergehende Identität hineinkopiert werden, sondern dürfe ihr nur angefügt sein (vgl. extended TLLI), um zu vermeiden, dass die Mobilstation im Funkruf-Bereich, wenn sie von mehreren Netzwerkelementen bedient werde, mit unterschiedlichen Identitäten aufgerufen werde und daher auf unterschiedliche Identitäten hören müsse (Abs. 57). Die als paging identity verwendete herkömmliche TLLI ohne Netzwerkelement-Identifikator werde von einem Masternetzwerkelement für den Funkruf-Bereich zentral eindeutig vergeben. Der Teil der vorübergehenden Identität nach Merkmal e sei die paging identity und dürfe den Netzwerkelement-Identifikator nicht enthalten. Daher könne die S-TMSI keine anspruchsgemäße paging identity sein, sondern nur die M-TMSI, die funktional der herkömmlichen TLLI entspreche, aber entgegen den Vorgaben des Klagepatents gerade nicht eindeutig im Funkruf-Bereich sei. Der „network element identifier unique to the paging area“ (Abs. 57) entspreche im Standard dem MME Code, die extended TLLI (ohne das zweite Oktett aus Abs. 57) der S-TMSI. Es werde im Standard mithin nicht mit der paging identity, sondern mit der gesamten vorübergehenden Identität S-TMSI gepaged.
112 Selbst in der Auslegung des Landgerichts sei indes eine Eindeutigkeit der S-TMSI für jede Mobilstation im paging area durch den Standard nicht gewährleistet. Die Vorgabe an den Operator, dafür Sorge zu tragen, dass der MME Code innerhalb der MME Pools Area eindeutig sei, versage im Verhältnis zu unterschiedlichen Netzbetreibern. Ein zelluläres Netzwerk i.S.d. Klagepatents sei nicht auf das Netzwerk eines einzigen Betreibers beschränkt. Dies sei dem Fachmann bekannt, wie NK 3 aus dem Nichtigkeitsverfahren belege. Es könne in der Praxis mangels entgegenstehender Vorgaben im Standard vorkommen, dass verschiedene Betreiber zufällig zwei Mobilstation identische M-TMSI zuwiesen und MME verschiedener Betreiber identische MME Code hätten, so dass die verwendeten S-TMSI übereinstimmten, was aber rein faktisch sehr unwahrscheinlich sei und dem Funktionieren der Netze daher nicht entgegenstehe.
113 Das Landgericht verkenne bei der Auslegung des Merkmals e den dahinterstehenden technischen Effekt, dass die Mobilstation in einem Funkruf-Bereich nur auf eine paging identity hören müsse und nicht auf mehrere. Im Standard seien die von verschiedenen MME im Funkruf-Bereich an eine Mobilstation ausgegebenen S-TMSI nicht einheitlich, sondern unterschieden sich zumindest im MME Code.
114 Abgesehen davon sei es schädlich, dass die Mobilstation zum Zwecke des Abgleichs auf die gesamte vorübergehende Identität, die die Funkruf-Identität enthalte, nach dem Landgericht die GUTI, ganz oder teilweise zurückgreife, indem sie die S-TMSI von dort auslese. Entgegen dem Landgericht trete nach dem Klagepatent (Abs. 57, 58) auch nicht der Fall auf, dass die Mobilstation nur mit der Funkruf-Identität auf das paging antworte. Vielmehr antworte sie klagepatentgemäß mit der gesamten vorübergehenden Identität (Abs. 58, 60), was technisch zwingend sei, weil nur die gesamte vorübergehende Identität den für die Weiterleitung an das zuständige Netzwerkelement erforderlichen Netzwerkelement-Identifikator enthalte. Es sei im Standard entgegen dem Landgericht nicht vorgeschrieben, dass im Rahmen des paging nur die S-TMSI durch die Mobilstation verwendet werde.
115 Demnach seien jedenfalls Merkmale d und e im Standard nicht verwirklicht.
116 Zu Unrecht habe das Landgericht eine Erschöpfung hinsichtlich von [...]-Chips nicht berücksichtigt.
117 Der Verurteilung zur Unterlassung, zur Vernichtung und zum Rückruf/Entfernen aus den Vertriebswegen stehe der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand entgegen.
118 Die Klägerin habe vorgerichtlich nicht erläutert, weshalb die geforderte Lizenz FRAND sein soll. Zu Unrecht sei das Landgericht von einer etablierten Lizenzpraxis ausgegangen, die Beklagten hätten das bestritten, sie sei nicht dargetan. Die vorgelegte Liste aus Anlage K 10a sei aussagelos, zeige aber, dass zumindest vier unterschiedliche Arten von Lizenzbedingungen gewährt worden seien (Standard/Compliant Rate mit und ohne consistent lump sum under volume commitments; Höhere Standard Rate mit Mengenrabatt; Early Adopter Rate), ohne dass der Inhalt und die Gründe für unterschiedliche Lizenzbedingungen näher erläutert worden seien. Ebenso belege die nicht aussagekräftige Liste aus Anlage [...] B 55 unterschiedliche Bedingungen (running royalty, lumpsum, settlement). Selbst ohne NDA wäre es der Klägerin zumindest möglich gewesen, Branche und Bedeutung des jeweiligen Lizenznehmers am Markt andeutend zu beschreiben, ohne Namen zu nennen, und anonymisierte Lizenzverträge vorzulegen. Dass etwaige Lizenzverträge nicht zur Vermeidung von Verletzungsansprüchen abgeschlossen worden wären, lege die Klägerin ebenfalls nicht dar. Die einigen ihrer angeblichen Lizenznehmer gewährten Mengenrabatte seien ausbeuterisch und diskriminierend gegenüber Abnehmern mit geringer Stückzahl.
119 Entgegen dem Landgericht sei die Erfüllung der Obliegenheiten nach der Entscheidung Huawei ./. ZTE nicht lediglich ein Safe Harbor, sondern eine zwingend einzuhaltende Voraussetzung für die Durchsetzung der betreffenden Ansprüche, deren Durchsetzung bei SEP-Patenten grundsätzlich missbräuchlich sei und nur ausnahmsweise nicht. Die vom Landgericht zugrunde gelegte Darlegungs- und Beweislast des Lizenzsuchers bestehe nicht. Die Informationspflichten der Klägerin hinsichtlich der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr und der Erläuterung, weshalb die Lizenzbedingungen FRAND seien, seien vorliegend sogar dadurch gesteigert, dass der Klägerin durch das OLG Düsseldorf (Sisvel/Haier - I-15 U 65/15 und 66/15) bescheinigt worden sei, dass sie bei Lizenzangeboten zu früheren Patentpools ihre Marktmacht missbraucht habe. Die Lizenzgebühren setze die Klägerin willkürlich fest, wie der Umstand zeige, dass sie mit dem angeblichen Standardlizenzvertrag für das [A.] [...] Licensing Program zunächst vorgerichtlich eine Standardrate von [...] € und später für das [A.] [...] Licensing Program dann eine Standardrate (in der höchsten Stufe) von [...] € gefordert habe. Die Lizenzgebühren des [...]-Angebots rechtfertige die Klägerin nicht anders als die früheren Angebote. Die Unangemessenheit dieser Angebote indiziere diejenige des [...]-Angebots. Die früheren Angebote habe die Klägerin nicht aufrechterhalten können, da diese, wie das OLG Düsseldorf festgestellt habe, im Vergleich zu den Lizenzierungsbedingungen des im dortigen Urteil x5 genannten Lizenznehmers exorbitant schlechter und ohne rechtfertigenden Grund diskriminierend gewesen seien. Durch eine Umstrukturierung ihrer Pools könne die Klägerin die Diskriminierung nicht verschleiern. Die Bedingungen müssten auch gegenüber den zu erläuternden Bedingungen zu ihren anderen Pools und denen der Rechtsvorgängerin diskriminierungsfrei sein. Bis heute habe die Klägerin die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren nicht erläutert. Die (zudem nicht hinreichend erfolgte) Darlegung einer Lizenzierungspraxis könne das nicht ersetzen. Jedenfalls zur Darlegung der Diskriminierungs- und Ausbeutungsfreiheit sei grundsätzlich die Vorlage der Drittlizenzverträge erforderlich. Zu Unrecht sei das Landgericht von schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen ausgegangen. Das Geheimhaltungsverlangen eines SEP-Inhabers verstoße gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV und die FRAND-Verpflichtung. Darauf, ob die Offenlegung von Drittlizenzverträgen in Lizenzverhandlungen allgemein üblich sei, komme es nicht entscheidend an. Die Klägerin habe, wie vom OLG Düsseldorf festgestellt, bereits in der Vergangenheit diskriminiert und auch im Streitfall lägen greifbare Anhaltspunkte vor. Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang zunächst vorgetragen hätten, die Klägerin lege noch nicht einmal nach der Unterzeichnung des NDA anonymisierte Verträge mit Hinweisen zu der Branche des Lizenznehmers vor, ohne darzutun, weshalb ein Geheimhaltungsinteresse dem entgegenstehe, habe dies auf einem Missverständnis zwischen den Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigen beruht. Die bloße Behauptung einer Lizenzierungspraxis genüge zur Schaffung der erforderlichen Transparenz nicht. Auch ausgelaufene Lizenzverträge seien für die Beurteilung relevant. Die Grundsätze der Entscheidung Wasserpreise Calw II des Bundesgerichtshofs (NJW 2015, 3643) seien auf die Berechnung einer angemessenen Lizenzgebühr im Bereich von SEP übertragbar. Eine ausbeuterische Lizenzgebühr könne sich aus einem Missverhältnis zu den Kosten ergeben.
120 Über das [...]-Angebot sei nicht drucklos verhandelt worden, weil die Klägerin kurz vor dem Treffen am 15.11.2018 in [...] das Verfahren wieder aufgerufen habe.
121 Die Klägerin habe das Gegenangebot lapidar mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht FRAND, ohne dies zu erläutern oder hierauf in irgendeiner Weise einzugehen, wie es von einem verhandlungsbereiten Gesprächspartner zu erwarten wäre. Hierauf gehe das Landgericht nicht ein, obwohl es den Beklagten ihrerseits eine nicht ausreichende Reaktion vorwerfe.
122 Zu Unrecht habe das Landgericht der Beklagten eine Verzögerungstaktik vorgeworfen, weil sie nicht rechtzeitig auf das [...]-Angebot der Klägerin reagiert habe. Die Beklagte sei und sei stets willens gewesen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen, aber eben nur zu solchen, hinsichtlich solcher Patente der Klägerin abzuschließen, die für den LTE-Standard tatsächlich essentiell seien. Soweit die Entscheidung FRAND-Einwand des Bundesgerichtshofs strengere Grundsätze als der EuGH aufstelle, sei ihr nicht zu folgen, zumindest müsse der Senat dem EuGH die Frage vorlegen, ob das Verständnis des BGH zutreffe. Jedenfalls sei die Reaktion auf das [...]-Angebot rechtzeitig nachgeholt worden. Um das gänzlich umstrukturierte [...]-Angebot vom 26.06.2018 zu prüfen, habe es erheblicher Zeit bedurft, so dass eine verspätete Reaktion nicht vorliege. Sobald das geschehen sei, habe man mitgeteilt, lizenzwillig zu sein, auf das Gegenangebot verwiesen, ein persönliches Treffen verabredet und weitere Verhandlungen geführt. Dass das Landgericht die Vorgeschichte mit dem Verhalten der Klägerin ausgeblendet und trotz der weiteren Verhandlungen eine Lizenzunwilligkeit angenommen habe, sei evident fehlerhaft. Entgegen dem Landgericht könne zudem das nicht FRAND-gemäße [...]-Angebot keine Reaktionspflicht auslösen, auch deshalb nicht, weil die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr nicht erläutert worden sei. Jedenfalls sei eine verspätete Reaktion durch die ernsthaften Verhandlungen ab Oktober 2018 geheilt. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin nicht so auf das Gegenangebot der Beklagten reagiert habe, wie es das Landgericht für den Lizenzsucher fordere. Zwischen der Lizenzierungsbitte der Beklagten und dem [...]-Angebot lägen Jahre, so dass den Beklagten nicht angelastet werden könne, für die Reaktion hierauf ein paar Monate gebraucht zu haben. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte zu Recht misstrauisch gegenüber der Klägerin gewesen sei, die bisher zu jedem ihrer Angebot behauptet habe, sie seien FRAND, es sich dann aber hinterher herausgestellt habe, dass die Lizenzgebühren viel zu hoch und diskriminierend gewesen seien. Vor den Verhandlungen mit dem persönlichen Treffen habe die Klägerin durch Wiederanrufen des Verfahrens unfairen Druck aufgebaut. Da noch nicht einmal die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr und die Diskriminierungsfreiheit des Angebots dargetan sei, seien auch die weiteren Obliegenheiten wie die Auskunftserteilung und Sicherheitsleistung suspendiert, bis der Kläger seinen Verhandlungs- und Informationspflichten nachgekommen sei. Jedenfalls sei es verfahrensfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass es eine auf Deutschland bezogene Sicherheitsleistung nicht für ausreichend halte.
123 Die verlangte Lizenzgebühr sei absolut unfair und unangemessen. Der Marktbeherrscher, insbesondere der Monopolist, habe entgegen dem Landgericht nur einen äußerst engen Spielraum bei der Preisbemessung. Insbesondere müsse er darlegen, wie er zu dem entsprechenden Preis gekommen sei und weshalb vermutet werden könne, dass es sich dabei um denjenigen Preis handle, der sich bei funktionierendem Wettbewerb vermutlich eingestellt haben würde. Bereits der Umfang der Preissenkung im [...]-Angebot gegenüber den vorangegangenen Angeboten sei ein Indiz für ausbeuterische Lizenzgebühren. Die gewährten Mengenrabatte, die wettbewerbstheoretisch keine Rechtfertigung hätten, bewiesen die Unangemessenheit der nicht rabattierten Preise. Die geforderte Lizenzgebühr sei zudem ausbeuterisch, weil sie den nur in Europa tätigen Beklagten Lizenzgebühren auch für außereuropäische Patente abverlange. Der Pool sei auch unfair zusammengesetzt, weil eine zufällige Auswahl von 5 Patenten durch die Beklagten ergeben habe, dass diese nicht standardessentiell seien. Entgegen dem Landgericht sei der hierauf gestützte Rückschluss kein Vortrag ins Blaue hinein. Der Vortrag zur fehlenden Standardessentialität sei ebenfalls nicht unsubstantiiert, zumal das Landgericht die kurze Proud-List der Klägerin habe ausreichen lassen, um die Zusammensetzung des Pools für angemessen zu erachten. Umgekehrt seien die seitens der Klägerin zu diesem Zweck vorlegten sog. „claim charts“ (z.B. K 10c) nicht ausreichend. Dort seien in einer Spalte lediglich Patentnummern vermeintlich relevanter Patente angegeben, und in einer weiteren Spalte Nummern einzelner Abschnitte verschiedener Standarddokumente. Anspruchsmerkmale eines Anspruchs, welcher vermeintlich für einen Standard relevant sei, würden nicht konkreten im Standard vorgegebenen Merkmalen gegenübergestellt. Eine Überprüfung der Standardessentialität sei anhand der Claim Charts nicht möglich.
124 Das [...]-Angebot sei zudem auch deshalb nicht FRAND, weil es inhaltlich unfaire und unangemessene Vertragsbedingungen enthalte. Selbst wenn ein Spielraum für die Lizenzhöhe hinsichtlich dessen, was FRAND sei, bestehe, gelte das nicht in gleichem Maße für die übrigen Vertragsbedingungen. So seien die Regelungen zur Erschöpfung in Ziff. 2.2 und 2.5 der Anlage K 10b evident unfair und unangemessen, denn sie führten zu einer Umkehr der Beweislast, knüpften die Erschöpfung an weitere (zudem von der Beklagten darzulegende und zu beweisende) Bedingungen und begründeten die Gefahr einer zweifachen Vereinnahmung von Lizenzgebühren. Der Marktbeherrscher dürfe weder die Erschöpfungsregeln noch die Beweislast ändern, weil er damit seine Marktmacht missbrauche. Zudem sei das Angebot nicht FRAND, weil das Patentportfolio überaltert sei und dennoch eine Anpassungsklausel fehle. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass das Landgericht den Beklagten trotz umfassender Ausführungen insoweit fehlenden Vortrag vorwerfe. Das Fehlen einer Anpassungsklausel könne mit den vom Landgericht angeführten Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt werden. Die Kündigungsmöglichkeiten (Ziff. 4.1 bis 4.4) verstießen gegen die FRAND-Verpflichtungserklärung, unwiderrufliche Lizenzen zu gewähren, und könnten daher nicht FRAND sein. Sie ließen sich nicht mit der Schnellle-bigkeit der Mobilfunktechnologie rechtfertigen, denn die Mobilfunkgeräte müssten abwärtskompatibel zu älteren Standards sein, und begründeten ein gerade zu vermeidendes Erpressungspotential. Das Verlangen extrem weitgehender Bankgarantien in Ziffer 6.1 – 6.3 sei ebenfalls unangemessen und unfair. Gleiches gelte für die Regelung in Ziff. 1.20, wonach Merkmale von der Lizenzierung ausgeschlossen seien, die unter den künftigen 5G Standard fielen. Da das [...]-Angebot demnach nicht FRAND sei, habe es auch keine Reaktionspflicht der Beklagten auslösen können.
125 Das Landgericht habe auch fehlerhaft Vortrag der Beklagten nach § 296 ZPO zurückgewiesen bzw. nach § 296a ZPO nicht berücksichtigt und habe auch zu Unrecht die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet. Eine Veranlassung, auf das [...]-Angebot bereits im Schriftsatz vom 08.04.2019 einzugehen, habe für die Beklagten nicht bestanden, weil sich die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin erst im Schriftsatz vom 17.05.2019 zur Begründung der Erfüllung ihrer FRAND-Obliegenheiten hierauf berufen habe. Bis zur mündlichen Verhandlung am 07.06.2019 habe die Zeit für eine Erwiderung nicht mehr ausgereicht. Das bereits angekündigte und dabei nicht zurückgewiesene Nachschubrecht auf den Schriftsatz vom 17.05.2019 sei in der mündlichen Verhandlung fehlerhaft nur teilweise gewährt worden. Ferner enthielten die Schriftsätze aus dem Zeitraum nach der mündlichen Verhandlung teilweise erst später eingetretene oder bekanntgewordene Tatsachen, teilweise habe die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Tatsachen in ihren Stellungnahmen hierzu unstreitig gestellt. Die Zurückweisung dieses Vortrags sei rechtsfehlerhaft und verletze den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Vielmehr hätte die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden müssen. Der Vortrag sei überdies deswegen ganz überwiegend unstreitig, weil zwischen den Parteien ausgetauschte Unterlagen vorgelegt worden seien. Der gesamte Vortrag aus ihren nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen sei im Berufungsverfahren zu berücksichtigen.
126 Jedenfalls seien die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen vor Ablauf des Klagepatents deshalb entfallen, weil die Beklagte am 05.07.2019 ein erhöhtes Lizenzvertragsangebot (Anlage [...] B 49) gemacht, das vollumfänglich FRAND-Bedingungen entspreche, weitere Auskunft erteilt (Anlagen [...] B 50, 50a) und ein NDA (Anlage [...] B 48) unterzeichnet habe. Eine Nachholung von Verhandlungsobliegenheiten sei möglich.
127 Jedenfalls seien die Versuche der Klägerin, das Urteil trotz des Gegenangebots vom 05.07.2019 zu vollstrecken, ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und belegten deren nicht FRAND-gemäßes Verhalten.
128 Dass die Beklagten nicht sofort auf die Mitteilung der Klägerin vom 12.02.2020 mit einem Gegenangebot reagiert hätten, liege nur an den pandemie-bedingten Schwierigkeiten und dem Weggang wichtiger Mitarbeiter. Am 03.08.2020 habe die [...]ische Muttergesellschaft der Beklagten dann während einer Telefonkonferenz ein Gegenangebot zum [...]-Angebot unterbreitet. Im Juli 2020 habe die Beklagte zu 2 der Klägerin die Verkaufsmengen bekanntgegeben. Die Parteien seien nach wie vor im Gespräch.
129 Der Beklagte zu 3 sei nicht passivlegitimiert. Ein Organisationsverschulden könne ihm nicht vorgeworfen werden. Einen Einfluss habe er nicht gehabt. Allein die [...]ische Muttergesellschaft entscheide über die Gestaltung und den Verkauf der Produkte. Niemand bei den Beklagten zu 1 und 2 kenne die in den Produkten enthaltenen technischen Lösungen, es seien reine Vertriebsgesellschaften.
130 Die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage sei zulässig. Ein Anspruch auf die Vorlage der Drittlizenzverträge bzw. Auskünfte ergebe sich aus § 33g Abs. 1 bzw. Abs. 10 i.V.m. § 33 Abs. 1 über § 33a Abs. 1 i.V.m. §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 GWB, der durch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 89b GWB flankiert sei, und inhaltsgleich aus § 33g GWB i.V.m. § 33a i.V.m. § 33 GWB i.V.m. Art. 102 S. 2 lit. a und lit. c AEUV.
131 Der Anwendbarkeit stehe § 33g und § 89b GWB nicht entgegen. Bei richtlinienkonformer Auslegung gelte der Ausschluss für vor dem 26.12.2016 erhobene Klagen nicht für die geltend gemachten Vorlage- und Auskunftsansprüche, weil die Offenlegung von Beweismitteln ein verfahrensrechtlicher Anspruch sei, für den der 26.12.2016 nicht als Stichtag gelte. Bei richtlinienkonformer Auslegung komme es zudem im Streitfall selbst bei Einordnung des Auskunfts- und Vorlageanspruchs als materiell-rechtlicher Anspruch nicht auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage an, sondern auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage. Vor der Unterbreitung des [...]-Angebots am 26.06.2018 könne der Anspruch nicht entstanden sein. Die Klägerin habe als marktbeherrschendes Unternehmen vorsätzlich bzw. fahrlässig die Beklagte zum einen gegenüber dem Lizenznehmer x5 aus dem genannten Urteil „Mobiles Kommunikationssystem“ des OLG Düsseldorf diskriminiert (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB) als auch Entgelte gefordert, die von denjenigen abwichen, die sich bei funktionierendem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB), wie sich aus dem Vergleich mit den Kosten ergebe. Hierdurch sei der Beklagten zu 2 ein Schaden entstanden. Für die Ansprüche aus § 33g GWB genüge die Glaubhaftmachung eines Schadensersatzanspruchs im Sinne einer Plausibilisierung.
132 Die Beklagte zu 2 beantragt widerklagend, die Klägerin zu verurteilen,
133 1. der Beklagten zu 2 sämtliche Lizenzverträge und/oder Vergleichsverträge in vollem Umfang und mit sämtlichen Nebenabreden ungeschwärzt vorzulegen, die zumindest auch eine Lizenz an einem oder mehreren Patenten zum Gegenstand haben, die bei der ETSI als für den LTE-Standard standardessentiell gemeldet wurden und welche sie und/ oder eine ihrer Rechtsvorgängerinnen, insbesondere Unternehmen der Unternehmensgruppen [...], [...] und [...], abgeschlossen haben, insbesondere
134 - sämtliche Lizenz- und/oder Vergleichsverträge, die von der Klägerin in den Verfahren vor dem OLG Düsseldorf I-15 U 65/15 und/oder I-15 U 66/15 vorgelegt wurden, insbesondere das Angebot mit dem in den anonymisierten Entscheidungen als „X5“ bezeichneten Lizenznehmer und
135 - sämtliche Lizenz- und/oder Vergleichsverträge zum sogenannten LTE/LTE-A-Pool und
136 - sämtliche Lizenz- und/oder Vergleichsverträge zum sogenannten [A.]-LTE-Pool und
137 - sämtliche Lizenz- und/oder Vergleichsverträge zum sogenannten [...]-Pool, d.h. insbesondere sämtliche Verträge, welche die Klägerin in der erstinstanzlich von uns mit Anlage [...] B 55 vorgelegten Aufstellung wie folgt bezeichnet hat:
138 (Liste wie in der Berufungsbegründung S. 3 bis 5)
139- und sämtliche Lizenz- und/oder Vergleichsverträge, die eines oder mehrere der nachfolgenden Schutzrechte zum Gegenstand haben und/oder hatten:
140(Liste wie in der Berufungsbegründung S. 6 bis 16)
141und/oder
142 2. der Beklagten zu 2 die Gewinn- und Verlustrechnung des [...]-Pools für die Jahre ab einschließlich 2018 und folgende vorzulegen sowie
143 3. Auskunft zu erteilen,
144 a) über die zur Ermittlung von Gewinn und Verlust des [...]-Pools angewandte Kalkulation;
145 b) über die dabei berücksichtigten Kosten nach Art und Höhe
146 c) für den Fall der Berücksichtigung von Gemeinkosten über
147 - die Art der berücksichtigten Kosten,
- den Grund für deren Aufteilung,
- die von der Kostenaufteilung betroffenen Kostenstellen,
- den angewandten Kostenschlüssel und
- die Begründung für die konkrete Schlüsselung der Kosten.
