WIPO

 

WIPO Arbitration and Mediation Center

 

EXPERTENENTSCHEID

Vereinigung ehemaliger Lehrlinge VeL v. Adrian Heim

Verfahren Nr. DCH2008-0009

 

1. Die Parteien

Gesuchstellerin ist die Vereinigung ehemaliger Lehrlinge „VeL“ aus Baden, Schweiz, vertreten durch den Präsidenten der Vereinigung.

Der Gesuchsgegner ist Adrian Heim, Nussbaumen bei Baden, Schweiz.

 

2. Streitiger Domain-Name

Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <velba.ch> (nachfolgend „Domain-Name”).

Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.

 

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (das „Center”) am 28. Mai 2008 per Email und am 2. Juni 2008 in körperlicher Form ein. Das Gesuch stützt sich auf das Reglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren betreffend “.ch” und “.li” Domain-Namen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 29. Mai 2008 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domain-Namens sei. Das Center stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entsprach.

Am 10. Juni 2008 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 30. Juni 2008.

Die Gesuchserwiderung traf elektronisch und per Post am 30. Juni 2008 beim Center ein. Am 9. Juli 2008 bestätigte das Center den Empfang der Gesuchserwiderung, worin der Gesuchsgegner erklärte, kein Interesse an einer Schlichtungsverhandlung zu haben.

Am 17. Juli 2008 bestellte das Center Bernhard F. Meyer als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und er hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

Am 23. Juli 2008 übermittelte das Center dem Experten weitere Stellungnahmen beider Parteien in elektronischer Form.

 

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin ist ein Verein nach Art. 60 ff. ZGB mit Sitz in Baden, Kanton Aargau. Unter dem Namen „Vereinigung ehemaliger Lehrlinge“, abgekürzt „VeL“, schliessen sich Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger der BBC/ABB und ihrer Tochter- sowie Nachfolgeunternehmen zusammen. Die Vereinigung bezweckt die Verbindung natürlicher Personen, die eine Berufslehre bei der ehemaligen BBC, der ABB Schweiz, sowie in den Lernzentren Lehrlinge für die Wirtschaft (LfW) absolviert haben. Zudem dient der Verein der Förderung junger Menschen in ihrem Beruf.

Der Gesuchsgegner ist Adrian Heim, der seit Juni 1997 Vorstandsmitglied der Vereinigung ist. In seiner letzten Funktion amtierte er als Obmann, wobei er unter anderem die Publikationen bzw. das Bulletin des Vereins führte.

Der Domain-Name wurde am 6. April 2005 durch den Gesuchsgegner angemeldet. Die Anmeldung ersetzte den vorhergehenden Domain-Namen <vel-bbcabb.ch>.

Auf der Website <velba.ch > sind allgemeine Informationen über die Vereinigung

ehemaliger Lehrlinge und deren Aktivitäten aufgeführt.

 

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin macht geltend, die Website sei unter dem Namen <velba.ch > seit ihrer Registrierung die offizielle Homepage der Vereinigung ehemaliger Lehrlinge VeL gewesen. Der Gesuchsgegner habe den Domain-Namen im Namen und im Auftrag sowie auf Rechnung der Gesuchstellerin im Jahre 2005 registriert, womit die Gesuchstellerin Inhaberin des Domain-Namens geworden sei. Dass der Gesuchsgegner lediglich als Vertreter der Vereinigung gehandelt habe, gehe insbesondere aus seinem Verhalten bei der Anmeldung des Domain-Namens hervor, habe er bei den Angaben zum Domain-Halter seinem Namen doch die Abkürzung „VeL“ beigefügt. Bis zur heutigen Streitigkeit habe er nie Ansprüche auf den Domain-Namen <velba.ch> geltend gemacht. Ein weiterer Beweis für ihr Eigentum am streitigen Domain-Namen sieht die Gesuchstellerin am Umstand, dass sie - und nicht der Gesuchsgegner - Rechnungadressatin für die Jahresgebühren des Domain-Namens gewesen sei und dass sie die Rechnungen auch bezahlt habe.

Am 14. Mai 2008 habe der Gesuchsgegner ohne Auftrag der Gesuchstellerin den Name-Server gewechselt, den Inhalt der Homepage kopiert und auf einen neuen Provider übertragen. In der Folge habe der Präsident der Vereinigung ehemaliger Lehrlinge den Gesuchsgegner aufgefordert, diese Änderungen rückgängig zu machen. Der Inhalt der alten Homepage sei noch unter „www.3.nexline.ch/velba“ ersichtlich.

