Die Gesuchstellerin ist Nail:Code aus Lahr, Deutschland, vertreten durch Zweierstrasse 129 Rechtsanwälte, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist Mike Rothenbühler, Büro Köbeli GmbH aus Hunzenschwil, Schweiz, vertreten durch Schärer Rechtsanwälte, Schweiz.
Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <nailcode.ch> (nachfolgend der “Domainname”).
Die Registerbetreiberin ist SWITCH, Zürich, Schweiz. Die Domainvergabestelle ist METANET AG.
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum („Zentrum”) am 1. März 2019 per E-Mail und am 5. März 2019 per Post ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 5. März 2019 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 11. März 2019 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 31. März 2019.
Die Gesuchserwiderung traf am 28. März 2019 per E-Mail und per Post beim Zentrum ein. Am selben Tag bestätigte das Zentrum den Empfang der Gesuchserwiderung des Gesuchsgegners. Am 31. März 2019 teilte der Gesuchsgegner dem Zentrum mit, dass keine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung bestehe. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und beantragte diese am 2. April 2019.
Das Verfahren wurde in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 25. April 2019 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
Die Gesuchstellerin tritt seit dem 1. Mai 2008 als Einzelunternehmen „Nail:Code“ mit Sitz in Deutschland auf. Der Gesellschafter der Gesuchstellerin meldete am 26. September 2009 die Unionsmarke Nr. 008459869 NAIL:CODE an, für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 38 und 41, welche am 21. Januar 2010 eingetragen wurde. Am 30. November 2018 hat die Gesuchstellerin über ihren Gesellschafter die Marke Nr. 727032 NAILCODE im Schweizer Markenregister anmelden lassen, welche am 7. Februar 2019 eingetragen wurde. Die Gesuchstellerin vertreibt direkt oder mittels Alleinvertriebsverträgen in Deutschland und der Schweiz diverse Kosmetika. Ferner ist die Gesuchstellerin Inhaberin der Domainnamen <nail-code.ch>, <nailcode.com>, <nailcode.de>, <nailcode.at>, <nailcode.fr> und <nailcode.nl>.
Der streitige Domainname wurde am 11. Januar 2012 durch den Gesuchsgegner registriert. Zwischen der am 16. Februar 2012 von dem Gesuchsgegner gegründeten Nail:Code GmbH (mit Sitz in Hunzenschwil, Schweiz) und der Gesuchstellerin wurde per 1. April 2012 für das Gebiet der Schweiz und Liechtenstein ein Exklusiv-Liefervertrag („Vertrag“) für Produkte der Marken NAIL:CODE abgeschlossen. Namens der nailcode GmbH (die vormalige Nail:Code GmbH) kündigte der Gesuchsgegner den Vertrag per 30. November 2018.
Gegenwärtig führt der streitige Domainname zur Website „www.bare-beauty.ch“ des Gesuchsgegners, wo unter dem Titel „abverkauf“ [sic] Nail:Code-Produkte angeboten werden.
Die Gesuchstellerin trägt zusammengefasst Folgendes vor:
Die Marken NAIL:CODE und NAILCODE der Gesuchstellerin haben insbesondere auch in der Schweiz beim einschlägigen Fachpublikum einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht.
Über die Website „www.bare-beauty.ch“ verkauft der Gesuchsgegner mittels der Bare Beauty GmbH ein gleiches bzw. sehr ähnliches Warensortiment wie es der Gesuchsgegner über die nailcode GmbH unter Geltung des Vertrags betreffend Waren der Marke NAIL:CODE bereits getan hat.
Der Gesuchsgegner lässt den streitigen Domainnamen, der identisch ist mit der Schweizer Wortmarke NAILCODE der Gesuchstellerin, in kennzeichenmässiger Art durch die Bare Beauty GmbH nutzen, die wie die Gesuchstellerin gewerbsmässig im Nagelkosmetik-Geschäft tätig ist, und schafft dadurch eine Verwechslungsgefahr.
Dadurch verletzt der Gesuchsgegner die schweizerischen Markenrechte des Gesuchsgegners, insbesondere Art. 13 MSchG und im Spezifischen Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG.
