WIPO

WIPO Arbitration and Mediation Zentrum

EXPERTENENTSCHEID

Thurgau Travel AG v. Jan Kowal

Verfahren Nr. DCH2010-0009

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist Thurgau Travel AG aus Weinfelden, Schweiz, vertreten durch Hans Kaufmann, Schweiz.

Der Gesuchsgegner ist Jan Kowal aus Czestochowa, Polen.

2. Streitiger Domain-Name

Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <thurgau-travel.ch> (nachfolgend der Domain-Name).

Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 22. April 2010 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domain-Namen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 23. April 2010 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domain-Namens sei.

Das Zentrum wies die Gesuchstellerin am 27. April 2010 darauf hin, dass das Gesuch gemäss Paragraph 14(b) des Verfahrensreglements formale Mängel aufweise. Eine geänderte Version des Gesuchs ging beim Zentrum in elektronischer Form am 4. Mai 2010 ein.

Nach Maßgabe des Verfahrensreglements, Paragraph 14(c), ist der 12. Mai 2010 als Tag der förmlichen Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens anzusehen. Gemäß Paragraph 15 des Verfahrensreglements endete die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung am 1. Juni 2010.

Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 4. Juni 2010 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht habe. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen.

Am 14. Juni 2010 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt und das Zentrum bestellte am 28. Juni 2010 Dr. Bernhard F. Meyer als Experten.

Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt worden ist und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin Thurgau Travel AG wurde im Jahr 2002 gegründet und bietet gemäss Angaben auf der eigenen Website unter“www.thurgautravel.ch” verschiedene Reisedienstleistungen an. Sie spezialisiert sich insbesondere auf Fluss- und Kreuzfahrten in der ganzen Welt und ist Inhaberin der folgenden Wort-/Bildmarke:

logo, Nr. 580623, registriert am 2. Dezember 2008, für Dienstleistungen der Klasse 39 (Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen).

Der Gesuchsgegner ist seit dem 5. Mai 2009 Inhaber des streitigen Domain-Namens <thurgau-travel.ch>.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin bringt vor, das Verhalten des Gesuchsgegners stelle eine Verletzung ihrer Markenrechte dar. Die unerlaubte Verwendung des Domain-Namens führe zu einer Verwechslungsgefahr, da die entsprechende Website dem Falschen zugerechnet würde sowie falsche Zusammenhänge vermutet würden. Der Gesuchsteller nutze den Domain-Namen, um missbräuchlich Werbung zu betreiben.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner hat sich trotz korrekter Zustellung nicht zum Gesuch geäussert. Aus diesem Grund basiert der Experte seine Entscheidfindung auf den von der Gesuchstellerin vorgebrachten Fakten und der Erscheinung der umstrittenen Website im Internet.

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das der Gesuchstellerin nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.

A. Bestand von Kennzeichenrechten

Die Gesuchstellerin hat bewiesen, dass sie Inhaberin der Wort-/Bildmarke THURGAU TRAVEL (fig.) ist, wobei der Hinterlegungszeitpunkt der Marke vor dem Zeitpunkt der Registrierung des strittigen Domain-Namens datiert.

B. Klare Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin

Das Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domain-Namen eine Kennzeichnungsfunktion haben und gegenüber den absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten hätten, um Verwechslungen zu vermeiden (BGE 126 III 244). Eine Verwechslungsgefahr besteht, sobald es aufgrund der erwähnten Kriterien (Schriftbild, Wirkung, Sinngehalt) und aufgrund der Gleichartigkeit des Angebots an Dienstleistungen bei den Benutzern des Internets zu Verwechslungen kommen kann. Dass Verwechslungen tatsächlich stattgefunden haben, ist nicht Voraussetzung (BGE 128 III 401 E. 5).

Art. 13 Abs. 1 Markenschutzgesetz (“MSchG”) verleiht der Markeninhaberin das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann die Markeninhaberin einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, das die Rechte der Markeninhaberin verletzt, z.B. indem es mit einer älteren Marke für gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder verwechselbar ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c MSchG).

Ist ein Zeichen namens-, firmen- oder markenrechtlich geschützt, kann dessen Inhaber Unberechtigten die Verwendung dieses Zeichens als Domain-Namen verbieten, sofern die unbefugte Verwendung eine Verwechslungsgefahr schafft, indem die entsprechende Website dem Falschen zugerechnet werden kann (BGE 4C.141/2002 in sic! 2003 438 ff.).

