WIPO

 

WIPO Arbitration and Mediation Center

 

ENTSCHEIDUNG DES BESCHWERDEPANELS

Pirelli & C. S.p.A. v. Annegret Kruemrey, handelnd unter Princess Publishing

Verfahren Nr. D2005-0936

 

1. Die Parteien

Die Beschwerdeführerin ist Pirelli & C.S.p.A. aus Mailand, Italien, vertreten durch Martin Aufenanger und Karin Lochner der Anwaltssozietät Grünecker, Kinkeldey, Stockmair & Schwanhäusser aus München, Deutschland.

Die Beschwerdegegnerin ist Annagret Kruemrey aus Deutschland.

 

2. Domain Namen und Domainvergabestelle

Gegenstand des Verfahrens sind die Domainnamen <lydia-pirelli.net>, <lydiapirelli.net> und <lydia-pirelli.org> (nachfolgend die “Domainnamen”).

Die Domainvergabestelle ist Ascio Technologies Inc. aus Kopenhagen, Dänemark (die “Domainvergabestelle”).

 

3. Verfahrensablauf

Die Beschwerdeschrift ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (das “Center”) am 1. September 2005 per E-Mail und am 9. September 2005 in Hardcopy in deutscher Sprache ein. Die Domainvergabestelle bestätigte am 16. September 2005, dass die Beschwerdegegnerin die Inhaberin und administrative Kontaktperson der Domainnamen <lydia-pirelli.net>, <lydiapirelli.net> und <lydia-pirelli.org> sei.

Das Center stellte fest, dass die Beschwerde den Anforderungen der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (die “Verfahrensordnung”) und der Ergänzenden Verfahrensregeln der WIPO genüge und dass ordnungsgemäss gezahlt wurde.

Am 20. September 2005 wurde die Beschwerdeschrift ordnungsgemäss zugestellt und das Beschwerdeverfahren eingeleitet. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Beschwerdeerwiderung einging, erliess das Center am 13. Oktober 2005 eine Mitteilung der Säumnis der Beschwerdegegnerin.

Am 28. Oktober 2005 teilte das Center mit, dass ein Beschwerdepanel in der Person von Herrn Tobias Zuberbühler bestellt wurde, und dass das Panelmitglied eine Annahmeerklärung und eine Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit abgegeben habe.

 

4. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist ein multinationales Unternehmen mit den Kerngeschäftsbereichen Reifen, Energiekabel und Energiesysteme, Telekommunikation und Immobilien. Das Unternehmen wurde 1872 vom Ingenieur Giovanni Battista Pirelli in Milano gegründet und trägt seither als Firmenname den Familiennamen des Unternehmensgründers. Die Firma der Beschwerdeführerin ist eine bekannte Marke in verschiedenen Bereichen, u.a. Unterhaltung, Werbung, Sportsponsoring, Kulturereignissen und Bekleidung. Vor allem aber ist sie bekannt für Pirelli-Reifen. Überdies ist die Beschwerdeführerin Herausgeberin des Pirelli-Kalenders, zu dessen Erfolg berühmte Photographen und Models beigetragen haben.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin einer grossen Anzahl nationaler, internationaler und europäischer Gemeinschaftseintragungen für PIRELLI. Insbesondere bestehen in Deutschland, dem Domizil der Beschwerdegegnerin, folgende Markeneintragungen:

Deutsche Marke DD 611461 PIRELLI;

Gemeinschaftsmarke 319319 PIRELLI;

Gemeinschaftsmarke 3733136 PIRELLI.

Die Beschwerdegegnerin registrierte am 10. Januar 2005 bzw. 5. Januar 2005 die Domainnamen <lydia-pirelli.net>, <lydiapirelli.net> und <lydia-pirelli.org>.

Unter allen drei Domainnamen findet man dieselbe Website mit einer erotischen Fotografie der Beschwerdegegnerin und weiteren Angaben zu ihrer Person unter den Rubriken “Aktuelles”, “Tagebuch”, “Presse”, “Booking” und “Downloads”. Weiter ist eine Telefonnummer angegeben, unter welcher man mehr über die erotischen Wünsche der Beschwerdegegenerin erfahren könnte.

 

5. Parteivorbringen

A. Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin behauptet, dass die streitigen Domainnamen mit Marken der Beschwerdeführerin identisch oder verwechslungsfähig ähnlich seien, und dass die Beschwerdegegnerin keine Rechte bzw. kein berechtigtes Interesse hinsichtlich der Domainnamen habe, und dass die Domainnamen bösgläubig registriert wurden und genutzt werden. Deshalb seien die Domainnamen <lydia-pirelli.net>, <lydiapirelli.net> und <lydia-pirelli.org> zu löschen.

B. Beschwerdegegnerin

Die Beschwerdegegnerin hat es versäumt, eine Beschwerdeerwiderung einzureichen. Das Beschwerdepanel wird daher auf der Grundlage der Beschwerde entscheiden.

 

6. Entscheidungsgründe

Paragraph 4(a) der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (die “Richtlinie”) führt drei Elemente auf, die die Beschwerdeführerin nachweisen muss, damit ein Domainname von der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdeführerin übertragen wird:

(i) der Domainname ist mit einer Marke, aus welcher die Beschwerdeführerin Rechte herleitet, identisch oder zum Verwechseln ähnlich;

(ii) die Beschwerdegegnerin hat weder Rechte noch ein berechtigtes Interesse am Domainnamen;

(iii) der Domainname wurde bösgläubig registriert und wird bösgläubig benutzt.