Überdies wird der streitige Domainname in irreführender Weise dazu genutzt, Kunden, die einen Webshop mit Produkten der Marke NAIL:CODE oder NAILCODE aufsuchen wollen, auf die Seite eines Konkurrenten zu leiten. Damit verstösst der Gesuchsgegner gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b und d UWG sowie den Generaltatbestand von Art. 2 UWG.
Der Gesuchsgegner trägt zusammengefasst Folgendes vor:
Die Produkte der Marke NAIL:CODE wurden einzig aufgrund der Bemühungen und Aufbauanstrengungen des Gesuchsgegners bzw. der nailcode GmbH in der Schweiz positioniert. Es ist deshalb unzutreffend, dass die Bezeichnung „nailcode“ in der Wahrnehmung der Abnehmer automatisch mit der Gesuchstellerin assoziiert wird. Ferner wird bestritten, dass die Schweizer Marke NAILCODE einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat.
Der Gesuchsgegner hält den streitigen Domainnamen für die nailcode GmbH, welche gestützt auf Firmenrecht am Zeichen „nailcode“ berechtigt ist und deshalb ebenfalls über ein geschütztes Kennzeichenrecht verfügt. Beim Aufruf des streitigen Domainnamens erfolgt eine Weiterleitung auf die Website der Bare Beauty GmbH mit dem Titel „abverkauf“ [sic]. Es ist klar ersichtlich, dass es sich um einen Webshop der Bare Beauty GmbH handelt und einzelne Produkte der Marke NAIL:CODE abverkauft werden.
Unabhängig davon, ob überhaupt eine Verletzung der Markenrechte der Gesuchstellerin vorliegt, besteht gemäss Art. 14 Abs. 1 MSchG jedenfalls ein Weiterbenützungsrecht.
Entgegen den Ausführungen der Gesuchstellerin versucht der Gesuchsgegner nicht, vom Kennzeichen der Gesuchstellerin zu profitieren und dessen Ruf auszubeuten. Sobald die Produkte auf der Website „www.bare-beauty.ch“ abverkauft sind, wird der Gesuchsgegner keine Waren oder Dienstleistungen mehr über den streitigen Domainnamen anbieten.
Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das der Gesuchstellerin nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.
Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.
Die Gesuchstellerin hat nachgewiesen, dass sie über ein Kennzeichenrecht an der Marke NAILCODE verfügt, dessen Schutzumfang sich auf die Schweiz erstreckt.
Das schweizerische Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domainnamen in ihrer Funktion die dahinter stehenden Personen, Produkte bzw. Sachen oder Dienstleistungen identifizieren und deshalb vergleichbar seien mit Personennamen, Firmen oder Marken (vgl. BGE 126 III 239, 244).
(a) Markenrecht
Der streitige Domainname ist, abgesehen von der country code Top-Level Domain („ccTLD“) „.ch“, identisch mit der Wortmarke NAILCODE der Gesuchstellerin.
Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Frage, ob der Gesuchsgegner ein Weiterbenützungsrecht gemäss Art. 14 Abs. 1 MSchG geltend machen kann. Einerseits hat der Gesuchsgegner den streitigen Domainnamen bereits am 11. Januar 2012 registriert (und markenrechtlich gebraucht) und kann auch ein Firmenrecht bezüglich der nailcode GmbH gelten machen, die am 16. Februar 2012 gegründet wurde. Die entsprechenden Kennzeichen wurden danach auch tatsächlich gebraucht, lange vor Anmeldung der Schweizer Marke NAILCODE am 30. November 2018. Andererseits ist zu beachten, dass die Gesuchstellerin seit dem 21. Januar 2010 als Inhaberin der Unionsmarke NAIL:CODE eingetragen ist. Zudem hat die Gesuchstellerin gewisse Nachweise erbracht, dass ihr Gesellschafter seit 2013 mit seinen Nagelkosmetik-Produkten an Schweizer Branchen-Messen teilgenommen hat.