148 Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und beantragt hinsichtlich der Widerklage,
149 die Widerklage abzuweisen.
150 Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und macht geltend, die gerügten Fehler hinsichtlich der Patentauslegung und Verletzungsdiskussion lägen nicht vor. Auf den spezifischen Parameter TLLI sei die vorübergehende Identität nach Merkmal b nicht beschränkt, sondern erfasse auch ein weiteres Verständnis (Klagepatentschrift Abs. 13). Gegenteiliges ergebe sich nicht aus dem patentgerichtlichen Urteil. Indem der Netzwerkelement-Identifikator nach Merkmal c zumindest zum Teil in der patentgemäßen vorübergehenden Identität enthalten sei, werde beim sog. Handover der Mobilstation von einem alten zu einem neuen Netzwerkelement die hierfür erforderliche Verständigung zwischen den beteiligten Netzwerkelementen erleichtert, was sich auch aus der Aufgabenstellung (Abs. 37) ergebe. Ob sich dadurch die Länge der vorübergehenden Identität ändere oder nicht, sei – auch nach dem Patentgericht - unerheblich. Das Landgericht habe auch die Begriffe Funkrufe, Funkruf-Identität und Funkruf-Bereiche aus Merkmalen d und e zutreffend ausgelegt. Zum Zuschnitt der Funkruf-Bereiche enthalte das Klagepatent keine Festlegungen. Hinsichtlich des Teils der vorübergehenden Identität in Merkmal e gehe es in dem Ausführungsbeispiel (Abs. 57 ff.) darum, dass dann, wenn Funkrufe besonders effizient erfolgen sollten, für den Funkruf selbst nur ein Teil der vorübergehenden Identität zu benutzen sei. Dann könne die Übersendung einer paging identity ausreichend sein, die in dem betreffenden Funkruf-Bereich einzigartig sei, was Landgericht und Patentgericht zutreffend gesehen hätten. Nach dem zutreffenden Verständnis könne ein Verwenden nur eines Teils der vorübergehenden Identität nach Merkmal e im Abgleich der ausgerufenen und der eigenen Identität oder im Beantworten des Funkrufs mit der eigenen Identität liegen, wobei allein schon mit dem ersten Punkt ein Verwenden gegeben sei. Hingegen gebe es keinen Anhalt, dass mit Verwenden eine ganz bestimmte Art der internen Datenverarbeitung bezeichnet sein könnte, wie das Landgericht zutreffend entschieden habe.
151 Damit liege auch eine Verletzung vor. Der Parameter GUTI (vgl. Anlage K 6f) sei eine anspruchsgemäße vorübergehende Identität, der in ihm enthaltene Parameter MMEI ein Identifikator eines Netzwerkelements und der ebenfalls enthaltene Parameter S-TMSI sei derjenige Teil der vorübergehenden Identität (GUTI) im Sinne des Klagepatents, der in Verbindung mit Funkrufen verwendet werde, und die Tracking Area des Standards sei ein Funkruf-Bereich (paging area) im Sinne des Klagepatents.
152 Der Parameter GUTI, der mit dem Landgericht eine vorübergehende Identität sei, die von einem Netzwerkelement zugewiesen werde (Merkmale b und b1) und die zudem mindestens einen Teil des Identifikators des zuweisenden Netzwerkelements umfasse (Merkmal c), entspreche auch seiner Funktion nach (vgl. Anlage K 6a Ziff. 2.8.1) derjenigen Funktion, die der vorübergehenden Identität im Klagepatent (Abs. 14) zugeschrieben werde. Ob es im LTE-Standard noch andere Identitäten gebe, sei unerheblich. Dem Klagepatent sei nichts dafür zu entnehmen, dass die vorübergehende Identität nach oben begrenzt sei, insbesondere dass der dort diskutierte spezielle Parameter TLLI nicht weiter ergänzt werden könne (vgl. Abs. 13). Der Anspruch fordere zudem nicht, dass die Mobilstation nur eine einzige vorübergehende Identität verwenden dürfe.
153 Die anspruchsgemäße Funkruf-Identität sei mit dem Landgericht im Standard mit der S-TMSI verwirklicht. Sie habe im Standard unstreitig keine andere Funktion als zum Pagen und setze sich aus dem MME Code (Netzwerkelement) und der M-TSMI (Mobilstation) zusammen. Der Funkruf-Bereich sei im Standard das Tracking Area.
154 Der Einzigartigkeit der S-TMSI (Merkmal d) stehe entgegen den Beklagten nicht entgegen, dass sie bei verschiedenen Netzwerkbetreibern nicht gegeben wäre. Zum einen werde ein anspruchsgemäßes Netzwerk stets von einem Betreiber betrieben; von konkurrierenden Betreibern aufgebaute Netzwerke, in denen jeweils der Standard realisiert sei, seien je für sich genommen ein klagepatentgemäßes Netzwerk. Zum anderen erfolgten rein tatsächlich Funkrufe nur innerhalb eines Netzwerks eines einzelnen Betreibers. In jedem einzelnen Netzwerk sei die Zuweisung des MME Codes nach dem Standard eindeutig (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1).
155 Entgegen den Beklagten verbiete der Standard den Mobilstationen, auf einen Funkruf hin mehr als die vorgeschriebene S-TMSI zu signalisieren. Mit einer bloßen Spekulation, dass noch etwas Anderes signalisiert werde, ohne dies konkret darzulegen, genügten die Beklagten ihrer Darlegungslast nicht. Ohnehin reiche für ein Verwenden wie ausgeführt bereits der Abgleich der Funkruf-Identität.
156 Wie im Rahmen der Auslegung ausgeführt, sei es entgegen den Beklagten unschädlich, dass nur die gesamte GUTI in der Mobilstation abgespeichert sei und die S-TMSI von dort ausgelesen werde, um zu ermitteln, ob sie jeweils vermittels den übertragenen und von ihr empfangenen S-TMSIs gepaged werde.
157 Die Patentrechte seien nicht wegen des angeblichen Einbaus von [...]-Chips in Teile der Mobiltelefone der Beklagten erschöpft. Mit dem Landgericht sei dieser Einwand unsubstantiiert, da allenfalls ein geringer Anteil der Geräte der Beklagten einen [...] Chip aufweise. Zu Recht habe das Landgericht daher offengelassen, ob tatsächlich eine Erschöpfung vorliege. Unabhängig davon, ob angeblich nicht verletzende Ausführungsformen für eine Bestimmtheit des Tenors hätten ausgenommen werden müssen, hätten die Beklagten jedenfalls erstinstanzlich nie spezifiziert, welche Modelle einen [...] Chip aufwiesen und welche nicht. Der Vortrag der Beklagten erschöpfe sich allein in der pauschalen Behauptung, dass in einigen Modellen Chips von [...] verbaut seien. Dieser Vortrag sei unsubstantiiert. Die vorgelegten Unterlagen, aus denen sich die Erschöpfung ergeben solle (Anlagen [...]B 8, 9), belegten (wenn überhaupt) nur eine Nichtangriffsabrede zwischen [A.] und [...]. Eine solche Nichtangriffsabrede könne ohnehin zu keiner Erschöpfung führen, zumal sie schon nach deutschem Recht nicht gemäß § 15 Abs. 3 PatG auf den Erwerber der Schutzrechte (die Klägerin) übergegangen wäre.
158 Den Ansprüchen auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf/Entfernen aus den Vertriebswegen stehe ein FRAND-Einwand nicht entgegen. Die Beklagten stellten die Verhandlungen in wesentlichen Punkten nicht zutreffend dar.
159 Entgegen dem (zunächst gehaltenen) Vortrag der Beklagten habe die Klägerin den Beklagten alle Drittlizenzverträge des [...]-Lizenzprogramms und seiner beiden Vorgängerprogramme (LTE Licensing Program ihrer Tochter [A.‘] und 3G-Licensing Program ihrer weiteren Tochter [A.‘‘]) in anonymisierter Form mit einer Beschreibung des Schwerpunkts der Geschäftstätigkeit des jeweiligen Lizenznehmers in einem elektronischen Datenraum zur Verfügung gestellt, nicht nur in der Liste aus Anlage [...] B 55 aufgelistet. Die Begleit-Email (Anlage K 14) zu der Liste mit dem Link zum Datenraum hätten die Beklagten bewusst nicht vorgelegt, obwohl sie die E-Mail nachweislich erhalten hätten. Einer ihrer Mitarbeiter habe sich für den Datenraum zwar einen Account eingerichtet. Die Beklagten hätten den Datenraum aber nicht betreten und sich die dort hinterlegten Drittlizenzverträge nie angesehen. Dies belege, dass die Forderungen nach mehr Transparenz nur vorgeschoben gewesen seien, in Wahrheit aber nie eine Lizenzwilligkeit bestanden habe. Stattdessen hätten die Beklagten versucht, mit immer neuen Forderungen nach mehr Informationen die Verhandlungen größtmöglich zu verzögern und zu torpedieren.
160 Ferner sei nicht richtig, dass die Klägerin ihre Angebote immer wieder geändert habe. Sie habe ihr ursprüngliches auf das [...]-Lizenzprogramm mit 2G, 3G und LTE-Patenten bezogenes Angebot vom 23.06.2016 (Anlage K 4b) nur einmal mit Schreiben vom 08.11.2017 (Anlage [...] B 28) und nur hinsichtlich der Höhe der Lizenzgebühr geändert, mit der sie den Beklagten entgegengekommen sei. Sie habe dann ihr [...]-Lizenzprogramm auf Wunsch vieler Lizenznehmer nach einer einzigen Lizenz mit anderen Lizenzprogrammen hinsichtlich der 3G- und LTE-Technologie zum neuen [...]-Lizenzprogramm zusammengefasst. Hierauf beruhe das neue [...]-Lizenzangebot vom 26.06.2018 (Anlage K 10b), in dem sie abermals die Höhe der Lizenzgebühren verringert habe und in dem viele der von den Beklagten beanstandeten Klauseln nicht mehr enthalten oder geändert seien, ohne dass das vorangegangene Programm nicht FRAND gewesen wäre. Die betroffenen LTE-Patente seien den Beklagten aus den Vorgänger-Lizenzprogrammen bekannt gewesen, so dass es nicht wahr sei, wenn sie behaupteten, sie hätten eine völlig neue Prüfung des umfassend umstrukturierten Patentpools und eines neuen Vertragswerks vornehmen müssen. Grund für die Umstrukturierung sei nicht die Entscheidung Sisvel ./. Haier des OLG Düsseldorf gewesen. Der dort herangezogene Lizenzvertrag mit dem Lizenznehmer x5 sei unstreitig im Dezember 2018 ausgelaufen (vgl. Anlage K 10r).
161 Die Klägerin habe ihre FRAND-Obliegenheiten eingehalten.
162 Sie habe die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr aus dem [...]-Angebot hinreichend erläutert. Mit dem [...]-Angebot habe sie den Beklagten Informationen bezüglich der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren sowie eine Liste mit anonymisierten Lizenznehmern mit Angaben zur Lizenzhöhe und zum Datum des Vertrags (Anlage K 10p) übergeben, für die sie mit Schriftsatz vom 17.05.2019 eine Aktualisierung (Anlage K 10p) vorgelegt habe. Die Liste enthalte die Lizenzverträge sowohl am [...]-Programm als auch an den Vorgängerlizenzprogrammen LTE-Licensing- und 3G-Licensing-Programm (Anlage K 10p), die sie später aktualisiert habe (Anlage K 10q, überreicht an die Beklagten mit Schriftsatz vom 17.05.2019). Weitere Informationen zu den Drittlizenzverträgen habe sie damals aufgrund der Geheimhaltungsklauseln nicht offenlegen können. Sie seien auch nicht erforderlich gewesen, weil die Beklagten sich mit dem zur Ermöglichung einer weiteren Offenlegung vorgeschlagene NDA trotz mehrfachen Nachfassens durch die Klägerin (Anlage K 10 j, k und l) nicht auseinandergesetzt und auch keine konkreten Hinderungsgründe mitgeteilt hätten, die sie erst im insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.07.2019 vorgebracht hätten.
163 Die Liste habe genügt, um eine Diskriminierung prüfen und ausschließen zu können, die jeweiligen Standardlizenzverträge seien zudem auf der Internetseite der Klägerin veröffentlicht. Die Liste widerlege eine Diskriminierung. Soweit sie unterschiedliche Lizenzgebühren enthalte, sei das durch die drei in ihr enthaltenen Lizenzprogramme mit den untereinander unterschiedlichen Raten begründet. Die Raten der entsprechenden Programme seien unstreitig auch den Beklagten angeboten worden. Entgegen den Beklagten könnten weder die Settlement Agreements noch die Lumpsum Agreements sie diskriminieren. Wie in der E-Mail vom 02.09.2019 mit dem Link zu dem elektronischen Datenraum erläutert, beträfen die Settlement Agreements keine Lizenz, sondern nur Zahlungen für die Vergangenheit und für die Lumpsum Agreement ließe sich berechnen, dass sie auf der allgemeinen Linie lägen.
164 Die verlangte Lizenzgebühr sei am Markt etabliert, wie die mit dem [...]-Angebot übergebene Liste mit anonymisierten Lizenznehmern zeige, und halte dem Vergleich mit dritten Lizenzprogrammen stand.
165 Der auch den Beklagten angebotene, nur bei den Vorgängerprogrammen eingeräumte Mengenrabatt sei nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet seien, genüge ihr pauschales Bestreiten des Abschlusses der angeführten Drittlizenzverträge nicht. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel zeigten sie nicht auf. Jedenfalls sei eine Darlegungslast der Klägerin erstinstanzlich aufgrund der Weigerung der Beklagten, ein NDA zu unterzeichnen, bzw. ihre fehlende Reaktion auf das von der Klägerin angebotene NDA herabgesetzt gewesen. Weitere Informationen habe sie aufgrund dieser Weigerung wegen schützenswerter Geheimhaltungsinteressen der Vertragsparteien der Drittlizenzvereinbarungen nicht vorlegen müssen. Die Entscheidungen Wasserpreise Calw I und II des Bundesgerichtshofs seien aus mehreren Gründen nicht auf SEP-Inhaber übertragbar. Eine kostenbasierte Berechnung der Lizenzgebühren sei nicht geschuldet.
166 Der über das Nachschubrecht hinausgehende Vortrag der Beklagten insbesondere zum NDA in den insoweit nicht nachgelassenen Schriftsätzen sei verspätet.
167 Entgegen den Beklagten habe auch eine drucklose Verhandlungssituation bestanden. Diese habe bis zur Vorlage des mit Entscheidungsgründen versehenen patentgerichtlichen Urteils am 12.03.2019 bestanden, da erst dann die Aussetzung mit Blick auf das Rechtsbestandsverfahren geendet habe. Daran ändere der Hinweis der Klägerin auf das damals noch nicht mit Gründen versehene Urteil des Patentgerichts am 06.11.2018 nichts. Vor Vorliegen der Entscheidungsgründe, die aufgrund der teilweisen Vernichtung für das Verletzungsverfahren relevant seien, habe das Verfahren nicht einseitig wieder aufgerufen werden können. Die Reaktion der Beklagten sprächen zudem gegen eine Drucksituation.
168 Die Höhe der Lizenzgebühren des [...]-Angebots sei FRAND. Der ohnehin nicht zu beanstandende Mengenrabatt sei im [...]-Angebot nicht mehr enthalten. Mit dem Landgericht nicht zu beanstanden sei, dass das [...]-Angebot eine weltweite Lizenz vorsehe, selbst wenn die Beklagten die angegriffenen Ausführungsformen nur in Europa verkauften. Die Behauptungen der Beklagten seien aber auch tatsächlich unwahr. Zum einen stelle [X.] die angegriffenen Ausführungsformen außerhalb Europas her. Zum anderen sei die Beklagte ein global agierendes Unternehmen und verkaufe nach eigenen Angaben in mehr als 30 Ländern in Europa, Afrika, dem Nahen Osten, Asien und seit Mai 2019 auch in den USA (Anlage K 16). Über den von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetauftritt gelange man zu nationalen Seiten in Afrika, Amerika, dem Nahen Osten und Asien (Anlagekonvolut K 17), für die nach den dortigen Angaben die Beklagte zu 2 verantwortlich sei.
169 Eine unfaire Zusammenstellung des Patentpools liege nicht vor. Die von den Beklagten angeführten 5 Patente seien standardessentiell. Selbst wenn nicht, fielen sie nicht ins Gewicht und könnten eine FRAND-Widrigkeit des Lizenzangebots nicht begründen. Die von den Beklagten gerügten Vertragsbedingungen seien FRAND.
170 Demgegenüber hätten sich die Beklagten nicht FRAND-gemäß verhalten und seien nicht lizenzwillig. Sie hätten die bereitgestellten Lizenzverträge nicht vom Server abgerufen. Auf das [...]-Angebot hätten sie erst nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und unter dem dort gewonnenen Eindruck einer drohenden Niederlage reagiert und mehr als ein Jahr nach dem [...]-Angebot ein Gegenangebot (Anlage [...] B 49) abgegeben. Dieses Gegenangebot sei erstinstanzlich nach § 296a ZPO und zweitinstanzlich nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Ferner verletze das Vorgehen die Verhandlungsobliegenheiten und sei verspätet. Wie ein Gericht in Den Haag zu einem parallelen [X.]-Angebot festgestellt habe, sei das Angebot nicht FRAND (Anlage K 10t). Ferner hätten die Beklagten seit Februar 2017 keine Abrechnung mehr vorgelegt und ihre ursprüngliche Sicherheit nicht erhöht. Die nach dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ergänzte Auskunft sei nach § 296a ZPO und § 531 Abs. 2 ZPO erst- und zweitinstanzlich nicht berücksichtigungsfähig. Eines Hinweises des Landgerichts wegen der Sicherheitsleistung habe es nicht bedurft.
171 Am 12.02.2020 habe die Klägerin [X.] per E-Mail (Anlage K 18) darüber informiert, dass LG dem [...]-Programm beigetreten sei und dass trotz dieser deutlichen Werterhöhung des Pool-Portfolios Lizenzgebühren nicht erhöht worden seien, und Links zu einer aktualisierten Patent-Broschüre (für jedes Patent mit kurzen Erläuterungen zur Patentverletzung/Essentialität), einem aktualisierten Satz von Claimcharts und einer aktualisierten Begründung der Lizenzhöhe zur Verfügung gestellt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung sei durch [X.] nicht erfolgt, jedenfalls der Klägerin nicht zugegangen.
172 Am 26.06.2020 habe ein niederländischer Richter angeregt, einen eigenständigen Termin, angedacht für den 04.08.2020, durchzuführen, in dem über einen Vergleich zwischen den Parteien zu sprechen sei. [X.] habe aber dem Gericht mitgeteilt, dass das nicht notwendig sei, die Parteien sprächen ja unmittelbar miteinander (was nicht zutreffend sei bzw. nur einseitig für die Klägerin gelte).
173 Die Widerklage sei unbegründet und zudem bereits unzulässig. Den Beklagten fehle das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem sie die Drittlizenzverträge in nur leicht geschwärzter Form nicht vom Server heruntergeladen hätten.
174 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
175 Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg, soweit sie den Beklagten zu 3 betrifft. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.
A.
176 Wegen des technischen Hintergrunds, der Problemstellung und des Gegenstands des Klagepatents wird zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen.
177 Allerdings bedarf die Aufgabenstellung, die dem Gegenstand des Anspruchs 13 in der vom Patentgericht aufrechterhaltenen Fassung (fortan: Anspruch 13) zugrunde liegt, der näheren Betrachtung.
178 Anspruch 13 liegt die Aufgabe zugrunde, eine vorbekannte Mobilstation derart fortzubilden, dass ein einfaches Paging möglich ist.
179 Nichts zur maßgeblichen Aufgabenstellung trägt die Problembeschreibung aus Abs. 37 der Klagepatentschrift bei. Zwar wird dort ausgeführt, dass dann, wenn die Mobilstation ihren Funkruf-Bereich wechselt, das neue unterstützende Netzwerkelement Schwierigkeiten beim Bestimmen des alten auf der Basis des Funkrufbereichs-Identifikators haben könne, wenn es keine 1:1 Zuordnung zwischen Funkruf-Bereich und Netzwerkelement mehr gebe (vgl. Abs. 36). Außerdem bestehe das Risiko, dass zwei unterstützende Netzwerkelemente desselben Funkruf-Bereichs die gleiche temporäre Identität an zwei unterschiedliche Mobilstationen zuwiesen. Die vorgeschlagene Lösung, in die vorübergehende Identität zumindest einen Teil des Identifikators des zuweisenden unterstützenden Netzwerkelements aufzunehmen, wie es auch in Anspruch 13 beschrieben wird, betrifft aber allein die Netzwerkseite und begründet keine Anforderungen an die Ausgestaltung einer Mobilstation, denn es ist nicht beansprucht, dass die Mobilstation ihre vorübergehende Identität im Hinblick auf den in ihr zumindest teilweise enthaltenen Netzwerkelement-Identifikator auswertet. Demnach ist es für die Mobilstation ohne Bedeutung, ob in ihrer vorübergehenden Identität ein Netzwerkelement-Identifikator zumindest teilweise enthalten ist (ebenso im Zusammenhang mit dem im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Hauptantrag auch PGU, S. 18 bis S. 20, S. 21 f.).
180 Aus den gleichen Gründen nimmt die in Abs. 57 der Klagepatentschrift geschilderte Aufgabenstellung zumindest im ersten Zugriff nicht an der Aufgabenstellung teil. Dort wird als zusätzliche Problematik beschrieben, dass eine Mobilstation in einem Funkruf-Bereich mit verschiedenen Identitäten gepaged wird, wenn sie in mehr als einem Netzwerkelement registriert ist (was voraussetzt, dass der betreffende Funkruf-Bereich von mehreren Netzwerkelementen bedient wird). Um dies zu vermeiden, soll die Mobilstation nicht mehr mit ihren unterschiedlichen Identitäten, sondern mit einer einzigen Funkruf-Identität im Funkruf-Bereich gerufen werden, die von einem Master-Netzwerkelement vergeben wird. Zwar wird es als einfacher (und damit wünschenswert) beschrieben, wenn eine Mobilstation nur auf eine Identität im Paging-Kanal hören müsste. Die vorgeschlagene Lösung betrifft aber im ersten Zugriff ebenfalls nur die Netzwerkseite. Ungeachtet dessen nimmt die Erwägung, es sei einfacher, wenn die Mobilstation nur auf eine Paging-Identität hören müsste, als Teil der potentiellen Lösung nicht an der Aufgabenstellung teil (vgl. BGH, GRUR 2020, 728 Rn. 8 – Bausatz).
