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Gericht: |
LG Mannheim 2. Zivilkammer |
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Entscheidungsdatum: |
21.08.2020 |
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Aktenzeichen: |
2 O 136/18 |
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ECLI: |
ECLI:DE:LGMANNH:2020:0821.2O136.18.00 |
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Dokumenttyp: |
6 U 103/19 |
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ECLI: |
ECLI:DE:OLGKARL:2020:1209.6U103.19.00 |
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Dokumenttyp: |
Urteil |
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Quelle: |
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Normen: |
§ 139 PatG, § 140a Abs 1 PatG, § 140a Abs 3 PatG, Art 102 AEUV, Art 64 EuPatÜbk |
Patentverletzung: Kartellrechtlicher Missbrauchseinwand bei nicht den FRAND-Kriterien entsprechendem Lizenzangebot
Leitsatz
Hat der Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) dem Benutzer ein Lizenzangebot unterbreitet und dieses ausreichend erläutert und nimmt der Benutzer dieses Lizenzangebot nicht an, so muss dessen Gegenangebot FRAND-Kriterien entsprechen, ohne dass es für diese Obliegenheit des Benutzers darauf ankommt, ob das vorausgehende Lizenzangebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND-Kriterien entsprach.(Rn.147)
Orientierungssatz
Zitierung: Anschluss BGH, 5. Mai 2020, KZR 36/17, BGHZ 225, 269).
Verfahrensgang
nachgehend OLG Karlsruhe 6. Zivilsenat, 2. Februar 2022, 6 U 149/20, Urteil
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Klägerin macht wegen angeblicher Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP ... 737 (Klagepatent) Ansprüche gerichtet auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung geltend.
2 Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 12.09.2017 - Az.: 2 O 48/16 - in einem zwischen den hiesigen Parteien geführten Rechtsstreit hat die Kammer die Beklagten wegen Verletzung des auch hier streitgegenständlichen Klagepatentanspruchs 9 - ohne die nunmehr aufgrund des Nichtigkeitsverfahrens hinzugefügten Ergänzungen (dazu sogleich) -zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt sowie die Schadensersatzpflicht festgestellt. Gegen das Urteil der Kammer haben die Beklagten Berufung eingelegt. Diese war beim Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 6 U 133/17 anhängig. Durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 08.06.2020 wurde das Urteil der Kammer mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich die Verurteilung auf die auch im vorliegenden Rechtsstreit zuletzt geltend gemachte eingeschränkte Fassung des Klagepatentanspruchs 9 beschränkt. Die Revision gegen diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht zugelassen.
3 Die Klägerin hat das Klagepatent - vorgelegt als Anlage K 1 und in deutscher Übersetzung als Anlage K 2 - von der P. erworben. Sie ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents.
4 Der Hinweis auf die Erteilung des am 02.04.2009 angemeldeten Klagepatents mit Wirkung u.a. für Deutschland wurde am 07.11.2012 veröffentlicht. Das Klagepatent nimmt die Priorität der EP ... 539 vom 06.05.2008 in Anspruch. Es betrifft die Übermittlung von Informationen zur Kanalgüte durch die Mobilstation. Die Patentschrift EP ... 737 B1 liegt in der englischen Verfahrenssprache als Anlage K 1 vor. Der deutsche Teil des Klagepatents wird unter dem Aktenzeichen DE ... 031.4 geführt.
5 Die zum Klagepatent im vorliegenden Verfahren gestellten Klageanträge wurden zunächst gemäß dem Wortlaut des ursprünglich erteilten Anspruchs 9 formuliert. Das Bundespatentgericht hat zwischenzeitlich den deutschen Teil des Klagepatents u.a. auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) mit nicht rechtskräftigem Urteil (vgl. Anlage K 34) vom 19.11.2019 - Az.: 2 Ni 14/17 (EP) verbunden mit 2 Ni 20/17 (EP) - mit Blick auf den streitgegenständlichen Anspruch 9 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass dieser in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut erhält (Änderungen im Vergleich zur erteilten Fassung durch Unterstreichen hervorgehoben):
6 A mobile terminal adapted to perform the method of claim 1, comprising:
7 a receiver adapted to receive a control channel signal from a base station, wherein the control channel signal comprises a Modulation and Coding Scheme, MCS, Index, information on resource blocks used for the transmission from the mobile terminal to the base station, and a channel quality information trigger for triggering a transmission of an aperiodic channel quality information report to the base station, characterized in that the terminal further comprises a processor adapted to determine whether the channel quality information trigger is set
and whether the control channel signal indicates a predetermined value of the MCS Index and indicates a number of resource blocks that is smaller than or equal to a predetermined resource block number, and only interpreting the control channel signal as commanding that the aperiodic channel quality information report be transmitted to the base station without multiplexing the aperiodic channel quality information report with Uplink Shared Channel data in case said determining yields a positive result according to which the channel quality information trigger is set and the control channel signal indicates the predetermined value of the MCS Index and indicates a number of resource blocks that is smaller than or equal to the predetermined resource block number, and a
transmitter adapted to transmit the aperiodic channel quality information report to the base station without multiplexing the aperiodic channel quality information report with Uplink Shared Channel data, in case the determination yields the positive result.
8 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Patentschrift verwiesen.
9 Die Beklagten gehören zum B-Konzern. Ihre Konzernmuttergesellschaft ist die B (nachfolgend auch B) mit Sitz in ....Die Beklagte zu 1, deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2 ist, vertreibt u.a. in der Bundesrepublik Deutschland über das Internet Mobilfunkgeräte, die kompatibel mit dem Long Term Evolution-Standard (nachfolgend LTE-Standard) sind. Die Beklagte zu 2 koordiniert den europaweiten Vertrieb dieser Geräte, bewirbt sie auf der Webseite www…..eu u.a. in deutscher Sprache und bringt diese Geräte in Deutschland in den Verkehr. Die LTE-fähigen Mobilgeräte werden außerhalb ... teils unter den Marken „...", „..." vertrieben und teils an Netzwerkbetreiber wie „..." zum Vertrieb unter deren Eigenmarke.
10 Zum LTE-Standard gehören u.a. die technischen Spezifikationen des European Telecommunication Standards Institute (ETSI) der 136. - Serie (seit Release 8), insbesondere TS 136.212 (v8.8.0), TS 136.213 (v8.8.0) sowie TS 136.300 (v8.12.0). Wegen des relevanten Inhalts dieser Spezifikationen wird auf die in dem Verfahren 2 O 48/16 als Anlagen HE-A 5, 6 und 7 vorgelegten Auszüge verwiesen.
11 Insbesondere finden sich im Dokument TS 136.213 (v8.8.0) folgende Vorgaben:
12 […]
13 […]
14 […]
15 […]
16 Das Dokument TS 136.212 (v8.8.0) hat u.a. folgenden Inhalt:
17 […]
18 In den Fällen, in denen es im LTE-standardgemäßen Betrieb nach Abs. 8.6.2 der TS 136.213 (v8.8.0) zu einem aperiodischen CQI-Bericht kommt, wird dieser zusammen -und zwar gemultiplext - mit anderen Daten in Form einer Steuerinformationsrückkopplung übermittelt, die neben den Kanalgüteinformationen (namentlich Chanel Quality Indicator - CQI, Performance Matrix Indicator - PMI und Rank Indication) zumindest auch noch die Steuerinformation Hybrid Automatic Repeat Request Acknowledgement (HARQACK) enthält, welche keine Kanalgüteinformation darstellt.
19 Die Parteien führen bislang erfolglose Verhandlungen über den Abschluss einer FRANDLizenz an dem sog. Kl.-Portfolio der Klägerin bestehend aus standardessentiellen Patenten auf dem Gebiet der Mobilfunktechnologie, die auch das Klagepatent umfassen soll.
20 Erstmals wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 15.12.2014 (Anlage K 16; in deutscher Übersetzung: Anlage K 16a) an die Muttergesellschaft der Beklagten und forderte diese auf, eine Portfoliolizenz zu nehmen. In dem genannten Schreiben wies die Klägerin die Muttergesellschaft der Beklagten nicht auf die vermeintliche Verletzung des Klagepatents hin, sondern verwies insoweit lediglich auf die US-Patente ...,356 und ...,389. Auf dieses Schreiben erfolgte seitens der Muttergesellschaft der Beklagten keinerlei Reaktion.
21 Mit Schreiben vom 26.01.2015 (Anlage K 17) wandte sich die Klägerin erneut an die Muttergesellschaft der Beklagten und forderte diese auf, in Lizenzverhandlungen über ihr weltweites Kl.-Portfolio einzutreten. Dieses blieb ebenso unbeantwortet wie weitere Schreiben der Klägerin vom 27.02.2015 (Anlage K 18) und 06.04.2015 (Anlage K 19). Keines dieser Schreiben enthielt einen Hinweis auf die vermeintliche Verletzung des Klagepatents oder eines weiteren Patents des Portfolios der Klägerin.
22 Mit Schreiben vom 01.02.2016 übermittelte die Klägerin der Muttergesellschaft der Beklagten ein Angebot zum Abschluss einer FRAND-Lizenz (Anlagenkonvolut 20 - Seite 1ff.). Diesem Angebot waren eine Liste der zu lizensierenden Patente sowie sog. Claim Charts beigefügt. Dabei wurde erstmals die angebliche Verletzung des Klagepatents durch den Vertrieb von Mobiltelefonen, die nach dem LTE-Standard arbeiten können, aufgezeigt (Anlagenkonvolut 20, S. 134 ff.).
23 Mit Schreiben vom 11.03.2016 (Anlage K 21) teilte die Konzernmuttergesellschaft der Beklagten zunächst mit, Lizenzverhandlungen erst führen zu wollen, nachdem im USRechtsstreit sogenannte „infringement contentions“ ausgetauscht wurden.
24 Mit Schreiben vom 22.03.2016 (Anlagenkonvolut 20, S.167) teilte allerdings der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in Reaktion auf das Angebot der Klägerin vom 01.02.2016 mit, dass diese bereit seien, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen „zu verhandeln bzw. abzuschließen“. Gleichzeitig nahmen die Beklagten das Lizenzangebot der Klägerin nicht an.
25 In Deutschland hatte die Klägerin zuvor am 29.02.2016 eine Klage gegen die Beklagten gerichtet auf Schadensersatzfeststellung, Auskunft und Rechnungslegung vor dem Landgericht Mannheim wegen Verletzung des Klagepatents eingereicht, die am 08.07.2016 zunächst auf Unterlassung erweitert wurde (Az.: 2 O 48/16). In der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2017 hat die Klägerin den Unterlassungsantrag zurückgenommen, nachdem die Kammer die Klausel 5.6.2 des Lizenzvertragsangebots vom 01.02.2016 als einseitig zugunsten der Klägerin und unangemessen gegenüber der Beklagten beurteilt hatte (vgl. insoweit auch das Urteil der Kammer in einem Parallelverfahren vom 23.05.2107 - Az.: 2 O 98/16 -, Seite 36 f.).
26 Die Klägerin hat ihre Lizenzierungsbemühungen in der Folge fortgesetzt. Zunächst unterbreitete sie ein weiteres Lizenzangebot vom 19.05.2017, in dem allerdings die Beanstandungen der Kammer hinsichtlich der Klausel 5.6.2 des Angebots vom 01.02.2016 nicht ausreichend beachtet waren.
27 Daher hat die Klägerin den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 30.4.2018 ein weiteres überarbeitetes FRAND-Angebot gemäß Anlagenkonvolut K 22 vorgelegt. Dieses Angebot enthielt zwei verschiedene Modelle für die Beklagten zur Auswahl (siehe Anlage K 22, Anschreiben, S. 1 ff.), nämlich eine Stücklizenz mit einer laufenden Lizenzgebühr („running royalty") sowie eine Pauschallizenz („lumpsum payment"). Zur Bestimmung der jeweiligen Lizenzgebühren hat die Klägerin in beiden Fällen einen sog. Top-Down-Ansatz gewählt und diesen der Beklagten unter Vorlage von drei Vergleichslizenzverträgen, wovon zwei von Mobilfunkunternehmen geschlossen wurden, erläutert. Zur Berechnung der Lizenzgebühr pro Endgerät hat die Klägerin jeweils auf einen welt- und industrieweiten Durchschnittsverkaufspreis in Höhe von x USD abgestellt, der anhand von Daten bezogen auf den Zeitraum 2011 bis 2016 ermittelt worden war. Dieser Durchschnittsverkaufspreis sollte nach dem Angebot der Klägerin auch bis in das Jahr 2026 (Ende der angebotenen Lizenz) die Basis für die Berechnung der Lizenzgebühr sein.
28 Das Angebot wurde von den Beklagten u.a. wegen der Beanstandung des Ansatzes eines industrieweiten Durchschnittsverkaufspreises, der zudem allein anhand von Verkaufspreisen für die Jahre 2011 bis 2016 berechnet wurde, nicht angenommen.
29 Ein im wesentlichen inhaltsgleiches Angebot vom 07.08.2018 liegt als Anlage K 28 vor. Auch dieses wurde von den Beklagten aus den genannten Gründen nicht angenommen.
30 Nachdem die Kammer im vorliegenden Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2019 darauf hingewiesen hatte, dass der industrieweite Durchschnittsverkaufspreis der Jahre 2011 bis 2016 nicht als Berechnungsgrundlage für künftige Lizenzen dienen kann bzw. ein solcher Ansatz mit Blick auf die künftigen Lizenzgebühren FRAND-Kriterien evident nicht entspricht, hat die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 11.03.2020 (Anlagenkonvolut K 39) den Beklagten ein weiteres überarbeitetes Lizenzangebot unterbreitet. Die angebotenen Lizenzgebühren werden weiterhin nach dem Top-Down-Ansatz basierend auf einem welt- und industrieweiten Durchschnittsverkaufspreis (nachfolgend auch ASP = Average Selling Price) berechnet. Allerdings werden die Lizenzgebühren in absoluten USD-Beträgen nicht mehr anhand eines einheitlichen ASP für die gesamte Laufzeit des angebotenen Lizenzvertrags berechnet, sondern separat für jedes Kalenderjahr während der Laufzeit des angebotenen Lizenzvertrags, so dass die angebotenen Lizenzgebühren Veränderungen des industrieweiten ASP berücksichtigen.
