WIPO

WIPO Arbitration and Mediation Zentrum

EXPERTENENTSCHEID

Adria Mobil Schweiz GmbH/Adria Mobil v. Caravan Müller GmbH

Verfahren Nr. DCH2010-0012

1. Die Parteien

Gesuchstellerin 1 ist die Adria Mobil Schweiz GmbH aus Quartino, Schweiz (nachfolgend auch “Adria Schweiz” genannt), Gesuchstellerin 2 ist die Adria Mobil aus Novo mesto, Slowenien (nachfolgend auch “Adria Mobil” genannt), beide vertreten durch Forrer Lenherr Bögli, Rickenbach, Schweiz.

Gesuchsgegnerin ist die Caravan Müller GmbH aus Bülach, Schweiz.

2. Streitiger Domainname

Der strittige Domainname ist <adria.ch> (der ”Domainname”).

Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 26. Mai 2010 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 28. Mai 2010 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass die Gesuchsgegnerin Inhaberin und administrative Kontaktperson des strittigen Domainnamens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.

Nach Massgabe des Verfahrensreglements, Paragraph 14(c), wurde das Streitbeilegungsverfahren am 31. Mai 2010 formell eingeleitet. Gemäss Paragraph 15 des Verfahrensreglements endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 20. Juni 2010.

Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mit, dass die Gesuchsgegnerin weder eine Gesuchserwiderung eingereicht noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hatte. Die Gesuchstellerinnen wurden vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen.

Am 1. Juli 2010 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 8. Juli 2010 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

4. Sachverhalt

Adria Mobil (Gesuchstellerin 2) ist laut eigener Darstellung eine der führenden europäischen Reisemobil- und Wohnwagenhersteller. Seit 1965 wurden über 400'000 Wohnwagen gefertigt, und das heutige Vertriebsnetz umfasst 29 Länder. Seit 2004 ist Adria Schweiz (Gesuchstellerin 1) offizielle Importeurin von Wohnwagen und Wohnmobilen der Adria Mobil in der Schweiz. Nach Angaben auf der gegenwärtigen Website von Adria Schweiz (www.adria-mobil.ch) haben Adria-Vertretungen in der Schweiz eine lange Tradition.

Die Gesuchsgegnerin verkauft gemäss Angaben auf ihrer Website (www.caravan-mueller.ch) seit 12 Jahren Reisemobile und Wohnwagen und ist seit Januar 2002 als GmbH mit Sitz in Bülach registriert.

Die Gesuchstellerin 2 ist Inhaberin diverser Wort/Bildmarken, die u.a. den Begriff “ADRIA” enthalten, in den Klassen 6, 12 (Wohnwagen) und 43. Die erste Eintragung datiert vom 22. November 2005, und die IR-Marken wurden u.a. auch auf das Gebiet der Schweiz ausgedehnt. Nach eigenen Angaben stellt die Gesuchstellerin 2 ihrer Tochtergesellschaft, der Gesuchstellerin 1, die Marken- und Namensrechte zur Verfügung.

Der strittige Domainname wurde von der Gesuchsgegnerin am 14. Dezember 1998 registriert. Die entsprechende Website zeigt das Foto eines Adria-Wohnwagens mit dem folgenden Text:

Herzlich willkommen [sic]

bei www.adria.ch

Wohnwagen und Reisemobile

klicken Sie bitte auf das Logo

logo

Ein Link führt vom Adria-Logo zur Homepage der Gesuchsgegnerin, die Wohnwagen zweier anderer Hersteller sowie Occasionen diverser Hersteller verkauft, u.a. auch Adria-Occasionen. Ferner vermietet die Gesuchsgegnerin u.a. Adria-Reisemobile. Auf der Startseite findet sich noch ein Hinweis, dass die Gesuchsgegnerin jene zwei (anderen) Hersteller vertritt, deren neue Wohnwagen und Reisemobile sie verkauft.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerinnen

Die Gesuchstellerinnen haben folgende Argumente vorgetragen:

Der strittige Domainname unterscheidet sich von der kombinierten Marke ADRIA, die durch den Begriff “Adria” geprägt ist, in keiner Art und Weise. Es besteht damit eine Zeichengleichheit zwischen dem gewählten Domainnamen der Gesuchsgegnerin und der Marke der Gesuchstellerinnen. Mit dem strittigen Domainnamen verweist die Gesuchsgegnerin auf ihre eigenen Mobilfahrzeuge, womit auch Warengleichheit besteht und die Verwechslungsgefahr offensichtlich ist. Ferner verweist die Gesuchsgegnerin (sogar in markenrechtswidriger Verwendung der Wort/Bildmarke) lediglich auf ihre eigene Homepage, indem sie den Kunden den Eindruck vermittelt, diese seien auf der Homepage der Gesuchstellerinnen.