181 Zur Lösung des eingangs beschriebenen Problems schlägt Anspruch 13 eine Mobilstation vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern und übersetzen lassen (Änderungen des Anspruchs 13 in der aufrechterhaltenen Fassung im Vergleich zu Anspruch 15 in der erteilten Fassung sind durch Unterstreichungen bzw. Streichungen kenntlich gemacht; die abweichende Merkmalsnummerierung des Landgerichts ist in eckigen Klammern beigefügt):
182
a |
A mobile station (MS) for a cellular network, |
Mobilstation (MS) für ein zellulares Netzwerk, |
b |
being adapted to use a temporary identity (TLLI) allocated by a network element, |
die dazu ausgelegt ist, eine vorübergehende Identität (TLLI) zu verwenden, die von einem Netzwerkelement zugewiesen wurde, |
characterized in that |
dadurch gekennzeichnet, dass |
|
b1 |
said temporary identity (TLLI) comprises at least a part of the identifier of the network element (SGSN) that has allocated the temporary identity (TLLI) [c] and |
die vorübergehende Identität mindestens einen Teil des Identifikators des Netzwerkelements (SGSN) umfasst, das die vorübergehende Identität zugewiesen hat, [c] und |
b2 |
that said temporary identity (TLLI) also comprises a paging identity which is unique to each mobile station (MS) in the paging area in question, [d] |
die vorübergehende Identität (TLLI) auch eine Funkruf-Identität (paging identity) umfasst, die für jede Mobilstation in dem betreffenden Funkruf-Bereich (paging area) einzigartig ist, [d] |
and further characterized by |
und weiter dadurch gekennzeichnet, dass |
|
c |
said mobile station (MS) being adapted to use only part of said temporary identity (TLLI) in connection with paging [e] |
die Mobilstation dazu ausgelegt ist, nur einen Teil der vorübergehenden Identität (TLLI) in Verbindung mit Funkrufen (paging) zu verwenden [e] |
183 Als maßgeblichen Fachmann sieht der Senat mit dem Patentgericht (PGU S. 16) einen Ingenieur der Elektrotechnik an, der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet des Mobilfunks im Zusammenhang mit der Datenübertragung in GSM-Mobilnetzen verfügt.
184 Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
185 1. Mit dem Landgericht versteht der Fachmann unter der vorübergehenden Identität, zu deren Verwendung die Mobilstation ausgelegt sein muss, eine Übermittlungsadresse zum Adressieren der Mobilstation für die Kommunikation zwischen der Mobilstation und einem Netzwerkelement, die beim Aufbau einer logischen Verbindung zwischen dem zuständigen Netzwerkelement und der Mobilstation im Zuge des erstmaligen Anmeldens der Mobilstation oder beim Wechsel in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Netzwerkelements zugewiesen werden kann (vgl. Abs. 24 ff. mit Fig. 3; ebenso PGU, S. 17). Da dies keinen Eingang in den Anspruch gefunden hat, muss die vorübergehende Identität nicht zusätzlich zwingend den logischen Kanal zwischen der Mobilstation und dem zuweisenden Netzwerkelement kennzeichnen.
186 Nach Merkmal b muss die Mobilstation so beschaffen sein, dass ihr die vorübergehende Identität der Mobilstation durch ein Netzwerkelement zugewiesen werden kann. Ferner muss die Mobilstation aufgrund ihrer Beschaffenheit in der Lage sein, eine solche vorübergehende Identität zu nutzen, die mindestens einen Teil des Identifikators des zuweisenden Netzwerkelements (Merkmal b1 bzw. [c]) und eine durch Merkmal b2 bzw. [d] näher gekennzeichnete Funkruf-Identität umfasst.
187 Durch Ersteres wird, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, ermöglicht, dass bei einem Wechsel der Mobilstation in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Netzwerkelements das „neue“ Netzwerkelement aus der (ihm dann zu übermittelnden) vorübergehenden Identität entnehmen kann, von welchem Netzwerkelement die Mobilstation zuvor bedient worden ist, und deshalb dann auf diese Mobilstation bezogene Daten mit diesem („alten“) Netzwerkelement austauschen kann. Zugleich wird dadurch, dass die Mobilstation mit vorübergehenden Identitäten umgehen kann, bei denen jedes Netzwerkelement seinen eigenen Identifikator bzw. einen Teil davon in die von ihm zugewiesene vorübergehende Identität der Mobilstation einfügt, verhindert, dass verschiedene Netzwerkelemente dieser Mobilstation dieselbe vorübergehende Identität zuweist, die zuvor schon an eine andere Mobilstation zugewiesen worden ist (vgl. Abs. 37 bis 40).
188 Weitere Festlegungen für die vorübergehende Identität, zu deren Verwendung die Mobilstation patentgemäß ausgelegt sein muss, enthält der Anspruch nicht. Insbesondere ist er nicht festgelegt auf die Verwendung der aus dem GRPS/GSM-Standard vorbekannten Temporary Logical Link Identity (TLLI) (Abs. 13, 14) oder eine hierauf aufbauende extended temporary identity or TLLI (Abs. 57) bzw. diesen möglichst nahekommenden Identitäten. Etwaige mit diesen Identitäten verbundenen Besonderheiten haben keinen Niederschlag im Anspruch gefunden. Weiter bestätigt wird dies dadurch, dass die Patentbeschreibung mit dem im Anspruch verwendeten Begriff der temporary identity gerade vom TLLI abstrahieren möchte (vgl. Abs. 13 aE) und die Klagepatentschrift die technische Lehre zwar auf der Grundlage des GSM/GPRS-Standards erläutert, hierauf aber nicht beschränkt ist (neben dem Anspruchswortlaut z.B. Abs. 44), wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.
189 Der Anspruch schließt es nicht aus, dass die Mobilstation nicht nur für die Verwendung patentgemäßer Identitäten, sondern darüber hinaus auch zur Verwendung weiterer oder anderer vorübergehenden Identitäten ausgelegt ist. Auch in diesem Fall können die Vorteile der Erfindung in einem Netzwerk verwendet werden.
190 Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt es der Anspruch (vgl. bereits die offene Formulierung „comprises“ in Merkmalen b1 [c] und b2 [d]) weiter nicht aus, dass die Mobilstation aufgrund ihrer Auslegung vorübergehende Identitäten verwenden kann, die Bestandteile umfassen, die globale Bedeutung haben, und daher die Mobilstation über den Bereich des zuweisenden Netzwerkelements hinaus sogar global identifiziert werden kann. Vielmehr bringt es die Aufnahme zumindest eines Teils des Netzwerkelement-Identifikators in die vom Anspruch genannte vorübergehende Identität sogar mit sich, dass diese über den Bereich eines Netzwerkelements hinaus zur Identifizierung geeignet ist und auch sein muss, damit bei einer Übergabe der Mobilstation das übernehmende Netzwerkelement das übergebende identifizieren kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft es nicht zu, dass dieser in Abs. 37 ff. der Beschreibung erläuterte Aspekte für die in Abs. 57 ff. beschriebene vorteilhafte Ausgestaltung keine Bedeutung mehr hat. Vielmehr baut die dort beschriebene vorteilhafte Ausgestaltung („a further preferred embodiment of the invention“, vgl. Abs. 57) auf der Grundidee der Erfindung (vgl. Abs. 40) auf und behält diese bei, dass in der vorübergehenden Identität zumindest Teile des Identifikators des zuweisenden Netzwerkelements enthalten sind, die bei zur Verwendung solcher Identitäten ausgelegten Mobilstationen für die beschriebene Verbesserung bei einem Handover zwischen zwei Netzwerkelementen sorgen und die bereits verhindern, dass auch eine andere Mobilstation von verschiedenen Netzwerkelementen dieselbe vorübergehende Identität erhält. Die in Abs. 57 ff. aus der Sicht des Netzwerks beschriebene vorteilhafte Ausgestaltung der Mobilstation gemäß der Erfindung fügt dem lediglich eine Vereinfachung beim Funkruf hinzu, die darin besteht, dass die Mobilstation nicht mehr mit ihrer gesamten vorübergehenden Identität, sondern nur mit einem Teil hiervon, nämlich der paging identity, ausgerufen werden kann und dass sie im Funkruf-Bereich nur eine einzige durch ein Master-Netzwerkelemente kreierte paging identity hat, so dass sie dort nicht auf verschiedene Identitäten hören muss, wenn sie bei mehreren Netzwerkelementen registriert ist.
191 Näher Festlegungen zum Netzwerkelement enthält der Anspruch nicht (ebenso PGU, S. 17 oben).
192 2. Die Mobilstation muss nach Merkmal b dazu ausgelegt sein, eine vorübergehende Identität zu verwenden, die ihr von einem Netzwerkelement zugewiesen worden ist. Für eine solche Auslegung genügt, wenn die Mobilstation die vorübergehende Identität als solche verwenden kann. Dabei ist dem Fachmann selbstverständlich, dass mit der patentgemäßen Verwendung eine solche gemeint ist, die zu einer erfolgreichen Kommunikation der Mobilstation durch Datenaustausch mit den Netzwerkelementen beitragen kann. Eine weitere Festlegung hinsichtlich der Art und Weise der Verwendung enthält der Anspruch mit dem Landgericht aber nicht.
193 Insbesondere genügt es, wenn die Mobilstation die vorübergehende Identität als Ausdruck dafür auffassen kann, dass sie angesprochen ist. Ebenso genügt eine Fähigkeit zur unveränderten Weitergabe an ein anderes Netzwerkelement im Rahmen des Routingbereichs-Aktualisierungsverfahrens (vgl. Fig. 2, 3, Abs. 43, 46, 47 i.V.m. Abs. 33, 34; ebenso PGU S. 18 f.).
194 Eine inhaltliche Auswertung der vorübergehenden Identität, um etwa den in ihr enthaltenen Netzwerkelement-Identifikator oder die Funkrufidentität zu ermitteln oder gezielt zu verwenden, fordert Merkmal b als Teil eines Vorrichtungsanspruchs hingegen nicht. Ebenso wenig fordert das Merkmal eine Verarbeitung der vorübergehenden Identität, etwa im Sinne der Ausführung eines Verfahrens.
195 3. Mit dem Landgericht versteht der Fachmann unter Funkruf (paging) im Sinne des Klagepatents eine vom Netzwerkelement ausgehende Kommunikation zwischen ihm und der Mobilstation, die dazu dient, die Mobilstation, wenn sie sich beispielsweise im Ruhemodus befindet, in einem bestimmten Bereich, in dem sie sich zuletzt befand bzw. vermutet wird, „auszurufen“, um sie beispielsweise über einen eingehenden Anruf oder ein anderes Ereignis zu informieren (vgl. Abs. 17; ebenso PGU, S. 19). Die Mobilstation muss patentgemäß also ausgelegt sein, dass sie dieses Paging als auf sich bezogen interpretieren und darauf reagieren, beispielsweise vom Stand-by-Zustand in den Ready-Zustand wechseln kann.
196 4. Der Funkruf-Bereich ist der Bereich, in dem der Funkruf, zu dessen Interpretation die Mobilstation aufgrund ihrer Auslegung patentgemäß in der Lage sein soll, erfolgt. Da der Zuschnitt des Funkruf-Bereichs auf Seiten des Netzwerks bewerkstelligt wird und der Patentanspruch aus einem bestimmten Zuschnitt dieses Funkruf-Bereichs keinerlei Anforderungen an die Beschaffenheit der Mobilstation ableitet, ergibt sich hieraus keine Einschränkung für den Gegenstand des eine Mobilstation betreffenden Anspruchs 13.
197 5. Eine Funkruf-Identität ist eine Identität für die Zwecke des Funkrufs.
198 a) Ihre Einzigartigkeit für alle Mobilstationen im Funkruf-Bereich (Merkmal b2 [d]) bedeutet zunächst, dass sie dort eindeutig ist, also zwei Mobilstationen nicht dieselbe Funkruf-Identität haben dürfen. Letztlich kann dies und die weitere Frage dahinstehen, ob darüber hinaus eine Mobilstation im Funkruf-Bereich auch nur eine einzige Funkruf-Identität haben darf, wenn mehrere Netzwerkelemente den Funkruf-Bereich bedienen, so dass die Funkruf-Identität in Bezug auf die Mobilstation eineindeutig ist. Eine solche Eineindeutigkeit läge insbesondere nicht vor, wenn jedes Netzwerkelement im Funkbereich, bei dem die Mobilstation registriert ist, ihr eine eigene Funkruf-Identität zuwiese, die etwa den Identifikator des zuweisenden Netzwerkelement-Identifikators enthielte.
199 Zwar wird in Abs. 58 ausgeführt, die Funkruf-Identität sollte - was ein Master-Netzwerkelement sicherstellt - für jede Mobilstation einzigartig sein, so dass es ausreiche, diese Funkruf-Identität zu verwenden, um eine im betreffenden Funkruf-Bereich registrierte Mobilstation auszurufen („It should be unique to each mobile station so that in order to page a mobile station registered in the paging area in question, it is sufficient to use this paging identity“). Auch soll gerade vermieden werden, dass eine Mobilstation in einem Funkruf-Bereich mit unterschiedlichen Identitäten gepaged wird, wenn sie dort bei mehr als einem Netzwerkelement registriert ist (Abs. 57).
200 Der Nachsatz „so that ...“ hat aber keinen Eingang in den Anspruchswortlaut gefunden. Dies wäre nur dann unschädlich, wenn der Nachsatz den Begriff „unique“ in seinem Sinne definieren würde, so dass er auch ohne den Nachsatz diese Bedeutung hätte.
201 b) Letztlich kann dies dahinstehen, denn selbst bei einer eineindeutigen Funkruf-Identität ergäben sich hieraus keine einschränkenden Anforderungen für die Mobilstation als Gegenstand des Anspruchs 13.
202 aa) Der Anspruchswortlaut knüpft keine bestimmte Ausgestaltung der beanspruchten Mobilstation an die Eineindeutigkeit einer Funkruf-Identität in einem Funkruf-Bereich. Insbesondere verbietet er eine Auslegung der Mobilstation nicht, die es ihr ermöglichen würde, auf mehr als eine Funkruf-Identität im Funkruf-Bereich zu hören bzw. damit umgehen zu können (diese, wie der Anspruch sagt, zu verwenden [to use]), wenn dort mehrere Netzwerkelemente aktiv sind und jedes Netzwerkelement der Mobilstation eine eigene Funkruf-Identität zuweist.
203 bb) Aus der Patentbeschreibung ergeben sich keine weitergehenden Einschränkungen.
204 Zwar ist dort zur Lösung der bereits oben behandelten Problematik aus Abs. 57 der Patentschrift vorgeschlagen, die vorübergehende Identität u.a. aus dem Netzwerkelement-Identifikator und einer Paging-Identität zu bilden - die hierdurch im Vergleich zu der bisher vorgeschlagenen vorübergehenden Identität zu einer erweiterten vorübergehenden Identität wird - und für den Funkruf nur die Paging-Identität zu verwenden, für die ein sog. Master-Netzwerkelement für den Funkruf-Bereich sicherstellt, dass eine Mobilstation nur eine einzige Paging-Identität innerhalb des Funkruf-Bereichs hat, die dort nur ihr (und nicht auch anderen Mobilstation) zugewiesen ist und die dann auch die übrigen Netzwerkelemente des Funkruf-Bereichs für das Paging der Mobilstation verwenden (vgl. Abs. 57 f.). Eine Mobilstation muss demnach in der Lage sein, mit einer vorübergehenden Identität größerer Länge umzugehen, daraus ihre Funkruf-Identität zu entnehmen und diese mit den auf dem Funkruf-Kanal für den Funkruf versendeten Funkruf-Identitäten zu vergleichen, um zu ermitteln, ob sie angesprochen ist, und ggf. zu antworten. Dass die Mobilstation im Funkruf-Bereich, selbst wenn sie bei mehreren den Bereich bedienenden Netzwerk-Elementen registriert ist, nur mit einer einheitlichen Funkruf-Identität gerufen wird, stellen aber auch nach dieser Beschreibung die Beschaffenheit und die Funktionsabläufe des Netzwerks sicher, indem es ein Master-Netzwerkelement vorsieht, das die Funkruf-Identität vergibt und den anderen Netzwerkelementen des Funkruf-Bereichs mitteilt, damit sie die einheitliche Funkruf-Identität verwenden, insbesondere in die vorübergehende Identität mit dem in Abs. 57 vorgesehenen Aufbau einbauen und für Funkrufe verwenden. Besondere Anforderungen an die Mobilstation als Vorrichtung, die daran anknüpfen, dass die zugeteilte Funkruf-Identität im Funkruf-Bereich die einzige Funkruf-Identität ist, auf die die Mobilstation achten muss, sind nicht beschrieben und auch nicht erforderlich. Insbesondere lässt sich der Beschreibung nicht entnehmen, dass die Mobilstation nicht dazu in der Lage sein dürfte, auf mehrere ihr zugewiesene Funkruf-Identitäten im Funkruf-Bereich zu hören. Zwar wird ausgeführt, es wäre einfacher, wenn die Mobilstation nur auf eine Identität im Funkruf-Kanal hören müsste. Dies erfordert aber keine besondere Ausgestaltung der Mobilstation und schließt es insbesondere nicht aus, dass die Mobilstation dazu eingerichtet ist, ggf. auch auf mehrere ihr im Funkruf-Bereich zugeordnete Funkruf-Identitäten zu hören.
205 cc) Aus den ergänzend zur Patentbeschreibung heranzuziehenden Entscheidungsgründen des patentgerichtlichen Urteils zu den infolge der rechtskräftigen Einschränkung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren hinzugetretenen Merkmalen ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Einschränkungen. Zum Bedeutungsgehalt der Einzigartigkeit und etwaigen hieraus resultierenden Anforderungen an eine Mobilstation verhält sich das patentgerichtliche Urteil nicht.
206 dd) Für die im Wechselspiel mit der Auslegung des Patentanspruchs zu ermittelnde Aufgabenstellung, die einerseits durch dasjenige determiniert wird, was die beanspruchte Erfindung leistet, andererseits aber wie geschehen zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen ist, kann es nach alledem bei der eingangs im ersten Zugriff definierten Aufgabenstellung verbleiben.
207 6. Wie (netzwerkseitig) die Einzigartigkeit der Funkruf-Identität im Funkruf-Bereich bewerkstelligt wird, legt der Anspruch, der nur fordert, dass die Mobilstation so auslegt ist, dass sie eine einzigartige Funkruf-Identität verwenden kann, ebenfalls nicht fest.
208 Insbesondere genügt es, wenn in einem Funkruf-Gebiet die Einzigartigkeit dadurch gewährleistet ist, dass nur eines von ggf. mehreren Netzwerkelementen den Funkruf durchführt.
209 Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass die Funkruf-Identität den Identifikator eines Netzwerkelements oder einen Teil davon enthält, solange dies die Einzigartigkeit der Funkruf-Identität im Fall, dass mehrere Netzwerkelemente den Bereich des Funkrufs bedienen, nicht berührt. Wie dies geschieht, etwa dadurch, dass der Funkruf nur durch ein Netzwerkelement erfolgt oder die Funkruf-Identität nur den Identifikator eines ausgewählten Netzwerkelements enthält, ist nicht festgelegt. Letzte Variante ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die vorübergehende Identität (zu deren Verwendung die Mobilstation ausgelegt sein muss) zumindest einen Teil des Netzwerkelement-Identifikators enthält und dies dazu dient, die Übergabe beim Routingbereich-Wechsel zu verbessern, denn dies beschränkt die Möglichkeiten der Zusammensetzung der Funkruf-Identität nicht.
210 Der Gegenstand des Anspruchs ist ferner nicht auf die konkrete Ausgestaltung des Ausführungsbeispiels aus Abs. 57 ff. beschränkt. Die dortige Besonderheit, dass die Einzigartigkeit der Funkruf-Identität dadurch bewerkstelligt wird, dass sie keine Teile des Netzwerkelemente-Identifikators (NEI) enthält, sondern als Zufallszahl gebildet wird, hat keinen Niederschlag im Anspruch gefunden. Zwar stützt sich der Gegenstand des Anspruchs auf dieses Ausführungsbeispiel, wie sich den Ausführungen des Patentgerichts zur Zulässigkeit der Anspruchsfassung entnehmen lässt. Der Anspruch selbst enthält die konkrete Ausgestaltung jedoch nicht. Vielmehr abstrahiert er von dem konkreten Ausführungsbeispiel. Ohne Bedeutung für die Auslegung ist, ob die abstraktere Anspruchsfassung zu einer unzulässig erweiterten Anspruchsfassung führt. Ungeachtet dessen dürfte dies nicht der Fall sein, weil der Fachmann die Verallgemeinerungen unmittelbar und eindeutig dem (nach dem Patentgericht bereits in den Anmeldeunterlagen enthaltenen) Ausführungsbeispiel als erfindungsgemäßen Lehre entnehmen dürfte, denn für die angestrebte Vermeidung von Funkrufen mit unterschiedlichen Identitäten kommt es nicht entscheidend auf die Ausgestaltung des konkreten Ausführungsbeispiels, sondern darauf an, dass im Funkruf-Bereich eine dort einzigartige Identität für einen Funkruf, die Funkruf-Identität, verwendet wird.
211 Da die Einzigartigkeit auf Seiten des zuweisenden Netzwerks bewerkstelligt werden muss, ergibt sich hieraus ohnehin keine Einschränkung für den Gegenstand des eine Mobilstation betreffenden Anspruchs 13.
212 7. Soweit die Mobilstation dazu ausgelegt sein muss, nur einen Teil der vorübergehenden Identität (TLLI) in Verbindung mit Funkrufen (paging) zu verwenden, bedürfen sowohl das Teilmerkmal des Verwendens in Verbindung mit Funkrufen als auch das Teilmerkmal „nur eines Teils der vorübergehenden Identität“ näherer Betrachtung.
213 a) Für eine Verwendung genügt bereits, dass die Mobilstation so ausgelegt ist, dass sie bei einem Funkruf, der nur einen Teil ihrer vorübergehenden Identität für ihre Ansprache verwendet, erkennt, dass sie mit einem Funkruf angesprochen wird (ebenso iE PGU S. 20).
214 Der Patentanspruch legt die Art und Weise der Verwendung nicht näher fest. Weitere Festlegungen lassen sich auch nicht der Beschreibung und den Entscheidungsgründen des patentgerichtlichen Urteils entnehmen. Damit genügt wie bei Merkmal b jede Verwendung.
215 Insbesondere müssen von mehreren denkbaren Verwendungen nicht alle möglich sein, vielmehr genügt die Realisierung einer von ihnen. Dies wird dadurch bestätigt, dass im konkreten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel die Funkruf-Antwort mit der erweiterten vorübergehenden Identität und nicht mit der Funkruf-Identität erfolgen soll (Abs. 58). Umgekehrt schließt dieses Ausführungsbeispiel nicht aus, dass die Funkruf-Antwort ggf. mit einem Teil der vorübergehenden Identität erfolgt, was indes im Streitfall dahinstehen kann.
216 Wie die Mobilstation die Verwendung eines Teils der vorübergehenden Identität technisch bewerkstelligt, ist im Anspruch ebenfalls nicht festgelegt. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob sie den Funkruf prüft, indem sie hierzu die gesamte bei ihr abgespeicherte vorübergehende Identität oder nur ihren relevanten Teil ausliest und mit dem Funkruf vergleicht, oder auf den relevanten Teil zurückgreift, der zu diesem Zweck in einem ihrer Speicher gesondert abgespeichert oder ihr gesondert übersandt worden ist.
217 b) Ob der verwendete Teil der vorübergehenden Identität einen Netzwerkelement-Identifikator umfassen darf, kann dahinstehen, denn hieraus ergäben sich wiederum keine Anforderungen an die Ausgestaltung der Mobilstation.