31 Die Berechnung der Klägerin nach dem Top-Down-Ansatz, wobei wegen weiterer Einzelheiten auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 14.11.2018, dort Seite 47 ff., den Schriftsatz vom 20.03.2020 sowie die Anlage K 22 und das Anlagenkonvolut K 39 verwiesen wird, sieht vor, dass es eine prozentuale Maximalbelastung an Lizenzgebühren („top“) für alle in Bezug auf den LTE-Standard essentiellen Patente von insgesamt x % (von den Beklagten als unangemessen beanstandet) pro verkaufter Einheit geben darf. In einem weiteren Schritt bestimmt die Klägerin ihren Anteil an der Gesamtzahl standardessentieller LTE-Patente anhand eines Durchschnittswertes aus zwei unabhängigen Studien mit x % („down“).
32 Diese prozentualen Werte rechnet die Klägerin sodann wie folgt in absolute Lizenzbeträge pro verkaufter Einheit um: Als Bezugsgröße wird nach dem zuletzt vorliegenden Angebot der industrieweite Durchschnittsverkaufspreis (ASP) für das jeweilige Jahr aller auf dem Markt befindlichen LTE-fähigen Mobiltelefone in Ansatz gebracht. Für die zukünftigen Zeiträume erfolgte insoweit eine Schätzung. Danach ergeben sich etwa folgende ASP für die Jahre 2020 bis 2026 (Anlagenkonvolut K 39), wobei die Tabelle ebenfalls für die Berechnung der Pauschalzahlung Anwendung findet. (...)
33 So wird etwa für das Jahr 2020 für den gemittelten ASP in Höhe von x Euro die Gesamtlizenzbelastung LTE-fähiger Telefone in Höhe von x % ermittelt (x USD). Auf diesen Wert wendet die Klägerin ihren Anteil von x % an LTE-Patenten an, so dass sich eine Lizenzgebühr pro Einheit in Höhe vom x USD für LTE-fähige Endgeräte im Jahr 2020 ergibt. Für das Jahr 2019 ergibt sich in gleicher Weise ein Lizenzbetrag von x USD pro Einheit.
34 Auf die so ermittelten Lizenzgebühren wendet die Klägerin sodann noch nachstehenden Discount von x % ab dem ersten verkauften Mobiltelefon an. Weitere Rabatte lassen sich der nachfolgenden Tabelle (Anlagenkonvolut 39) entnehmen: (...)
35 Dieses Angebot haben die Beklagten erneut nicht angenommen. Allerdings hat der Mutterkonzern der Beklagten erstmals am 31.01.2020 (Anlagenkonvolut K 38) und in leicht überarbeiteter Fassung am 11.03.2020 (Anlagenkonvolut K 40) ein auf Basis des tatsächlichen jährlichen weltweiten ASP des B-Konzerns, der unter x USD für LTE-fähige Endgeräte liegt, berechnetes und ansonsten mit dem Angebot der Klägerin im wesentlichen inhaltsgleiches Gegenangebot über eine laufende Stücklizenz unterbreitet (Anlagenkonvolut K 40), das von der Klägerin mit Schreiben vom 19.3.2020 zurückgewiesen wurde (Anlage K 41).
36 Im Rahmen ihres Gegenangebots geht die Muttergesellschaft der Beklagten zur Berechnung der Lizenzhöhe ebenfalls nach dem bereits erläuterten Top-Down-Ansatz vor. Dabei wird eine zulässige Gesamtlizenzbelastung für den LTE-Standard von 8,8 % in Ansatz gebracht. Den Anteil an LTE-Patenten der Klägerin bestimmt die Muttergesellschaft der Beklagten im Einklang mit dem Angebot der Klägerin mit x %. Die ASP der Beklagten für die Jahre 2014 bis 2019 ergeben sich aus der folgenden Tabelle (vgl. Anlagenkonvolut K 40): (...)
37 Für das Jahr 2019 ergibt sich danach für LTE-fähige Mobiltelefone ein ASP von rund x USD (x Nettoumsatz durch x verkaufte Einheiten). Bei Ansatz einer zulässigen Gesamtlizenzbelastung von x % ergibt sich unter Berücksichtigung des Anteils der Klägerin an LTE-Patenten von x % eine Lizenzgebühr von rund x USD. Auf diese Stücklizenzgebühr wendet die Muttergesellschaft der Beklagten im Anschluss noch die Volumendiscounttabelle der Klägerin an.
38 Der Mutterkonzern der Beklagten hat am 07.04.2020 auf Basis dieses Gegenangebots Sicherheit geleistet, indem der Klägerin eine Bankbürgschaftsurkunde i.H. von x US-Dollar übermittelt wurde (Anlage B 6). Zuvor hatte der Mutterkonzern der Beklagten der Klägerin am 11.3.2020 Auskunft über die Zahl der vergangenen Nutzungshandlungen (= verkaufte Mobiltelefone weltweit) erteilt (Anlage B 7) und auf dieser Grundlage sowie des angebotenen Lizenzbetrags pro verkaufter Einheit die Sicherheitsleistung berechnet.
39 Die Klägerin macht geltend, ein standardkonformes mobiles Endgerät verwirkliche die Lehre des beschränkten Patentanspruchs 9 des Klagepatents.
40 Der Begriff „Uplink Shared Channel data“ im erteilten Patentanspruch entspreche dem in der Patentanmeldung verwendeten Begriff „user data“. Die damit angesprochenen Daten seien solche des Transportkanals „Uplink Shared CHannel“ (UL-SCH), den der Fachmann vom nachgelagerten physikalischen Kanal „Physical Uplink Shared CHannel“ (PUSCH) unterscheide. Soweit unter den im Patentanspruch erörterten Bedingungen ein Multiplexing des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichts mit „Uplink-Shared-Channel”-Daten erfindungsgemäß nicht stattfinden solle, bedeute dies daher nicht, dass der Kanalgüteinformationsbericht mit keinerlei über den PUSCH zu übertragenden Daten gemultiplext werden dürfe. Dies ergebe sich für den Fachmann bei funktionaler Betrachtung auch daraus, dass namentlich die Übertragung der lediglich 2 Bit langen ACK/NACKInformation (zum Hybrid Automatic Repeat Request) auf dem Uplink zur Feststellung und Korrektur von Übertragungsfehlern und damit zur Aufrechterhaltung der Übertragung jeweils im Downlink unabdingbar sei, während ein Multiplexing des Kanalgüteinformationsberichts mit Nutzerdaten, die regelmäßig sehr umfangreich seien, dazu führen würde, dass die Übertragung des vollständigen Kanalgüteinformationsberichts über einen längeren Zeitraum hinweg ausgedehnt würde. Aus dem Standarddokument TS 36.212 v8.2.0 (2008-03) habe sich für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt ergeben, dass die Bits des ACK/NACK als Steuerinformation nicht Daten des UL-SCH gewesen seien, welche dort mit f0 bis fG-1 bezeichnet seien.
41 Die von den Beklagten vertriebenen Mobiltelefone interpretierten das Steuerkanalsignal der Basisstation auch nur dann als Befehl zum Übermitteln eines aperiodischen CQI-Berichts, ohne diesen mit Daten des UL-SCH zu multiplexieren, wenn der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt sei und das Steuerkanalsignal den vorbestimmten Wert des MCS-Index aufweise und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich der vorbestimmten Ressourcenblockzahl sei, anzeige. Dies ergebe sich aus dem unstreitigen Inhalt des Standarddokuments TS 136.213 (v8.8.0) unter Abschnitt 8.6.2. Danach werde für den Fall, dass das QCI-Request-bit gesetzt sei und der MCS-Index den Wert 29 aufweise sowie die Ressourcenblockzahl kleiner oder gleich 4 sei, ein aperiodischer CQI-Bericht von der Basisstation angefordert, ohne dass insoweit ein Multiplexieren mit Daten des UL-SCH stattfinden solle.
42 Die von den Beklagten durchgeführten Tests an den angegriffenen Ausführungsformen belegten nicht das Gegenteil. Denn die verschiedenen Testszenarien seien von den Beklagten so gewählt worden, dass das Endgerät jeweils nicht in der Lage gewesen sei, ein Multiplexieren mit UL-SCH-Daten durchzuführen. Der Umstand, dass in den von den Beklagten durchgeführten Tests aperiodische CQI-Berichte ohne weiteres Multiplexieren mit Nutzerdaten übermittelt worden seien, beruhe allein darauf, dass keine Daten im Puffer der Geräte vorhanden gewesen seien (Test 1 bis 3) bzw. keine ausreichenden Kapazitäten für die Übermittlung von CQI-Bericht und UL-SCH-Daten vorhanden gewesen seien (Test 4). Der Übermittlung sei daher keine Interpretation als Befehl zum Übertragen eines aperiodischen CQI-Berichts ohne Multiplexieren mit UL-SCH-Daten im Sinne der Lehre des Klagepatents vorangegangen.
43 Sie sei an der Durchsetzung der sich aus der Patentverletzung ergebenen Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung auch nicht durch den von den Beklagten erhobenen FRAND-Einwand gehindert.
44 Bei der Beklagten bzw. deren Muttergesellschaft handele es sich um sog. „Patent-Hold-Outs“, die offensichtlich nicht lizenzbereit seien. So hätten die Beklagten insbesondere trotz der jahrelangen Rechtsstreitigkeiten und Verhandlungen bis Anfang 2020 kein Gegenangebot unterbreitet, sondern sich stets darauf beschränkt, bestimmte Klauseln der FRAND-Angebote der Klägerin zu kritisieren. Ohnehin habe es nach den ersten Anschreiben in den Jahren 2014 keine Reaktion der Beklagtenseite gegeben. Diese sei erst verspätet im Jahr 2016 erfolgt, nachdem bereits Patentverletzungsklagen in den USA eingereicht worden seien.
45 Unabhängig davon genüge das Lizenzangebot aus dem März 2020 FRAND-Kriterien, so dass bereits deshalb die vorliegende Klage keinen Rechtsmissbrauch darstellen könne. Der Ansatz eines industrieweiten ASP für Mobiltelefone im Rahmen des Top-Down-Modells stelle einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Herstellern im oberen und unteren Preissegment dar. Es sei nicht Aufgabe der Klägerin, die Niedrigpreise der Beklagten mit entsprechend geringen Lizenzgebühren zu subventionieren. Zudem sei es ein berechtigtes Anliegen, absolute Stücklizenzen zu fordern, was der Vergleich mit anderen Lizenzgebern zeige. Dementsprechend hätten auch bereits zwei Anbieter von Mobiltelefonen Lizenzverträge zu den hier in Rede stehenden Konditionen abgeschlossen.
46 Jedenfalls sei das Gegenangebot der Beklagten nicht FRAND. Diese ergebe sich bereits aus dem erheblichen Unterschied zwischen ihren eigenen Lizenzgebühren und den von der Muttergesellschaft der Beklagten angebotenen Lizenzsätzen.
47 Zudem verfolgten die Beklagten durch das Abstellen auf ihre tatsächlichen Verkaufspreise unzulässigerweise ein anderes Lizenzierungskonzept. Sie - die Klägerin - habe sich dafür entschieden, allen Standardnutzern eine einheitliche Lizenzgebühr und so einen angemessenen und einheitlichen Preis für die Lizenzierung ihrer Schutzrechte anzubieten. Dieses Lizenzierungskonzept sei offensichtlich nicht mit dem Gegenangebot der Beklagten, welches einen fundamental anderen Ansatz verfolge, nämlich eine Berechnung der zu zahlenden Lizenzgebühr in Abhängigkeit der Verkaufspreise der Lizenznehmer, in Einklang zu bringen. Es sei allerdings mit der Vertragsfreiheit unvereinbar, wenn ein Lizenzsucher einen Patentinhaber zu Abweichungen von dessen bestehenden und ausgeübten Lizenzierungskonzept zwingen könnte.
48 Die Klägerin tritt einer Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage entgegen und verteidigt den Rechtsbestand des Klagepatents.
49 Die Klägerin b e a n t r a g t zuletzt,
50 die Beklagten zu verurteilen,
51 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen,
52 mobile Endgeräte, die ausgebildet sind, das folgende Verfahren auszuführen
53 Verfahren, umfassend die nachfolgenden Schritte, die von einem mobilen Endgerät durchgeführt werden: Empfangen eines Steuerkanalsignals von einer Basisstation, wobei das Steuerkanalsignal einen MCS-Index (Modulation and Coding Scheme MCS, Modulations- und Codierschema), Information über Ressourcenblöcke, die zur Übertragung von dem mobilen Endgerät an die Basisstation verwendet werden, und einen Kanalgüteinformationsauslöser zum Auslösen einer Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren des Weiteren umfasst: Bestimmen ob der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt ist und ob das Steuerkanalsignal einen vorbestimmten Wert des MCS-Indexes anzeigt und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich einer vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt, wobei das Steuerkanalsignal nur für den Fall als Befehl zur Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne Multiplexieren des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes mit U plink-Shared-Channel-Daten interpretiert wird, dass der Bestimmungsschritt ein positives Ergebnis bringt, demzufolge der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt und das Steuerkanalsignal den vorbestimmte Wert des MCS-Indexes und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich der vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt, und Übertragen des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne Multiplexieren des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes mit Uplink-Shared-Channel-Daten für den Fall, dass der (Verfahren gemäß Anspruch 1)
54 umfassend einen Empfänger, der ausgelegt ist zum Empfangen eines Steuerkanalsignals von einer Basisstation, wobei das Steuerkanalsignal einen MCS-Index (Modulation and Coding Scheme MCS, Modulations- und Codierschema), Information über Ressourcenblöcke, die zur Übertragung von dem mobilen Endgerät an die Basisstation verwendet werden, und einen Kanalgüteinformationsauslöser zum Auslösen einer Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation umfasst, wobei das Endgerät des Weiteren umfasst einen Prozessor, der ausgelegt ist zum Bestimmen, ob der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt ist und ob das Steuerkanalsignal einen vorbestimmten Wert des MCS-Indexes anzeigt und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich einer vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt, wobei das Steuerkanalsignal nur für den Fall als Befehl zur Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne Multiplexieren des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes mit U plink-Shared-Channel-Daten interpretiert wird, dass der Bestimmungsschritt ein positives Ergebnis bringt, demzufolge der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt und das Steuerkanalsignal den vorbestimmten Wert des MCS-Indexes und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich der vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt, und einen Sender, der ausgelegt ist zum Senden des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne den aperiodischen Kanalgüteinformationsbericht mit Uplink-Shared-Channel-Daten zu multiplexen, falls die Bestimmung das positive Ergebnis bringt,
55 (Anspruch 9)
56 in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
57 insbesondere wenn
58 der vorbestimmte MCS-Index den Wert 29 aufweist
59 (Anspruch 10)
60 und/oder
61 das mobile Endgerät dafür ausgelegt ist, den Kanalgüteinformationsbericht auf dem Physical Uplink Shared Channel (PUSCH) rückzuführen auf Grundlage eines aus einer Mehrzahl von Berichtsmodi
62 (Anspruch 11)
63 und/oder
64 der Sender ausgelegt ist zum Verwenden eines Physical Uplink Shared Channel zum Übertragen des Kanalgüteinformationsberichtes
65 (Anspruch 12)
66 und/oder
67 der vorbestimmte MCS-Index einen Redundanzversionsparameter mit dem Wert 1 indiziert
68 (Anspruch 13)
69 und/oder
70 der Steuerkanalgüteinformationsauslöser ein Kanalgüteanzeiger- anforderungsbit ist
71 (Anspruch 14)
72 und/oder
73 die Kanalgüteinformation ein Kanalgüteanzeiger (channel quality indicator), und ein Vorcodiermatrixanzeiger (precoding matrix indicator) ist
74 (Anspruch 15, eingeschränkt);
75 2. die vorstehend zu Ziff. 1. bezeichneten, seit dem 07.11.2012 im Besitz gewerblicher Abnehmer, die nicht Letztverbraucher sind, befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen;
76 3. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz bzw. Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziff. 1. zu vernichten.