Damit ist die Verletzung der Markenrechte der Gesuchstellerinnen wie auch unlauteres Handeln der Gesuchsgegnerin i.S.v. Art. 3 lit. d UWG zum Nachteil der Gesuchstellerinnen nachgewiesen. Unter die Generalklausel von Art. 2 UWG wären zudem auch Fälle zu subsumieren, bei denen die Bekanntheit eines fremden Kennzeichens ausgenutzt wird, um mittels Verwendung eines identischen oder leicht abgeänderten Zeichens als Domainnamen Internet-Benutzer auf die eigene Website zu leiten.

Die Gesuchstellerinnen sind mit jährlichen Mobilverkäufen von ca. 13'000 und Vertretungen in fast jedem Land Europas im Bereich Camper/Caravan sehr bekannt. Es ist offensichtlich, dass die Gesuchsgegnerin durch die identische Verwendung des fremden Kennzeichens Internet-Benutzer auf ihre eigenen Produkte und die eigene Website leiten will. Sie verweist sogar auf sich selbst als Vertreterin gleichartiger Waren anderer Hersteller.

Die Ausschliesslichkeit des Namensrechts umfasst auch die Abwehr von Domainnamen. Angesichts der klaren Verletzung des Markenrechts und der Sondertatbestände des UWG könnte grundsätzlich offen bleiben, ob auch eine Verletzung des Namensrechts der Gesuchstellerinnen vorliegt. Die Gesuchsgegnerin masst sich allerdings durch die Verwendung des strittigen Domainnamens auch die Handelsnamen der Gesuchstellerinnen an, die im Kerngehalt vom Namensrecht der Gesuchstellerinnen umfasst sind. Die Gesuchsgegnerin will den Anschein erwecken, sie sei “Adria Mobil” bzw. gehöre zu diesem Konzern.

Die Gesuchstellerinnen haben wiederholt und über Jahre hinweg versucht, die Gesuchsgegnerin von der widerrechtlichen Verwendung des Domainnamens abzubringen, leider vergeblich.

Zusammengefasst verletzt die Gesuchsgegnerin klar die Kennzeichenrechte der Gesuchstellerinnen, und diese Rechtsverletzung rechtfertigt eine Übertragung des Domainnamens.

B. Gesuchsgegnerin

Die Gesuchsgegnerin hat sich nicht zur Klage der Gesuchstellerinnen geäussert.

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Gemäss Paragraph 24(d) liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn:

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.

A. Bestand von Kennzeichenrechten

Die Gesuchstellerin 2 hat bewiesen, dass sie Inhaberin der Wort/Bildmarke ADRIA (fig.) ist.

B. Klare Verletzung von Kennzeichenrechten

Das Bundesgericht hielt im bekannten Leitentscheid <berneroberland.ch> fest, dass Domainnamen eine Kennzeichnungsfunktion haben und gegenüber den absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten haben, um Verwechslungen zu vermeiden (BGE 126 III 244). Domainnamen unterstehen überdies dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 126 III 245). Ist ein Zeichen namens-, firmen- oder markenrechtlich geschützt, kann dessen Inhaber Unberechtigten die Verwendung dieses Zeichens als Domainnamen verbieten, sofern die unbefugte Verwendung eine Verwechslungsgefahr schafft, indem die entsprechende Website dem Falschen zugerechnet werden kann (BGE 4C.141/2002 in sic! 2003 438 ff.). Eine Verwechslungsgefahr besteht, sobald es aufgrund des Schriftbilds, der Wirkung und des Sinngehalts des Kennzeichens sowie aufgrund der Gleichartigkeit des Angebots an Dienstleistungen bei den Benutzern des Internets zu Verwechslungen kommen kann. Dass Verwechslungen tatsächlich stattgefunden haben, ist nicht Voraussetzung (BGE 128 III 401 E. 5).

Art. 13 Abs. 1 des Markenschutzgesetzes (MSchG) verleiht dem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, das die Rechte des Markeninhabers verletzt, z.B. indem es mit einer älteren Marke für gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder verwechselbar ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a-c MSchG).

