WIPO

WIPO Arbitration and Mediation Center

EXPERTENENTSCHEID

Kabushiki Kaisha Ralliart v. Japan Cars, Remo Forrer

Verfahren Nr. DCH2009-0013

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist Kabushiki Kaisha Ralliart, Tokyo, Japan, vertreten durch Novagraaf International S.A., Genf, Schweiz.

Die Gesuchsgegnerin ist Japan Cars, Remo Forrer, Oberglatt, Schweiz, vertreten durch Streichenberg Rechtsanwälte, Zürich, Schweiz.

2. Streitiger Domain-Name

Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <ralliart.ch> (nachfolgend der „Domain-Name”).

Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (das „Center”) am 10. Juli 2009 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 13. Juli 2009 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass die Gesuchsgegnerin Inhaberin und administrative Kontaktperson des Domain-Namens ist. Das Center stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.

Am 16. Juli 2009 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 5. August 2009.

Die Gesuchserwiderung traf elektronisch am 5. August 2009 und per Post am 6. August 2009 beim Center ein. Am 11. August 2009 drückte die Gesuchsgegnerin in einem E-Mail an das Center ihr Einverständnis zu einer telefonischen Schlichtungsverhandlung aus. Am 17. August 2009 bestätigte das Center den Empfang der Gesuchserwiderung vom 5. August sowie die Bereitschaft der Gesuchsgegnerin zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung. Nachdem eine Schlichtungsverhandlung vom 18. September 2009 zu keinem Ergebnis führte, ordnete das Center auf Antrag der Gesuchstellerin hin am 23. September 2009 eine Sistierung des Verfahrens bis zum 31. Oktober 2009 an.

Am 8. Oktober 2009 teilte die Gesuchstellerin mit, dass die Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien gescheitert seien, und das Center teilte daraufhin am 15. Oktober 2009 mit, dass das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt werde. Das Center bestellte am 9. November 2009 einen Experten, der das Mandat später jedoch wegen eines Interessenkonflikts ablehnen musste. Am 25. November 2009 bestellte das Center Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin verkörpert die Rally-Branche der Automarke Mitsubishi und ist gemäss Angaben der Gesuchstellerin weltweit bekannt für Rally-Motorfahrzeuge und deren Teile sowie für damit zusammenhängende Waren und Dienstleistungen (z.B. Merchandising-Artikel und Rally-Informationen). Die Gesuchsgegnerin befasst sich gemäss Handelsregisterauszug mit dem Verkauf und der Montage von japanischen Autozubehörteilen.

Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der Marke RALLIART, die in der Schweiz als Wort-Bildmarke (Nr. P-356534) seit dem 25. Mai 1987 sowie als Wortmarke (Nr. 521196) seit dem 16. April 2004 registriert ist.

Die Gesuchsgegnerin hat den strittigen Domain-Namen am 16. November 1999 registriert. Die entsprechende Website wurde in der Vergangenheit benutzt, um Fahrten auf einer Rennstrecke in Frankreich anzubieten, und ist derzeit inaktiv.

Die Gesuchstellerin verlangte mit Brief vom 25. November 2008 eine Abtretung des strittigen Domain-Namens an die Gesuchstellerin. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 offerierte die Gesuchsgegnerin den Verkauf des Domain-Namens für einen angemessenen Preis, ohne einen solchen Preis anzugeben. Ein Angebot der Gesuchstellerin von CHF 600 wurde von der Gesuchsgegnerin am 9. Januar 2009 abgewiesen.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin beruft sich auf ihre Marken und gibt an, dass die Gesuchsgegnerin durch Registrieren des Domain-Namens <ralliart.ch> die Rechte der Gesuchstellerin verletze. Das Unternehmen Ralliart habe seit der Registrierung ihrer Marke das Kennzeichen und den Namen RALLIART weltweit benutzt und in der Schweiz ihr Gebrauchsrecht an einen Lizenznehmer übertragen. Die MME Vertriebsgesellschaft Schweiz AG habe seit 2005 ein Recht auf den Gebrauch des Namens und der Marke RALLIART in der Schweiz und habe diese Marke auch benutzt.

Der strittige Domain-Name <ralliart.ch> sei mit der registrierten Marke der Gesuchstellerin identisch. Die Tatsache, dass der Domain-Name von der Gesuchstellerin nicht aktiv benutzt werde, sei in diesem Fall nicht relevant. Sollte die Gesuchsgegnerin die entsprechende Website eines Tages benützen wollen, brauche sie nur den Domain-Namen zu aktivieren.