218 Der Patentanspruch erfordert schon seinem Wortlaut nach weder eine Analyse der Zusammensetzung des verwendeten Teils der vorübergehenden Identität noch eine Reaktion auf eine bestimmte Zusammensetzung. Für das Funktionieren einer anspruchsgemäßen Mobilstation ist die Zusammensetzung des verwendeten Teils der vorübergehenden Identität unerheblich. Zwar muss die Mobilstation die vorübergehende Identität auswerten, um den zu verwendenden Teil zu ermitteln. Der zu verwendende Teil muss auch in Verbindung mit Funkrufen verwendet werden. Wie sich der verwendete Teil zusammensetzt, wird aber von der Mobilstation nach dem Anspruchswortlaut nicht ermittelt. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass die Mobilstation in der Lage ist, vorübergehende Identitäten von mehreren Netzwerkelementen zu erhalten und hieraus jeweils einen Teil im Zusammenhang mit Funkrufen zu verwenden, der den Netzwerkelemente-Identifikator des zuweisenden Netzwerkelements enthält. Es gelten die Ausführungen zur Einzigartigkeit der Funkruf-Identität entsprechend.
219 8. Auch die weiteren Besonderheiten des Ausführungsbeispiels aus Abs. 57 ff., wie der Umstand, dass eine noch nicht registrierte Mobilstation zur Vermeidung von Kollisionen mit ihrer erweiterten vorübergehenden Identität gepaged wird, haben keinen Niederschlag im abstrahierenden Anspruch gefunden. Die obigen Ausführungen zu den Besonderheiten des konkreten Ausführungsbeispiels gelten entsprechend.
220 9. Ohne Bedeutung für die Auslegung ist, ob das Patentgericht auf ihrer Grundlage das Klagepatent als durch NK9 neuheitsschädlich vorweggenommen hätte ansehen müssen, wie die Beklagten meinen.
221 Die hiesige Auslegung weicht nicht von der des Patentgerichts ab, das gerade solche Anforderungen an die vorübergehende Identität, die keine Reaktion der Mobilstation erfordern, als nicht einschränkend für den Gegenstand des Anspruchs angesehen hat (vgl. zu dem im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Hauptantrag PGU, S. 18 bis S. 20, S. 21 f.).
222 Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass die Auslegung zur Neuheitsschädlichkeit der NK9 führen würde. Dass NK9 eine Ansammlung von verschiedenen Identitäten kennt, genügt hierfür nicht. Die Beklagten legen nicht dar, dass der vom Patentgericht als vorübergehende Identität herangezogene Parameter in NK9 Bestandteil einer übergreifenden vorübergehenden Identität wäre. Daher ist nicht offenbart, nur einen Teil der vorübergehenden Identität für den Funkruf zu verwenden.
B.
223 Mit diesem Verständnis machen die angegriffenen Ausführungsformen von Anspruch 13 wortsinngemäß unmittelbar Gebrauch, weil sie nach dem LTE-Standard funktionieren und deshalb dazu ausgelegt sind, die vom den Netzwerkeinrichtungen gemäß dem LTE-Standard zur Verfügung gestellten Informationen zu verwenden. Diese Informationen, die die angegriffenen Ausführungsformen gemäß ihrer Auslegung verwenden können muss, sind nach dem Standard wortsinngemäß gemäß der Lehre des Anspruchs 13 des Klagepatents beschaffen. Zu diesem Ergebnis ist das Landgericht mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen gelangt. Die von der Berufung gerügten Mängel greifen weder hinsichtlich der Patentauslegung noch hinsichtlich der Verletzungssubsumption durch.
224 1. Zutreffend hat das Landgericht die GUTI (Globally Unique Temporary UE Identity) als vorübergehende Identität i.S.d. Anspruchs angesehen.
225 a) Die GUTI ist eine vorübergehende Identität der Mobilstation, wie der Name bereits besagt und sich im Übrigen aus Anlage K 6a, Ziffer 2.8.1ergibt („The purpose of the GUTI is to provide an unambiguous identification of the UE that does not reveal the UE or the user’s permanent identity in the evolved packet system (EPS). It also allows the identification of the MME and network. It can be used by the network and the UE to establish the UE’s identity during signalling between them in the EPS)“), denn sie stellt eine unverwechselbare Identifikation der Mobilstation im Verhältnis zum Netzwerkelement zur Verfügung.
226 Wie ausgeführt steht es der Verwirklichung von Merkmal b nicht entgegen, dass die vorübergehende Identität, die das Mobilgerät aufgrund seiner Auslegung verwenden kann, weitere Elemente enthält, die über das für eine Identifizierung im Bereich eines Netzwerkelements Erforderliche hinausgehen und u.U. eine Identifizierung auch außerhalb dieses Bereichs erlauben. Ebenso ist unerheblich, dass die GUTI Bestandteile enthalten mag, die für einen Wechsel zwischen Netzwerken verschiedener Mobilfunkgenerationen benötigt werden.
227 b) Die GUTI wird der Mobilstation durch ein Netzwerkelement zugewiesen, welches das Landgericht zu Recht und unbeanstandet in der Mobility Management Entity (MME) gesehen hat (Anlage K6b, Ziff. 5.2.2: „The MME shall allocate the Globally Unique Temporary Identity (GUTI) to the UE “; K 6b, Ziff. 5.3.7: „The MME may initiate the GUTI Reallocation procedure to reallocate the GUTI [...]“; Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The GUTI has two main components: one that uniquely identifies the MME which allocated the GUTI; and one that uniquely identifies the UE within the MME that allocated the GUTI. Within the MME, the mobile shall be identified by the M-TMSI.“). Zweifel an der Einordnung des MME als Netzwerkelement sind nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.
228 c) Die GUTI enthält den Netzwerkelement-Identifikator, wie sich aus der Möglichkeit der Identifizierung nicht nur der Mobilstation, sondern auch des MME aus der GUTI (vgl. vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The purpose of the GUTI is to provide an unambiguous identification of the UE that does not reveal the UE or the user’s permanent identity in the Evolved Packet System (EPS). It also allows the identification of the MME and network.”), aber auch aus der unstreitigen Zusammensetzung der GUTI nach Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1 ergibt, die den Mobility Management Entity Identifier (MMEI) der zuweisenden MME enthält
229 GUTI = GUMMEI (Globally Unique MME Identifier) + M-TMSI (M-Temporary Mobile Subscriber Identity) mit
230 GUMMEI = MCC (Mobile Country Code) + MNC (Mobile Network Code) + MMEI (Mobility Management Entity Identifier) und
231 MMEI = MME Group ID (MMEGI) + MME Code (MMEC),
232 so dass sich insgesamt ergibt:
233 GUTI = MCC + MNC + MME Group ID + MME Code + M-TMSI
234 d) Die GUTI enthält als einen Bestandteil ferner eine Funkruf-Identität, nämlich die shortened TMSI (S-TMSI), die aus den in ihr enthaltenen Parametern MMEI und M-TSMI gebildet wird (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1:„The S-TMSI shall be constructed from the MMEC and the M-TMSI“)).
235 Die S-TMSI wird im Standard als Identität bei Funkrufen benutzt (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „For paging purposes, the mobile is paged with the S-TMSI“; Ziff. 2.9: „The S-TMSI is the shortened form of the GUTI to enable more efficient radio signalling procedures (e.g. paging and Service Request)“). Nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts ist die Verwendung als Funkruf-Identität unstreitig.
236 e) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, welche Identität im LTE-Standard der vorübergehenden Identität TLLI aus dem GSM/GPRS-Standard, anhand dessen die Klagepatentschrift die Erfindung beispielhaft erläutert, am nächsten kommt. Vielmehr ist allein entscheidend, ob die GUTI des LTE-Standards unter den Anspruch fällt. Deshalb ist allein der LTE-Standard mit dem Gegenstand des Anspruchs zu vergleichen. Wie ausgeführt, ist der Anspruch nicht auf die konkrete Ausgestaltung mit dem TLLI beschränkt.
237 2. Die S-TMSI ist im Übrigen für jede Mobilstation in dem betreffenden Funkrufbereich in dem Sinne einzigartig, dass verschiedene Mobilstationen nicht dieselbe S-TMSI haben. Wie oben ausgeführt, kommt es hierauf aber nicht an, da sich hieraus keine über die Fähigkeit zur Verwendung solcher einzigartigen Identitäten hinausgehenden Anforderungen an die Ausgestaltung einer Mobilstation ergeben (vgl. oben zweiten Halbsatz des Merkmals b2 [d]).
238 a) Mit dem Landgericht entsprechen einem merkmalsgemäßen Funkruf-Bereich eine oder mehrere „Tracking Areas“ im Standard.
239 Dies folgt zum einen aus Ziff. 4.3.5.2 der Anlage K 6b, der das Mobility Management, das dazu dient, die gegenwärtige Position der Mobilstation innerhalb des Netzes nachzuvollziehen (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.2), im Ruhezustand der Mobilstation (ECM-IDLE state mit ECM für EPS Connection Management und mit EPS für Evolved Packet System; vgl. Anlage K 6b, S. 13)) betrifft:
240 „The location of a UE in ECM-IDLE state is known by the network on a Tracking Area List granularity. A UE in ECM-IDLE state is paged in all cells of the Tracking Areas in which it is currently registered. The UE may be registered in multiple Tracking Areas. All the tracking areas in a Tracking Area List to which a UE is registered are served by the same serving MME.“
241 Ebenso aus Ziff. 4.3.5.3 der Anlage K 6b:
242 „Tracking Area list management comprises the functions to allocate and reallocate a Tracking Area Identity list to the UE. All the tracking areas in a Tracking Area List to which a UE is registered are served by the same serving MME.” (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.3)
243 Demnach kann die Mobilstation in mehreren tracking areas gleichzeitig registriert sein. Alle registrierten tracking areas werden in einer Tracking-Area-List geführt, so dass der Aufenthaltsort mit der Genauigkeit auf der Ebene der Tracking Area List bekannt ist. Alle Tracking Areas der Liste werden durch dieselbe serving MME bedient. Wie das Landgericht unbeanstandet und zutreffend festgestellt hat, ruft die MME die Mobilstation in all ihren tracking areas, in denen die Mobilstation registriert ist und zu denen die nächstliegende Annahme ist, dass sich die Mobilstation noch in einer dieser tracking areas befindet.
244 Nach den zutreffenden und nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts wird diese grundsätzliche Vorgehensweise hinsichtlich des Zuschnitts der Funkruf-Bereiche für konkrete andere Anwendungsfälle im Standard wiederholt, beispielsweise für den Fall eines eingehenden Anrufs für die Mobilstation im Ruhemodus (vgl. Anlage K 6c, S. 19) oder für den Network triggered Service Request, bei der ebenfalls die Mobilstation im ECM-IDLE state signalisiert werden soll (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 5.3.4.3). Entsprechend dem dargestellten Zuschnitt der Funkruf-Bereiche sendet in diesem Fall die MME eine Paging Nachricht an jede eNodeB einer oder mehrere tracking areas, in welchen die Mobilstation registriert ist (vgl. Anlage K 6b, S. 86, Nr. 3a). Die jeweilige eNodeB sendet sodann die Paging Nachricht an die Mobilstation weiter (vgl. Anlage K 6b, S. 86, Nr. 4a).
245 b) Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht weiter eine Einzigartigkeit der Funkruf-Identität festgestellt, wenn nur eine tracking area vorhanden ist („The IE S-TMSI contains an S-Temporary Mobile Subscriber Identity, a temporary UE identity provided by the EPC which uniquely identifies the UE within the tracking area […]“ vgl. Anlage K 6d, S. 168).
246 c) Wie das Landgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, ist die Einzigartigkeit im Funkruf-Bereich des Standards aber auch dann gewährleistet, wenn der Funkruf-Bereich mehrere „tracking areas“ umfasst.
247 Denn die S-TMSI als anspruchsgemäße Funkruf-Identität setzt sich aus dem MME Code der MME und der M-TMSI der Mobilstation zusammen. Da die M-TMSI die Mobilstation einzigartig im Bereich einer MME identifiziert (Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The GUTI has two main components: one that uniquely identifies the MME which allocated the GUTI; and one that uniquely identifies the UE within the MME that allocated the GUTI. Within the MME, the mobile shall be identified by the M-TMSI.“) und die registrierten tracking areas nach den obenstehenden Zitaten aus Ziff. 4.3.5.2 und 4.3.5.3 der Anlage K 6b von einer serving MME bedient werden, ist auch der S-TMSI einzigartig, weil der MME-Code für die MME einzigartig ist.
248 Zwar kann in sog. MME Pool Areas (vgl. Anlage K 6b, Ziff. 3.1) eine Mobilstation parallel von mehr als nur einer MME bedient werden. In solchen MME Pool Areas ist aber der MME Code jeder MME einzigartig (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „The Operator shall need to ensure that the MMEC is unique within the MME Pool area and, if overlapping Pool areas are in use, unique within the area of overlapping MME pools.“). Jede MME einer MME Pool Area hat damit einen anderen MME Code. Selbst falls zwei unterschiedliche MME jeweils in ihrem Bereich einer Mobilstation zufällig dieselbe M-TMSI zuweisen sollten, wäre die S-TMSI beider Mobilstationen immer noch unterschiedlich, weil diese sich in ihrem Bestandteil des MME Codes unterscheiden.
249 Mit dem Operator, der die Einzigartigkeit der MME Codes in MME Pool Areas sicherzustellen hat, ist der Betreiber des betreffenden Netzwerks gemeint. Ob und ggf. auf welche Weise sichergestellt wird, dass sich die S-TMSI von der aus anderen Netzwerken unterscheidet, bedarf keiner Beantwortung, denn die anspruchsgemäße Einzigartigkeit bezieht sich auf den Funkruf-Bereich eines einzelnen Netzwerks. Die Beklagten machen zudem selbst geltend, dass eine zufällige Vergabe von gleichen Bezeichnern für Mobilstation und Netzwerkelement in Netzwerken unterschiedlicher Betreiber das Funktionieren der Netzwerke nicht beeinträchtige, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb der Anspruch sich über das Netzwerk eines Betreibers hinaus erstrecken und damit beschränken sollte.
250 3. Wie ausgeführt, sieht der Anspruch nicht vor, dass die Mobilstation nur auf eine einzige Funkruf-Identität achten dürfte, selbst wenn der Funkruf-Bereich von mehreren Netzwerkelementen bedient wird.
251 a) Es kann daher dahinstehen, ob die Mobilstation im Standard in einem Funkruf-Bereich nur über eine einzige Funkruf-Identität verfügt, selbst wenn er von mehreren MME bedient wird.
252 Allerdings ergäbe sich dies noch nicht aus dem oben angesprochenen Abschnitt Ziff. 2.8.1 aus Anlage K 6a. Zwar ist demnach im MME Pool Area eines Netzwerks die Funkruf-Identität einer Mobilstation einzigartig in dem Sinne, dass zwei Mobilstation nicht dieselbe T-TSMI haben. Es ist aber zumindest zweifelhaft, ob eine Mobilstation nur über eine einzige Funkruf-Identität im MME Pool Area verfügte. Da die Funkruf-Identität S-TSMI auf diesem Gebiet den MME Code (der Teil des MME-Identifikators (MMEI) ist) enthält und sichergestellt ist, dass der MME Code der Netzwerkelemente, die dieses Gebiet bedienen, einzigartig ist, verfügt die Mobilstation auf dem nämlichen Gebiet offenbar über so viele Identitäten (S-TSMIs), wie es das Gebiet bedienende MME gibt. Zwar wird die Mobilstation für alle Tracking Areas, in denen sie registriert wird, von nur einer serving MME bedient (Anlage K 6b, Ziff. 4.3.5.2, Ziff. 4.3.5.3), so dass sie insoweit nur eine S-TMSI als Funkruf-Identität haben dürfte. Allerdings können sich mehrere MME-Pool Areas überschneiden. Ob auch in diesem Fall die Mobilstation nur mit einer S-TMSI gerufen wird, vermag der Senat nicht zu sagen. Jedenfalls im Bereich von einer einzigen MME zugeordneten tracking areas, soweit er sich nicht mit den Bereichen anderer MME überschneidet, hätte die Mobilstation eine einzige Funkruf-Identität S-TSMI, denn insoweit werden die überschneidungsfreien tracking areas aus der Tracking Area List der Mobilstation nur von einer einzigen MME, der serving MME, bedient (vgl. die obenstehenden Zitate aus Anlage K 6b Ziff. 4.3.5.2 und Ziff. 4.3.5.3).
253 b) Wie dargelegt, stellt das Vorhandensein nur einer Funkruf-Identität im Funkruf-Bereich keine besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung einer anspruchsgemäßen Mobilstation, denn eine Mobilstation, die auf mehrere Funkruf-Identitäten hören kann, kann auch hören, wenn sie nur mit einer einzigen gerufen wird.
254 Abgesehen davon setzt auch der Standard voraus, dass eine standardgemäße Mobilstation damit umgehen können muss, wenn sie im Funkruf-Bereich nur mit einer einzigen Funkruf-Identität gerufen wird. Dies ergibt sich zum einen aus den soeben behandelten Beschreibungsstellen aus Anlage K 6b Ziff. 4.3.5.2 und 4.3.5.3, die eine solche Konstellation nicht ausschließen. Unabhängig davon ergibt sich dies aber auch aus der Definition der MME Pool Area selbst (vgl. Anlage K 6b Ziff. 3.1):
3.1 Definitions
For the purposes of the present document, the terms and definitions given in TR 21.905 [I] and the following apply. A term defined in the present document takes precedence over the definition of the same term, if any, in TR 21.905 [1].
MME Pool Area: An MME Pool Area is defined as an area within which a UE may be served without need to change the serving MME. An MME Pool Area is served by one or more MMEs ("pool of MMEs") in parallel. MME Pool Areas are a collection of complete Tracking Areas. MME Pool Areas may overlapeach other.
255 Kann mithin der Fall eintreten, dass eine MME Pool Area keine Überschneidung zu anderen aufweist und nur von einer serving MME bedient wird, wird die Mobilstation dort zwangsläufig nur von einer einzigen MME bedient und nur mit einer einzigen S-TMSI gerufen und muss damit umgehen können.
256 4. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die Mobilstation nach dem Standard dazu ausgelegt ist, nur die Funkruf-Identität S-TMSI als Teil der vorübergehenden Identität GUTI in Verbindung mit Funkrufen zu verwenden, und damit Merkmal c [e] ebenfalls verwirklicht ist.
257 Da die Mobilstation im Standard mit der S-TMSI gerufen („gepaged“) wird (vgl. Anlage K 6a, Ziff. 2.8.1: „For paging purposes, the mobile is paged with the S-TMSI“), muss sie in der Lage sein, diesen Anruf als sie betreffend zu erkennen und auf ihn entsprechend dem Netzwerkprotokoll zu reagieren. Wie ausgeführt, liegt bereits hierin eine anspruchsgemäße, auf ihrer Ausgestaltung beruhende Eignung, nur einen Teil der vorübergehenden Identität in Verbindung mit Funkrufen zu verwenden. Ob die Mobilstation hierzu ihre GUTI als vorübergehende Identität vollständig ausliest oder nur den Teil, der die S-TMSI enthält, oder ob sie die aus der GUTI extrahierte S-TMSI separat gespeichert vorhält oder separat empfängt, um einen Vergleich mit den empfangenen Paging-Signalen durchzuführen, ist wie ausgeführt für die Anspruchsverwirklichung unerheblich. Insbesondere genügt es, dass „beim „Paging“ … zunächst auf den Speicherort des GUTI zugegriffen und dann relativ zum Beginn des Speicherortes des GUTI aus dem Octet 9 <MME Code> und Octet 10-13 <M-TMSI> der S-TMSI zusammengesetzt [wird], um ihn mit dem im Rahmen der „Paging“-Anfrage empfangenen Bezeichner vergleichen zu können“, wie die Beklagten nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts vorgetragen haben.
C.
258 Die Rechte aus dem Klagepatent sind nicht durch die Vereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin [A.] und [...] erschöpft. In der Vereinbarung kann weder eine Lizenz noch eine sonstige Zustimmung zum Inverkehrbringen von Mobiltelefonen oder Chipsätzen gesehen werden.
259 1. Dem Vortrag der Beklagten und der vorgelegten Pressemitteilung (Anlage [...]B 8) lässt sich allenfalls ein sog. „Covenant not to sue“ zwischen [A.] und [...] entnehmen, das nur direkte Klagen gegen [...] erfasst.
260 2. Eine solche Vereinbarung hat nicht die Wirkung einer Lizenz oder einer sonstigen Zustimmung zum Inverkehrbringen.
261 Die Wirkungen eines Schutzrechts beurteilen sich nach dem Territorialprinzip nach dem Statut seines Schutzlands. Zu diesen Wirkungen gehört auch die Frage, welche Auswirkung eine (hier mutmaßlich) nach ausländischem Recht getroffene Vereinbarung auf die Rechte aus dem Schutzrecht hat, insbesondere welche Anforderungen an eine solche Vereinbarung zu stellen sind, damit sie eine Suspendierung der Rechte aus dem Schutzrecht bewirkt.
262 Einer bloßen Vereinbarung, den Vertragspartner nicht wegen Patentverletzung in Anspruch zu nehmen, mag nach anderen Rechtsordnungen die Bedeutung einer Freilizenz zukommen. Im Hinblick auf die Wirkungen eines deutschem Recht unterliegenden Schutzrechts genügt eine solche Vereinbarung indes für die Annahme einer materiell-rechtlichen Lizenz regelmäßig nicht. Ebenso kann ihr regelmäßig nicht die materiell-rechtliche Zustimmung zum Inverkehrbringen von Erzeugnissen entnommen werden. Vielmehr geht ihre Wirkung mit Blick auf ein deutschem Recht unterliegendes Schutzrecht grundsätzlich nicht über ein prozessuales Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) hinaus.
263 Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben nichts vorgebracht, was zu einer anderen Beurteilung führen würde. Allein der Hinweis, die Vereinbarung wäre hinfällig, wenn nicht auch potentielle Abnehmer von [...] in ihren Genuss kämen, genügt hierfür nicht. Es kann durchaus ein Interesse des Chipherstellers daran bestehen, die Chipsätze ungestört von gegen ihn gerichteten Klage herstellen und vertreiben zu können, ohne den Abnehmern die Möglichkeit zu verschaffen, ihrerseits Mobiltelefone mit diesen Chipsätzen patentfrei herstellen und vertreiben zu können.
264 3. Anhaltspunkte dafür, dass das Stillhalteabkommen auch Klagen gegen Abnehmer erfasst, sind nicht ersichtlich. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist jedenfalls nicht dargetan, weshalb die an der Vereinbarung nicht beteiligten Beklagten hieraus Rechte für sich ableiten können sollten.
D.
265 Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht der Klägerin die geltend gemachten, aus der Patentverletzung folgenden Ansprüche dem Grunde nach zugesprochen. Die Berufung erinnert hiergegen bis auf eine gerügte fehlende Verantwortlichkeit des Beklagten zu 3 nichts. Zwar hat das Landgericht dessen Verantwortlichkeit, anders als die Berufung meint, zutreffend bejaht. Die Berufung des Beklagten zu 3 hat jedoch insoweit Erfolg, als sie gestützt auf sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung bei den übrigen Beklagten einen Wegfall des gegen ihn gerichteten Unterlassungsanspruchs und eine zeitliche Beschränkung seiner Verpflichtung zur Auskunft/Rechnung und zur Leistung von Schadensersatz geltend macht. Demgegenüber sind durch den mittlerweile eingetretenen Schutzrechtsablauf bis dahin entstandene Ansprüche gegen die Beklagten aus der Patentverletzung nicht weggefallen.
266 1. Entgegen der Berufung hat das Landgericht eine Verantwortlichkeit dem Grunde nach des Beklagten zu 3 zutreffend bejaht.
267 a) Technische Schutzrechte sind typischerweise einer gesteigerten Gefährdungslage ausgesetzt. Daher sind in Unternehmen, die technische Erzeugnisse im Inland herstellen oder – wie die Beklagten zu 1 und 2 – in den inländischen Markt einführen und damit eine Gefahrenquelle für die Verletzung inländischer technischer Schutzrechte unterhalten, deren Geschäftsleiter oder Mitarbeiter, die für die Steuerung derjenigen Unternehmenstätigkeit verantwortlich sind, aus der sich die Gefahrenlage für das Schutzrecht ergibt, aufgrund ihrer tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmenstätigkeit im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um eine Verletzung von inländischen Patentrechten zu verhindern (vgl. BGHZ 208, 182 = GRUR 2016, 257 Rn. 113 - Glasfasern II).