Die Gleichartigkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG der unter der Marke der Gesuchstellerin angebotenen Dienstleistungen mit solchen, die unter dem streitgegenständlichen Domain-Namen angeboten werden, scheint gegeben. Insbesondere liegen Überschneidungen im Transportwesen und in der Veranstaltung von Reisen (Klasse 39) vor. Die Website des Gesuchsgegners unter dem streitigen Domain-Namen enthält gesponserte Links, die ihrerseits auf Websites Dritter führen, die - wie die Gesuchstellerin -Fluss- und Kreuzfahrten anbieten.

Im Domain-Namen sind die Worte THURGAU und TRAVEL, die auch in der registrierten Marke der Gesuchstellerin zu finden sind, vollständig und in derselben Reihenfolge enthalten. Der Bindestrich zwischen den beiden Wörtern im Domain-Namen vermag dessen Erscheinungs- und Klangbild nicht massgeblich zu verändern. Die Frage, ob bei kombinierten Marken der Wort- oder der Bildbestandteil dominierend oder ausschlaggebend sei, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Dabei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, wobei die Kennzeichnungskraft der einzelnen Elemente ausschlaggebend ist. Das Hinzufügen grafischer Elemente (Wellenlinie und Sonne) sowie die Eigenheit des Schriftzuges vermögen der betroffenen Marke durchaus ein eigenes Gepräge zu verleihen. Die Grösse des Wortelements sowie die bloss untergeordneten Symbole deuten jedoch auf eine Dominanz des Schriftzuges hin. Ausserdem ist insbesondere im mündlichen Geschäftsverkehr das grafische Element von untergeordneter Bedeutung, weil sich das Publikum in erster Linie an den Wortelementen THURGAU und TRAVEL orientiert.

Der Schutzumfang einer Marke bestimmt sich nach ihrer Kennzeichnungskraft. Für schwache Marken ist der geschützte Ähnlichkeitsbereich kleiner als für starke. Als schwach gelten gemeinhin Marken, deren wesentliche Bestandteile sich eng an Sachbegriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs anlehnen.

Im Zusammenhang mit den unter der Marke geschützten Dienstleistungen, handelt es sich bei der Bezeichnung THURGAU TRAVEL um einen bloss entfernt beschreibenden Hinweis. Das Wort TRAVEL (auf deutsch „reisen”) deutet darauf hin, dass es sich bei den Dienstleistungen der Gesuchstellerin um solche der Reisebranche handelt. Insoweit ist die Marke beschreibend. Der Bestandteil THURGAU rührt dagegen allein vom Standort der Unternehmung her und beschreibt weder den Ausgangspunkt, noch die Destination, und schon gar nicht den Inhalt der Dienstleistungen, die von der Klägerin angeboten werden. Könnten die Wortelemente TRAVEL und THURGAU, jeweils in Alleinstellung, wohl dem Gemeingut zugeordnet werden, so stellt die in Frage stehende Kombination der beiden Elemente kein Gemeingut mehr dar. Nach Ausich des Experten, kann dem geschützten Zeichen für die darunter angebotenen Dienstleistungen kein konkreter oder direkt beschreibender Sinngehalt beigemessen werden. Aus diesem Grund ist die integrale Übernahme der Wortelemente THURGAU und TRAVEL im Domain-Namen des Gesuchsgegners geeignet, eine Verwechslungsgefahr mit der Marke der Gesuchstellerin zu erzeugen und deren Kennzeichnungsfunktion zu schwächen.

Der Gesuchsgegner hat keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen. Ferner rechtfertigt die Rechtsverletzung die beantragte Übertragung des Domain-Namens <thurgau-travel.ch> auf die Gesuchstellerin. Eine klare Verletzung der Kennzeichnungsrechte der Gesuchstellerin durch den streitigen Domain-Namen ist zu bejahen.

7. Entscheidung

Aus den vorstehend genannten Gründen entscheidet der Experte, dass der Domain-Name <thurgau-travel.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin zu übertragen ist.


Dr. Bernhard F. Meyer
Experte

Datum: 9. Juli 2010