77 Die Beklagten b e a n t r a g e n,
78 die Klage abzuweisen,
79 hilfsweise der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
80 Die Beklagten sind der Auffassung, bei der gebotenen Auslegung verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen die Lehre des Klagepatents nicht. Der Begriff der „Uplink Shared Channel data“ umfasse über Nutzdaten hinaus sämtliche Daten, die auf dem Uplink Shared Channel übertragen würden. Der aperiodische Kanalgütebericht im Sinn des Patentanspruchs dürfe daher mit keinerlei Daten (gleich welcher Art) gemultiplext werden, auch nicht mit der Steuerinformation Hybrid Automatic Repeat Request Acknowledgement (HARQ-ACK). Diesem Verständnis stehe das durch die Klägerin herangezogene, zum Prioritätszeitpunkt bekannte Standarddokument schon deshalb nicht entgegen, weil die durch die Klägerin zitierte Passage sich nicht mit einem physikalischen (PUSCH-) Kanal, sondern mit einem Transport- (UL-SCH-) Kanal befasse. Die Klagepatentschrift stelle aber ausschließlich auf die Ebene des physikalischen Kanals ab. Der Fachmann habe es zum Prioritätszeitpunkt nicht als zwingend angesehen, eine ACK/NACK-Nachricht immer mit dem CQI-Report zu multiplexen, denn diese hätte auch so gehandhabt werden können, dass sie sich nicht mit dem CQI-Report überschneide.
81 Zudem machten die angegriffenen Ausführungsformen nicht von der im Nichtigkeitsverfahren eingefügten Einschränkung Gebrauch, wonach die Mobilstation das Steuerkanalsignal nur dann als einen Befehl zum Übertragen eines aperiodischen CQI-Bericht ohne Multiplexieren mit weiteren Daten interpretieren dürfe, wenn der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt sei und das Steuerkanalsignal den vorbestimmten Wert des MCS-Index aufweise und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich der vorbestimmten Ressourcenblockzahl ist, anzeige. Die von der Klägerin genannte Passage des Standarddokuments TS 136.213 (v8.8.0) unter Abschnitt 8.6.2. belege nicht, dass der Standard nur in dem dort genannten Fall die Interpretation des Steuerkanalsignals als Befehl zur Übersendung eines CQI-Berichts, ohne diesen mit UL-SCH Daten zu multiplexen, vorsehe.
82 Tatsächlich würde standardgemäß und auch seitens der angegriffenen Ausführungsformen in weiteren Fällen das Steuerkanalsignal als sog. CQI-only-Befehl interpretiert, wie die Tests der Beklagten belegten.
83 Jedenfalls seien die geltend gemachten Ansprüche derzeit unbegründet, weil ihrer Durchsetzung der erhobene FRAND-Einwand entgegenstehe. Sie - die Beklagten - seien lizenzwillig. Auf den erstmaligen Verletzerhinweis im Februar 2016 hätten sie zeitnah reagiert. Diese Lizenzbereitschaft sei stets bekräftigt worden.
84 Nachdem das klägerische Angebot aus dem Februar 2016 vom erkennenden Gericht als evident FRAND-widrig beurteilt worden war, sei es Aufgabe der Klägerin gewesen, ein FRAND-gemäßes Angebot unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer vorzulegen. Dies sei erst im April 2018 erfolgt. Aus dieser Verzögerung könne also nicht auf die fehlende Lizenzbereitschaft der Beklagten geschlossen worden. Da dieses Angebot nach der Rechtsauffassung der Kammer erneut evident FRAND-widrig gewesen sei, seien sie nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer zur Abgabe eines Gegenangebots nicht verpflichtet gewesen.
85 Auf das erneut überabeitete Angebot der Klägerin vom 12.12.2019 habe die Beklagten bzw. ihr Mutterkonzern zeitnah mit einem Gegenangebot reagiert und Sicherheit geleistet. Das Angebot des B-Konzerns genüge FRAND-Kriterien, weshalb die Klage bereits deshalb als derzeit unbegründet abzuweisen sei.
86 Jedenfalls genüge das Angebot der Klägerin nicht FRAND-Kriterien. Im Rahmen des von der Klägerin gewählten Top-Down-Ansatzes, dem eine maximale Gesamtlizenzbelastung pro verkaufter Einheit vorschwebe, könne nicht auf einen industrieweiten ASP abgestellt werden. Dies benachteilige Anbieter im unteren Preissegment für Mobiltelefone, in dem auch sie - die Beklagten - zulässigerweise tätig seien. Unerheblich sei, dass es grundsätzlich FRAND-gemäße industrieweite Stücklizenzen anderer Lizenzanbieter gebe könne. Dabei verkenne die Klägerin jedoch, dass diese anderen Lizenzanbieter ihre Lizenzgebühren nicht nach dem von der Klägerin zugrunde gelegten Top-Down-Ansatz, sondern auf andere Weise berechnet und gerechtfertigt hätten. Der Umstand, dass andere Berechnungsmethoden, die zu einem absoluten USD-Betrag pro Lizenzgegenstand führten, in ganz bestimmten Fallkonstellationen im Markt akzeptiert und dann u.U. auch FRAND sein könnten, bedeute allerdings nicht, dass die Klägerin sich aus verschiedenen Berechnungs- und Rechtfertigungsansätzen beliebig das für sie Beste „herauspicken“ könne, um dann unter dem „Deckmantel“ der allgemein anerkannten „Top-Down“-Berechnungsmethode die von ihr ermittelte Lizenzgebühr als angeblich FRAND präsentieren zu können.
87 Das Klagepatent sei zudem nicht rechtsbeständig.
88 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 29. 10.2019 (ABl. 111) und 21.07.2020 (ABl. 136) verwiesen.
Entscheidungsgründe
89 Die zulässige Klage ist derzeit unbegründet. Die von den Beklagten vertriebenen Mobiltelefone machen zwar von der Lehre des Klagepatents Gebrauch (dazu A). Allerdings ist die Klage mit Blick auf die allein geltend gemachten Unterlassungs-, Vernichtungs- und Rückrufansprüche derzeit unbegründet, weil deren Durchsetzung ein kartellrechtlicher Missbrauchseinwand entgegensteht (dazu B).
A.
90 Die Beklagten machen mit dem Vertrieb der angegriffenen Mobilgeräte von der Lehre des Patentanspruchs 9 des Klagepatents Gebrauch.
I.
91 Das Klagepatent betrifft die Übermittlung von Informationen zur Kanalgüte durch die Mobilstationen in Mobilfunknetzen sowie eine entsprechende Einrichtung der jeweiligen Mobilstation.
92 Um im Mobilfunk möglichst hohe Datenraten bei zugleich niedriger Fehlerquote zu erreichen, war es im Stand der Technik bekannt, dass die Basisstationen von den Mobilstationen Qualitätsreporte betreffend die Qualität der durch die jeweilige Mobilstation -über die Downlink-Verbindung - empfangenen Übertragungen erhalten können. Als solchen Qualitätsreport nennt das Klagepatent bei der Beschreibung des technischen Hintergrunds der Erfindung (Abschnitt [0011]) insbesondere die „Channel Quality Indication“ (CQI). Mit dem „Channel Quality Indicator (CQI)" zeigt die Mobilstation der Basisstation - vereinfacht gesagt - die höchstmögliche Datenrate im Downlink an, bei der die Mobilstation die Fehlerquote beim Empfang noch unter einem bestimmten Wert halten kann. Die Beschreibung des Klagepatents (Abschnitte [0031] ff) geht insbesondere auf das Standardisierungsdokument 3GPP TS 36.213 ein, das periodische oder aperiodische CQI-Reporte (Qualitätsreporte) vorsieht. Aperiodische CQI-Reporte sollen durch die Mobilstation ausgeführt werden, wenn sie durch die Basisstation mit einem „channel quality indicator trigger“ (Kanalgüteinformationsauslöser) angefordert werden. Dieser Auslöser wird über den physikalischen Downlink-Steuerkanal („physical downlink control channel“ - PDCCH) übertragen (vgl. Abschnitte [0036], [0041]).
93 Bei dem PDCCH handelt es sich um den Steuerkanal, über den die Basisstation der Mobilstation auch Informationen zur Identifizierung der zugewiesenen Übertragungsressourcen, d.h. Information über die Ressourcenblöcke, also diejenigen Übertragungsblöcke, die einem mobilen Endgerät für seine Datenübertragung zugeordnet werden, und zum Transportformat zur Verfügung stellt, letzteres namentlich in Form eines MCS-Index (aaO, Abschnitte [0016] ff, [0041]). Der MCS-Index gibt das zu verwendende Modulations- und Codierungsschema vor, das für die Kommunikation zwischen dem mobilen Endgerät und der Basisstation verwendet wird. Dies bedeutet, dass er angibt, welche Daten-übertragungsrate verwendet wird und welcher Art die Modulation ist, die für die physikalische Datenübertragung verwendet wird. Diese Information wird dabei nicht im Klartext übertragen, sondern es gibt bestimmte vorbekannte Schemata mit bestimmten Parametern, die sowohl dem mobilen Endgerät als auch der Basisstation bekannt sind und die mit einer bestimmten Nummer, dem MCS-Index, bezeichnet werden, die dann übertragen wird. Diese Nummer lässt sich anders als die Parameter, die das Schema umfasst, mit einer relativ geringen Anzahl von Bits übertragen.
94 Die Klagepatentschrift (Abschnitt [0041]) erläutert, dass üblicherweise durch Multiplexing mit den Nutzdaten verbunden werden, wenn der Datenpuffer der Mobilstation nicht leer ist, und so von der Mobilstation an die Basisstation über den physikalischen Uplink-Shared-Kanal (PUSCH) übertragen werden.
95 Ziel der Erfindung ist es, ein Kontrollsignalisierungsschema bereitzustellen, das es erlaubt, ohne Verschwendung von Ressourcen einen aperiodischen (also nach Bedarf anzufordernden) CQI-Report zu verlangen, der nur CQI-Informationen enthält, also nicht mit „Uplink Shared CHannel“-Daten gemultiplext ist, selbst wenn der Datenpuffer der Mobilstation nicht leer ist (aaO, Abschnitte [0043] ff, [0054]).
96 Dazu schlägt das Klagepatent A eine Vorrichtung gemäß dem eingeschränkten Patentanspruch 9 vor, der sich in von der Klägerin vorgenommenen deutschen Übersetzung wie folgt gliedern lässt:
97 Mobiles Endgerät, das ausgebildet ist, das Verfahren nach Anspruch 1 auszuführen, umfassend
98 1. einen Empfänger, der ausgelegt ist zum Empfangen eines Steuerkanalsignals von einer Basisstation, wobei das Steuerkanalsignal umfasst
99 1.1 einen Kanalgüteinformationsauslöser zum Auslösen einer Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation,
100 1.2 einen Modulations- und Codier-Schema- (MSC-) Index, [und]
101 1.3 Information über Ressourcenblöcke, die zur Übertragung von dem mobilen Endgerät an die Basisstation verwendet werden,
102 2. einen Prozessor, der ausgelegt ist zum Bestimmen,
103 2.1 ob der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt ist und
104 2.2 ob das Steuerkanalsignal einen vorbestimmten Wert des MCS-Indexes anzeigt und
105 2.3 [ob das Steuerkanalsignal] eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich einer vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt,
106 2.4 wobei das Steuerkanalsignal nur für den Fall als Befehl zur Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne Multiplexieren des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes mit Uplink-Shared-Channel-Daten interpretiert wird, dass der Bestimmungsschritt ein positives Ergebnis bringt, demzufolge der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt und das Steuerkanalsignal den vorbestimmten Wert des MCS-Indexes und eine Anzahl von Ressourcenblöcken, die kleiner oder gleich der vorbestimmten Ressourcenblockanzahl ist, anzeigt,
107 3. und einen Sender, der ausgelegt ist zum Senden des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne den aperiodischen Kanalgüteinformationsbericht mit Uplink-Shared-Channel-Daten zu multiplexen, falls die Bestimmung das positive Ergebnis bringt.
108 II. Die angegriffenen Geräte verwirklichen diese Lehre.
109 Jedes dem LTE-Standard genügende Mobiltelefon muss die in der Lehre des vorgenannten Patentanspruchs vorgesehenen Merkmale denknotwendig aufweisen. Dies ergibt sich aus der Darstellung des technischen Sachverhalts und den eingehenden Ausführungen der Klägerin hierzu in der Klageschrift bzw. im Schriftsatz vom 14.11.2018, in denen jeweils den Merkmalen des Patentanspruchs die entsprechenden Vorschriften des LTE-Standards gegenübergestellt worden sind. Auf der Grundlage dieser nicht bestrittenen tatsächlichen Umstände geht die Klägerin in zutreffender rechtlicher Würdigung davon aus, dass die Lehre des Patentanspruchs in jedem standardgemäßen Mobiltelefon verwirklicht ist.