268 Ist es zu einer schuldhaften Pflichtverletzung gekommen, ist regelmäßig von einer persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters auszugehen, ohne dass der Verletzte, obwohl ihm grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt, grundsätzlich zu näherem Vortrag zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters gehalten ist. Daher und in Ermangelung einer Einsicht des Verletzten in die internen Abläufe und die interne Organisation des verletzenden Unternehmens obliegt dessen Geschäftsführer vielmehr eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wie er den ihm obliegenden Pflichten nachgekommen ist. Hierbei hat er gegebenenfalls insbesondere darzulegen, weshalb er keinen Anlass hatte, sich eine Entscheidung über die angegriffenen Handlungen vorzubehalten und welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Schutzrechtsverletzung durch Mitarbeiter des Unternehmens zu verhindern (BGHZ 208, 182 = GRUR 2016, 257 Rn. 119 f. - Glasfasern II).
269 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auf dem Gebiet des Mobilfunks, auf dem es eine Vielzahl von Schutzrechten gibt, mit dem Landgericht weder der Sorgfaltsmaßstab herabgesetzt noch entfällt die Regelvermutung für die Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters. Dabei kann dahinstehen, ob die gesteigerte Komplexität des technischen Gebiets und der Schutzrechtslage sogar zu besonders hohen Sorgfaltsanforderungen führt. Zwar ist in Anbetracht der großen Zahl von SEP, aus denen wie vorliegend ein Standard besteht, nicht sicher, dass der Verletzer eines SEP zwangsläufig weiß, dass er die Lehre eines rechtsbeständigen und standardessenziellen Patents benutzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Patentinhaber, der eine FRAND-Verpflichtungserklärung abgegeben hat und dem eine marktbeherrschende Stellung zukommt, die Obliegenheit aufzuerlegen, den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hinzuweisen und dabei das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben, auf welche Weise es verletzt worden sein soll (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 61 f. - Huawei ./. ZTE). Diese Erwägungen betreffen aber allein die Frage, unter welchen Umständen ein SEP-Inhaber seine marktbeherrschende Stellung nicht missbraucht. Sie rechtfertigen es nicht, den Sorgfaltsmaßstab herabzusetzen, und führen nicht dazu, dass eine etwaige Unkenntnis von der Verletzung als nicht fahrlässig zu werten wäre. Dies gilt umso mehr, als Ansprüche auf Schadensersatz einem Marktzugang nicht entgegenstehen und daher ihre Durchsetzbarkeit nicht berührt wird (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 74 - Huawei ./. ZTE). Zwar trifft zu, dass es angesichts der Vielzahl von Patenten, von denen insbesondere im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik ein Produkt betroffen sein kann, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann, sich einen vollständigen und zuverlässigen Überblick über sämtliche relevanten Schutzrechte zu verschaffen. Dieses Informationsdefizit liegt jedoch nicht im Verhalten des Patentinhabers begründet und rechtfertigt deshalb eine Abweichung von dem sonst geltenden Sorgfaltsmaßstab nicht (BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 109 – FRAND-Einwand).
270 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das verletzende Unternehmen – wie im Streitfall die Beklagte zu 2 – von einem ausländischen Rechtsträger getragen wird. Die zur Verantwortlichkeit führende Garantenpflicht besteht unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Organpflichten. Sie wird bereits durch das aus einem deutschen Recht unterliegenden Schutzrecht erwachsende Gebot begründet, durch organisatorische Vorkehrungen in einem Unternehmen dafür Sorge zu tragen, dass dort keine Schutzrechtsverletzungen begangen werden. Insoweit richtet sich daher die Verantwortlichkeit entsprechend dem Schutzlandprinzip für ein deutsches Schutzrecht und für den ihm gleichstehenden Teil eines europäischen Patents nach deutschem Recht und gilt auch dann, wenn das verletzende Unternehmen von einem ausländischen Rechtsträger getragen wird. Das ausländische Institut ist nur insoweit von Bedeutung, als der in Anspruch genommenen Geschäftsleiter die rechtlichen Möglichkeiten haben muss, den Geschäftsbetrieb im oben dargestellten Sinne zu organisieren oder eine solche Organisation zu überwachen.
271 b) Demnach ist das Landgericht zu Recht von einer Verantwortlichkeit dem Grunde nach des Beklagten zu 3 ausgegangen.
272 Der Beklagte zu 3 hat keine konkreten organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen vorgetragen. Insbesondere hat er nicht dargelegt, durch welche konkrete Anweisung die Prüfung der Schutzrechtslage vor der Belieferung des inländischen Markts sichergestellt ist. Der Vortrag erschöpft sich vielmehr darin, dass der Beklagte zu 3 im Unternehmen eine Rechtsabteilung mit in Patentsachen kundigen Mitarbeitern, z.B. Herrn [...] als Senior IP Legal Counsel, unterhalte und zusätzlich einen leitenden Juristen (General Counsel) beschäftige, Sachverhalte, die im Zusammenhang mit Patenten stünden, ausnahmslos der Rechtsabteilung vorgelegt und bei Bedarf mit dem General Counsel besprochen würden sowie die Geschäftsleitung alle wesentlichen Geschäftsentscheidungen zum Vertrieb der von den Beklagten weder entwickelten noch hergestellten angegriffenen Ausführungsformen in enger Zusammenarbeit mit den angestellten Juristen treffe und deren Empfehlung zur Grundlage ihrer Entscheidung mache.
273 Dass bei der Beklagten zu 2 nicht der Beklagte zu 3 als [Organmitglied], sondern ein [...] Tätigkeiten der Geschäftsführung ausübe, wie es nach [...]schem Recht möglich sei, steht der Verantwortlichkeit des Beklagten zu 3 als [Organmitglied] der Beklagten zu 2 nicht entgegen. Der Beklagte macht nicht hinreichend geltend, dass ihm damit die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit genommen wäre, Vorkehrungen gegen Schutzrechtsverletzungen sicherzustellen und zu überwachen. Unabhängig davon genügt für seine Verantwortlichkeit seine Geschäftsführerstellung in der Beklagten zu 1.
274 Eine rechtliche Verantwortlichkeit ist auch nicht wegen der angeblichen Entscheidungsbefugnisse der [...]ischen Muttergesellschaft ausgeschlossen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Kap D Rn. 234). Insoweit haben die Beklagten vorgebracht, dass über die technische Ausgestaltung und den Vertrieb der Produkte allein die [...]ische Muttergesellschaft entscheide, die Beklagten zu 1 und zu 2 würden die in den Produkten enthaltenen technischen Lösung nicht kennen. Der Beklagte zu 3 habe keinen Einfluss, welche Produkte mit welcher technischen Lösung durch die Beklagten verkauft würden. Dieser Vortrag bestätigt sogar umgekehrt, dass der Beklagte zu 3 seinen Organisationspflichten zur Vermeidung von Schutzrechtsverletzungen nicht nachgekommen ist. Ein Unternehmen und dessen Geschäftsleiter können sich nicht dadurch der Verantwortung für Patentverletzungen entziehen, dass sie die in den von ihnen vertriebenen Produkten enthaltene Technologie nicht zur Kenntnis nehmen und stattdessen nur Anweisungen der Muttergesellschaft ausführen, ohne darzulegen, wie sie sicherstellen, dass die Muttergesellschaft eine Verletzung von Schutzrechten vermeidet.
275 2. Mit Erfolg wendet sich die Berufung allerdings dagegen, dass das Landgericht den Beklagten zu 3 trotz seines Ausscheidens bei den Beklagten zu 1 und 2 zur Unterlassung verurteilt hat sowie dessen ausgesprochene Verpflichtung zur Auskunfts-/Rechnungslegung und dessen festgestellte Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz nicht auf Handlungen bis zum 18.09.2018, dem Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten zu 1, zeitlich beschränkt hat. Eine weitergehende Einschränkung aufgrund seines möglicherweise früheren Ausscheidens bei der Beklagten zu 2 ist demgegenüber nicht veranlasst.
276 a) Mit dem Ausscheiden des Beklagten zu 3 aus der Geschäftsleitung der Beklagten zu 1, der zeitlich nach dessen Ausscheiden bei der Beklagten zu 2 lag, endet dessen Verantwortlichkeit für die von diesen Gesellschaften begangenen Patentverletzungen. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin macht nicht geltend, dass der Beklagte zu 3 danach in anderer, aber ebenfalls verantwortlicher Leitungsfunktion bei den Beklagten zu 1 oder 2 weiter beschäftigt gewesen wäre. Sie legt auch nicht konkret dar, dass der Beklagte zu 3 bei der Beklagten zu 2 länger als bei der Beklagten zu 1, bei der sich dessen Ausscheiden aus dem Handelsregisterauszug ergibt, in leitender Funktion tätig gewesen wäre, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich seine Amtszeit bei der Beklagten zu 2 aus Anlage [...] B 36 ergibt. Dahinstehen kann auch, ob es für das Ende der Verantwortlichkeit bei einer deutschen Gesellschaft auf die Handelsregistereintragung oder auf das ggf. schon davor erfolgte Ausscheiden aus der Geschäftsführung ankommt, denn die Beklagten machen selbst nur ein Ausscheiden mit Wirkung zum 18.09.2018 (Berufungsbegründung, S. 203), mithin dem Zeitpunkt der Registereintragung (Anlage B [...] 35), geltend. Mit dem Ende der Tätigkeit in leitender Position endet regelmäßig auch die Haftung für danach im Unternehmen begangene Patentverletzungen.
277 b) Mit Erfolg macht die Berufung geltend, dass der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 aufgrund dessen (bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vollzogenen) Ausscheiden bei den Beklagten zu 1 und 2 kein Unterlassungsanspruch mehr zustand. Durch das Ausscheiden ist die für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch erforderliche und wegen der begangenen Rechtsverletzung zu vermutende Wiederholungsgefahr entfallen.
278 Eine Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen berührt die Wiederholungsgefahr zwar nur dann, wenn durch sie jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 625 Rn. 23 -Fruchtextrakt). Hierfür muss im Fall des Ausscheidens eines für die Verletzung verantwortlichen Geschäftsleiters auszuschließen sein, dass er seine Verletzungshandlungen als Einzelkaufmann oder als Verantwortlicher eines anderen Unternehmens so oder im Kern in gleicher Weise fortführt oder wiederaufnehmen wird (vgl. zu diesen Kriterien BGH, GRUR 2009, 845 Rn. 47 – Internet-Videorecorder). Ist der Verletzer erstinstanzlich wegen Patentverletzung zur Unterlassung verurteilt worden und das Klagepatent in der Zwischenzeit infolge Zeitablaufs erloschen, ist für die Beurteilung nach den genannten Kriterien der Zeitraum bis zum Ablauf des Klagepatents maßgeblich.
279 Demnach ist beim Beklagten zu 3 infolge seines Ausscheidens eine Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die die Wiederholungsgefahr entfallen lässt. Es ist nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte zu 3 danach eine patentverletzende Tätigkeit fortgeführt hätte; es ist ferner auszuschließen gewesen ist, dass er eine solche Tätigkeit wiederaufnehmen wird. Der Beklagte zu 3 ist nicht Träger des Geschäftsmodells der Beklagten, sondern deren Geschäfte werden nach dem nicht erheblich in Abrede gestellten Beklagtenvortrag maßgeblich von der [...]ischen [...] gesteuert. Wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen vorgebracht haben, hat der Beklagte zu 3 nicht nur seine Leitungsämter bei den übrigen Beklagten niedergelegt, sondern hat deren Unternehmensgruppe überhaupt verlassen. Es ist nicht ersichtlich, wie er danach in der Lage gewesen sein soll, eine patentverletzende Tätigkeit weiterzuführen. Hierzu hat die angesichts dieser tatsächlichen Verhältnisse mit einer sekundären Darlegungslast belastete Klägerin nichts Konkretes vorgebracht.
280 c) Wie die Berufung des Beklagten zu 3 zu Recht geltend gemacht, ist seine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz und zur vorbereitenden Auskunftserteilung/Rechnungslegung auf Verletzungshandlungen bis einschließlich zum Tag seines Ausscheidens beschränkt.
281 aa) Verpflichtungen des ehemaligen Geschäftsleiters zur Auskunft/Rechnungslegung und zur Leistung von Schadensersatz kommen für erst nach seinem Ausscheiden begangene Verletzungshandlungen des Unternehmens grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Zwar mag eine von ihm während seiner Amtszeit zu verantwortende nicht genügende Unternehmensorganisation über den Zeitpunkt seines Ausscheidens hinaus fortwirken und zu weiteren Patentverletzungen durch das Unternehmen führen. Da ein Geschäftsleiter nach seinem Ausscheiden aber keinen Einfluss mehr auf die Unternehmensorganisation hat, können ihm solche Verletzungen regelmäßig nicht mehr ohne weiteres angelastet werden. Besondere Umstände, weshalb vorliegend etwas Anderes gelten sollte, sind nicht vorgebracht und auch sonst nicht ersichtlich.
282 Demgegenüber führt das Ausscheiden regelmäßig nicht zum Wegfall von Auskunfts-/ Rechnungslegungsverpflichtungen für davor vom Unternehmen begangene Patentverletzungen. Dafür, dass der Beklagte nach seinem Ausscheiden tatsächlich nicht mehr in der Lage wäre, Auskunftsverpflichtungen nachzukommen, ist nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich.
283 bb) Das zeitlich frühere Ausscheidens des Beklagten zu 3 bei der Beklagten zu 2 führt nicht zu einer weiteren zeitlichen Einschränkung der aus deren Benutzungshandlungen erwachsenden Verpflichtungen des Beklagten zu 3 zu Rechnungslegung/Auskunft und Schadensersatz. Die Beklagten zu 1 und 2 vertreiben gemeinsam angegriffene Ausführungsformen in Deutschland. Sie begehen die Patentverletzungen daher nicht als Nebentäter unabhängig voneinander. Daher sind die Handlungen der Beklagten zu 2 der Beklagten zu 1 zuzurechnen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017 – I-2 U 39/16 –, juris Rn. 140).
284 3. Der Schutzrechtsablauf lässt die für davorliegende Zeiträume bereits entstandenen Ansprüche aus der Patentverletzung nicht entfallen.
285 a) Auch ohne ausdrückliche Aufnahme in den Tenor sind zugesprochene Ansprüche aus einer Patentverletzung auf künftige Benutzungshandlungen beschränkt, die vor dem Zeitpunkt des Erlöschens des Schutzrechts infolge des Ablaufs der gesetzlichen Maximalschutzdauer vorgenommen worden sind. Für das angefochtene Urteil gilt nichts Anderes.
286 Der Senat hat gleichwohl die zeitliche Beschränkung klarstellend im Tenor des Berufungsurteils ausgesprochen.
287 b) Dahinstehen kann, ob das Auslaufen des erstinstanzlich ausgesprochenen Unterlassungsgebots infolge des nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug eingetretenen Schutzrechtsablaufs insoweit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verteidigung und Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils entfallen lassen kann. Jedenfalls dann, wenn das Unterlassungsgebot wie im Streitfall vollstreckt worden ist (vgl. Schreiben zur Einleitung der Vollstreckung vom 16.09.2019, Anlage AG 5, Sonderband Zwangsvollstreckung), ist dies zu verneinen.
288 c) Der Schutzrechtsablauf lässt im Streitfall die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen nicht entfallen, die wie oben ausgeführt auch ohne ausdrückliche Einschränkung auf Erzeugnisse beschränkt sind, die bereits vor dem Schutzrechtsablauf Gegenstand von Verletzungshandlungen des Verletzers gewesen sind (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 105 - FRAND-Einwand). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Schutzrechtsablaufs solche Ansprüche ausnahmsweise unverhältnismäßig wären (§ 140a Abs. 4 PatG), haben die Beklagten nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
E.
289 Entgegen der Auffassung der Berufung steht der Durchsetzbarkeit der Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen für Verletzungshandlungen bis zum Schutzrechtsablauf der kartellrechtliche Zwangslizenz-/ FRAND-Einwand nicht entgegen.
290 1. Das Landgericht ist zu Recht von einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin aufgrund der Inhaberschaft am standardessentiellen Klagepatent ausgegangen. Ihre Berufungserwiderung erinnert hiergegen nichts.
291 Dass die marktbeherrschende Stellung mit dem Schutzrechtsablauf weggefallen ist, ändert nichts daran, dass die zugesprochenen Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen (fortan auch: kartellrechtlich gebundene Ansprüche) für davorliegende Verletzungshandlungen anhand der sich aus der damals noch bestehenden marktbeherrschenden Stellung ergebenden kartellrechtlichen Vorgaben zu beurteilen sind.
292 2. Die Klägerin hat die Beklagten ausreichend über die Patentverletzung informiert, wobei eine Information der Beklagten zu 2 genügte (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 89 -FRAND-Einwand).
293 a) Nach dem Zweck des Hinweises, den Verletzer auf den Verletzungstatbestand und die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Lizenznahme aufmerksam zu machen, genügt hierfür, dass das Patent bezeichnet und angegeben wird, in welcher konkreten Handlung die Verletzung bestehen soll. Letzteres erfordert die Bezeichnung der Art der Verletzungshandlung sowie der angegriffenen Ausführungsformen. Detaillierter technischer oder rechtlicher Erläuterungen des Verletzungsvorwurfs bedarf es nicht; der Verletzer muss nur in die Lage versetzt werden, sich – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe oder durch Einholung von Rechtsrat – ein Bild von der Berechtigung des Patentverletzungsvorwurfs zu machen. Die in der Praxis verbreitete Darlegung des Verletzungsvorwurfs anhand von „Claim Charts“ ist regelmäßig ausreichend, aber nicht zwingend geboten (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 85 - FRAND-Einwand).
294 Bietet der Patentinhaber einer Portfolio-Lizenz an, gelten für die Darlegung der Benutzung der Portfoliopatente durch die angegriffenen Ausführungsformen entsprechende Informationsobliegenheiten (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 98 - FRAND-Einwand).
295 Wie der Senat bereits entschieden hat, können beide Parteien ihre Obliegenheiten grundsätzlich noch im anhängigen Rechtsstreit nachholen (GRUR 2020, 166 Rn. 116 ff. – Datenpaketverarbeitung).
296 b) Demnach hat die Klägerin die Beklagten ausreichend auf die Verletzung des Klagepatents hingewiesen und auch das angebotene Portfolio hinreichend erläutert.
297 aa) Auf die Verletzung des Klagepatents hat die Klägerin unstreitig hingewiesen. Die von den Beklagten insoweit vermisste vorgerichtliche Vorlage eines Claim Charts zum Klagepatent war hierzu nicht erforderlich. Ungeachtet dessen liegt jedenfalls in der zunächst nur auf Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz und auf Auskunft/Rechnungslegung gerichteten Klage ein Verletzungshinweis.
298 bb) Zwar rügen sie im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Zusammensetzung des [...]-Patentpools, in der Broschüre zum [...]-Pool (Anlage K 10c) seien in einer Spalte lediglich Patentnummern vermeintlich relevanter Patente angegeben und in einer weiteren Spalte Nummern einzelner Abschnitte verschiedener Standarddokumente, nicht hingegen seien wie bei einem Claim Chart Anspruchsmerkmale konkret im Standard vorgegebenen Merkmalen gegenübergestellt, so dass es nicht möglich sei, eine behauptete Standardessentialität mit vertretbarem Aufwand zu prüfen. Die geforderte tiefgehende Erläuterung ist nach dem Vorstehenden jedoch nicht erforderlich.
299 3. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist das gesamte vorgerichtliche und gerichtliche Verhalten der Beklagten auf eine Verzögerung der Verhandlungen angelegt gewesen. Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung bestehen nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Bei Würdigung ihres gesamten Verhaltens gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die Beklagten zu 1 und 2 (fortan auch kurz „die Beklagten“) nicht ernsthaft lizenzwillig sind, sondern seit Jahren versuchen, den Rechtsstreit bis zum Ablauf des Klagepatents (was ihnen gelungen ist) zu verzögern und darüber hinaus eine Lizenznahme an dem Patentportfolio der Klägerin möglichst lange hinauszuschieben, um weiterhin zumindest Teile des Portfolios zu benutzen, ohne hierfür zugleich eine Lizenzgebühr zu zahlen, um sich hieraus wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.
300 a) Für die Beurteilung, ob ein Verhalten des Lizenzsuchers eine Lizenzwilligkeit zum Ausdruck bringt oder der Verzögerung des Abschlusses eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen dient, lässt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten.
301 aa) Für die je nach Verhalten des SEP-Inhabers zu fordernde Lizenzbereitschaftserklärung des Lizenzsuchers genügt die Bekundung einer allgemeinen Lizenzwilligkeit nicht. Vielmehr muss sich der Lizenzsucher klar und eindeutig bereit erklären, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie auch immer FRAND-Bedingungen tatsächlich aussehen mögen (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 83, 95 – FRAND-Einwand). Diese Erklärung muss ernsthaft und vorbehaltlos sein. Eine fehlende Ernsthaftigkeit kann sich aus der Gesamtwürdigung der Umstände, insbesondere dem Verhalten des Lizenzsuchers ergeben. Bloße Lippenbekenntnisse genügen nicht.
302 Bei der vom Verletzer zu fordernden Lizenzwilligkeit handelt es sich nicht um eine statische Haltung, die nach ihrer Verneinung oder Bejahung für einen bestimmten Zeitraum fortan unveränderlich fortbestünde. Vielmehr muss sich der Lizenzsucher stets lizenzwillig erweisen und zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken (BGH, GRUR 2020, 166 Rn. 83). Andernfalls wären die hierauf aufbauenden Verhandlungen Makulatur. Da ein Verletzer ein Interesse daran haben kann, den Abschluss eines Lizenzvertrags ggf. bis zum Ablauf des Klagepatents hinauszuzögern, muss ausgeschlossen werden, dass seine Verhandlungsführung der Verzögerung dient, und nicht dem zielgerichteten Abschluss eines Lizenzvertrags. Besondere Bedeutung kommt im diesem Zusammenhang der Frage zu, wie sich ein lizenzwilliger Lizenzsucher verhalten würde.
303 Einem lizenzwilligen redlichen Lizenzsucher ginge es nicht darum, eine Lizenznahme möglichst weit hinauszuschieben, um den Zeitraum bis zum Ablauf des Klagepatents zu überbrücken oder eine Belastung mit Lizenzgebühren möglichst lange zu vermeiden. Er hätte vielmehr ein Interesse daran, möglichst zügig eine Lizenz zu erhalten, um den Zeitraum abzukürzen, in dem er das Klagepatent oder das Patentportfolio mit dem Klagepatent unberechtigt, jedenfalls aber ohne Zahlung einer Vergütung nutzt. Er würde die den SEP-Inhaber treffenden Verhandlungsobliegenheiten nicht in erster Linie als probates Mittel begreifen, um sich gegen eine Patentverletzungsklage zu verteidigen, sondern würde auf deren Erfüllung drängen, soweit er sie benötigt, um einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu verhandeln.
304 Entgegen der Ansicht der Beklagten werden hierdurch die Anforderungen an den Verletzer nicht über das vom EuGH in der Entscheidung Huawei ./. ZTE (GRUR 2015, 764) vorgesehene Maß hinaus überspannt. Vielmehr stellt der EuGH ebenfalls auf den Willen des Verletzers ab, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen (aaO, Rn. 63), und betont, dass der Verletzer keine Verzögerungstaktik verfolgen darf (aaO Rn. 65). Zwar erwähnt der EuGH eine Verzögerungstaktik nur im Zusammenhang damit ausdrücklich, dass die gebotene Reaktion des Verletzers mit Sorgfalt auf das Lizenzangebot des SEP-Inhabers impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird. Hierauf ist das Gebot, keine Verzögerungstaktik zu verfolgen, indes nicht beschränkt, sondern gilt für den Verletzer, der bis zum Abschluss eines Lizenzvertrags das Patent unberechtigt, jedenfalls ohne Gegenleistung nutzt, durchgehend. Nur in diesem Fall ist es gerechtfertigt, den Unterlassungsanspruch des Patentinhabers, der keinen Anspruch gegen den Verletzer auf Abschluss eines Lizenzvertrags hat, zu suspendieren. In diesem Sinne trifft den Lizenzsucher auch unterhalb der Schwelle, ggf. zur Abgabe eines Gegenangebots gehalten zu sein, grundsätzlich die Obliegenheit, an Lizenzvertragsverhandlungen zielgerichtet mitzuwirken.