Da die Firma “Japan Cars” der Gesuchsgegnerin, die laut Handelsregisterauszug den Unternehmenszweck “Verkauf und Montage von japanischen Autozubehörteilen” habe, in einem ähnlichen Gebiet tätig sei wie die Gesuchstellerin, könnte der strittige Domain-Name Verwechslungen bei den Kunden der Gesuchstellerin hervorrufen.

Das Schaffen einer solchen Verwechslungsgefahr stelle eine Verletzung von Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c MSchG dar.

B. Gesuchsgegnerin

Die Gesuchsgegnerin bestreitet, dass die Marke RALLIART in der Schweiz überhaupt gebraucht worden sei. Jedenfalls sei nicht davon auszugehen, dass es sich dabei auch nur ansatzweise um eine berühmte Marke im Sinne von Art. 15 MSchG handle.

Die Zeichen der Gesuchstellerin seien darüber hinaus beschreibend und deshalb nach Art. 2 lit. a MSchG vom Markenschutz ausgenommen. Die Marke RALLIART setze sich as den Wortbestandteilen “Ralli” und “Art” zusammen (“Kunst des Motorsports”). “Ralli” sei eine Abwandlung von Rally, der englischen Schreibweise des Motorsports Rallye. Der englische Begriff “Art” gehöre zum allgemeinen deutschen Sprachwortschatz (“Pop-Art”) und werde in Zusammensetzung mit anderen englischen Begriffen ohne weiteres verstanden.

Die Marke RALLIART werde für Motorfahrzeuge, deren Bestandteile und Ausstattungsgegenstände beansprucht. In diesem Zusammenhang werde die Marke RALLIART vom Schweizer Publikum ohne weitere Überlegung als Hinweis auf sportliche Serienfahrzeuge und deren Bestandteile oder eine Verwendung im Rally-Sport, jeweils unter Inanspruchnahme hoher Qualitätsstandards, verstanden. Dies sei umso mehr der Fall, als die Wort-Bildmarke RALLIART die darin enthaltenen Begriffe “Ralli” bzw. “Art” visuell trenne und die Wortbestandteile und deren Bedeutung ohne weitere gedankliche Arbeit als solche wahrgenommen würden.

Diese Rechtsauffassung entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und der Rekurskommission für geistiges Eigentum. Wegen ihres beschreibenden bzw. berühmenden Charakters seien etwa die Zeichen “Firemaster” (BGE 4A.5/2004, für flammenhemmende Produkte, als Hinweis auf ein Produkt, welches Feuer zu meistern vermag), “Master Drive” (RKGE MA-AA 10/00, werbemässige Selbstdarstellung für die Dienstleistungen einer Fahrschule), “Choco Stars” (BVGer B-7424/2006, Berühmung der Qualität von Schokoladeprodukten) oder “Hyperlite” (RKGE, MA-AA 17/00, für Kraftfahrzeuge und deren Teile, als Hinweis auf die Leichtbauweise) als nicht schutzfähig betrachtet worden.

Entgegen den Andeutungen der Gesuchstellerin habe die Gesuchsgegnerin den strittigen Domain-Namen mit Benutzungsabsicht registriert und aktiv verwendet. Abgesehen davon habe das Bundesgericht entschieden, dass das blosse Halten eines Domain-Namens für sich noch keine Markenverletzung darstelle (BGE 4C.31/2004).

Mit der Registration und dem Halten des strittigen Domain-Namens habe die Gesuchsgegnerin das von der Gesuchstellerin geltend gemachte Kennzeichen somit nicht verletzt. Das Gesuch sei abzuweisen.

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.

A. Bestand eines Kennzeichenrechts

Wie oben dargelegt wurde, verfügt die Gesuchstellerin über schweizerische Kennzeichenrechte an der Marke RALLIART.

B. Klare Verletzung eines schweizerischen Kennzeichenrechts

Das schweizerische Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domain-Namen in ihrer Funktion die dahinter stehenden Personen, Produkte bzw. Sachen oder Dienstleistungen identifizieren und deshalb vergleichbar seien mit Personennamen, Firmen oder Marken (vgl. BGE 126 III 239, 244).