110 1. Dies gilt zunächst für das Merkmal 3 (dazu unter a), dessen Verwirklichung die Beklagten in Abrede stellen. Es fordert, dass der Sender dazu ausgelegt ist, beim Zusammentreffen der in Merkmal 2 genannten Bedingungen einen aperiodischen Kanalgüteinformationsbericht (CQI) an die Basisstation zu senden, ohne diesen mit Uplink-Shared-Channel-Daten zu multiplexen. Insoweit genügt es, dass im Standard kein Multiplexing mit (Nutz-)Daten stattfindet, die aus dem UL-SCH-Transportkanal stammen. Dass bei der standardgemäßen Ausgestaltung der aperiodische Kanalgüteinformationsbericht mit der Steuerinformation Hybrid Automatic Repeat Request Acknowledgement (HARQ-ACK) gemultiplext wird, steht der Verwirklichung des Merkmals 3 nicht entgegen.
111 Auch das neu eingefügte Merkmal 2.4 (dazu unter b), wonach ein entsprechendes Steuerkanalsignal der Basisstation nur dann als Befehl zur Übermittlung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichts, ohne diesen mit Uplink-Shared-Channel-Daten zu multiplexen, interpretiert wird, wenn der Bestimmungsschritt hinsichtlich aller drei unter 2.1 bis 2.3 genannten Parameter positiv ausfällt, ist verwirklicht. Insoweit genügt es, wenn die angegriffenen Ausführungsformen stets nur dann das Steuerkanalsignal als entsprechenden Befehl interpretieren, wenn eine Prüfung der genannten Parameter insgesamt positiv ausfällt. Dies ist auch dann der Fall, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen - über die im Standard genannten Vorgaben hinaus - auch bei wechselnden konkreten Einzelwerten für MCS-Index und/ oder Ressourcenblockzahl ein Steuerkanalsignal als entsprechenden Befehl interpretieren, wenn der Kanalgüteinformationsauslöser gesetzt ist.
112 a) Das Merkmal 3 wird bei zutreffender Auslegung durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
113 Bei der gebotenen Auslegung des Patentanspruchs schließt das Merkmal 3 lediglich aus, dass der aperiodische Kanalgüteinformationsbericht mit denjenigen Daten, die aus dem UL-SCH-Transportkanal stammen, gemultiplext wird. Ein Multiplexing mit anderen Daten, die über den PUSCH übertragen werden, verbietet es nicht.
114 aa) Dies entspricht zunächst dem Wortlaut des nach Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ maßgeblichen Patentanspruchs.
115 Dieser spricht im Merkmal 3 nicht etwa die physikalische Ebene der Datenübertragung an (etwa PUSCH, also Physical Uplink Shared Channel), sondern die „Uplink Shared Channel“ Daten. Ausgangspunkt für das Verständnis des Fachmanns ist insoweit die allgemeine Bedeutung dieses Begriffs zum Prioritätszeitpunkt. Zu diesem Zeitpunkt war das Standarddokument 3GPP TS 36.212 (v8.2.0) (2008-3), das als Anlage HE-A 32 vorliegt, bereits veröffentlicht. Es befasst sich mit der Verarbeitung von Transportkanälen, insbesondere dem „Uplink shared channel“. Darin heißt es u.a.:
116 […]
117 […]
118 In diesem Stand der Technik stammten mithin - was unstreitig ist - nicht alle über den physikalischen Kanal PUSCH übertragenen Daten aus dem Transportkanal UL-SCH, aus dem (nur) die Bestandteile f0 bis fG-1 stammen. Steuerinformationen wie die HARQ-ACK-Information wurden danach im Stand der Technik mit den Daten des „Uplink shared channel“ (UL-SCH) gemultiplext, gehören aber nicht selbst zu den UL-SCH-Daten.
119 bb) Die nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehende Beschreibung und die Zeichnungen der Patentschrift geben keinen Anhaltspunkt für eine Begrenzung des Schutzbereichs dahin, dass entgegen dem Wortlaut des Anspruchs auch ein Multiplexing mit solchen Daten ausgeschlossen werden soll, die keine Uplink-Shared-Channel Daten sind, aber über den physikalischen Kanal PUSCH übertragen werden.
120 Vielmehr unterscheidet die Patentschrift gerade zwischen den Begriffen „Physical Uplink Shared CHannel“ („PUSCH“) und „Uplink Shared Channel“ („UL-SCH“; vgl. Abschnitte [0002], [0033], [0041], [0043]). Dass darin ein Begriffsgebrauch liegen sollte, der vom Standardisierungsstand zum Prioritätszeitpunkt abweicht, ergibt sich aus der Beschreibung und den Figuren nicht. Im Gegenteil wird die begriffliche Unterscheidung und das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander besonders deutlich in Abschnitt [0033], wo sie ersichtlich wie in der folgenden Passage unterschieden werden: „PUSCH transmissions with no UL-SCH (Uplink Shared Channel)“. Die Patentschrift enthält keinen Hinweis darauf, dass auch andere, nicht vom UL-SCH stammende Daten nicht mit dem aperiodischen Kanalgüteinformationsbericht gemultiplext werden dürften.
121 cc) Dass die Lehre des Patentanspruchs nur ein Multiplexing des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichts mit den Daten des UL-SCH verbietet, entspricht auch der technischen Funktion dieses Merkmals und seiner Bedeutung für die Lösung des Problems.
122 Dieses liegt ausweislich des Abschnitts [0041] darin, dass der aperiodische CQI-Report im Stand der Technik üblicherweise mit den Nutzdaten gemultiplext wurde, wenn der Datenpuffer der Mobilstation nicht leer ist, und so von der Mobilstation an die Basisstation über den physikalischen Uplink-Shared-Kanal (PUSCH) übertragen wurde. Das Klagepatent will vor diesem Hintergrund ermöglichen, ohne Verschwendung von Ressourcen einen aperiodischen (also nach Bedarf anzufordernden) CQI-Report zu verlangen, der nur CQI-Informationen enthält, also nicht mit „Uplink Shared CHannel“-Daten gemultiplext ist, selbst wenn der Nutzerdatenpuffer der Mobilstation nicht leer ist (vgl. Abschnitte [0043] ff, [0054]). Es geht also bei der Lehre des Klagepatents vor allem darum, ein Multiplexing mit Nutzerdaten zu vermeiden. Dass auch ein Multiplexing mit anderen, nicht vom UL-SCH stammenden Daten, die über den PUSCH übertragen werden, problematisch, vermeidungswürdig und vermeidbar sei, geht aus der Patentschrift nicht hervor.
123 dd) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Ablauf des Erteilungsverfahrens.
124 Dieser ist, soweit er im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden hat, ohnehin grundsätzlich unerheblich für die Auslegung des Patentanspruchs, zu der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ lediglich die Beschreibung und die Figuren des Klagepatents heranzuziehen sind. Allerdings hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen, ob es dieser Grundsatz auch verbietet, auf Patentveröffentlichungen wie die amtlich veröffentlichte Patentanmeldung oder frühere Fassungen der später etwa im Einspruchsverfahren oder im Beschränkungsverfahren geänderten Patentschrift zurückzugreifen, wenn sich der Gehalt der maßgeblichen Fassung der Patentschrift erst aus einem Vergleich mit diesen erschließt und damit zu einem Niederschlag auch in der Patentschrift geführt hat (vgl. BGHZ 208, 182 Rn. 36 mwN - Glasfasern II). Dies bedarf auch im Streitfall keiner näheren Erörterung.
125 Eines Rückgriffs auf solche vorangegangenen Veröffentlichungen bedarf es zur Ermittlung des Sinngehalts des Patentanspruchs schon gar nicht, weil der Begriff der „Uplink Shared Channel“ Daten - wie bereits ausgeführt - sich dem Fachmann ohne weiteres aus der Patentschrift erschließt. Eine Gegenüberstellung der früheren Fassungen der Anmeldung legt auch kein anderes Verständnis nahe. Zwar ergibt sich aus einem Vergleich der Klagepatentschrift mit der als WO 2009/135574 veröffentlichten Anmeldung des Klagepatents, dass der Sprachgebrauch des erteilten Patentanspruchs insoweit von Passagen der Anmeldung abweicht, als anstelle eines Verzichts auf Multiplexing mit „user data“ wie in der Anmeldung (siehe etwa Unteranspruch 4 der WO 2009/135574) in der erteilten Fassung des Klagepatents ein Verzicht auf Multiplexing mit „Uplink Shared Channel data“ gelehrt wird (Hervorhebung hinzugefügt). Dass darin eine Beschränkung des Schutzanspruchs gegenüber dem Inhalt der Anmeldung liegen sollte, ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr spricht aus Sicht des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt alles dafür, dass mit der erteilten Anspruchsfassung der herkömmliche Begriff der „Uplink Shared Channel“ Daten gemeint war und in der Fassungsänderung nur eine Klarstellung lag.
126 Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Inhalt der Erteilungsakte, deren Berücksichtigungsfähigkeit insoweit ohnehin zweifelhaft wäre. Im Erteilungsverfahren hat die Patentanmelderin den Begriff „Uplink Shared Channel data” anstelle des vorherigen Begriffs „user data“ in den Patentanspruch 9 eingeführt. In diesem Schreiben werden beide Begriffe synonym verwendet; ferner wird dort weiterhin erörtert, was die Anmeldung in Bezug auf das Multiplexen des CQI mit „user data“ lehrt. Der dem zugrundeliegende Einwand des Prüfers hatte nichts mit der Terminologie „user data“ bzw. „Uplink Shared Channel data” zu tun. Vielmehr war beanstandet worden, dass unklar sei, ob auch Ausführungen in den Schutzbereich fallen, bei denen der CQI stets ohne Multiplexing übertragen werde und eine solche Ausführung nicht erfinderisch sei.
127 ee) Ein standardgemäßes Mobiltelefon ist unstreitig so ausgebildet, dass es bei dieser Auslegung patentgemäß ist. Denn die Parteien sind sich darüber einig, dass (in Einklang mit dem Fachverständnis zum Prioritätszeitpunkt) HARQ-ACK-(Steuer-) Nachrichten nicht aus dem Transportkanal UL-SCH stammen. Sie stellen also keine Uplink-Shared-Channel-Daten im Sinn des gefundenen Auslegungsergebnisses dar. Dem Vortrag der Klägerin, dass ein Multiplexing des CQI mit Daten aus dem Transportkanal UL-SCH im Standard nicht stattfindet, sind die Beklagten nicht entgegengetreten.
128 b) Ferner machen die angegriffenen Ausführungsformen von der im Nichtigkeitsverfahren eingefügten Merkmalsgruppe 2.4 Gebrauch.
129 aa) Die Beklagten haben zuletzt auch geltend gemacht, dass die angegriffenen Geräte die Merkmale der Gruppe 2.4 des Patentanspruchs nicht verwirklichten.
130 Der Einwand beruht auf der Auslegung, der Patentanspruch enthalte in der eingeschränkten Form eine Ausschließlichkeitsbedingung dahingehend, dass das Multiplexieren mit UL-SCH-Daten nur in dem Fall unterbleiben dürfe, dass die Bedingungen des Patentanspruchs erfüllt sind. Die Beklagten bestreiten zwar weiterhin nicht, dass die angegriffenen Geräte nach dem LTE-Standard immer dann ein Multplexieren mit den UL-SCH-Daten verhindern, wenn die im Patentanspruch definierten Bedingungen vorliegen. Sie machen aber geltend, dass auch in anderen als den von der Patentschrift definierten Fällen ein CQI-Bericht ohne Multiplexieren mit Nutzerdaten übermittelt werde.
131 Die Auslegung der Beklagten ist unzutreffend. Der Patentanspruch verhält sich zur Frage des Multiplexierens in anderen Konstellationen als der dort beschriebenen nicht.
132 (1) Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des eingeschränkten Anspruchs. Dort heißt es, dass das Steuerkanalsignal nur in dem beschriebenen Fall als Befehl zur Übertragung eines aperiodischen CQI-Berichts ohne Multiplexieren mit Uplink-Shared-Channel-Daten interpretiert werden soll („only interpreting the control channel signal as commanding that the aperiodic channel quality report be transmitted to the base station without multiplexing the aperiodic channel quality information report with Uplink Shared Channel data in case […]“). Demnach beschränkt sich die „nur-dann-wenn“-Verknüpfung, auf die sich die Beklagten stützen, darauf, dass der im Patentanspruch beschriebene Prozess – nämlich der Wechsel gerade in den „CQI-only-Modus“, der in der Patentschrift beschrieben und in Abschnitt [0056] definiert ist – nur dann durch Interpretation des Steuerkanalsignals als Befehl (zur Übertragung eines aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes an die Basisstation ohne Multiplexieren des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes mit Uplink-Shared-Channel-Daten) ausgelöst werden soll, wenn alle drei im Anspruch definierten Bedingungen vorliegen.
133 Für alle anderen Fälle – also das Verhalten, wenn die Bedingungen nicht erfüllt sind, weil keine, nur eine oder nur zwei, nicht aber alle erfüllt sind – enthält der Patentanspruch keine Regelung. Insbesondere kann dem „only“ nicht in einem Umkehrschluss das Gebot entnommen werden, in jeder anderen Konstellation die Daten zu multiplexieren bzw. das Verbot, in jeder anderen Konstellation auf das Multiplexieren oder gar auf die Übertragung des angeforderten aperiodischen Kanalgüteinformationsberichtes zugunsten von Uplink-Shared-Channel-Daten zu verzichten. Ein solches Ge- oder Verbot hätte besonders zum Ausdruck gebracht werden müssen, etwa durch einen Zusatz wie „otherwise, the aperiodic channel quality report has to be multiplexed with Uplink Shared Channel data“ oder „otherwise, a transmission to the base station without multiplexing the aperiodic channel quality information report with Uplink Shared Channel data is disallowed“.