Grundsätzlich beurteilt sich die Frage, wem das bessere Recht zusteht, wenn der Inhaber der hinterlegten (schweizerischen) Marke sein Kennzeichen ebenfalls schon vor der Hinterlegung in Gebrauch genommen hat, allein nach Lauterkeits- bzw. Firmen- oder Namensrecht (BSK MSchG-Isler, Art. 14 N 6). Hat derjenige, der seine Marke später eintragen liess, diese bereits vor dem anderen (der eine Vorbenützung geltend macht) gebraucht, so verfügt der Markeninhaber über das ältere Recht (BSK MSchG-Isler, a.a.O.).
Im internationalen Verhältnis muss allerdings differenziert werden: Wer ohne Berechtigung auf den Zug einer im Ausland registrierten und in der Schweiz bereits bekannt gewordenen Marke aufspringen will, wird aufgrund der Vorverlegung der Hinterlegungspriorität von in der Schweiz notorisch bekannten Marken kraft Verweisung von Art. 3 Abs. 2 lit. B MSchG auf Art. 6bis PVÜ effektvoll daran gehindert (BSK MSchG-Isler, Art. 14 N 7).
Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Gesuchsgegner mit Berechtigung der Gesuchstellerin (gemäss Bestimmungen des Exklusiv-Liefervertrags) die Marke in der Schweiz aufgebaut hat. Vor dem oben geschilderten Hintergrund ist zudem davon auszugehen, dass die (Unions-)Marke der Gesuchstellerin zum Zeitpunkt des ersten kennzeichenmässigen Gebrauchs in der Schweiz (2012/2013) über keine notorische Bekanntheit in der Schweiz verfügte.
Somit kann der Gesuchsgegner zu Recht ein Weiterbenützungsrecht gemäss Art. 14 MSchG geltend machen, das dem Markenschutz der Gesuchstellerin aus der Anmeldung der Schweizer Marke NAILCODE am 30. November 2018 entgegen gehalten werden kann.
(b) UWG
Auch im Bereich des UWG ist bei Kollisionen von unterschiedlichen Zeichen und Elementen eines schutzfähigen Marktauftritts die Priorität des Gebrauchs eines Zeichens das wichtigste Kriterium (BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 227-228). Die Priorität kann jedoch, insbesondere in Fällen von Gleichnamigkeit oder generell, wenn Treu und Glauben es erheischen, durch andere Kriterien übersteuert werden (BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 228).
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Internet sind die vom Inhaber eines Domainnamens getroffenen Massnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen (BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 205-207).
Vorliegend führt der streitige Domainname direkt zum Bereich "ABVERKAUF" auf der Website der Bare Beauty GmbH, mit deren Firmenbezeichnung als (grösseres) Logo an prominenter Stelle und dem darunter stehenden Titel „abverkauf“ [sic]. Auch wenn in einem anderen Bereich der Website Produkte der Bare Beauty GmbH angeboten werden, ist davon auszugehen, dass der Durchschnittnutzer die betreffende Website als eine solche der Bare Beauty GmbH einordnen kann, über welche Restposten von Produkten der Gesuchstellerin abgestossen werden.
Eine Verwechslungsgefahr ist unter den gegenwärtigen Umständen nach Ansicht des Experten eher unwahrscheinlich, sodass zumindest aus den eingereichten Unterlagen keine klare Verletzung des UWG durch den Gesuchsgegner vorliegt.
Dieser Befund könnte sich jedoch ändern, falls sich die Umstände bezüglich der Nutzung des streitigen Domainnamens ändern, beispielsweise falls der Gesuchsgegner nach dem Abverkauf der Produkte der Gesuchstellerin über die Website „www.bare-beauty.ch“ – entgegen seinen Zusicherungen (vgl. Abschnitt 5.B. letzter Absatz oben) – den streitigen Domainnamen weiterhin über diese Website wettbewerbsmässig nutzt. In einem solchen Fall wäre die Gesuchstellerin wohl befugt, entweder ein neues Gesuch unter dem Verfahrensreglement bei der WIPO zu stellen und/oder eine Klage vor staatlichen Gerichten einzureichen.
Zusammengefasst ergibt sich derzeit aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen keine klare Verletzung der von der Gesuchstellerin geltend gemachten Kennzeichenrechte.
Aus den vorstehenden Gründen entscheidet der Experte, dass das Gesuch abzuweisen ist.
Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 6. Juni 2019