Die Gesuchsgegnerin bestreitet vorerst, dass die Marke der Gesuchstellerin überhaupt in der Schweiz benutzt worden sei. Ob die Marke der Gesuchstellerin tatsächlich in der Schweiz benutzt wurde, kann nicht abschliessend im Rahmen dieses Streitbeilegungsverfahrens beurteilt werden. Immerhin legte die Gesuchstellerin dar, dass sie die Rechte an der Marke an eine Lizenznehmerin in der Schweiz übertragen habe, was auf eine Benutzung hinweisen könnte. Auf jeden Fall ist dieses Verfahren jedoch nicht das angemessene Forum, um einen Markengebrauch zu beurteilen. Dazu wäre ein Beweisverfahren nötig, was im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens für .ch-Domainnamen nicht möglich ist. Da keine konkreten Hinweise bestehen, dass die Marke nicht benutzt wurde und die Gesuchstellerin eine solche Benutzung lediglich pauschal bestritten hat, muss der Experte die Gesuchsgegnerin diesbezüglich an die staatlichen Gerichte verweisen. In diesem Verfahren kann der Experte unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, dass die Marke der Gesuchstellerin benutzt wurde.

Weiter wendet die Gesuchsgegnerin ein, dass die Marke RALLIART beschreibend und deshalb nach Art. 2 lit. a MSchG vom Markenschutz ausgenommen sei (zur Argumentation vgl. Ziff. 5.B oben). Es obliegt ebenfalls nicht diesem Experten zu entscheiden, ob eine Marke beschreibend ist oder nicht. Diese Aufgabe fällt den zuständigen Behörden anlässlich der Markeneintragung zu, welche offensichtlich eine beschreibende Natur der Marke verneint haben. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass der Zusatz “Art” im Zusammenhang mit dem Rallye-Sport eher nicht beschreibend sein dürfte, da nach Auffassung des Experten, der Begriff “Kunst” nicht klar erkennbar auf eine bestimmte Qualität dieses Sports hinweist.

Ist ein Zeichen namens-, firmen- oder markenrechtlich geschützt, kann dessen Inhaber Unberechtigten die Verwendung dieses Zeichens als Domain-Namen verbieten, weil die unbefugte Verwendung eine Verwechslungsgefahr schafft, indem die entsprechende Website dem Falschen zugerechnet werden kann (BGE 4C.141/2002 in sic! 2003 438 ff.).

Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach Art. 3 Abs. 1 MSchG vom Markenschutz ausgeschlossen ist. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist ein Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen, wenn es mit einer älteren Marke identisch oder ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt ist, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt.

Unter Anbetracht der Umstände (s. Ziff. 4 oben) ist der Experte der Auffassung, dass zwischen der Marke RALLIART und dem strittigen Domain-Namen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht. Der Domain-Name <ralliart.ch> ist identisch mit den Marken der Gesuchstellerin. Zudem weist die Firma der Gesuchsgegnerin (“Japan Cars R. & M. Forrer”) eine deutliche Nähe zum Tätigkeitsfeld der Gesuchstellerin auf. Schliesslich bot die Gesuchsgegnerin, solange die Website noch aktiv war, ähnliche Dienstleistungen an wie jene, die durch die Marken der Gesuchstellerin geschützt sind (Dienstleistungen im Bereich Autorennen).

Es ist also offensichtlich, dass die Gesuchsgegnerin den Ruf der Gesuchstellerin auszunutzen versucht, indem sie sich einen Imagetransfer erhofft. Nach Ansicht des Experten überzeugen die vom Gesuchsgegner vorgebrachten Verteidigungsgründe auch nicht vom Gegenteil. Der Experte ist der Auffassung, dass die Gesuchsgegnerin damit die unmittelbare Verwechslungsgefahr bewusst im Wissen um die Marken der Gesuchstellerin geschaffen und die Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin gemäss Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG verletzt hat.

Da der strittige Domain-Name in der Vergangenheit aktiv benutzt wurde und jederzeit wieder aufgeschaltet werden könnte, muss hier nicht weiter untersucht werden, ob das passive Halten eines Domain-Namens Kennzeichenrechte verletzt oder nicht.

C. Übertragung des strittigen Domain-Namens ist gerechtfertigt

Da die Gesuchsgegnerin kein eigenes legitimes Interesse am strittigen Domain-Namen schlüssig begründen konnte, befindet der Experte, dass die Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin durch die Registrierung und Verwendung des Domain-Namens seitens der Gesuchsgegnerin deren Übertragung rechtfertigt.

7. Entscheidung

Der Experte entscheidet aus den oben genannten Gründen, dass der Domain-Name <ralliart.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin zu übertragen ist.


Tobias Zuberbühler
Experte

Datum: 9. Dezember 2009