Im vorliegenden Fall fällt vorerst auf, dass der Hinterlegungszeitpunkt der Marke (2005) mehrere Jahre nach dem Zeitpunkt der Registrierung des strittigen Domainnamens (1998) datiert. Es fragt sich also, ob die Gesuchsgegnerin ein Weiterbenutzungsrecht des strittigen Domainnamens (als Kennzeichen) gemäss Art. 14 MSchG geltend machen kann, weil das Kennzeichen schon lange vor der Eintragung der Marke benutzt wurde. Andererseits finden sich auf der Website der Gesuchstellerin 1 auch Hinweise darauf, dass die Gesuchstellerin 2 ihre Marke ADRIA lange vor Gründung der Schweizer Tochter im Jahre 2004 in der Schweiz benutzte. Es wird erwähnt, dass vor 2004 “eine lange Tradition von Adria-Vertretungen in der Schweiz” bestand.

Die Frage, wem das bessere Recht zusteht, wenn der Inhaber der hinterlegten Marke sein Kennzeichen ebenfalls schon vor der Hinterlegung in Gebrauch genommen hat, beurteilt sich nach Lauterkeitsrecht (BSK MSchG-David, Art. 14 N 2). Auch der Inhaber einer Marke (bzw. eines Domainnamens) darf diese nicht unlauter verwenden (vgl. BGE 129 III 358). Gegenüber dem früher gebrauchten Zeichen muss das später gebrauchte, aber zuerst registrierte Drittzeichen in jedem Fall weichen, wenn es gezielt in identischer Form und im Wissen um eine fehlende Registrierung des früher gebrauchten Zeichens hinterlegt wurde, um damit unlautere Vorteile anzustreben (Christian Hilti, Der Schutz nicht registrierter Kennzeichen, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. III, S. 455 ff., 471 Ziff. 4).

Im vorliegenden Fall deuten die Umstände des Falles darauf hin, dass die Gesuchsgegnerin (als Verkäuferin von Wohnwagen und Reisemobilen) die Gesuchstellerin 2 und deren Adria-Wohnwagen bereits kannte, als sie den strittigen Domainnamen 1998 registrierte, und zwar auf Grundlage von bestehenden Vertretungen und dem Vertrieb von Adria-Wohnwagen in der Schweiz vor dieser Zeit. Der strittige Domainname wurde offensichtlich registriert, um Kunden der Gesuchstellerin 2 auf die spätere Website der Gesuchsgegnerin umzuleiten.

Das unlautere Verhalten der Gesuchsgegnerin manifestiert sich heute darin, dass das (später registrierte) Logo der Gesuchstellerin 2 auf der Website “www.adria.ch” kopiert ist und Internet-Benutzer mit einem Klick auf das Adria-Logo zur eigentlichen Website der Gesuchsgegnerin weitergeleitet werden, wo Produkte von Konkurrenten der Gesuchstellerinnen verkauft bzw. vermietet werden. Der strittige Domainname als “Einstiegsseite” zur eigentlichen Homepage der Gesuchsgegnerin erweckt den Eindruck eines offiziellen Links zu Adria Schweiz (Gesuchstellerin 1). Mit der Umleitung auf die eigene Website der Gesuchsgegnerin, die offensichtlich keine offizielle Verbindung zu den Gesuchstellerinnen aufweist, werden Kunden getäuscht, welches das Angebot der Gesuchstellerin 1 in der Schweiz suchen.

Nach Ansicht des Experten wurde also das von der Gesuchsgegnerin später als die Gesuchstellerin 2 gebrauchte (ab 1998 gegenüber vor 1998), aber früher als die Gesuchstellerin 2 registrierte (1998 als Domainname gegenüber 2005 als Marke) Kennzeichen “adria” gezielt registriert, um unlautere Vorteile anzustreben. Ein solches Verhalten erfüllt wie erwähnt den Tatbestand von Art. 3 lit. d UWG (Hilti, a.a.O.). Im Übrigen haben diverse Panelists in UDRP-Verfahren für Top Level Domains eine Übertragung von Domainnamen in ähnlichen Situationen zugelassen (d.h. Kenntnis des Domaininhabers von einer Marke, die erst zu einem späteren Zeitpunkt als der Domainname registriert wurde; vgl. z.B. WIPO Verfahren Nr. D2003-0845, General Growth Properties, Inc., Provo Mall L.L.C. v. Steven Rasmussen/Provo Towne Centre Online, m.w.H.).

Bei dieser Rechtslage muss nicht näher untersucht werden, ob auch Namensrechte der Gesuchstellerinnen verletzt sind.

Die Gesuchsgegnerin hat keine Rechtfertigungsgründe vorgetragen, sodass eine Übertragung des strittigen Domainnamens vor dem oben geschilderten Hintergrund gerechtfertigt erscheint. Die Gesuchstellerinnen erfüllen somit Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements.

7. Entscheidung

Aus den vorstehenden Gründen entscheidet der Experte, dass der Domainname <adria.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin 1 zu übertragen ist.


Tobias Zuberbühler
Experte

Datum: 22. Juli 2010