134 (2) Diese Auslegung entspricht auch der Beschreibung und ist dort offenbart. Die Patentschrift stellt sich zum Ziel, ein Kontrollsignal zu definieren, das zuverlässig und immer zur Rückübersendung einer Kanalgüteinformation im „CQI-only“-Modus führt (Abschnitt [0043]). Nach dem im Patent beschriebenen Stand der Technik gab es einen solchen Steuerungsbefehl noch nicht, auch wenn – wie sich aus der Darstellung des technischen Hintergrundes ergibt – bereits Konstellationen bekannt waren, in denen der Kanalgütebericht nicht mit Nutzerdaten multiplexiert wurde.
135 Zu diesen Konstellationen gehört der Fall, dass keine Nutzerdaten im Speicher des Mobilgerätes vorhanden sind, also keine Uplink-Shared-Channel-Daten zur Übermittlung anstehen. Diese Situation fällt von vornherein aus dem Blickwinkel der Aufgabenstellung und des Patentanspruchs. Das ergibt sich aus verschiedenen Stellen, in denen die Wirkungsweise des beschriebenen Steuerbefehls mit dem Zusatz beschreiben wird „even if the buffer ist non- [bzw. not] empty“ (z.B. Abschnitte [0043], [0056]). Das Fehlen von Nutzerdaten, mit denen multiplexiert werden könnte, war aber nicht die einzige Konstellation, in der bereits nach dem Stand der Technik der Kanalgütebericht ohne Nutzerdaten übermittelt wurde. Aus der Beschreibung des technischen Hintergrundes in der Patentschrift ist ersichtlich, dass der Kanalgütebericht nur regelmäßig – also nicht immer – multiplexiert übermittelt wurde, wenn Nutzerdaten im Puffer des Mobilgerätes vorhanden waren: „Usually, in case a data buffer at the UE is non-empty, user data and CQI are multiplexed with each other“ (Abschnitt [0041]; Unterstreichungen hinzugefügt). Die Ausnahmekonstellationen, in denen trotz vorhandener Nutzerdaten nicht multiplexiert wurde, waren aber – wie sich aus der Aufgabenstellung ergibt – nicht so systematisiert und definiert, dass sie kontrolliert und zuverlässig zur Anforderung eines Kanalgüteberichts im „CQI-only-Modus“ benutzt werden konnten.
136 Unter diesen Voraussetzungen und dieser Aufgabenstellung ist es für den Patentanspruch unerheblich, welches Verhalten das System zeigt, wenn die für den „CQI-only“-Modus definierten Bedingungen nicht vorliegen. Insbesondere stellt es die Funktionalität der geschützten Erfindung in der im Verletzungsprozess noch geltend gemachten Fassung des Anspruchs nicht in Frage, wenn es auch in anderen Konstellationen zur Übersendung eines nicht multiplexierten Kanalgüteberichtes kommen kann. Dementsprechend bestand kein Anlass, in der Patentschrift auf das Verhalten des Systems in den Fällen einzugehen, in denen die dort definierten Bedingungen nicht vorliegen. Insbesondere bestand kein Anlass, das Multiplexieren in diesen Fällen zu verbieten oder gar den einzig zur Verfügung stehenden Ressourcenblock statt zur Übermittlung des Kanalgüteberichts für die Übermittlung von Uplink-Shared-Channel-Daten zu verwenden. Dementsprechend verhält sich die Beschreibung dazu nicht. Nur in Abschnitt [0059] widmet sie sich dem Verhalten, wenn die vom Patentanspruch definierten Bedingungen nicht vorliegen. Ausdrücklich wird dort ausgeführt, dass dann der CQI-Trigger (die Anforderung des aperiodischen Kanalgüteberichts durch die Basisstation) in seiner normalen Bedeutung verstanden werden soll; das könne – nicht müsse – ein Multiplexieren der CQI-Daten mit Nutzerdaten einschließen: „… the terminal will interpret the CQI trigger as well as the transport format parameter in their usual meaning. Those skilled in the art will recognise that this usual meaning may be a multiplexing of CQI with user data in an uplink transmission”.
137 Dem steht Abschnitt [0064] nicht entgegen. Dort heißt es zwar “only the reception of a control channel signal signalling a predetermined RV value, preferentially the RV value 1, together with a CQI trigger signal and a predetermined MCS index (transport format parameter value), will be interpreted by the terminal as meaning that a CQI-only report shall be transmitted to the base station”. Auch dieser “nur dann, wenn”-Bedingung (“shall only”) wohnt aber vor dem oben dargestellten Hintergrund kein Ausschließlichkeitsanspruch und dementsprechend kein Verbot (“must not”) des Multiplexierens oder gar ein Verbot der Übermittlung des aperiodischen Kanalgüteberichts in allen anderen Fällen inne. Vielmehr ist auch diese Stelle im Licht des Patentanspruchs und der Aufgabenstellung in Abschnitt [0043] (nur) dahingehend zu verstehen, dass die vom Patent beschriebene zwingende Verknüpfung zwischen dem Kontrollsignal und dem in der Patentschrift definierten „CQI-only“-Modus durch die Interpretation des Steuerkanalsignals als Befehl nur dann eingreifen soll, wenn die Bedingungen des Patents vorliegen.
138 (3) Auch insoweit findet die Auslegung Bestätigung im Urteil des Bundespatentgerichts vom 19.09.2019. Dort heißt es auf S. 33-35: „Wie bereits ausgeführt, wird nicht beansprucht, dass nur in dem Fall, dass alle drei Bedingungen erfüllt sind, ein Kanalgüteinformationsbericht ohne Multiplexieren mit Uplink-Shared-Channel-Daten übertragen wird, sondern Anspruch 1 stellt auf die Interpretation des übertragenen Befehls ab, so dass eine Übertragung ohne Multiplexieren auch in anderen Fällen erfolgen kann, sofern ein anderer Befehl dies unter bestimmten Umständen zulässt. (...) Es kommt demnach nicht darauf an, dass es unter keinen anderen Bedingungen zu einer nicht gemultiplexten Übertragung des Kanalgüteinformationsberichts kommt, sondern, dass der Modus, bei dem immer eine nicht gemultiplexte Übertragung des Kanalgüteinformationsberichts erfolgt, nur dann eingenommen wird, wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind (...) Die aufgeführten Stellen zeigen, dass es um die Interpretation eines Befehls in einer bestimmten Weise und nicht um den Ausschluss der nicht gemultiplexten Übertragung eines Kanalgüteinformationsberichts für alle anderen Fälle geht.“ (vgl. auch S. 25, 27 des Urteils).
139 (4) Demgegenüber ist der Auslegung der Beklagten nicht zu folgen. Der Ausschließ-lichkeitsanspruch, den diese der Patentschrift entnehmen wollen, ist zu sehr auf eine sprachliche Ausdeutung des Begriffs „only“ fokussiert und lässt die oben dargestellten weiteren Umstände außer Betracht, insbesondere, dass es für die Aufgabenstellung und die beschriebene Funktionalität technisch unerheblich ist, wie sich das System in anderen Fällen verhält, und dass die Patentschrift an der einzigen Stelle, an der sie sich dieser Frage widmet (Abschnitt [0059]), ausdrücklich anerkennt, dass es auch in anderen Fällen zu einer Übermittlung des Kanalgüteinformationsberichtes ohne Multiplexieren mit Nutzerdaten kommen kann.
140 Daran ändert auch der zuletzt vorgebrachte Einwand nichts, es gebe keinen anderen Befehl als den CQI-Request-Trigger, um einen aperiodischen Kanalgüteinformationsbericht anzufordern, und daher auch keinen „anderen Befehl“ im Sinne des Bundespatentgerichts, der eine Übersendung ohne Multiplexieren „unter bestimmten Umständen“ zulassen könnte. Das Patent führt keinen eigenen, neuen Steuerungsbefehl für den Übergang in den CQI-only-Modus ein, sondern verwendet die Interpretation einer bestimmten Kombination aus bereits vorhandenen Signalen als „Befehl“. Dementsprechend ist es ein „anderer Befehl“, wenn zwar der CQI-Request-Trigger aktiviert ist, aber eines der beiden anderen Signale oder beide von den vordefinierten Werten abweichen.
141 Zutreffend ist lediglich, dass es aus dem Patentanspruch herausführen würde, wenn der durch den CQI-Request-Trigger angeforderte aperiodische Kanalgüteinformationsbericht immer ohne Multiplexieren übermittelt würde, unabhängig davon, welche Werte für den MCS-Index und die Ressourcenblockanzahl gesetzt sind. Dann würde es an der Abgrenzung zwischen dem im Patent besonders definierten und dem sonstigen Verhalten fehlen, die der Patentanspruch mit „only“ definiert und voraussetzt.
142 bb) Nach dieser zutreffenden Auslegung ändert die Einschränkung des Patentanspruchs nichts daran, dass die angegriffenen Geräte von der Merkmalsgruppe 2 Gebrauch machen.
143 Die Verletzung liegt darin, dass die angegriffenen Geräte nach dem LTE-Standard unter den im Patentanspruch definierten Voraussetzungen und nach der dort beschriebenen Logik das Multiplexen im Uplink unterbinden, was unstreitig ist.
144 Durch das Verhalten in anderen als der im Patentanspruch definierten Konstellation wird die Verletzung grundsätzlich nicht in Frage gestellt, da sich der Patentanspruch dazu -wie ausgeführt - nicht verhält. Das gilt insbesondere für die Frage, ob ein CQI-Bericht in diesen Fällen überhaupt übermittelt wird und ob er dabei - mit welchen Daten auch immer - multiplexiert wird oder nicht. Die von den Beklagten vorgetragenen Testergebnisse beziehen sich ausnahmslos auf Konstellationen, in denen die vom Patentanspruch definierten Bedingungen nicht vorlagen, und widerlegen die Patentverletzung daher nicht direkt. In den Testszenarien 1 bis 3 war der Datenpuffer leer, so dass ein Multiplexieren logisch ausgeschlossen war. Dass diese Konstellation von vornherein nicht im Regelungsfeld des Patentanspruchs liegt, wurde oben dargestellt. Im Testszenario 4 wurde der Kanalgüteinformationsbericht ohne Multiplexieren mit Nutzerdaten übermittelt, obwohl solche im Speicher vorhanden waren, und obwohl der MCS-Index auf 0 gesetzt war und somit nicht dem vorgeschriebenen Wert entsprach. Das ist - wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat - darauf zurückzuführen, dass nur ein Ressourcenblock und damit keine hinreichende Übertragungskapazität für die gleichzeitige Übermittlung des aperiodischen Kanalgüteinformationsberichts und Uplink-Shared-Channel-Daten zur Verfügung gestellt wurde, so dass das Multiplexieren - nicht anders als in den Testszenarien 1 bis 3 - von vornherein logisch ausgeschlossen war. Auf welche konkrete technische Vorgabe das Verhalten im Testszenario 4 zurückgeht und ob dahinter eine im Standard vorgenommene Priorisierungsentscheidung (zugunsten von Steuerungs- und zu Lasten von Nutzinformationen) liegt, bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls ist mit Testszenario 4 nur eine einzige Ausnahmekonstellation nachgewiesen, in der es nicht zum Multiplexieren des Kanalgüteinformationsberichts kommt, obwohl Nutzerdaten im Speicher vorhanden sind. Dass es - ausnahmsweise - ein solches Verhalten geben kann, ist aber in der Patentschrift offenbart und führt somit nicht aus dem Patentanspruch hinaus.
145 Widerlegt wäre die Verletzung nur dann, wenn die Beklagten nachgewiesen hätten, dass der Kanalgüteinformationsbericht nicht nur in bestimmten Ausnahmekonstellationen, sondern generell nicht multiplexiert mit Nutzerdaten übermittelt würde, auch wenn die im Patent beschriebenen Bedingungen nicht vorliegen. Das gelingt mit den gewählten Testszenarien nicht, wird in dieser Allgemeinheit von den Beklagten nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
146 2. Die angegriffenen Geräte sind nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin ausgebildet, nach dem LTE-Standard zu arbeiten, und deshalb nach den vorstehenden Ausführungen patentgemäß.
B.
147 Die Klägerin ist aufgrund eines kartellrechtlichen Missbrauchseinwands allerdings derzeit an der Durchsetzung der nach Art. 64 EPÜ iVm. §§ 139, 140a Abs.1, Abs. 3 PatG wegen der festgestellten Patentverletzung entstandenen Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf gehindert. Der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche steht als dilatorische Einwendung das unionsrechtliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV entgegen. Die Klägerin missbraucht ihre marktbeherrschende Stellung mit der gerichtlichen Durchsetzung der genannten Ansprüche, weil die Beklagten ein FRAND-Gegenangebot gemacht haben, ohne dass die Klägerin ihrerseits berechtigte Interessen an der Durchsetzung ihres eigenen Angebots geltend machen könnte, weil das Angebot der Klägerin FRAND-Kriterien nicht genügt.
148 I. Die Durchsetzung der Ansprüche unterliegt im Streitfall der Überprüfung anhand des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots.
149 Die Klägerin ist Normadressatin iSv. Art. 102 AEUV. Die Beklagten gehen aufgrund der von ihnen vorgetragenen und von der Klägerin unbestritten (Schriftsatz vom 14.11.2018, Rn.91) gebliebenen Tatsachen rechtlich zutreffend davon aus, dass die Klägerin auf dem hier relevanten Markt für die Einräumung bestimmter Rechte, die zur erfolgreichen Teilnahme am Wettbewerb auf dem Gebiet der Mobiltelefone aufgrund der vorherrschenden Standards zwingend benötigt werden, eine beherrschende Stellung hat.
150 II. Es ergeben sich jedenfalls bei einer marktbeherrschenden Stellung eines Patentinhabers aus Art. 102 AEUV Einschränkungen für die gerichtliche Durchsetzbarkeit eines Unterlassungsanspruchs.
151 Die Klage eines marktbeherrschenden Patentinhabers, welcher sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, kann einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung darstellen, wenn und soweit sie geeignet ist zu verhindern, dass dem Standard entsprechende Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt erhältlich bleiben (EuGH, 16.07.2015 -C-170/13 Rn. 54 ff. = GRUR 2015, 764 - Huawei/ZTE; BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17 Rn. 68 - FRAND-Einwand; BGH, Urteil vom 06.05.2009, KZR 39/06 Rn. 22 ff., BGHZ 180, 312 - Orange-Book-Standard). Missbräuchlich können danach Klageanträge sein, die auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung von Produkten aus den Vertriebswegen oder auf Vernichtung gerichtet sind (BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17 Rn. 68 – FRAND-Einwand; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2019, 6 U 183/16 Rn. 87, GRUR 2020, 166 – Datenpaketverarbeitung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2017, I-15 U 66/15 Rn. 220, GRUR 2017, 1219 – Mobiles Kommunikationssystem).