305 Allerdings kann aus einer zögerlichen Mitwirkung des Lizenzsuchers nicht ausnahmslos auf dessen fehlende ernsthafte Bereitschaft, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingun-gen abzuschließen, geschlossen werden. Vielmehr kann ein solches Verhalten im Einzelfall als noch zulässige Reaktion auf ein Verhalten des SEP-Inhabers gerechtfertigt sein, der sich seinerseits einer zielgerichteten Mitwirkung entzieht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Lizenzsucher gegen eine verzögerte Erfüllung der Obliegenheiten durch den Patentinhaber durch die Suspendierung der kartellrechtlich gebundenen Ansprüche für den Zeitraum der Verzögerung und die Zeitspanne, die er für eine angemessene Reaktion benötigt, hinreichend geschützt ist, während dem Patentinhaber, der keinen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrag hat, keine andere Möglichkeit bleibt, als einem Lizenzsucher, der den Abschluss der Lizenzverhandlungen mit Blick auf die begrenzte Laufzeit der Schutzrechte mit einer Verzögerungstaktik hinausschiebt, durch die Geltendmachung der genannten Ansprüche die Benutzung des Klagepatents verbieten zu lassen. Daher muss der Lizenzsucher regelmäßig auch auf eine verspätete Erfüllung der Obliegenheiten durch den SEP-Inhaber zügig reagieren. Ferner muss er dem SEP-Inhaber grundsätzlich frühzeitig etwaige Beanstandungen mitteilen und darf sie nicht für eine spätere Verwendung in einem Rechtsstreit aufsparen.
306 bb) Für die Beurteilung, ob ein Lizenzvertragsangebot FRAND-Bedingungen entspricht und welche Obliegenheiten eines Lizenzsuchers im Hinblick auf ein Lizenzvertragsangebot des Patentinhabers gelten, sind nach Auffassung des Senats die folgenden Grundsätze maßgeblich.
307 (1) Der Senat folgt der – soweit ersichtlich – deutlich überwiegenden Auffassung, dass FRAND-Konformität grundsätzlich für eine gewisse Bandbreite von Lizenzbedingungen und nicht nur für ein einziges punktuelles Ergebnis besteht, FRAND also einen „Korridor“ (von Lizenzhöhe und Lizenzbedingungen) betrifft, der – insbesondere mit den unbestimmten Konzepten von Fairness und Angemessenheit – Spielräume belässt, die nicht unter einem starren Ansatz zu prüfen sind. Insbesondere wird der FRAND-Inhalt in der Regel unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls im Rahmen von bilateralen Verhandlungen zwischen Patentinhabern und Patentnutzern konkretisiert, die nach dem Grundsatz des guten Willens durchgeführt werden, zumal die in gutem Glauben verhandelnden Parteien einer SEP-Lizenzvereinbarung am ehesten in der Lage sind, die für ihre jeweilige Situation geeignetsten FRAND-Bedingungen zu bestimmen (vgl. Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 106 mwN - Datenpaketverarbeitung).
308 (2) Zur Erfüllung seiner Obliegenheit, dem lizenzwilligen angeblichen Verletzer ein Lizenzangebot zu unterbreiten, das FRAND-Bedingungen entspricht, genügt es in der Regel, dass der SEP-Inhaber ein Angebot unterbreitet, das im Allgemeinen FRAND-Anforde-rungen genügt, also für den durchschnittlichen Lizenznehmer nicht unangemessen bzw. ausbeuterisch (Fair & Reasonable) und nicht diskriminierend ist. Seinen hierauf bezogenen Erläuterungsobliegenheiten entspricht der Patentinhaber, wenn er dieses Angebot in einer Art und Weise erläutert, die den konkreten Lizenzsucher dazu in die Lage versetzt, nachzuvollziehen, auf welchen nachvollziehbaren Erwägungen die Höhe der Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen beruhen und weshalb der SEP-Inhaber die Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen als nicht ausbeuterisch und nicht diskriminierend erachtet.
309 Die Obliegenheit eines SEP-Inhabers, der sich gegenüber der Standardisierungsorganisation zur Erteilung von Lizenzen zu FRAND-Bedingungen verpflichtet hat, ein Lizenzangebot zu unterbreiten, das FRAND-Bedingungen entspricht, und dieses zu erläutern, folgt daraus, dass von ihm ein solches Angebot erwartet werden kann, weil er regelmäßig in der besseren Lage als der Lizenzsucher ist zu beurteilen und darzulegen, was FRAND-Bedingungen entspricht. Diese Obliegenheit des SEP-Inhabers mag zugleich vermeiden, dass der Lizenzsucher, der auf die Nutzung des Schutzrechts (anders als in Bereichen ohne Standardisierung) unausweichlich angewiesen, auf einer unzureichenden Informationsgrundlage ein eigenes Lizenzvertragsangebot abgeben müsste, um die in der FRAND-Zusage ausgelobte und kartellrechtlich gebotene Verpflichtung des SEP-Inhabers, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, einzufordern. Andernfalls mag zudem die Gefahr bestehen, dass dieses Angebot des Lizenzsuchers aufgrund der unzureichenden Informationsgrundlage und dem Bestreben, den Marktzugang sicherzustellen und insoweit kein Risiko einzugehen, zu Lasten des Lizenzsuchers zu ungünstig ausfallen mag. Ebenso mag es denkbar sein, dass der Lizenzsucher aufgrund einer unzureichenden Informationslage die FRAND-Anforderungen verkennt und zunächst ein zu niedriges, dann aber nach einer Inanspruchnahme auf Unterlassung ein zu hohes Angebot abgibt. Die beschriebenen Gefahren mögen geeignet sein, eine Verzerrung der Preise für Lizenzen an einem SEP zu bewirken.
310 Ein erstes Angebot des SEP-Inhabers erachtet der EuGH gerade dann für erforderlich, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht sind (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 64 – Huawei Technologies / ZTE). Dementsprechend muss es genügen, wenn der Patentinhaber einen solchen Standardlizenzvertrag zwar nicht veröffentlicht, ihn einem Lizenzsucher aber anbietet und ihm gegenüber im oben dargestellten Sinn erläutert. Damit ist dem Anliegen genüge getan, dem Lizenzsucher die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Lizenzangebot im Allgemeinen FRAND-Bedingungen genügt und ob in seinem Fall eine andere Gestaltung geboten ist, weil etwaige bei ihm zu beachtende Besonderheiten dazu führen, dass sich ein im Allgemeinen nicht zu beanstandendes Lizenzangebot in seinem Fall als ausbeuterisch oder diskriminierend auswirkt. Hierdurch wird der einzelne Lizenzsucher in die Lage versetzt, auf informierter Grundlage ein eigenes Gegenangebot zu unterbreiten, das auf seiner Seite bestehenden, beachtlichen Besonderheiten Rechnung trägt. Eines weiteren Schutzes des Lizenzsuchers bedarf es nicht. Insbesondere kann der Lizenzsucher aufgrund der FRAND-Verpflichtungserklärung des Patentinhabers nicht erwarten, dass der Patentinhaber sein Lizenzangebot, das die Verhandlungen erst in Gang bringen und den Lizenzsucher zu einer Verhandlung auf hinreichender Informationsgrundlage befähigen soll, individuell an bei jedem Lizenzsucher im Einzelfall bestehende Besonderheiten anpasst, obwohl der Lizenzsucher aufgrund der erhaltenen Informationen unschwer selbst in der Lage ist, erforderliche Änderungen in Form eines Gegenangebots vorzuschlagen, wenn er der Auffassung ist, dass die angebotene Lizenzvereinbarung seiner besonderen Situation nicht angemessen ist.
311 (3) Die Obliegenheit des Lizenzsuchers, falls er das Angebot des Patentinhabers nicht annimmt, diesem ein Gegenangebot zu unterbreiten, das FRAND-Bedingungen genügt, besteht jedenfalls schon dann, wenn das Lizenzangebot des Patentinhabers nicht klar und eindeutig FRAND-widrig ist und der Patentinhaber den Lizenzsucher durch die Erläuterung seines Angebots und der von ihm behaupteten FRAND-Gemäßheit der Bedingungen in die Lage versetzt hat, seinerseits ein Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten.
312 Der Senat (NZKart 2016, 334 [juris Rn. 36]; Beschluss vom 08.09.2016 - 6 U 58/16, juris Rn. 53, 57) hat diese Frage im Rahmen von Beschlüssen nach §§ 707, 719 ZPO bisher offengelassen. Er ist dabei allerdings davon ausgegangen, dass sich das Verletzungsgericht, sollte es hierauf ankommen, bei der Beurteilung der Frage, ob ein Angebot des Patentinhabers FRAND-Bedingungen entspricht, nicht auf eine summarische Prüfung (im Sinn einer negativen Evidenzkontrolle) beschränken darf (NZKart 2016, 334 [juris Rn. 30 ff]; Beschluss vom 08.09.2016 - 6 U 58/16, juris Rn. 49 ff). Das Oberlandesgericht Düsseldorf, das eine solche Evidenzkontrolle ebenfalls ablehnt, hat darüber hinaus entschieden, dass nur ein FRAND-gemäßes Angebot des Patentinhabers die sich an das Angebot anschließenden weiteren Obliegenheiten des Lizenzsuchers auslöst (OLG Düsseldorf, NZKart 2016, 139 [juris Rn. 21 ff] mwN; Beschluss vom 17.11.2016 - I-15 U 66/15, juris Rn. 13 ff.).
313 Nach Auffassung des Senats sind die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entwickelten Verhandlungsobliegenheiten der Parteien (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 -Huawei Technologies / ZTE) kein Selbstzweck, sondern sollen die Parteien dazu anhalten, im Verhandlungswege eine Einigung über die Bedingungen der Lizenzierung zu erzielen. Sie mögen überdies den Lizenzsucher wie erwähnt davor schützen, auf einer nicht hinreichenden Informationsgrundlage ein eigenes Angebot unterbreiten zu müssen.
314 Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vorstellungen der Parteien darüber, was FRAND-Bedingungen sind, häufig divergieren. Es würde die Verhandlungen zum Erliegen bringen, wenn der Lizenzsucher nur deshalb nicht auf ein Lizenzangebot des Patentinhabers reagieren müsste, weil es den FRAND-Bedingungen nicht entspricht, obwohl der Patentinhaber den Lizenzsucher durch hinreichende Informationen dazu in den Stand gesetzt hat, seinerseits ein FRAND-Angebot zu unterbreiten. In diesem Fall ist das Informationsdefizit auf Seiten des Lizenzsuchers ausgeglichen, das es rechtfertigt, dem SEP-Inhaber die Obliegenheit aufzuerlegen, das erste Angebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten und zu erläutern. Allenfalls dann, wenn das Angebot des Patentinhabers klar und eindeutig von FRAND-Bedingungen abweicht, kann der Lizenzsucher hieraus schließen, dass ein weiteres Bemühen um eine FRAND-Lizenz nicht erfolgsversprechend ist, sondern der Patentinhaber kraft seiner marktbeherrschenden Stellung entgegen seiner FRAND-Verpflichtungserklärung nicht FRAND-gemäße Bedingungen durchzusetzen trachtet.
315 In diesem Verständnis sieht sich der Senat durch die Ausführungen des EuGH in Rn. 66 seiner Entscheidung Huawei ./. ZTE (GRUR 2015, 764) bestätigt, wonach sich der angebliche Verletzer, wenn er das ihm unterbreitete Angebot nicht annimmt, nur auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage berufen kann, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht. Diese Obliegenheit knüpft der Gerichtshof allein an die Ablehnung des Angebots, ohne sie weiter davon abhängig zu machen, dass das Angebot des Patentinhabers FRAND-Bedingungen genügt. Gegen das Hineinlesen einer solchen Bedingung spricht, dass sich der Lizenzsucher nur bei einem Gegenangebot auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage berufen kann. Dies schließt den Fall ein, dass sich ein missbräuchlicher Charakter aus der fehlenden FRAND-Gemäßheit des Lizenzangebots des Patentinhabers ergibt (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 21.08.2020 – 2 O 136/18, juris Rn. 178).
316 (4) Unabhängig davon, ob ein Lizenzvertragsangebot vonseiten des SEP-Inhabers eine Obliegenheit des Lizenzsuchers auslöst, ein Gegenangebot zu unterbreiten, ist der Lizenzsucher regelmäßig gehalten, sich mit einem Angebot des SEP-Inhabers ohne Verzögerung zumindest auseinanderzusetzen sowie zumindest seine Beanstandungen, seine Rückfragen und seinen sich aus dem Angebot ggf. ergebenden Informationsbedarf zügig gegenüber dem SEP-Inhaber niederzulegen.
317 Keinesfalls darf er sich seine Kritikpunkte aufsparen, um sie später im Verletzungsstreit gegen den SEP-Inhaber zu wenden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich das Lizenzvertragsangebot des SEP-Inhabers nicht in einem Ausmaß als nicht FRAND erweist, das den Schluss zulässt, der SEP-Inhaber verweigere sich grundlegend und endgültig einer Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen, so dass ein Bemühen um eine FRAND-Lizenz und jede Auseinandersetzung mit dem Angebot sinnlos sind.
318 Wie ausgeführt, wäre ein lizenzwilliger redlicher Lizenzsucher an einer möglichst zügigen Lizenzerteilung interessiert und würde sich daher ohne Verzögerung mit einem Lizenzvertragsangebot der beschriebenen Art auseinandersetzen. Er würde die den SEP-Inhaber treffenden Verhandlungsobliegenheiten nicht in erster Linie als probates Mittel begreifen, um sich gegen eine Patentverletzungsklage zu verteidigen, sondern als Hilfsmittel, um die ausgelobte Verpflichtung des SEP-Inhabers durchzusetzen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen.
319 Wie erwähnt mag die Obliegenheit des SEP-Inhabers, ein Lizenzangebot zu unterbreiten, das FRAND-Bedingungen entspricht, sowie die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr und die Umstände zu erläutern, aufgrund derer er von einem Angebot zu FRAND-Bedingungen ausgeht, den Lizenzsucher überdies davor schützen, auf einer nicht hinreichenden Informationsgrundlage ein eigenes Angebot unterbreiten zu müssen, um die Zusage einer Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen einzufordern. Verletzt der SEP-Inhaber seine Obliegenheiten, ist aber auch unter diesem Gesichtspunkt eine Suspendierung anderer Mitwirkungsobliegenheiten des Lizenzsuchers als der Abgabe eines Gegenangebots regelmäßig weder erforderlich noch angezeigt.
320 b) Nach diesen Maßgaben sind die Beklagten nicht lizenzwillig, sondern versuchen, durch eine Verzögerung der Lizenzvertragsverhandlungen den Abschluss einer Lizenzvereinbarung möglichst lange hinauszuschieben.
321 aa) Es fällt bereits auf, dass die Beklagten vornehmlich Ereignisse im Verletzungsstreit zum Anlass genommen haben, nennenswerte Aktivitäten in den Lizenzvertragsverhandlungen zu entfalten. Ein lizenzwilliger Lizenzsucher würde sich demgegenüber unabhängig von der Einleitung gerichtlicher Schritte und unabhängig vom Verlauf des Rechtsstreits um eine Lizenz bemühen. Auch sonst sprechen die Abläufe dafür, dass es den Beklagten zumindest vornehmlich um die Verzögerung der Verhandlung gegangen ist.
322 (1) So korreliert bereits das Gegenangebot der Beklagten vom 11.11.2016 (Anlage [...] B 7) auffällig mit der mit Schriftsatz vom 04.10.2016 erfolgten Erweiterung der (zunächst nur) gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage um Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf/Entfernen aus den Vertriebswegen.
323 (2) Mit Schriftsatz vom 16.02.2017 teilte die Beklagte dann wenige Tage vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 20.02.2017 mit, dass sie entsprechend ihres Gegenangebots Auskünfte erteilt und durch Hinterlegungsantrag vom 15.02.2017 beim Amtsgericht Mannheim Sicherheit i.H.v. [...] € geleistet habe (Anlage [...] B 14). Weitere Auskünfte gemäß dem Gegenangebot erteilte die Beklagte nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts vor dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2019 ebenso wenig, wie sie keine weiteren Beträge für ihre fortlaufende Nutzung der patentierten Technologie leistete.
324 Es kann dahinstehen, ob die Beklagten zum damaligen Zeitpunkt bereits die Obliegenheit zur Unterbreitung eines Gegenangebots, zur Leistung einer Sicherheit und zur Auskunftserteilung getroffen hat. Ein lizenzwilliger Lizenzsucher hätte, wenn er solche Maßnahmen mit ernsten Absichten und nicht nur aus taktischen Gründen unternimmt, jedenfalls nicht bis kurz vor der mündlichen Verhandlung zugewartet. Ein lizenzwilliger Lizenznehmer, dem es nicht allein um prozesstaktisches Verhalten geht, hätte zudem einmal erteilte Auskünfte laufend fortgeschrieben und die Sicherheit angepasst. Erst nach der letzten erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung haben die Beklagten die Auskunft aktualisiert (Anlage [...] B 50) und um eine Auskunft über die gesamten Verkäufe der Beklagten, die bisher in Deutschland bis einschließlich 30.06.2019 überhaupt stattgefunden haben, ergänzt (Anlage [...] B 50a). Offenbar geschah dies unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlungen und zur Abwendung einer Verurteilung.
325 (3) Auf das nachgebesserte Angebot vom 08.11.2017 (Anlage [...] B 28) reagierten die Beklagten zunächst ebenfalls nicht, sondern unstreitig erst auf die Erinnerung der Klägerin vom 09.02.2018 (Anlage K 10) mit der Androhung, die Beklagte zu 2 als lizenzunwillig und die Verhandlungen als gescheitert anzusehen, meldeten sich die Beklagten nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin mit E-Mail vom 16.02.2018 mit der Forderung nach weiteren Claim Charts und der Ankündigung, mehr Zeit zu benötigen.
326 Wiederum kann dahinstehen, ob es den Beklagten oblegen hätte, auf das geänderte Angebot mit einem Gegenangebot zu reagieren. Jedenfalls hätte ein lizenzwilliger Lizenznehmer sich früher und von sich aus gemeldet.
327 Darüber hinaus deutet die Forderung nach weiteren Claim Charts ebenfalls auf eine Verzögerungstaktik hin.
328 (4) Auf das [...]-Angebot vom 26.06.2018 (Anlage K 10b) haben die Beklagten ebenfalls unstreitig nicht zeitnah reagiert, sondern erst mit E-Mail vom 15.10.2018 (Anlage K 10f), nachdem die Klägerin insoweit abermals eine Erinnerung, nämlich mit Schreiben vom 14.09.2018 (Anlage K 10e), übersandt hatte, in der sie für den Fall der Ablehnung des Angebots eine schiedsgerichtliche Klärung der Lizenzrate anbot und ihrer Erwartung einer Antwort bis spätestens 15.10.2019 Ausdruck verlieh. In der E-Mail vom 15.10.2018 verwiesen die Beklagten auf ihr früheres Gegenangebot vom 11.11.2006 und schlugen ein Treffen im November vor. Ein neues Gegenangebot haben sie erst am 05.07.2019 nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegt. Auch dies geschah wie schon die weitere Auskunftserteilung offenbar unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, um eine drohende Verurteilung abzuwenden.
329 Wiederum kann dahinstehen, ob die Beklagten gehalten gewesen wären, auf das [...]-Angebot mit einem Gegenangebot zu reagieren. Ein lizenzwilliger Lizenznehmer hätte nicht solange mit einer wie auch immer gearteten Reaktion abgewartet und zumindest die Hinderungsgründe zeitnah mitgeteilt. Hinderungsgründe, nämlich eine angebliche Personalknappheit, haben die Beklagten in anderem Zusammenhang, nämlich für das Follow up zum Treffen im [...] am 15.11.2018, erstmals mit E-Mail vom 10.01.2019 (Anlage K 10l) geäußert. Eine Begründung für die zunächst ausgebliebene Reaktion auf das [...]-Angebot haben die Beklagten nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts mit Ausnahme der vorgenannten E-Mail erst im Schriftsatz vom 05.07.2019 vorgebracht.
330 Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass die dort angeführten Hinderungsgründe, nämlich die [...]schen Sommerferien und eine angebliche Personalknappheit, die Verzögerung nicht rechtfertigen, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb damals noch nicht einmal eine kurze Reaktion mit Hinweis auf angebliche Schwierigkeiten erfolgen konnte. Dass Hinderungsgründe, wie das Landgericht unbeanstandet offensichtlich mit Blick auf die bereits erörterte E-Mail vom 10.01.2019 (Anlage K 10l) festgestellt hat, erst mehr als ein halbes Jahr später vorgebracht wurden, lassen sie zudem als vorgeschoben erscheinen. Jedenfalls hätte ein lizenzwilliger Lizenzsucher, dem es nicht um Zeitgewinn geht, etwaige Hinderungsgründe sofort mitgeteilt.
331 (5) Auch der Umstand, dass sich die Beklagten nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts erstmals im Schriftsatz vom 05.07.2019 zu dem [...]-Angebot schriftsätzlich äußerten und ihre Kritikpunkte niederlegten, entspricht nicht dem Verhalten eines lizenzwilligen Lizenznehmers, dem es nicht auf eine Verzögerung ankommt.
332 Soweit sich die Beklagten auf den Standpunkt stellen, sie hätten ihre Kritikpunkt nicht schriftsätzlich vorbringen müssen, solange sich die Klägerin nicht prozessual auf das [...]-Angebot berufen habe, verkennen sie – unabhängig davon, dass sie prozessual die Darlegungs- und Beweislast für den FRAND-Einwand tragen -, dass es in ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen nicht darum geht, wer gerichtlich zu welchem Zeitpunkt welchen Umstand vorzutragen hat, sondern darum, etwaige Kritikpunkte ohne Verzögerungstaktik in die Verhandlungen einzubringen.
333 (6) Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagten nach dem Treffen am 15.11.2018 in [...] den Gesprächsfaden wieder haben abreißen lassen und nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts auf das von der Klägerin vorgeschlagene NDA trotz mehrfacher Nachfrage der Klägerin in den Monaten November 2018 bis Januar 2019 nicht eingegangen sind, insbesondere auch nicht mitgeteilt haben, weshalb sie das vorgeschlagene NDA nicht unterzeichnen können. Nach den Feststellungen des Landgerichts sind etwaige Hintergründe gegen die Unterzeichnung des NDA erstmals im Zuge der mündlichen Verhandlung vage angedeutet (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung) und sodann konkret erst im Schriftsatz vom 5. Juli 2019 ausgeführt worden. Dass sie ihre Kritikpunkte hinreichend konkret bereits zuvor außergerichtlich schriftlich oder per E-Mail als Reaktion auf die Nachfragen der Klägerin vorgebracht hätten, behaupten die Beklagten nicht.
334 Es kann dahinstehen, ob einzelne Kritikpunkte am vorgeschlagenen NDA bereits während des Treffens am 15.11.2018 geäußert worden sind. Von einem lizenzwilligen Lizenzsucher, dem es nicht um eine Verzögerung der Verhandlungen und ein Taktieren geht, wäre zu erwarten gewesen, dass er etwaige Kritikpunkte an dem vorgeschlagenen NDA zügig, spätestens nach den Nachfragen, schriftlich oder per E-Mail vorbringt und nicht für die mündliche Verhandlung im Verletzungsstreit mehr als ein halbes Jahr später aufspart, um sie gegen die Klägerin zu wenden.