Sodann macht die Gesuchstellerin sinngemäss geltend, Inhaberin eines Kennzeichenrechts am Namen VELBA nach dem Recht der Schweiz zu sein. Sie begründet dieses Recht damit, dass sie den Domain-Namen <velba.ch > seit drei Jahren systematisch auf Vereinsunterlagen gebraucht habe, namentlich in Werbeunterlagen, Vereinszeitschriften und Beitrittserklärungen.

Nach Darstellung der Gesuchstellerin stelle die Registrierung und Verwendung des Domain-Namens durch den Gesuchsgegner insofern eine Verletzung ihres Kennzeichenrechts dar, als der Gesuchsgegner durch Erschleichen des Domain-Namens <velba.ch > seine Treuepflicht gegenüber der Vereinigung verletzt habe.

Aus diesen Gründen beantragt die Gesuchstellerin die Übertragung des Domain-Namens <velba.ch >.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner macht geltend, er habe den Domain-Namen <velba.ch > in eigenem Namen und auf eigene Rechnung registriert. Seitens der Gesuchstellerin sei weder ein Vereinsbeschluss bezüglich der Registrierung des Domain-Namens ergangen, noch habe ihm die Gesuchstellerin einen entsprechenden Auftrag erteilt. Anfänglich habe er auch selbst die Website als Webmaster betreut. Auf Wunsch der Gesuchstellerin habe er im Mai 2006 diese Aufgabe auf den Pràsidenten der Vereiningung übertragen und den Rechnungskontakt auf den Kassierer der Gesuchstellerin lauten lassen. Seit April 2008 verwalte und bezahle er die Domaine wieder selbst.

Der Gesuchsgegner trägt vor, er habe nie eine Übertragung des Domain-Namens an den Vereinsvorstand beabsichtigt. Als er den Domain-Namen registrierte, habe er den Zusatz „VeL“ neben seinem Namen lediglich deswegen angegeben, um auf seine Vereinsmitgliedschaft hinzuweisen. Er betreibe die Website weder in kommerzieller noch in privater Absicht. Ziel dieser Website sei einzig die Zurverfügungstellung eines Mitgliederforums, auf welcher allgemeine Informationen über den Verein publiziert würden.

Sodann weist der Gesuchsgegner darauf hin, dass die Gesuchstellerin eine eigene neue Website betreibe unter „www.vel-info.ch“. Er bestreitet sodann, Daten von der alten Website kopiert zu haben.

Abschliessend stellt der Gesuchsgegner den Antrag, den Domain-Namen nicht auf die Gesuchstellerin zu übertragen.

 

6. Entscheidungsgründe

Am 23. Juli 2008 wurden dem Experten weitere Stellungnahmen beider Parteien übermittelt. Gemäss Paragraph 21(c) des Verfahrensreglements kann der Experte nach seinem Ermessen ausnahmsweise von den Parteien über das Gesuch und die Gesuchserwiderung hinausgehende weitere Darlegungen oder Schriftstücke verlangen oder, auf begründeten Antrag einer Partei, zulassen. Die vorliegenden Stellungnahmen hat der Experte nicht verlangt. Da deren Inhalte für den Ausgang des Verfahrens auch nicht von Belang sind, werden sie vom Experten nicht zugelassen.

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.

(i) Kennzeichenrecht

Gemäss Paragraph 1 des Verfahrensreglements ist ein Kennzeichenrecht:

jedes von der Rechtsordnung anerkannte Recht aus der Registrierung oder dem Gebrauch eines Zeichens mit Unterscheidungsfunktion, welches den Rechtsinhaber gegen die Beeinträchtigung seiner Interessen durch die Registrierung oder den Gebrauch eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch Dritte schützt, insbesondere, aber nicht abschliessend, das Recht an einer Firma, einem Namen, einer Marke, einer Herkunftsangabe sowie die aus dem Lauterkeitsrecht fliessenden Abwehrrechte.

In der Schweiz gelten Domain-Namen nicht als „von der Rechtsordnung anerkannte [Kennzeichen-]Rechte“, die wie Namen, Firmenbezeichnungen oder Marken geschützt sind. Vielmehr stellen Domain-Namen einfache Internetadressen in Wortform dar. Weil Domain-Namen auf entsprechenden Websites aber die dahinterstehende Person, Sache oder Dienstleistung identifizieren können, hat das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sie - je nach konkreter Situation - mit einem Namen, einer Firma oder einer Marke vergleichbar sind. So hat die Kennzeichnungsfunktion der Domain-Namen zur Folge, dass diese gegenüber den absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten haben, um Verwechslungen zu vermeiden. Ist ein als Domain-Name verwendetes Zeichen namenrechtlich, firmenrechtlich oder markenrechtlich geschützt, kann der entsprechend Berechtigte einem Unberechtigten die Verwendung des Zeichens als Domain-Name grundsätzlich verbieten, wobei über Kollisionen zwischen verschiedenen Rechten durch Abwägung der gegenseitigen Interessen zu entscheiden ist (BGE 126 III 239, 244–245, <berneroberland.ch>).