152 Auch dem Inhaber eines standardessentiellen Patents ist es jedoch nicht schlechthin untersagt, sein Patent durch die Geltendmachung von Unterlassungs- und anderen Ansprüchen auf dem Produktmarkt durchzusetzen (EuGH, a.a.O. Rn. 46, 53, 58 – Huawei/ZTE; BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17 Rn. 69 – FRAND-Einwand). Denn die Standardessentialität ändert nichts daran, dass der Patentinhaber die Benutzung seines Patents nur dann dulden muss, wenn er demjenigen, der von dessen technischer Lehre Gebrauch macht, dies entweder gestattet hat oder aber bei Beachtung seiner Verpflichtung, seine Marktmacht nicht zu missbrauchen, jedenfalls gestatten muss.
153 Eine im vorstehenden Sinn missbräuchliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs liegt dann nicht vor, wenn der Patentinhaber zum einen den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung, die diesem vorgeworfen wird, hingewiesen hat und dabei das betreffende Patent bezeichnet und angegeben hat, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen, nachdem der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, diesem ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat und der Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, reagiert, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und u.a. impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird (EuGH, aaO Rn. 71 - Huawei/ZTE). Nimmt der angebliche Verletzer das ihm unterbreitete Angebot nicht an, kann er sich auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EuGH, aaO Rn. 66 -Huawei/ZTE). Darüber hinaus hat der angebliche Verletzer, wenn er das standardessentielle Patent benutzt, bevor ein Lizenzvertrag geschlossen wurde, ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten, zum Beispiel indem er eine Bankgarantie beibringt oder die erforderlichen Beträge hinterlegt. Die Berechnung dieser Sicherheit muss u.a. die Zahl der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das standardessentielle Patent umfassen, für die der angebliche Verletzer eine Abrechnung vorlegen können muss (EuGH, aaO Rn. 67 - Huawei/ZTE).
154 Das Pflichtenprogramm setzt voraus, dass auch derjenige, der das Patent benutzen will oder bereits benutzt und patentgemäße Produkte bereits auf den Markt gebracht hat, obwohl er über keine Lizenz verfügt, bereit ist, eine Lizenz an diesem Patent zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu nehmen (EuGH, WRP 2015, 1080 Rn. 54 - Huawei/ZTE; BGH, Urteil vom 05.05.2020 - KZR 36/17, Rn. 70 - FRAND-Einwand; BGHZ 180, 312 Rn. 27 - Orange-Book-Standard). Denn auch der marktmächtige Patentinhaber muss die Lizenznahme niemandem aufdrängen und hat hierfür auch keine rechtliche Handhabe, da zwar der potentielle Lizenznehmer von ihm den Abschluss eines Lizenzvertrages verlangen kann, dem Patentinhaber umgekehrt aber ein solcher Anspruch nicht zusteht, er vielmehr darauf verwiesen ist, Ansprüche wegen einer Patentverletzung gegen denjenigen durchzusetzen, der zwar die erfindungsgemäße Lehre benutzen, einen Lizenzvertrag hierüber aber nicht abschließen will.
155 Umgekehrt muss der Patentinhaber sich seinerseits hinreichend bemühen, der mit der marktbeherrschenden Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen möglich zu machen (BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17 Rn. 72 – FRAND-Einwand). Einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung stellt es deshalb unter anderem dar, wenn der Patentinhaber Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf von Produkten geltend macht, obwohl der Verletzer – nach Verletzungshinweis und Erklärung der unbedingten Lizenzbereitschaft – ihm ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu Bedingungen gemacht hat, die der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne gegen das Missbrauchs- oder das Diskriminierungsverbot zu verstoßen (BGH, Urteil vom 05.05.2020 - KZR 36/17, Rn. 71 - FRAND-Einwand; BGHZ 180, 312 Rn. 27, 29 - Orange-Book-Standard).
156 III. Ein Missbrauch der Klägerin zum Nachteil der Beklagten liegt nach diesen Maßstäben vor, weil die Klägerin - nach Verletzerhinweis (dazu III. 1) und Lizenzbereitschaftserklärung der Beklagten (dazu III. 2) - trotz eines Gegenangebots der Beklagten, das FRAND-Kriterien genügt, Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung geltend macht, ohne dass sie sich im Streitfall vorrangig auf ihr eigenes Angebot berufen könnte, weil dieses FRAND-Kriterien nicht entspricht (dazu III. 3).
157 1. Ein ausreichender Hinweis der Klägerin über die Verletzung des Klagepatents wurde der Muttergesellschaft der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 01.02.2016 erteilt (Anlagenkonvolut K 20, S. 1 ff.).
158 a)Ein solcher Hinweis soll den Verletzer auf den Verletzungstatbestand und die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Lizenznahme aufmerksam machen. Es genügt, dass das Patent bezeichnet und angegeben wird, in welcher konkreten Handlung die Verletzung bestehen soll. Letzteres erfordert die Bezeichnung der Art der Verletzungshandlung sowie der angegriffenen Ausführungsformen. Detaillierter technischer oder rechtlicher Erläuterungen des Verletzungsvorwurfs bedarf es nicht; der Verletzer muss nur in die Lage versetzt werden, sich - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe oder durch Einholung von Rechtsrat - ein Bild von der Berechtigung des Patentverletzungsvorwurfs zu machen. Die in der Praxis verbreitete Darlegung des Verletzungsvorwurfs anhand von "Claim Charts" ist regelmäßig ausreichend, aber nicht zwingend geboten (BGH, Urteil vom 05.05.2020 - aaO, Rn. 85 - FRAND-Einwand).
159 b) Ausgehend hiervon genügt (erst) das Schreiben der Klägerin vom 01.02.2016 den genannten Anforderungen. In der vorherigen Korrespondenz befand sich unstreitig kein Hinweis auf die Verletzung des Klagepatents. Vielmehr wurde die Muttergesellschaft der Beklagten generell zur Aufnahme von Lizenzverhandlungen über eine weltweite Lizenz an dem Patentpool der Klägerin aufgefordert. Exemplarisch wies die Klägerin insbesondere in den Schreiben aus dem Jahr 2014 allein auf die angebliche Verletzung zweier USPatente hin. Erst das Schreiben vom 01.02.2016 (Anlagenkonvolut K 20, S. 1 ff.) enthielt einen Hinweis auf das Klagepatent und die angeblichen Verletzungshandlungen, wobei die Verletzung zusätzlich mittels sog. „Claim Charts“ dargestellt wurde (Anlagenkonvolut K 20, S.134 ff.).
160 2. Im Anschluss auf den erstmaligen Verletzerhinweis vom 01.02.2016 der Klägerin haben die Beklagten ihre Lizenzbereitschaft mit Schreiben vom 22.03.2016 sowohl inhaltlich als auch zeitlich hinreichend zum Ausdruck gebracht und diese zwischenzeitlich auch nicht aufgegeben.
161 a) Die Verpflichtung des marktbeherrschenden Patentinhabers, den Verletzer auf den Verletzungstatbestand und die Möglichkeit einer Lizenznahme hinzuweisen und dem lizenzwilligen Verletzer ein Lizenzangebot zu machen, ist kein Selbstzweck, sondern soll es diesem erleichtern, für seine Benutzungshandlungen angemessene Bedingungen mit dem Patentinhaber auszuhandeln. Daher genügt es nach dem ersten Hinweis zur Begründung weiterer Verpflichtungen des marktbeherrschenden Patentinhabers nicht, wenn der Verletzer sich daraufhin lediglich bereit zeigt, den Abschluss eines Lizenzvertrages zu erwägen oder in Verhandlungen darüber einzutreten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vertragsschluss für ihn in Betracht komme. Vielmehr muss der Verletzer sich seinerseits klar und eindeutig bereit erklären, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abzuschließen, und muss auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitwirken (BGH, Urteil vom 05.05 2020 - aaO, Rn. 83 - FRAND-Einwand; a.A. es genüge eine formlose und pauschale Erklärung noch Vorinstanz OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2017, I-15 U 66/15, GRUR 2017, 1219 Rn. 152 - Mobiles Kommunikationssystem).
162 b) Diesen Anforderungen genügt das - über ihren Prozessbevollmächtigten - übermittelte Schreiben der Beklagten vom 22.03.2016 (Anlagenkonvolut K 20, S. 167), das nachfolgend eingeblendet wird: (im Folgenden teilgeschwärzt)
163 aa) Nach der maßgeblichen objektiven Empfängersicht der Klägerin (vgl. dazu BGH aaO, Rn 95 - FRAND-Einwand) ließen die Beklagten damit ausreichend klar und eindeutig erkennen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abschließen zu wollen. Insbesondere aus dem letzten Absatz ergibt sich, dass die Beklagten unabhängig („gleichwohl“) von dem Ausgang des Verletzungs- bzw. Nichtigkeitsverfahrens zum Abschluss einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen bereit sind. Dementsprechend hat die Klägerin das vorstehend genannte Schreiben der Beklagten auch tatsächlich als Erklärung der Lizenzbereitschaft verstanden (Schreiben der Klägerin vom 11.04.2016 - Anlagenkonvolut K 20, S. 168). Im Streitfall steht der Annahme der Lizenzbereitschaft der Beklagten auch nicht die Formulierung „zu verhandeln bzw. abzuschließen“ entgegen. Zwar genügt es nach dem vorstehend Gesagten nicht, wenn sich der Patentbenutzer auf den Verletzerhinweis lediglich dazu bereit erklärt, in Verhandlungen über einen Lizenzvertrag einzutreten. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten allerdings darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen auch tatsächlich abschließen zu wollen. Dass daneben die diesem Abschluss regelmäßig vorausgehenden Verhandlungen über FRAND-Bedingungen ebenfalls erwähnt werden, rechtfertigt nicht die Annahme mangelnder Lizenzbereitschaft der Beklagten.
164 Dementsprechend haben auch in der Folgezeit die Beklagten ihre unbedingte Lizenzbereitschaft bestätigt (vgl. Anlagenkonvolut B 2, S. 79; Anlage B 3 S. 1 sowie Anlage K 26).
165 bb) Die Lizenzbereitschaft der Beklagten bestand auch in der Folgezeit fort (vgl. zu diesem Erfordernis: BGH aaO, Rn. 83 a.E. - FRAND-Einwand; vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219 - Mobiles Kommunikationssystem; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Kap. E Rn. 342). Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt der Umstand, dass die Beklagten bzw. ihre Muttergesellschaft (erst) Anfang 2020 erstmals ein Gegenangebot unterbreitet haben (hat), jedenfalls im vorliegenden Fall nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Klägerin nicht auf einen zwischenzeitlichen Wegfall der Lizenzbereitschaft der Beklagten schließen.
166 Denn die Beklagten durften aufgrund der Äußerungen der Kammer in den vorangegangen Verfahren 2 O 48/16 und 2 O 98/16, wonach das Lizenzangebot der Klägerin vom 01.02.2016 evident FRAND-Kriterien nicht genügte, mit der bisherigen Rechtsprechung der Kammer darauf vertrauen, zur Abgabe eines FRAND-Gegenangebots nicht verpflichtet zu sein. In der Folgezeit hat die Klägerin nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten die durch die Kammer beanstandete Klausel 5.6.2erst mit dem Angebot aus dem April 2018 an die Vorgaben der Kammer angepasst. In Bezug auf dieses Angebot hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2019 wiederum zum Ausdruck gebracht, dass die Berechnung der zukünftigen Lizenzgebühr bis in das Jahr 2026 anhand eines industrieweiten ASP für LTE-fähige Mobiltelefone der Jahre 2011 bis 2016 ebenfalls evident nicht FRAND-Kriterien genügt. Damit durften die Beklagten im Einklang mit der bisherigen Rechtsauffassung der Kammer ebenfalls davon ausgehen, zur Abgabe eines Gegenangebots nicht verpflichtet zu sein. Auf den Hinweis der Kammer, dass die Beklagte nach Vorliegen eines überarbeiteten Angebots der Klägerin nunmehr mit einem eigenen Gegenangebot reagieren müssten, haben die Beklagten rechtzeitig nach dem Vorliegen des Angebots der Klägerin mit einem eigenen Gegenangebot reagiert.
167 Jedenfalls im Streitfall führt daher die fehlende Mitwirkung der Beklagten durch ein frühzeitiges eigenes Gegenangebot nicht zur fehlenden Lizenzwilligkeit. Denn die Beklagten durften nach den rechtlichen Ausführungen der Kammer zunächst darauf vertrauen, zur Abgabe eines Gegenangebots nicht verpflichtet zu sein.
168 cc) Auch in zeitlicher Hinsicht genügte die Erklärung der Beklagten aus dem März 2016 den Anforderungen, die insoweit an einen lizenzwilligen Verletzer zu stellen sind.
169 (1) Ein Verletzer, der mehrere Monate auf den Verletzungshinweis schweigt, gibt damit regelmäßig zu erkennen, dass ihm an einer Lizenznahme nicht gelegen ist, so dass aus dem Verhalten des Patentbenutzers nach dem Verletzerhinweis Rückschlüsse auf seine Lizenzbereitschaft gezogen werden können. Allerdings ist dem Patentverletzer grundsätzlich eine hinreichende Überlegungszeit einzuräumen. Dieser ist indes gehalten, sich zügig um die notwendigen Erkenntnisse zu bemühen, die er für die Entscheidung darüber, ob er eine Lizenz nehmen will oder nicht, benötigt. Dazu gehört auch eine erste Abschätzung der Verletzungsseite, die allerdings nicht mit einer eingehenden Prüfung des Verletzungsvorwurfs gleichzusetzen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2019 - 6 U 183/19 -, juris Rn. 115 - Datenpaketverarbeitung). Dabei ist regelmäßig ein zeitlicher Abstand von nicht mehr als 2 Monaten nach Zugang des Verletzungshinweises als noch angemessene Reaktionszeit anzusehen, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine kürzere oder längere Frist rechtfertigen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. 10.2019 - 6 U 183/16 -, juris Rn. 115 - Datenpaketverarbeitung; ähnlich OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219 - Mobiles Kommunikationssystem (mehr als drei Monate sind in aller Regel unangemessen lang).