335 (7) Die fehlende Lizenzwilligkeit äußert sich ferner darin, dass die Beklagten zu 1 und 2 versucht haben, die Vollstreckung des angefochtenen Urteils zu behindern, was ihnen auch teilweise gelungen ist (vgl. Sonderband ZV I + II). Um die Vollstreckung zumindest hinauszuzögern, haben die Beklagten zu 1 und zu 2 am 22. Juli 2019, mithin nach der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, eine Prozessvollmacht unterzeichnet, die eine Vertretungsmacht zum Abschluss von Bürgschaftsverträgen und eine Empfangsberechtigung zur Entgegennahme von Bürgschaftsurkunden ausdrücklich ausschließt (vgl. Sonderband ZV I + II, Anlage AG 4). Der Umstand, dass die derart beschränkte Prozessvollmacht nicht sogleich im Verfahren oder sonst gegenüber der Klägerin kundgetan wurde, sondern erst gegenüber dem Gerichtsvollzieher offengelegt wurde, der mit der Zustellung der Vollstreckungseinleitung und der Prozessbürgschaftsurkunde von der Klägerin beauftragt gewesen ist, ließ nur den Schluss zu, dass es dabei nicht darum ging, die Rechtsfrage, ob eine Prozessvollmacht wie geschehen wirksam beschränkt werden kann, zur Diskussion zu stellen, sondern allein darum, einen ersten Zwangsvollstreckungsversuch just im Moment der Zustellung zu vereiteln, so dass die Klägerin insoweit keine Reaktionsmöglichkeit mehr hatte.
336 (8) Auch der Umstand, dass die Beklagtenseite nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin das Angebot eines Gerichts in Den Haag, zu Vergleichsverhandlungen zusammenzukommen, nicht angenommen hat, unterstreicht die fehlende Lizenzbereitschaft. Selbst wenn – was die Klägerin bestreitet – parallel bereits ernsthafte Gespräche zwischen den Parteien gelaufen sein sollten, erklärt das nicht, weshalb gerichtliche Unterstützung nicht angenommen wird, zumal wenn sich die Verhandlungen bereits seit Jahren hinziehen.
337 bb) Weiter unterstreicht der Umstand, dass die Beklagten die ihnen in einem elektronischen Datenraum ab dem 02.09.2019 zur Verfügung gestellten anonymisierten Drittlizenzverträge nicht eingesehen haben, dass es ihnen nur um eine Verzögerung der Verhandlungen gegangen ist.
338 Hätten die Beklagten ein ernsthaftes Interesse an den Drittlizenzverträgen gehabt, hätten sie nicht mit dem Abschluss einer NDA-Vereinbarung so lange zugewartet. Wie ausgeführt hätte ein ernsthaft lizenzwilliger Lizenzsucher seine Kritikpunkte an der vorgeschlagenen NDA-Vereinbarung sofort schriftlich oder per E-Mail vorgebracht und sie nicht erst Monate später und allein zur Rechtsverteidigung in der mündlichen Verhandlung angedeutet und in einem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz ausgeführt. Zudem hätte ein lizenzwilliger Lizenzsucher, dem an einem Fortgang der Lizenzvertragsverhandlungen gelegen ist, sogleich einen Gegenvorschlag für ein NDA unterbreitet, das seinen Bedenken Rechnung trägt. Werden die Kritikpunkte nicht schriftlich oder per E-Mail vorgebracht, sondern erst später im Verletzungsstreit schriftsätzlich vorgetragen, liegt regelmäßig die Vermutung nahe, dass dies rein aus taktischen Gründen geschieht.
339 Dahinstehen kann, ob sich die Klägerin bereits bei dem Treffen am 15.11.2018 geweigert hat, nicht anonymisierte Drittlizenzverträge offenzulegen. Dies hätte einen am Fortgang der Verhandlungen interessierten Lizenzsucher nicht davon abgehalten, eine NDA-Vereinbarung zu verhandeln, um zumindest weitere Informationen zu den Verträgen zu erhalten.
340 Ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankäme, hat das Landgericht zum NDA zu Recht keinen Schriftsatznachlass gewährt, weil die für den kartellrechtlichen FRAND-Einwand darlegungs- und beweisbelastete Beklagtenseite Anlass hatte, hierzu bereits früher vorzutragen. Es liegt zudem auf der Hand, dass die Klägerin und ggf. ihre Lizenznehmer ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der Lizenzverträge haben.
341 Weiter bestätigt wird die Vermutung, dass die Forderung nach weitergehender Offenlegung von Drittlizenzverträgen nur vorgeschoben war, dadurch, dass die Beklagtenseite unstreitig keinen einzigen Lizenzvertrag aus dem elektronischen Datenraum eingesehen hat, sondern sich darauf beschränkt hat, den ihr angebotenen Account einzurichten. Zwar sind die elektronisch zur Verfügung gestellten Drittlizenzverträge weiterhin anonymisiert. Gleichwohl hätte ein Lizenzsucher, der ein ernsthaftes Interesses an diesen Verträgen hat, sich die Verträge und die beigefügten Erläuterungen angesehen und nicht wie die Beklagten ignoriert. Die nicht gegebene bzw. allenfalls geringe Bedeutung, die die Beklagtenseite den Drittlizenzverträgen beigemessen hat, wird weiter dadurch deutlich, dass sie es unstreitig noch nicht einmal für nötig befunden hat, ihren Prozessbevollmächtigten klar und unmissverständlich über die Zugriffsmöglichkeit auf die Drittlizenzverträge in einem elektronischen Datenraum zu informieren. Es drängt sich daher förmlich auf, dass die Forderung nach den Drittlizenzverträgen wie die frühere Forderung nach weiteren Claim Charts lediglich ein probates formales Mittel gewesen ist, die Verhandlungen zu verzögern.
342 cc) Keines der von den Beklagten angeführten angeblichen Versäumnisse der Klägerin führt zu einer anderen Beurteilung des Verhaltens der Beklagten. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ihre Verhandlungsobliegenheiten im Zusammenhang mit der Unterbreitung und Erläuterung eines Lizenzvertragsangebots zu FRAND-Bedingungen erfüllt hat, denn solche Obliegenheiten bestanden aufgrund der fehlenden ernsthaften Lizenzwilligkeit der Beklagten nicht. Unabhängig davon ist die Kritik der Beklagten vielfach nicht gerechtfertigt und rechtfertigt in keinem Fall die von der Beklagtenseite betriebene Verzögerungstaktik.
343 (1) Es kann dahinstehen, ob es zur Erläuterung der Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr ausreicht, die geforderte Lizenzgebühr in das Spektrum der von anderen Lizenzprogrammen verlangten Lizenzgebühren einzuordnen und mit diesen zu vergleichen, wie es die Klägerin zunächst nur getan hat.
344 Für die Erläuterung der Art und Weise der Berechnung genügte zumindest im Streitfall, dass sich die Klägerin in ihrer Klagereplik (S. 74 ff.) mit den Topdown-Berechnungen der Beklagten zu 1 auseinandergesetzt, die aus ihrer Sicht verfehlten Berechnungsfaktoren angesprochen und die damals verlangte Lizenzgebühr mit der Gebühr aus einer eigenen Topdown-Beispielsrechnung mit (teils) korrigierten Berechnungsfaktoren (Höchstbelastungsgrenze für LTE 20 %, Gesamtzahl der LTE-Patente von 5.000, einem eigenen Anteil hieran in Höhe von [...] %, Durchschnittsnettoverkaufspreis eines Mobiltelefons von [...] €) verglichen hat. Darauf, ob eine Berechnung im Ergebnis zutrifft, kommt es für die Zwecke der Erläuterung nicht an.
345 Selbst wenn die Ausführungen zur Erläuterung der Art und Weise nicht ausgereicht haben sollten, rechtfertigte dies nicht das verzögernde Verhalten der Beklagten. Selbst nachdem die Klägerin spätestens in der Präsentation für das Treffen am 15.11.2018 (Anlage K 10i, S. 10 ff.) und erneut im Schriftsatz vom 17.05.2019 (S. 19, 68 ff.) ihre Lizenzsätze aus dem [...]-Angebot mit einer Topdown-Berechnung ausführlicher motiviert und der eigenen Topdown-Berechnung der Beklagtenseite gegenübergestellt hat, hat die Beklagtenseite hieraus nichts abgeleitet, sondern wie dargelegt, sich über Monate trotz mehrerer Nachfragen der Klägerin nicht mehr, jedenfalls nicht mehr mit nennenswerten Beiträgen gemeldet. Dies zeigt, dass die Forderungen nach einer Erläuterung nur vorgeschoben waren, um die Verhandlungen und das Verfahren zu verzögern. Weiter bestärkt wird dies dadurch, dass die Beklagtenseite in ihrem nächsten Schriftsatz vom 08.04.2019 nicht auf das [...]-Angebot eingegangen ist und sich später auf den verfehlten Standpunkt gestellt hat, solange sich die Klägerin im Verfahren nicht auf das [...]-Angebot gestützt habe, müsse sie hierauf nicht eingehen.
346 In keinem Fall schuldete die Klägerin die geforderte kostenbasierte Berechnung einer Lizenzgebühr. Wie ausgeführt hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass die strengen Maßstäbe für Wasserversorger nicht auf einen SEP-Inhaber übertragbar sind. Die Forderung nach einer kostenbasierten Berechnung ist ersichtlich nur ein weiteres Mittel, um die Verhandlungen zu verzögern.
347 (2) Dass während des Verfahrens keine drucklose Verhandlungssituation bestanden haben mag, führt zu keiner anderen Beurteilung.
348 Zunächst teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass es für die Schaffung einer drucklosen Verhandlungssituation während eines anhängigen Verletzungsrechtsstreits ausreicht, dass das Verfahren im Hinblick auf ein anhängiges Rechtsbestandsverfahren ausgesetzt ist. Infolge der Aussetzung droht keine unmittelbare Verurteilung zur Unterlassung, Vernichtung oder zum Rückruf/endgültigen Entfernen aus den Vertriebswegen. Dies genügt jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber wie im Streitfall eine Aussetzung anregt, bevor er einen Hinweis im Rechtsbestandsverfahren mit einer ihm ungünstigen vorläufigen Beurteilung durch das Patentgericht oder das mit dem Rechtsbestand befasste Patentamt erhalten hat, denn dann hat er zu erkennen zu geben, dass er bereit ist, eine drucklose Verhandlungssituation zu schaffen.
349 Zwar mag die drucklose Verhandlungssituation bereits mit der patentgerichtlichen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren bzw. deren Mitteilung durch die Klägerin noch vor dem Treffen in [...] am 15.11.2018 geendet haben und nicht erst mit dem Vorliegen bzw. dem Einreichen der patentgerichtlichen Entscheidungsgründe. Dies suspendiert aber die Obliegenheit der Beklagten zur konstruktiven Mitwirkung an den Lizenzvertragsverhandlungen ohne Verzögerungstaktik nicht.
350 Eine nicht druckfreie Verhandlungssituation, die sich dadurch auszeichnet, dass dem Verletzer der Verlust des Marktzugangs droht, führt allenfalls dazu, dass er nicht zur Unterlassung, zur Vernichtung oder zum Rückruf/Entfernen aus den Vertriebswegen verurteilt werden kann, wenn er das Angebot des SEP-Inhaber nicht annimmt und auch kein eigenes Gegenangebot vorlegt. Das Erfordernis einer drucklosen Verhandlungssituation ist aber kein Selbstzweck, sondern soll den Verletzer nur davor schützen, einen Lizenzvertrag mit ungünstigen Bedingungen einzugehen oder unter Druck ein Gegenangebot abgeben zu müssen, das er sonst so nicht abgegeben hätte, weil ihm andernfalls droht, den Marktzugang zu verlieren. Ferner soll es den Parteien ermöglichen, ausgeglichene Lizenzvertragsverhandlungen zu führen. Darüber hinaus enthebt eine nicht druckfreie Verhandlungssituation den Verletzer jedoch nicht jeglicher anderer Mitwirkungsobliegenheiten. So wird er nicht davon entbunden, angebotene Informationen entgegen- und angebotene Informationsmöglichkeiten wahrzunehmen sowie unterbreitete Angebote zu analysieren und ggf. weiteren Erläuterungsbedarf frühzeitig anzumelden. Ein schützenswertes Interesse, diese Mitwirkungen zu unterlassen, besteht nicht, zumal der Verletzer vor einer Behinderung seines Marktzugangs durch die Suspendierung der kartellrechtlich gebundenen Ansprüche hinreichend geschützt ist. Unterlässt der Verletzer diese Mitwirkungen bzw. kommt er ihnen eingedenk der suspendierten kartellrechtlich gebundenen Klageansprüche nur zögerlich nach, schließt dies daher nicht aus, hieraus den Schluss auf eine fehlende Lizenzwilligkeit zu ziehen.
351 (3) Die Beklagten waren von einer Mitwirkung an den Lizenzvertragsverhandlungen nicht deshalb entbunden, weil die Lizenzangebote der Klägerin nicht FRAND-gemäß gewesen wären.
352 Sämtliche im Verfahren vorgelegten Lizenzangebote der Klägerin (Angebot vom 23.06.2016 (Anlage K 4b), hinsichtlich der Lizenzgebühr verbessertes Angebot vom 08.11.2017 (Anlage [...] B 28), [...]-Angebot vom 26.06.2018 (Anlage K 10b)) waren, was auch das Landgericht zugrunde gelegt hat, jedenfalls nicht in einem Ausmaß nicht FRAND, das die Beklagten von einer zielgerichteten Mitwirkung an den Lizenzvertragsverhandlungen und von einer zügigen Verhandlungsführung entbunden hätte. Keine der von den Beklagten gerügten Vertragsbedingungen überschreitet für sich genommen oder in einer Gesamtbetrachtung das genannte Maß. Zumindest das [...]-Angebot ist zudem nicht klar und eindeutig nicht FRAND, so dass die Beklagten zu 1 und 2, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht von der Obliegenheit entbunden waren, zumindest hierauf mit einem Gegenangebot zu reagieren. Diese Beurteilung beruht nicht auf einer summarischen Prüfung, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Angebots und der beteiligten Interessen.
353 (a) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der FRAND-gemäßheit der Angebote der Klägerin nicht entgegen, dass sie den Vertragsbeginn und die Höhe der Lizenzgebühren für die Vergangenheit offenlassen. Ersteres liegt in der Natur der Sache, weil nicht feststeht, wann der Lizenzvertrag zustande kommt, letzteres ist schon deshalb unschädlich, weil der SEP-Inhaber zwar zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen verpflichtet ist, nicht jedoch dazu, die Folgen der Benutzungshandlungen aus der Vergangenheit bereits in einem solchen Lizenzvertrag mit zu regeln. Zwar hat der Bundesgerichtshof nur für den Zeitraum nach Ablauf des Klagepatents ausgesprochen, dass der SEP-Inhaber nicht zu einer rückwirkenden Legitimierung der Verletzungshandlungen verpflichtet ist (BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 100 – FRAND-Einwand). Aber auch davor können keine anderen Maßstäbe gelten.
354 (b) Zumindest die mit dem [...]-Angebot geforderte Lizenzgebühr weicht jedenfalls nicht eindeutig von FRAND-Bedingungen ab. Die Klägerin hat die Lizenzgebühr auf mehreren, voneinander unabhängigen Wegen motiviert.
355 Zum einen hat sie sich auf bereits abgeschlossene Lizenzverträge an dem [...]- und den Vorgängerprogrammen zu diesen bzw. schlechteren Bedingungen berufen. Nach den Feststellungen des Landgerichts umfasste das [...]-Lizenzprogramm Stand 17.05.2019 [...] Lizenznehmer, das LTE-Lizenzprogramm [...] Lizenznehmer. Zwar hat die Beklagte die Anzahl der Lizenznehmer bestritten. Nachdem ihr aber die Lizenzverträge in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt worden waren, hätte es eines konkreteren Bestreitens bedurft. Dahinstehen kann, ob das [...]-Programm als etabliert bezeichnet werden kann. Jedenfalls sind die abgeschlossenen Lizenzverträge ein Indiz dafür, dass die Lizenzgebühr nicht eindeutig nicht FRAND ist. Aus den unten im Zusammenhang mit der Widerklage angeführten Gründen liegt eine Diskriminierung gegenüber dem sog. Lizenznehmer x5 aus dem besagten Urteil des OLG Düsseldorf nicht vor.
356 Zum anderen hat die Klägerin ihre Lizenzgebühren mit einem Topdown-Ansatz motiviert (vgl. KS vom 17.05.2019, S. 68 ff.; ebenso Präsentation vom 15.11.2018 aus Anlage K10i, S. 10 ff.). Die hierbei verwendeten Berechnungsfaktoren (durchschnittlicher Verkaufspreis eines Mobiltelefons von [...] € als Bemessungsgrundlage, Gesamtlizenzbelastung (2G, 3G, LTE) von 15 %, 4.388 Patentfamilien als Gesamtzahl der relevanten SEP (2G, 3G, LTE)) und der sich hieraus ergebende Stücklizenzsatz von [...] € pro SEP sind jedenfalls nicht klar und eindeutig nicht FRAND. Wie die Klägerin dargelegt hat, bewegt sich die Anzahl der Patentfamilien und die Gesamtlizenzbelastung in dem Bereich, der schon Gegenstand von Gerichtsentscheidungen gewesen ist (vgl. Anlage K 10a, S. 18 ff.). Dass die Gerichtsentscheidungen den angeführten Inhalt haben, bestreiten die Beklagten nicht erheblich. Nachdem die Klägerin unter Bezugnahme auf den in dem Anschreiben zum [...]-Angebot beiliegenden Beitrag von Pohlmann (Anlage K 10a, S. 18 ff.) die ausgewerteten Gerichtsentscheidungen vorgetragen hat (KS vom 17.05.2019, S. 68 ff.), genügte das pauschale Bestreiten der Beklagten, dass die Klägerin ihre Lizenzgebühren auch mit den von Gerichten ausgeurteilten Lizenzgebühren abgeglichen habe, nicht mehr. Soweit sie unter Bezugnahme auf die Präsentation aus Anlage [...] B 4/4a und die Evaluation aus Anlage [...] B 5 eine Gesamtzahl von ca. 17.600 Patentfamilien und mehr behaupten, haben sie nicht dargelegt, dass in dieser Anzahl der standardessentiellen Patenten nicht auch solche nur für die Netzwerkseite relevanten Patente enthalten sind, wie die Klägerin unter Hinweis auf eine niederländische Gerichtsentscheidung behauptet hat. Soweit in der Entscheidung Huawei ./. ZTE (EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 40) davon die Rede ist, dass der LTE-Standard 4.700 standardessentielle Patente umfasse, zieht dies die Anzahl der Patentfamilien ebenfalls nicht in Zweifel, denn es ist wiederum nicht ersichtlich, dass damit nur die für Mobiltelefone relevanten SEP gemeint wären, auf die es im Streitfall einzig ankommt.
357 Schließlich hat die Klägerin ihre Lizenzgebühren in das Spektrum anderer Programme eingeordnet.
358 Ohne Bedeutung für die Bemessung der Lizenzgebühren ist, ob ein Missverhältnis zu den Gestehungs- und sonstigen Kosten besteht. Die Grundsätze des Entscheidungen Wasserpreise Calw I und II des Bundesgerichtshofs (NJW 2012, 3243 bzw. BGHZ 206, 229 = NJW 2015, 3643) sind, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, nicht auf die Lizenzierung eines SEP übertragbar. Die Kosten, die für die Schaffung einer Erfindung aufgewendet worden sind, sind im Allgemeinen nicht geeignet, deren Wert zu bemessen. Ein solcher kostenbasierter Ansatz lässt außer Betracht, dass ein maßgeblicher Faktor für die Schaffung einer Erfindung vielfach nicht die aufgewendeten Kosten sind, sondern der schöpferische Akt des Erfinders. Hieran ändert sich selbst dann nichts, wenn ein SEP käuflich erworben wird, denn der aufgewendete Kaufpreis wird hierdurch nicht zu Gestehungskosten für die Schaffung der Erfindung – ebenso wenig wie etwa der Kaufpreis, den ein Käufer für die Übernahme eines Wasserwerks zahlt, fortan für sich genommen zu dem allein maßgeblichen Kostenfaktor würde, mit dem die Kostenkontrolle eines Wasserpreises durchgeführt würde.
359 Unschädlich ist, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten angeblich nur Bedarf für eine Lizenz in Europa hat. Dies steht der FRAND-gemäßheit einer Lizenzgebühr für ein weltweites Patentportfolio schon deshalb nicht entgegen, weil es, wie ausgeführt, nur darauf ankommt, dass das Angebot des SEP-Inhabers für den durchschnittlichen Lizenzsucher FRAND ist. Auf dem Gebiet der Mobilfunkendgeräte sind regelmäßig weltweit agierende Unternehmen tätig, die regelmäßig Bedarf an einer weltweiten Lizenz haben. Ungeachtet dessen hat die Klägerin unwidersprochen dargelegt, dass die Beklagten nicht in Europa herstellen und ihre Unternehmensgruppe nach ihren eigenen Angaben in mehr als 30 Ländern in Europa, Afrika, dem Nahen Osten, Asien und seit Mai 2019 auch in den USA (Anlagen K 16, K 17) verkaufe, so dass auch für die Unternehmensgruppe der Beklagten eine auf Europa beschränkte Lizenz nicht ausreiche.
360 (c) Mit dem Landgericht kann eine missbräuchliche Zusammensetzung des zur Lizenzierung angebotenen Patentportfolios nicht schon deshalb angenommen werden, weil – was zwischen den Parteien im Streit steht – fünf von der Beklagten angeführte, angeblich zufällig ausgewählte Patente nicht standardessentiell sein mögen.
361 Für die Zwecke der Lizenzvertragshandlungen und des Abschlusses eines Lizenzvertrags muss nicht abschließend geklärt werden, ob jedes Portfoliopatent standardessentiell ist. Hiervon geht auch der EuGH (GRUR 2015, 764 Rn. 69 – Huawei ./. ZTE) aus, denn der angebliche Patentverletzer darf die Rechtsbeständigkeit der als standardessentiell deklarierten Patente und/oder ihren essenziellen Charakter für den Standard, zu dem sie gehören und/oder ihre tatsächliche Benutzung während den Vertragsverhandlungen anfechten oder sich die Möglichkeit vorbehalten, dies später, mithin nach Abschluss eines Lizenzvertrags, zu tun. Diese selbst für Vertragsverhandlungen zur Lizenzierung eines einzelnen SEP geltenden Grundsätze gelten erst Recht, wenn eine Lizenz an einem Patentportfolio in Rede steht. Ob etwas anderes gilt, wenn ein angebotenes Portfolio offensichtlich in wesentlichem Umfang nicht standardessentielle Patente enthält, so dass sich der Verdacht aufdrängt, der SEP-Inhaber möchte seine Inhaberschaft an standardessentiellen Patenten dazu missbrauchen, eine Lizenznahme an nicht standardessentiellen Patenten und hierdurch eine überhöhte Lizenzgebühr durchzusetzen, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, denn hierfür reichen die fünf angeführten Patente, ihre fehlende Standardessentialität unterstellt, nicht aus. In Anbetracht des Gegenvortrags der Klägerin ist zudem nicht offensichtlich, dass die angeführten fünf Patente nicht standardessentiell sind.
362 (d) Mit dem Landgericht ist nicht zu beanstanden, dass der Lizenznehmer nach Ziff. 2.2 i.V.m. 2.5 des [...]-Angebots die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Patentrechte an erworbener Ware bereits erschöpft sind – was sich nach dem Recht des jeweiligen Schutzlandes richtet - und die betroffene Ware daher nicht nach dem Lizenzvertrag vergütungspflichtig ist, denn diese Regelung entspricht der in Deutschland herkömmlichen Beweislastverteilung und für andere Länder ist nicht konkret dargelegt, dass eine andere Verteilung gälte.
363 Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Lizenznehmer in der Lage, die Rechtekette über seine Lieferanten nachzuvollziehen. Ihm unzumutbaren Beweisschwierigkeiten bestehen nicht. So kann der Lizenznehmer etwa den Geschäftsabschluss mit seinem Vorlieferanten davon abhängig machen, dass dieser ihm nachweist, dass die Patentrechte der Klägerin an der angebotenen Ware erschöpft sind, oder mit ihm vereinbaren, dass er einen solchen Nachweis auf Verlangen beibringt.