Die Gesuchstellerin behauptet nicht, im Besitz eines geschützten Namens, einer Firma, oder einer Marke „Velba“ zu sein, die der Gesuchsgegner durch den registrierten Domain-Namen verletze. Sie behauptet vielmehr, der vom Gesuchsgegner registrierte Domain-Name gehöre rechtens ihr, weil der Gesuchsgegner bei der Registrierung nicht für sich selbst gehandelt hätte, sondern namens und im Auftrag des Vereins ehemaliger Lehrlinge (VeL).

Diese materiellrechtliche Frage hinsichtlich Vertretung und Vertretungsmacht des Gesuchstellers bei der Registrierung des strittigen Domain-Namens, kann der Experte im Streitbeilegungsverfahren nach dem Verfahrensreglement nicht entscheiden. Sie würde eine umfassende Beweisaufnahme und eine eingehende Würdigung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen den Parteien erfordern. Eine solche Prüfung kann nur der ordentliche Richter vornehmen und das Gesuch scheitert bereits an der fehlenden Kognitionsbefugnis des Experten.

Aber selbst, wenn man das Gesuch so verstehen wollte, dass der Gesuchsgegner den strittigen Domain-Namen - entgegen den Weisungen der Gesuchstellerin - für sich selbst registriert hätte, und er somit Eigentümer wäre, müsste die Gesuchstellerin unter dem Verfahrensreglement dartun, dass sie ein „von der Rechtsordnung anerkanntes Recht“ für den Begriff „Velba“ besitzt. Zur Schaffung eines „Kennzeichens“ im Sinne der oben erwähnten Begriffsdefinition ist der Gebrauch in „Werbeunterlagen, Vereinszeitschrift, Beitrittserklärung, etc.“ nicht genügend.

Der Verein der Gesuchstellerin heisst „Verein ehemaliger Lehrlinge“, abgekürzt „VeL“, und nicht „Velba“. Soweit die Gesuchstellerin in ihrem Gesuch sinngemäss Namensrechte nach Art. 29 ZGB geltend macht, die Kennzeichencharakter haben, könnten diese Rechte allenfalls die ersten drei Buchstaben des Domain-Namens abdecken, nämlich die Abkürzung „Vel“. Diese drei Buchstaben sind allerdings wenig kennzeichnend und für die restlichen Buchstaben „ba“, die offenbar für Baden stehen, sind geschützte Namenrechte der Gesuchstellerin nicht ersichtlich. Die Ortsbezeichnung „Baden“ kann nicht monopolisiert werden und das gleiche gilt für die Abkürzung „ba“ falls diese Buchstaben tatsächlich eine gebräuchliche Abkürzung für „Baden“ darstellen sollten (was auch nicht dargetan ist). Die Kombination „Velba“ ist von der Rechtsordnung somit nicht kennzeichenrechtlich geschützt. Damit entfällt aber auch die Grundlage für das vorliegende Switch Streitbeilegungsverfahren, in dem die Gesuchstellerin zwingend sowohl den „Bestand als auch die Verletzung [eines] Kennzeichenrechtes“ nachweisen muss.

(ii) Übrige Erfordernisse

Da es der Gesuchstellerin nicht gelungen ist, ein von der schweizerischen Rechtsordnung geschütztes Kennzeichenrecht nachzuweisen, das durch den Domain-Namen verletzt wird, erübrigt es sich auch die weiteren Voraussetzungen zu prüfen, die für eine Übertragung des Domain-Namens von der Gesuchstellerin nachgewiesen werden müssten.

 

7. Entscheidung

Aus den oben dargelegten Gründen wird das Gesuch nach Paragraph 24(b) des Verfahrensreglements abgewiesen.

Ungeachtet der vorliegenden Entscheidung bleibt den Parteien der Gang zu den ordentlichen Gerichten offen (siehe §§ 10(a) des Verfahrensreglements). Dort können weitere Sachverhaltsabklärungen getroffen werden, insbesondere mit Bezug auf die behaupteten Vertretungshandlungen und deren Wirkung zwischen den Parteien.


Bernhard F. Meyer
Experte

Datum: 31. Juli 2008