170 (2) Danach erfolgte die Reaktion der Beklagten mit Schreiben vom 22.03.2016 auf den erstmaligen Verletzerhinweis der Klägerin vom 01.02.2016 noch rechtzeitig. Dies gilt vorliegend jedenfalls mit Blick auf den Umfang des Verletzerhinweises und die komplexe Technik, so dass eine Frist von rund eineinhalb Monaten nicht überhöht ist, um sich einen ersten Überblick von der Qualität des Verletzungsvorwurfs zu machen.
171 3. Das - nach ausreichender Erläuterung des von der Klägerin unterbreiteten FRAND-Angebots - vorrangig (dazu a.) zu prüfende Gegenangebot der Beklagten erweist sich als FRAND-gemäß (dazu b). Auf dieser Grundlage haben die Beklagten auch ausreichend Sicherheit geleistet (dazu c). Aus der Nichtannahme dieses Gegenangebots durch die Klägerin und die klageweise Durchsetzung der streitgegenständlichen Ansprüche folgt im Streitfall der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, weil das eigene Angebot der Klägerin FRAND-Kriterien nicht genügt (dazu d).
172 a) Sofern der Patentinhaber - was vorliegend der Fall ist - ein Lizenzangebot unterbreitet und dieses ausreichend erläutert hat (vgl. zu den generellen Anforderungen: OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2019, aaO, Rn. 133 ff. - Datenpaketverarbeitung; wobei der BGH den konkreten Inhalt und Umfang der Erläuterungsobliegenheit als Frage des Einzelfalls in Abhängigkeit von der Reaktion des Patentbenutzers ansieht: BGH, Urteil vom 05.05.2020 - aaO, Rn.79 - FRAND-Einwand), ist nach Auffassung der Kammer zunächst zu prüfen, ob das vom Patentbenutzer, der das Lizenzangebot des SEP-Inhabers nicht annehmen will, zu unterbreitende Gegenangebot seinerseits FRAND-Kriterien genügt, ohne dass es für diese Obliegenheit des Patentbenutzers, ein solches Angebot zu unterbreiten, darauf ankommt, ob das Lizenzangebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND-Kriterien entspricht.
173 aa) Ob (bzw. in welchem Maß) die Einhaltung der FRAND-Kriterien im Angebot des SEP-Inhabers für die Auslösung der Reaktionspflicht des Verletzers überhaupt erheblich ist, ist zum Teil unterschiedlich beurteilt worden und durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
174 Das Oberlandesgerichts Karlsruhe (NZKart 2016, 334 [juris Rn. 36]; Beschluss vom 08.09.2016 - 6 U 58/16, juris Rn. 53, 57) hat im Rahmen von Beschlüssen nach §§ 707, 719 ZPO bisher offengelassen, ob die Einhaltung der genannten FRAND-Anforderungen zur Begründung einer Reaktionspflicht des Verletzers (und zum Ausschluss eines Missbrauchsvorwurfs bei unzureichender Reaktion) im Ergebnis erforderlich ist, insbesondere ob ein Verletzer, der ein (deutlich) nicht FRAND-konformes Gegenangebot unterbreitet, sich (noch) auf die Verfehlung der FRAND-Kriterien im vorangegangenen Angebot des Patentinhabers berufen kann. Es geht allerdings davon aus, dass eine missbräuchliche Verweigerung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs etwa schon darin liegt, dass das Angebot des Patentinhabers „nicht exakt FRAND“ ist, sondern sich über diesem Bereich bewegt. Insoweit hat es entschieden, dass das Verletzungsgericht sich bei einer Beantwortung der - unterstellt erheblichen - Frage, ob ein Angebot des Patentinhabers FRAND-Bedingungen entspricht, nicht auf eine summarische Prüfung (im Sinn einer negativen Evidenzkontrolle) beschränken darf (OLG Karlsruhe, NZKart 2016, 334 [juris Rn. 30 ff]; Beschluss vom 08.09.2016 - 6 U 58/16, juris Rn. 49 ff).
175 Das Oberlandesgericht Düsseldorf lehnt ebenfalls eine Evidenzkontrolle ab und vertritt darüber hinaus die Auffassung, bei einem nicht den FRAND-Kriterien entsprechenden Vertragsangebot des Patentinhabers sei ein Missbrauchseinwand des lizenzwilligen Verletzers stets begründet (OLG Düsseldorf, NZKart 2016, 139 [juris Rn. 21 ff] mwN; Beschluss vom 17.11.2016 - I-15 U 66/15, juris Rn. 13).
176 Demgegenüber ist von der erkennenden Kammer bereits früher die Auffassung vertreten worden, die Obliegenheit eines konkreten Gegenangebots des Verletzers folge grundsätzlich aus dem Vorliegen eines konkreten Angebots des Patentinhabers und sei - sofern letzteres zumindest geeignet ist, ein Gegenangebot zu ermöglichen - grundsätzlich unabhängig davon, ob das Angebot des Pateninhabers inhaltlich FRAND-Kriterien genüge (LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015 – 2 O 106/14 - WuW 2016, 86 [juris Rn. 221]).
177 bb) Die Kammer gelangt nach nochmaliger Prüfung der angesprochenen Rechtsfrage zu der Auffassung, dass der Patentbenutzer nach Unterbreitung und ausreichender Erläuterung eines Lizenzangebots durch den SEP-Inhaber seinerseits mit einem Gegenangebot reagieren muss, das FRAND-Kriterien genügt. Für die Auslösung dieser Reaktionspflicht ist es unerheblich, ob das Angebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND-Bedingungen entspricht (so im Ergebnis schon LG Mannheim, Urteil vom 27.11. 2015 - 2 O 106/14 - WuW 2016, 86 [juris Rn. 221]; jedenfalls für gewisse Reaktionspflichten in einem solchen Fall: LG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2015 - Az.: 4a O 93/14, Rn. 125).
178 (1) Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus Rn. 66 der Entscheidung des EuGH Huawei/ZTE. Dort heißt es: „Nimmt der angebliche Verletzer das ihm unterbreitete Angebot nicht an, kann er sich auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungsoder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EuGH, aaO Rn. 66 – Huawei/ZTE).“ Demnach kann sich der Beklagte erst dann auf einen (objektiv gegebenen) missbräuchlichen Charakter der Klage berufen, wenn er seinerseits ein schriftliches FRAND-Gegenangebot abgibt. Damit ist gerade auch der Fall angesprochen, dass das Angebot des Patentinhabers FRAND-Kriterien nicht genügt.
179 Die Annahme einer Obliegenheit zur Abgabe eines Gegenangebots ist auch gerechtfertigt, weil der Patentbenutzer - nach Erklärung seiner unbedingten Lizenzbereitschaft -hierzu durch die vom Patentinhaber zu erfüllenden Informationsobliegenheiten (vgl. dazu BGH aaO, Rn. 75 ff. - FRAND-Einwand) in die Lage versetzt wurde. Insoweit kann von dem Verletzer erwartet werden, dass er auf Basis der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und des durch den SEP-Inhaber unterbreiteten Angebots, seinerseits ein Angebot zu Bedingungen zu formulieren, die ihm der Patentinhaber unter Beachtung des ihn treffenden Diskriminierungs- und Behinderungsverbots einräumen muss. In diese Richtung tendiert auch der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung FRAND-Einwand, der es unter Rn. 75 für möglich hält, dass der Patentbenutzer - sofern er die Bedingungen auf dem Lizenzvergabemarkt kennt - dem Patentinhaber von sich aus -d.h. ohne vorherige Erläuterung eines Angebots durch den SEP-Inhaber - ein Angebot zu FRAND-Bedingungen machen muss.
180 (2) Dieses Verständnis entspricht ferner dem vom EuGH geäußerten Gedanken, dass die Parteien miteinander in Verhandlung treten sollen, weil diese am besten in der Lage sind, FRAND-Bedingungen zu finden (vgl. auch Europäische Kommission vom 29.11.2017 COM(2017) 712 final, zB. S. 8: „...Die - in gutem Glauben - verhandelnden Parteien einer SEP-Lizenzvereinbarung sind am ehesten in der Lage, die für ihre jeweilige Situation geeignetsten FRAND-Bedingungen zu bestimmen“).
181 Da angemessene Bedingungen für ein Vertragsverhältnis, insbesondere ein angemessener Preis, regelmäßig nicht objektiv feststehen, sondern nur als Ergebnis (gegebenenfalls ähnlicher) ausgehandelter Marktprozesse erfassbar sind, kommt der ernsthaften und zielgerichteten Mitwirkung des lizenzwilligen Unternehmens an der Aushandlung angemessener Vertragsbedingungen entscheidende Bedeutung zu (vgl. EuGH, aaO Rn. 65-68 - Huawei/ZTE). Solche Verhandlungen kommen aber überhaupt nicht oder nur zögerlich in Gang, wenn die Obliegenheit des ausreichend informierten Beklagten, ein Gegenangebot zu unterbreiten, davon abhinge, ob das FRAND-Angebot des Klägers tatsächlich FRAND-Bedingungen entspricht.
182 b) Das Gegenangebot der Beklagten vom 31.01.2020 (Anlagenkonvolut K 38.1) bzw. in leicht modifizierter Form vom 11.03.2020 (Anlagenkonvolut K 40.1) genügt FRAND-Kriterien.
183 aa) Dabei ist zu beachten, dass es (in aller Regel) nicht genau eine einzige Vertragsgestaltung (insbesondere nicht ein einziges bestimmtes Äquivalenzverhältnis zwischen Lizenzrechten und deren Vergütung) gibt, die inhaltlich den FRAND-Kriterien genügt. Vielmehr existiert regelmäßig eine Vielzahl möglicher Vertragsgestaltungen und Lizenzsätze, die fair, vernünftig bzw. angemessen und nicht-diskriminierend sind. (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17 Rn. 81 – FRAND-Einwand; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2019, 6 U 183/16 Rn. 95, GRUR 2020, 166 – Datenpaketverarbeitung; LG Düsseldorf, Teilurteil vom 31.03.2016 - 4a O 73/14, juris Rn. 259; dahin bereits neigend auch OLG Karlsruhe, NZKart 2016, 334 [juris Rn. 32]; Beschluss vom 08.09.2016 - 6 U 58/16, juris Rn. 52; UK Court of Appeal, Urteil vom 23.10.2018, [2018] EWCA Civ 2344 Rn. 121; a.A. High Court von England und Wales, Urteil vom 05.04.2017, [2017] EWHC 711 (Rat) Rn. 158 ff.). Dies versteht sich nach Ansicht der Kammer von selbst, weil es einen definierten einzig gerechten Preis nicht gibt (siehe auch Lübbert/Schöner in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Aufl., § 23 Rn. 136 mwN; BGH, WuW/E BGH 3058 [juris Rn. 39] - Pay-TV-Durchleitung). Nur so lässt sich im Übrigen die Rechtsprechung des Gerichtshofs (aaO - Huawei Technologies/ZTE) erklären, soweit man ihr entgegen der hier vertretenen Auffassung entnimmt, dass die Reaktionspflicht des Verletzers nur durch ein Angebot ausgelöst wird, das FRAND-Bedingungen genügt. Denn nach dieser Rechtsprechung hat der Verletzer (dennoch) die Möglichkeit, nach Erhalt dieses Angebots ein - abweichendes - Gegenangebot zu machen, das (ebenfalls) den FRAND-Bedingungen entsprechen soll.
184 bb) Ausgehend hiervon genügt das Angebot der Beklagten FRAND-Bedingungen. Mit Ausnahme der Höhe der Lizenzgebühren und ihrer Berechnung unterscheiden sich Angebot und Gegenangebot grundsätzlich nicht, wobei beide Parteien aufgrund zutreffender rechtlicher Würdigung davon ausgehen, dass die übereinstimmend formulierten Vertragsbedingungen FRAND-Kriterien genügen.
185 Die von den Beklagten vorgenommene Berechnung der Lizenzgebühren ist kartellrechtlich nicht zu beanstanden und begründet keinen Verstoß gegen FRAND-Kriterien. Die Klägerin macht lediglich geltend, die FRAND-widrigkeit des Angebots der Beklagten ergebe sich bereits aus der signifikanten Abweichung zu ihrem eigenen Angebot. Damit kann sie keinen Erfolg haben.
186 (1) Die Beklagten haben ihrem Angebot - ebenso wie die Klägerin - im Ausgangspunkt den Top-Down-Ansatz zugrunde gelegt, was rechtlich nicht zu beanstanden ist.
187 Dabei haben die Beklagten den von der Klägerin selbst angegebenen Anteil an SEP in Bezug auf den LTE-Standard in Höhe von x % in Ansatz gebracht. Zudem sind die Beklagten für den LTE-Standard von einer zulässigen Gesamtlizenzgebührenbelastung pro verkaufter Einheit von 8,8 % ausgegangen, was etwa dem im „Unwired Planet“-Urteil des High Court of London angenommenen Prozentsatz für 4G entspricht und jedenfalls nicht außerhalb eines möglichen FRAND-Korridors liegt.
188 Als maßgebliche Größe für die Anwendung des jeweiligen Lizenzsatz haben die Beklagten sodann - im Unterschied zum Angebot der Klägerin- keinen weltweiten ASP für LTE-fähige Endgeräte zugrunde gelegt, sondern auf ihre eigenen - unstreitig durchschnittlich unter x USD liegenden - weltweiten Durchschnittsverkaufspreise pro Jahr abgestellt. Dies ist im Ausgangspunkt grundsätzlich keine FRAND-widrige Bezugsgröße. Ebenso wie bei der Berechnung des Schadensersatzes auf Lizenzanalogiebasis ist es auch im Rahmen eines Lizenzangebots fair und vernünftig, auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten bei demjenigen abzustellen, der eine Lizenz nehmen will. Denn der Patentinhaber soll angemessen an dem teilhaben, was der Lizenzsucher objektiv aufgrund des Zuschnitts seines Betriebs durch die Nutzung der patentgemäßen Lehre erwirtschaften kann. Der vernünftigerweise erwartbare Gewinn hängt insbesondere von denjenigen Verwertungsmöglichkeiten für die Erfindung ab, die der Geschäftsbetrieb des Lizenznehmers in Anbetracht seiner konkreten Produkt- und Kundenausrichtung verspricht (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. E. Rn. 472; derselbe in GRUR 2019, 665, 670).