364 Soweit die Klausel 2.2 i.V.m. 2.5 des [...]-Angebots (Anlage K 10b) indes die Vergütungspflicht auf solche Waren, an denen die Patentrechte bereits erschöpft sind, für den Fall erstreckt, dass die in der beanstandeten Klausel genannten Bedingungen nicht vorliegen, insbesondere dass der lizenzierte Vorlieferant seine Lizenzgebühr nicht oder nicht rechtzeitig abgeführt hat, mag dies eine Mithaftung für Rückstände anderer Lizenznehmer begründen. Ferner mag dies die Gefahr der doppelten Bezahlung von Lizenzgebühren mit sich bringen, weil nicht ersichtlich ist, wie sichergestellt ist, dass der Lizenznehmer die gezahlte Lizenzgebühr zurückerhält, wenn der zunächst säumige Vorlieferant später doch noch zahlt. Allerdings kann der Lizenznehmer beides vermeiden, indem er sich vor Erwerb oder Entgegennahme bescheinigen lässt, dass der Vorlieferant die Lizenzgebühren abgeführt hat. Zwar ist damit Aufwand verbunden. Die Klausel ist aber deshalb nicht klar und eindeutig nicht FRAND.
365 (e) Dahinstehen kann, ob das Fehlen einer Anpassungsklausel in den Angeboten der Klägerin für den Fall des Wegfalls von Portfolio-Patenten FRAND-gemäß ist. Ein solcher Wegfall liegt vor, wenn ein Portfolio-Patent ausläuft oder infolge eines erfolgreichen Rechtsbestandsangriffs entfällt, aber auch dann, wenn im Verhältnis zum Lizenznehmer gerichtlich festgestellt wird, dass es nicht standardessentiell ist.
366 Ob den Bedenken gegen eine solche Vertragsgestaltung damit begegnet werden kann, dass umgekehrt eine gerichtliche Bestätigung von Rechtsbestand oder Benutzung eines Patents durch den Standard nicht zu einer Erhöhung der Lizenzgebühr führt – ebenso wenig wie das Erstarken einer Anmeldung zum Schutzrecht oder die Einbeziehung neuer SEP in den Pool –, wird von den Beklagten nicht zu Unrecht angezweifelt. Eine Verpflichtung der Klägerin, durch Zukauf weiterer Patente für einen sich zumindest nicht wesentlich verringernden Poolbestand zu sorgen, wird von der Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Möglichkeit für den angeblichen Verletzer, sich im Lizenzvertrag vorzubehalten, Rechtsbestand oder Benutzung eines lizenzierten Patents anzufechten, wäre zumindest im Falle einer Portfolio-Lizenz sinnentleert, wenn selbst mehrere erfolgreiche Angriffe keine Auswirkung auf die Höhe der Lizenzgebühren hätten. Ob diese Bedenken dazu führen, dass das Fehlen einer Anpassungsklausel, die eine Anpassung zumindest für den Fall wesentlicher Veränderungen des Portfolio-Bestands vorsieht, FRAND-widrig ist, oder ob die Möglichkeiten des § 313 BGB zusammen mit der ohnehin beschränkten Laufzeit des angebotenen Lizenzvertrags, die danach eine Neubewertung ermöglicht, die Bedenken hinreichend ausräumen, bedarf keiner abschließenden Bewertung, denn das Fehlen einer Anpassungsklausel lässt das Lizenzangebot jedenfalls im Streitfall, in dem der Lizenzvertrag nach 5 Jahren ggf. neu verhandelt werden muss, nicht klar und eindeutig FRAND-widrig werden.
367 (f) Die zeitliche Beschränkung der Vertragslaufzeit auf fünf Jahre und die Kündigungsmöglichkeiten im [...]-Angebot (Ziff. 4) sind nicht zu beanstanden, wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat.
368 Es kann dahinstehen, ob ein Lizenzvertragsangebot nur dann FRAND ist, wenn es entsprechend den ETSI-Regeln unwiderruflich ist, denn die vorgenannten Vertragsbedingungen führen nicht dazu, dass das [...]-Angebot eine widerrufliche Lizenz wäre oder einer solchen gleichkäme.
369 Die Unwiderruflichkeit soll verhindern, dass der Lizenznehmer von der Wahrnehmung seiner Rechte absieht, weil er jederzeit damit rechnen muss, dass der Lizenzgeber dies zum Anlass nimmt, den Lizenzvertrag zu widerrufen. Zudem soll der Lizenznehmer Planungssicherheit erhalten. Die ETSI-Regel schließt daher ein freies Widerrufsrecht des Lizenzgebers aus.
370 Nach ihrem Sinn und Zweck steht die Regel indes einer Befristung des Lizenzvertrags jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Befristung nicht so kurz ist, dass sie einer Widerruflichkeit gleichkommt, weil sich der Lizenznehmer in kurzen Abständen immer wieder um eine Lizenz bemühen muss. Bei einer Befristung auf fünf Jahre ist das nicht der Fall. Für die Verhandlung eines Anschlusslizenzvertrags besteht ausreichend Zeit, und der Lizenznehmer ist durch die Verpflichtung des SEP-Inhabers, einen solchen zu FRAND-Be-dingungen abzuschließen, und durch die damit einhergehenden Verhandlungsobliegenheiten hinreichend geschützt.
371 Ebenso wenig verbietet der Ausschluss der (freien) Widerruflichkeit, sachlich gerechtfertigte, an bestimmte Gründe gebundene Kündigungsmöglichkeiten vorzusehen. Die in Ziff. 4.3 und 4.4 vorgesehenen Kündigungsgründe für den Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung (material breach of Licensee) bzw. für den Fall der Säumnis mit Berichtspflichten, Unterstützungspflichten oder Zahlungsverpflichtungen sind sachlich gerechtfertigt. Sie hängen von einem Verhalten des Lizenznehmers ab, das er selbst in der Hand hat, sollen ihn zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten und gewähren ihm im Fall der Säumnis nach Ziff. 4.4 grundsätzlich eine Frist zur Abhilfe, bevor das Kündigungsrecht entsteht. Soweit vorgesehen ist, dass im Falle wiederholter Säumnis die Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung in Betracht kommt mit der Folge, dass eine Abhilfemöglichkeit nicht mehr besteht, ist dies nicht unangemessen und damit nicht zu beanstanden.
372 (g) Die geforderte Bankgarantie (Ziff. 6 des [...]-Angebots) ist ebenfalls nicht zu beanstanden, jedenfalls nicht klar und eindeutig nicht FRAND.
373 Sie ist durch das nachvollziehbare Bedürfnis der mit der Lizenzierung in Vorleistung tretenden Klägerin gerechtfertigt, eine Sicherheit für die ihr zustehenden Zahlungen zu erhalten. Auf die Möglichkeit, den Lizenzvertrag im Falle des Zahlungsverzugs zu kündigen, um so ein Anwachsen von Außenständen zu vermeiden, muss sie sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verweisen lassen, zumal nicht sichergestellt ist, dass der säumige Lizenznehmer nach einer Kündigung die Benutzung des Patentportfolios einstellt.
374 (h) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das [...]-Angebot (Ziff. 1.20) keine Lizenz für eine Nutzung im Rahmen des 5G-Standards enthält.
375 Die Beklagten machen schon nicht geltend, dass sie derzeit den 5G-Standard nutzen und daher eine Lizenz benötigen. Sollte ein solcher Bedarf entstehen, sind sie dadurch hinreichend geschützt, dass auch die dann zu verhandelnde ergänzende Lizenz FRAND sein muss.
376 (i) Die vorstehend erörterten Vertragsbedingungen sind auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht eindeutig und klar nicht FRAND.
377 (j) Ob die von den Beklagten beanstandeten weiteren Vertragsbedingungen aus den Angeboten der Klägerin vom 23.06.2016 (Anlage K 4b) und 08.11.2017 (Anlage [...] B 28), die im [...]-Angebot nicht mehr enthalten sind, sowie die in diesen Angeboten verlangten höheren Lizenzgebühren zu einer anderen Bewertung führen, kann dahinstehen. Insbesondere kann dahinstehen, ob das Angebot der Beklagten vom 08.11.2017 (Anlage [...] B 28) eine Obliegenheit zur Vorlage eines Gegenangebots ausgelöst hat. Jedenfalls war es nicht in einem Ausmaß nicht FRAND, das die zögerliche Rückmeldung der Beklagten hierzu gerechtfertigt hätte.
378 dd) Eine Lizenzwilligkeit zu FRAND-Bedingungen kommt schließlich nicht in den Gegenangeboten der Beklagten zum Ausdruck.
379 (1) Die Beklagten haben bei ihrem Gegenangebot vom 11.11.2016 (Anlage [...] B 7) eine Gesamtzahl von 17.600 Patentfamilien und eine Gesamtlizenzbelastung eines Mobilfunkgeräts von 20 % zugrunde gelegt und kommen hiermit auf einen prozentualen Lizenzsatz von [...] % pro SEP-Familie (vgl. Klageerwiderung vom 11.11.2016, S. 63).
380 Nach dem unwidersprochen gebliebenen Berechnungsmodell der Klägerin im Schriftsatz vom 17.05.2019 (S. 68) lässt sich die wirtschaftliche Bedeutung dieses Gegenangebots darstellen, indem man für das Produktsortiment der Beklagten einen durchschnittlichen Verkaufspreis von [...] € ansetzt und hierauf den genannten prozentualen Lizenzsatz anwendet, woraus sich eine durchschnittliche Lizenzbelastung von [...] € pro SEP-Familie ergibt. Diese Größe weicht erheblich von in bisherigen Gerichtsentscheidungen (Anlage K 10a, S. 18 ff.) gefundenen Lizenzgebühren ab und kann daher, auch ohne Sachverständigengutachten, nicht als Ausdruck einer Bereitschaft, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie auch immer sie aussehen mögen, gewertet werden. Die Beklagten haben auch nicht dargelegt, weshalb die von ihnen in Ansatz gebrachte Gesamtlizenzbelastung von 20 % für alle Patente gerade in Anbetracht der geringen Verkaufspreise ihrer Mobilfunkgeräte, die in die Rechnung mit einem Durchschnittspreis von [...] € eingegangen sind, für die Ermittlung des Anteils der Mobilfunk-Technologie (2G, 3G, LTE) als wertbildendem Faktor an ihren Produkten angebracht ist. Wie ausgeführt haben die Beklagten zudem hinsichtlich der von ihnen in Ansatz gebrachten Patentfamilien 17.600 nicht dargelegt, dass diese nicht auch nur für die Netzwerkseite relevante Patente umfassen.
381 In ihrem nachgebesserten Gegenangebot vom 05.07.2019 (Anlage [...] B 49) haben die Beklagten nach ihrem Vortrag die Lizenzgebühr für LTE-Telefone von [...] % auf [...] % und für 3G-Telefone von [...] % auf [...] % erhöht, wobei sich die Ausgangsgrößen aus einer Multiplikation des oben genannten prozentualen Lizenzsatzes für eine SEP-Familie mit der (teils korrigierten) Anzahl der entsprechenden Patentfamilien im Portfolio der Klägerin ergeben (vgl. noch zum [...]-Portfolio Klageerwiderung, S. 63 f.).
382 Die ungefähre Vervier- bzw. Verdreifachung vermag die Unterbewertung jedoch nicht zu kompensieren, die auf der in Ansatz gebrachten Kombination von hoher Anzahl von SEP und den niedrigen Verkaufspreisen beruht. Dies gilt umso mehr, als nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Produktsortiment der Beklagten überhaupt einen durchschnittlichen Verkaufspreis von [...] € erreicht, so dass der Ansatz der Beklagten mit einer prozentualen Lizenzgebühr zu einer noch niedrigeren Lizenzgebühr pro Stück führt, als in den Berechnungen der Klägerin zum Lizenzmodell der Beklagten mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von € [...] angenommen. Die Beklagten machen selbst geltend, dass sie in Deutschland einen großen Teil ihrer Mobiltelefone für unter € [...], viele sogar im Bereich von € [...] vertrieben. Dies deckt sich mit ihren Angaben in ihrer weiteren (Teil-)Auskunft vom 05.07.2019 (Anlage [...] B 50a). Demnach liegen ihre für Deutschland erzielten durchschnittlichen jährlichen Verkaufspreise für 3G-fähige Geräte seit 2015 und für 4G-fähige Geräte seit 2018 mit fallender Tendenz unter [...] €. Zuletzt (d.h. in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2019) beläuft sich demnach der seit 2014 jährlich rückläufige Durchschnittsverkaufspreis für 3G-fähige Geräte auf [...] € und der seit 2015 jährlich rückläufige Durchschnittsverkaufspreis für 3G-fähige Geräte auf [...] €. Dass sie ihre Telefone im Vergleich zum restlichen Europa in Deutschland besonders günstig verkauften, machen die Beklagten zu 1 und 2 nicht geltend.
383 Das Gegenangebot vom 03.08.2020 über einen Betrag von USD [...] Millionen erläutern die Beklagten nicht näher. Ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 23.11.2020 lässt sich allerdings entnehmen, dass es sich nur um die Wiederholung eines bereits zuvor gemachten Gegenangebots handelt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dieses (wiederholte) Gegenangebot für die Klägerin bessere Bedingungen als das Angebot vom 05.07.2019 mit sich bringt.
384 (2) Selbst wenn aber das Gegenangebot der Beklagten vom 05.07.2019 inhaltlich FRAND-Bedingungen entsprechen sollte, wäre es nicht als Ausdruck einer Lizenzwilligkeit zu werten, denn ein lizenzwilliger redlicher Lizenzsucher hätte dieses Gegenangebot nicht rund ein Jahr später sowie erst nach und unter dem Eindruck der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlungen unterbreitet. Aufgrund der verzögerten Vorlage stellt es zudem nach den Maßstäben der Entscheidung Huawei ./.ZTE (EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 66) kein rechtzeitiges Gegenangebot, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat. Nimmt der angebliche Verletzer das ihm unterbreitete Angebot nicht an, kann er sich nach diesen Grundsätzen auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht. Wie ausgeführt, besteht eine solche Obliegenheit des angeblichen Verletzers selbst dann, wenn das Angebot des SEP-Inhabers FRAND-Bedingungen nicht genügt, solange – wie im Streitfall – das Angebot nicht klar und eindeutig FRAND-widrig ist und der Patentinhaber den Lizenzsucher durch die Erläuterung seines Angebots und der von ihm behaupteten FRAND-Gemäßheit der Bedingungen in die Lage versetzt hat, seinerseits ein Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten.
385 ee) Unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls kommt der Senat daher zu der Überzeugung, dass die Beklagten zu 1 und zu 2 nicht lizenzwillig sind, sondern den Abschluss eines Lizenzvertrags möglichst lange verzögern möchten.
F.
386 Mit zutreffenden und nicht beanstandeten Erwägungen hat das Landgericht zu Recht den Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO abgelehnt.
G.
387 Die Widerklage ist zulässig, aber aus mehreren voneinander unabhängigen Gründen unbegründet.
388 1. Die internationale Entscheidungszuständigkeit über die Widerklage folgt aus Art. 7 Nr. 2, 8 Nr. 3 Brüssel Ia-VO. Sie steht in Zusammenhang mit dem gegen die Klage als Verteidigungsmittel vorgebrachten kartellrechtlichen Missbrauchseinwand und weist danach einen Sachzusammenhang iSd § 33 Abs. 1 ZPO auf. Auch ist die Zulassung der Widerklage, die auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind (§ 533 Nr. 2 ZPO), im Berufungsverfahren jedenfalls als sachdienlich anzusehen (§ 533 Nr. 1 ZPO), weil hierdurch ein neues Verfahren vermieden wird und überdies Entscheidungsreife besteht (Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 145 – Datenpaketverarbeitung).
389 2. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Anspruch auf Vorlage von Drittlizenzverträgen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht (vgl. Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 146 ff. – Datenpaketverarbeitung). Die von der Beklagten zu 2 angeführten Anspruchsgrundlagen nach § 33g Abs. 1 bzw. Abs. 10 i.V.m. §§ 33a Abs. 1, § 33 Abs. 1 i.V.m. §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 GWB und nach § 33g Abs. 1 bzw. Abs. 10 GWB i.V.m. §§ 33a Abs. 1, 33 Abs. 1 GWB i.V.m. Art. 102 S. 2 lit. a und lit. c AEUV ändern hieran nichts. Sie begründen auch keinen Auskunftsanspruch über Angaben zur Gewinn/Verlust- und Kostenkalkulation und keinen Vorlageanspruch hinsichtlich der Gewinn- und Verlustrechnung des [...]-Pools.
390 Zum einen sieht es der Senat nicht als plausibel an, dass die Klägerin die Beklagte zu 2 ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt hätte. Eine solche Ungleichbehandlung kann nicht ohne weiteres aufgrund der günstigeren Lizenzraten angenommen werden, die die Klägerin dem im Urteil des OLG Düsseldorf (Sisvel. /. Haier) so genannten Lizenznehmer x5 eingeräumt hat (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 101 f. – FRAND-Einwand). Sie kann sich zudem nur aus noch laufenden Drittlizenzverträgen ergeben, so dass sich eine Informationspflicht auch nur hierauf bezieht (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auf., Kap E Rn. 494). Der Lizenzvertrag mit dem sog. Lizenznehmer x5 ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin indes im Dezember 2018 ausgelaufen.
391 Die Beklagte zu 2 zeigt zudem nicht konkret auf, weshalb sich aus den anonymisiert in einem Datenraum zur Verfügung gestellten Lizenzverträgen eine Diskriminierung ergeben soll. Ebenso wenig legt sie dar, weshalb die im elektronischen Datenraum zur Verfügung gestellten Drittlizenzverträge in anonymisierter Form mit den Erläuterungen zu den Lizenznehmern nicht ausreichten. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Pflicht, über den wesentlichen Inhalt bereits abgeschlossener Lizenzverträge zu informieren, auch auf solche der Rechtsvorgänger erstreckt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v 22.03.2019 - Az. 2 U 31/16, juris Rn. 174 - Improving Handover). Hierfür spricht zwar, dass auch diese Verträge die Lizenzierungspraxis prägen, an der die Diskriminierungsfreiheit des zu beurteilenden Lizenzangebots zu messen ist. Würde sie mit der Übertragung des Patents hinfällig, könnte sich der Patentinhaber ihrer hierdurch entledigen. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Patente verschiedener Rechtsvorgänger zu dem Portfolio zusammengefasst wurden. Durch die Portfolio-Bildung können frühere Einzellizenzverträge ebenso wie etwaige Poollizenzverträge von Rechtsvorgängern an Aussagekraft verlieren. Daher ist der Portfolio-Inhaber nicht ohne weiteres gehalten, zu sämtlichen Einzellizenzverträgen bzw. Poollizenzverträgen seiner Rechtsvorgänger Angaben zu machen.
392 Soweit die Klägerin angeblich in den Lizenzangeboten überhöhte Lizenzgebühren fordert oder die Lizenzangebote diskriminierend sind, ist ein Schaden durch überhöhte oder diskriminierende Lizenzgebühren nicht eingetreten, weil die Beklagte zu 2 einen solchen Lizenzvertrag nicht abgeschlossen und auch noch keine entsprechenden Zahlungen geleistet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie eine Sicherheitsleistung an dem beanstandeten Angebot der Klägerin orientiert hat. Soweit die Beklagte zu 2 meint, ihr sei infolge der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils ein Schaden entstanden, beruht diese Vollstreckung (ebenso wie die zugrundeliegende Verurteilung) und damit der angebliche Schaden nicht auf dem Verlangen der Klägerin nach Abschluss eines Lizenzvertrags zu Bedingungen, die angeblich diskriminierend oder ausbeuterisch sind, insbesondere zu überhöhten Entgelten führen, sondern darauf, dass sich die Beklagten nicht lizenzwillig gezeigt haben, und hinsichtlich des auferlegten Ordnungsgeld überdies darauf, dass die Beklagte zu 2 das Unterlassungsgebot nicht beachtet hat.
393 Soweit es der Beklagten zu 2 auch darum geht, nicht auf die Richtigkeit von Angaben der Klägerin vertrauen zu müssen, sondern diese überprüfen zu wollen, hat der Senat bereits entschieden, dass ein solcher Wunsch für sich genommen einen Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zum Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 153 - Datenpaketverarbeitung).
394 Schließlich wäre die Geltendmachung der Widerklageansprüche rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte zu 2 kein wirkliches Interesse an den begehrten Informationen hat, sondern mit dem Verlangen sachfremde Zwecke verfolgt, insbesondere die weitere Verzögerung der Lizenzverhandlungen und das Schikanieren der Klägerin. Hätte die Beklagtenseite ein echtes Interesse an weiteren Informationen, hätte sie sich zunächst die in dem elektronischen Datenraum zur Verfügung gestellten anonymisierten Drittlizenzverträge angesehen.
H.
395 1. Es kann dahinstehen, ob § 148 ZPO eine Aussetzung des Verfahrens aufgrund von Umständen, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten sind, ermöglicht, was die Klägerin mit Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift in Zweifel zieht. Jedenfalls stünde eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens mit Blick auf die Vorlageentscheidung des Landgerichts Düsseldorf an den EuGH vom 26.11.2020 (4c O 17/19) im Ermessen des Senats, das der Senat dahin ausübt, nicht auszusetzen. Zwar ist das Klagepatent abgelaufen, so dass sich eine Aussetzung nicht zu Lasten des nur zeitlich beschränkt gegebenen Unterlassungsanspruchs auswirkte. Der Senat hält es aber für unwahrscheinlich, dass der EuGH im vorgelegten Verfahren Kriterien aufstellt, die in Sachverhaltskonstellationen wie der vorliegenden, in denen der Verletzer eine Verzögerungstaktik betreibt, dazu führen, dass die Durchsetzung der kartellrechtlich gebundenen Ansprüche missbräuchlich wäre.
396 Der Senat, der hierzu nicht verpflichtet ist, weil das Urteil mit der Revision angegriffen werden kann, sieht aus den angeführten Gründen von einer Vorlage an den EuGH ab.
397 2. Die Kostenentscheidung folgt im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 und 2 aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, im Verhältnis zum Beklagten zu 3 aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
398 Soweit das Klagepatent zuletzt nur noch in der zwischenzeitlich durch das Patentgericht rechtskräftig beschränkt aufrechterhaltenen Fassung geltend gemacht worden ist, geht damit keine Klageänderung einher, die zu einer Teilklagerücknahme mit entsprechender im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigender Kostenfolge führte. Denn die Klage ist trotz der Umschreibung des angegriffenen Verhaltens im Klageantrag anhand des Patentanspruchs stets auf die wegen ihrer LTE-Fähigkeit konkret angegriffene(n) Ausführungsform(en) gerichtet gewesen. Aus der am Patentanspruch orientierten Antragsfassung folgt für sich kein weitergehendes, umfassendes Klagebegehren (vgl. BGH GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II).
399 3. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
400 4. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.
401 Dem Streitfall kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Es sind entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufgeworfen, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. So betrifft die Entscheidung maßgeblich Einzelfragen der zutreffenden Umsetzung der vom EuGH in der Rechtssache „Huawei/ZTE“ aufgestellten Grundsätze, unter anderem die Frage, ab welchem Verhalten davon auszugehen ist, dass der Lizenzsucher eine Verzögerungstaktik betreibt und lizenzunwillig ist, und welche Bedeutung hierbei dem Verhalten des SEP-Inhabers zukommt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob es Mitwirkungsobliegenheiten des Lizenzsuchers unterhalb der Schwelle der Abgabe eines Gegenangebots gibt, bei deren Nichtbeachtung sich der Lizenzsucher nicht erfolgreich auf einen kartellrechtlichen FRAND-Einwand berufen kann und die selbst dann bestehen, wenn der SEP-Inhaber ein Angebot unterbreitet, das FRAND-Bedingungen nicht entspricht.