189 (2) Auch die in Ansatz gebrachten Verkaufspreise und die sich daraus ergebenen Lizenzgebühren sind vorliegend nicht FRAND-widrig, wobei wegen der Einzelheiten auf das Anlagenkonvolut K 40.1 Bezug genommen wird. Die Klägerin macht insoweit - von den Beklagten bestritten - lediglich pauschal geltend, es handele sich bei den Verkaufspreisen der Beklagten um Billig- bzw. Dumpingpreise. Dies ist im Streitfall indes nicht gegeben.
190 (a) Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend, dass der Patentinhaber nicht dadurch um den ihm zustehenden Anteil an dem für den Patentnutzer objektiv erzielbaren Vorteil aus der Nutzung der Erfindung gebracht werden soll, dass letzterer Produkte zu Dumpingpreisen veräußert, etwa weil diese quersubventioniert sind oder die Dumpingpreise dazu dienen sollen, Kunden auf die gesamte Produktpalette des Patentbenutzers aufmerksam zu machen (vgl. Kühnen, GRUR 2019, 665, 670).
191 (b) Im vorliegenden Fall haben die Beklagten allerdings unbestritten - was im Übrigen auch gerichtsbekannt ist - vorgetragen, dass es im Bereich der Mobiltelefone jenseits von Modellen der Premium- und Oberklasse auch einen Markt für „einfache“ mittel- und niedrigpreisige Mobiltelefone gibt, deren tatsächlicher Verkaufspreis erheblich unter dem durchschnittlichen weltweiten Industrieverkaufspreis liegen kann. Allein der Umstand, dass sich ein Unternehmen zulässigerweise dazu entschließt, den Bedarf für günstigere Mobiltelefone - etwa entkleidet von teuren Zusatzfunktionen und Zubehör - zu bedienen, rechtfertigt nicht die Annahme, dieses vertreibe Mobiltelefone zu Dumpingpreisen. Vielmehr sind nach der nicht zu beanstanden unternehmerischen Ausrichtung der Beklagten auf dieses Marktsegment die dort erzielten Preise diejenigen, die die Beklagten nach ihrem objektiven Unternehmenszuschnitt erzielen und erzielen können. Der Patentinhaber kann vom Benutzer zur Steigerung der Lizenzeinnahmen aus kartellrechtlichen Gründen indes nicht verlangen - wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angedeutet -, dass er auf einem höherpreisigen Marktsegment tätig werden muss, wenn dies nicht der gewählten Unternehmensausrichtung des Patentbenutzers entspricht.
192 c) Die Beklagten haben auf Grundlage ihres FRAND-Gegenangebots auch ausreichend und rechtzeitig Rechnung gelegt und auf dieser Basis Sicherheit geleistet, was von der Klägerin dementsprechend auch nicht beanstandet wird.
193 d) Das klägerseitige Lizenzvertragsangebot vom 12.12.2019 (Anlagenkonvolut K 37.1) bzw. in leicht modifizierter Form vom 04.03.2020 (Anlagenkonvolut K 39.1) entspricht im Streitfall demgegenüber den FRAND-Kriterien nicht. Hieraus resultiert im vorliegenden Rechtsstreit der missbräuchliche Charakter der klageweisen Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche.
194 aa) Genügt das Gegenangebot des Patentbenutzers FRAND-Kriterien, ist das Angebot des SEP-Inhabers zu prüfen. Wenn sich dieses wie hier - dazu sogleich - als FRAND-widrig erweist, ist die Klage abzuweisen. Wie zu entscheiden ist, wenn auch das Angebot des SEP-Inhabers FRAND-Kriterien genügt, muss die Kammer im Streitfall daher nicht entscheiden.
195 Auch unter Berücksichtigung des bereits im Rahmen der Prüfung des Gegenangebots der Beklagten [(vgl. oben unter II. b) aa)] skizzierten Gestaltungsspielraums hält das klägerische Angebot einer an den FRAND-Grundsätzen ausgerichteten Prüfung in Bezug auf die den Beklagten angebotenen Lizenzhöhe nicht stand.
196 bb) Diese ist jedenfalls nach der von der Klägerin im Rahmen des Top-Down-Ansatzes konkret angewendeten Berechnungsmethode, die einen weltweiten industrieeinheitlichen ASP für Mobiltelefone pro Jahr unter Einbezug aller LTE-fähigen Mobiltelefone auf dem Markt zur Ermittlung der Lizenzhöhe zu Grunde legt, für Markteilnehmer, die - wie die Beklagten - im unteren Preissegment erheblich unter dem industrieweiten ASP tätig sind, unfair und unangemessen. Dies gilt sowohl für die vorgeschlagenen laufenden Lizenzzahlungen („running royalty“) als auch für die alternative Möglichkeit der Pauschalzahlung („lumpsum payment“). Denn in beiden Fällen berechnet die Klägerin die von den Beklagten zu zahlende Lizenzgebühr pro Gerät anhand der bereits dargestellten Methode.
197 (1) Mit der Zugrundelegung des industrieweiten ASP unter Einbezug sämtlicher LTE-fähigen Mobiltelefone im Rahmen des Top-Down-Ansatzes gibt die Klägerin im Streitfall einseitig den Interessen potentieller Lizenznehmer, die höherpreisige Endgeräte der Premium- und Oberklasse über dem von der Klägerin ermittelten Durchschnittsverkaufspreis vertreiben und nach dem Lizenzmodell der Klägerin stets profitieren, den Vorzug gegenüber solchen Lizenznehmern, die - wie die Beklagten mit einem ASP von durchschnittlich unter x USD - deutlich unter dem von der Klägerin in Ansatz gebrachten industrieweiten ASP am Markt tätig sind und dadurch immer einen Nachteil erleiden.
198 Zum einen führt dies dazu, dass die tatsächliche Lizenzrate für die Beklagten bezogen auf ihre Verkaufspreise um ein Vielfaches über der von der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Anteils an LTE-Patenten abstrakt errechneten Lizenzrate von x % liegt. Zugleich kann dies im Ergebnis zudem dazu führen, dass die von der Klägerin für zulässig erachtete Gesamtlizenzbelastung von x % pro Lizenzgegenstand für den LTE-Standard in Bezug auf den tatsächlichen Verkaufspreis des Lizenznehmers um ein Vielfaches überschritten werden kann.
199 So haben die Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass nach dem Berechnungsmodell der Klägerin die von ihr selbst angegebene maximale prozentuale Gesamtlizenzbelastung in Höhe von x % für LTE-Patente bezogen auf tatsächlichen den Nettoverkaufspreis der Beklagten um das 3,6-fache höher läge, wenn jeder Inhaber von SEP für den LTE-Standard die Berechnungsmethode der Klägerin anwenden würde. Demgegenüber ist es bei Anbietern, die durchschnittlich Mobiltelefone über dem industrieweiten ASP anbieten, denkbar, dass diese bezogen auf ihre tatsächlichen Verkaufspreise einen geringeren Anteil als x % bezahlen.
200 (2)Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass ihr Ansatz einen Mittelweg darstelle, der gleichermaßen dem andernfalls - d.h. bei einer am jeweiligen tatsächlichen Nettoverkaufspreis ausgerichteten Lizenzrate - von Herstellern hochpreisiger Geräte vorgebrachten berechtigten Einwand Rechnung trage, dass sie für ein- und dieselbe lizenzierte Technologie leicht ein Vielfaches der Lizenzgebühren im Vergleich zu anderen Lizenznehmern zahlen müssten, obwohl ihr höherer Verkaufspreis auf technologiefremden Aspekten (wie z.B.: qualitativ hochwertige Kamera, hochwertige Verarbeitung und Design, proprietäres Betriebssystem, besonderes Renommee des Herstellers und dem Markennamen) beruht, hat sie damit keinen Erfolg.
201 (a) Denn der genannte Interessenkonflikt kann jedenfalls nicht einseitig zu Lasten der Anbieter von Mobiltelefonen, die deutlich unterhalb des industrieweiten ASP am Markt tätig sind, aufgelöst werden. Es ist zwischen den Parteien unstreitig und gerichtsbekannt, dass es „einfache“ LTE-fähige Mobiltelefone für weit weniger als den von der Klägerin angesetzten industrieweiten ASP zu erwerben gibt, wie auch die durchschnittlichen Verkaufspreise der Beklagten in der Vergangenheit von unter x USD zeigen. Das Abstellen auf einen industrieweiten ASP unter Einbezug sämtlicher auf dem Markt befindlichen LTE-fähigen Endgeräte, also gerade auch derjenigen, deren deutlich über dem industrieweiten ASP liegender hoher Preis durch die vorstehend genannten technologiefremden Aspekte bestimmt wird, stellt im Rahmen des Top-Down-Ansatzes keinen sachgerechten Interessenausgleich mit Blick auf die Marktteilnehmer im unteren Preissegment dar.
202 Um die verschiedenen Interessen im Rahmen dieses Ansatzes in Einklang zu bringen, könnte die Klägerin im Rahmen des Top-Down-Ansatzes beispielsweise eine FRAND-Kriterien genügende absolute Untergrenze definieren, die pro verkaufter Einheit in jedem Fall zu bezahlen ist, um den objektiven Mindestwert der Erfindung angemessen abzubilden. Ebenso könnte sie eine absolute Obergrenze definieren, um den (berechtigten) Anliegen der Hersteller im Premiumsegment Rechnung zu tragen, dass der hohe Preis ihrer Geräte auf den genannten technologiefremden Aspekten beruht.
203 (b) Die Kammer will damit nicht zum Ausdruck bringen, dass nur ein solcher Ansatz FRAND-Bedingungen entsprechen würde. Die Kammer will insbesondere nicht ausschließen, dass es auch FRAND-gemäße industrieweite absolute Stücklizenzen im Bereich der Mobilfunktechnologie geben kann, wobei unter Berücksichtigung der berechtigten Pauschalierungsinteressen des Patentinhabers ggf. auch im Rahmen des Top-Down-Ansatzes auf Durchschnittswerte abgestellt werden könnte. Allerdings ist es auch unter Berücksichtigung der Anliegen der Klägerin nicht gerechtfertigt, einseitig Hersteller niedrigpreisiger Geräte zu benachteiligen, wie dies bei der Anwendung eines industrieweite ASP unter Einbezug sämtlicher auf dem Markt befindlichen LTE-fähigen Mobilfunkgeräte, deren hoher Preis teilweise durch technologiefremde Aspekte bestimmt wird, der Fall ist.
204 (c) Zudem kann die Klägerin den Ansatz eines industrieweiten ASP auch nicht mit ihrer Annahme rechtfertigen, es sei nicht Sache der Inhaber standardessentieller Patente, sofern die Patentbenutzer meinen, sie müssten ihre Geräte zu besonders niedrigen Preisen abgeben, solche Niedrigpreise durch vergleichsweise niedrige Lizenzsätze zusätzlich zu subventionieren, was aber die Folge der von den Beklagten geforderten Berechnung wäre.
205 Wie bereits ausgeführt mag es in bestimmten Konstellationen (Dumpingpreise) ein sachlicher Grund für den Lizenzgeber sein, den Nettoverkaufspreis des jeweiligen Lizenznehmers nicht als maßgeblich zu akzeptieren. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall wie bereits ausgeführt allerdings nicht erfüllt. Vielmehr ist die Beklagte aufgrund freier unternehmerischer Entscheidung ausschließlich im mittleren bis unteren Preissegment für Mobiltelefone tätig. Die Klägerin kann die Beklagte aus kartellrechtlichen Gründen nicht darauf verweisen, sie müsse und könne auch auf dem Gebiet höherpreisiger Mobiltelefone tätig werden.
206 (3) Dem Missbrauchsvorwurf hält die Klägerin zudem ohne Erfolg entgegen, dass es marktüblich sei, für ein Patentportfolio einheitliche absolute Werte auszuweisen.
207 (a) Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, dass die von ihr in der Anlage K 31 genannten Lizenzgeber im Bereich der Mobilfunktechnik und/oder im Bereich der Audio/Video-(De)codierung nach dem MPEG-Standard ihre absoluten Stücklizenzgebühren gerade anhand der von der Klägerin vorgenommenen Berechnungsmethode ermittelt hätten. Insoweit haben die Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass es Berechnungsmethoden geben kann, nach denen eine absolute Stücklizenz FRAND-Kriterien genügt, nichts über die Akzeptanz und Missbrauchsfreiheit gerade des von der Klägerin gewählten Lizenzierungskonzepts aussagt.
208 (b) Ebenso mag es zutreffen, dass es Konstellationen geben kann, in denen faire Lizenzvertragspartner ein beiderseitiges Interesse an einer Pauschalierung haben, so dass im Einzelfall auch bezifferte Stücklizenzen ohne Bezug zum tatsächlichen Verkaufspreis des Lizenznehmers FRAND-Kriterien genügen können. Ebenso kann eine Berechnung der Lizenzgebühr nach dem Top-Down-Ansatz grundsätzlich in Betracht kommen, um eine FRAND-Lizenzgebühr zu ermitteln. Diese allgemeinen Überlegungen sind allerdings nicht aussagekräftig für das konkret durch die Klägerin unterbreitete Angebot.
209 4. Wegen dieser Überschreitung des FRAND-Korridors durch die Klägerin können die Beklagten sich nach Unterbreitung ihres FRAND-Gegenangebots auf den bestehenden Missbrauchseinwand berufen. Die Klage war daher als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. BGH MDR 2017, 1359).
210 Die Kammer kann vorliegend offenlassen, wie in Konstellationen, in denen sich sowohl das Gegenangebot des Beklagten als auch das Angebot des Klägers als FRAND erweist, zu entscheiden wäre. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob der Patentbenutzer dem Patentinhaber durch das FRAND-Gegenangebot letzterem nicht - wie die Klägerin meint - ein anderes Lizenzierungskonzept aufzwingen darf. Denn dieser Gesichtspunkt könnte allenfalls dann zum Tragen kommen, wenn sich das (etablierte) Lizenzierungskonzept des Patentinhabers als FRAND-gemäß erweist, was vorliegend nicht der Fall ist.
C.
211 Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.