A. Identisch oder verwechselbar ähnlich

In ihrer Klageschrift präsentiert die Beschwerdeführerin eine lange Liste von Produkten und Dienstleistungen, die im Schutzbereich der oben erwähnten Markeneintragungen stehen (Deutsche Marke DE 611461, Gemeinschaftsmarke 3733136).

Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass die Domainnamen verwechselbar ähnlich seien mit den Marken der Beschwerdeführerin, da lediglich der Vorname “Lydia” neben dem berühmten Nachnamen “Pirelli” stehe, welcher zudem kein üblicher Nachname sei in Deutschland. Verbraucher würden denken, dass die Beschwerdeführerin nun Dienstleistungen zusammen mit dem Vornamen des Firmeninhabers oder einer seiner Familienmitglieder anbiete, wie es bei einigen Unternehmen üblich sei (z.B. Boss - Hugo Boss, Armani - Giorgio Armani). Ferner könnten Internetbenutzer über eine Internetsuchmaschine auf die Website der Beschwerdegegnerin stossen und meinen, es handle sich um eine Website des Pirelli-Konzerns.

Vorerst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zwar Inhaberin von zahlreichen Marken und zusammengesetzten Marken mit dem Namen Pirelli ist (z.B. ADVANTAGE PIRELLI, PIRELLI BEDDING, PIRELLI NOVATECK) und zahlreiche Domainnamen registriert hat, die den Namen “Pirelli” enthalten (z.B. <pirelliaward.com>, <pirellicompetizioni.com>). Allerdings besteht keine der angegeben Marken oder Domainnamen aus einem Vornamen in Verbindung mit Pirelli und schon gar nicht aus dem Namen “Lydia” in Verbindung mit Pirelli.

Das Beschwerdepanel kann offen lassen, ob sich der Name Lydia Pirelli klar von der Marke PIRELLI unterscheiden lässt und die Domainnamen <lydia-pirelli.net>, <lydiapirelli.net> und <lydia-pirelli.org> daher weder identisch noch zum Verwechseln ähnlich sind mit den Marken der Beschwerdeführerin, da Paragraph 4(a)(ii) bzw. 4(c) der Richtlinie (kein berechtigtes Interesse der Beschwerdegegnerin) nicht erfüllt ist.

B. Rechte oder berechtigte Interessen an den Domainnamen

Als Nachweis, dass die Beschwerdegegnerin keine Rechte und kein berechtigtes Interesse an den Domainnamen habe, trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Beschwerdegegnerin weder Vertreterin noch Lizenznehmerin der Beschwerdeführerin sei und auch sonst in keiner Weise befugt sei, die Marken der Beschwerdeführerin zu benutzen.

Dieses Argument alleine genügt jedoch nicht, um der Beschwerdegegnerin Rechte oder ein berechtigtes Interesse an den Domainnamen abzusprechen. Gemäss Paragraph 4(c) der Richtlinie kann die Beschwerdegegnerin ihre Rechte oder ein berechtigtes Interesse an den Domainnamen mit anderen Faktoren begründen, z.B. wenn sie (i) ihre Waren und Dienstleistungen unter den Domainnamen in guten Treuen anbietet oder (ii) unter dem Domainnamen bekannt war ohne Inhaberin einer Marke zu sein oder (iii) einen fairen Gebrauch des Domainnamens macht, ohne das Ansehen der Beschwerdeführerin zu beeinträchtigen.

Zwar hat die Beschwerdegegnerin keine Erwiderung eingereicht, das Panel kann dennoch für seine Entscheidung öffentlich verfügbare Informationen heranziehen.

Lydia Pirelli scheint danach der Künstlername von Annagret Kruemrey zu sein. Ein Blick in das Tagebuch und die Pressemitteilungen auf ihrer Website lassen den Schluss zu, dass Lydia Pirelli in Deutschland seit mehreren Jahren regelmässig im Fernsehen auftritt, u.a. (für kurze Zeit) als erste Nacktmoderatorin. In ihrem Tätigkeitsgebiet als TV-Unterhalterin der besonderen Art scheint die Beschwerdegegnerin ein ziemliche Bekanntheit erlangt zu haben und erfüllt damit die Voraussetzung von Paragraph 4(c)(ii) der Richtlinie.

Somit hat die Beschwerdegegnerin ein berechtigtes Interesse an den strittigen Domainnamen i.S.v. Paragraph 4(c) der Richtlinie.

C. Bösgläubige Registrierung und Benutzung der Domainnamen

Da die Beschwerdeführerin bereits das zweite Element von Paragraph 4(a) der Richtlinie nicht nachweisen kann, erübrigt sich die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Domainnamen bösgläubig registriert hat und benutzt.

 

7. Entscheidung

Das Beschwerdepanel entscheidet, dass die Beschwerde nicht die Voraussetzungen von Paragraph 4(a) der Richtlinie erfüllt. Deshalb wird die Beschwerde gemäss Paragraph 4(i) der Richtlinie und Paragraph 15 der Verfahrensordnung vom Beschwerdepanel abgewiesen.

Der Beschwerdeführerin steht es im Übrigen offen, den Sachverhalt einem zuständigen Gericht vorzulegen, das unter Abwägung aller Umstände und betroffenen Interessen entscheiden kann.


Tobias Zuberbühler
Beschwerdepanelist

Datum: 10. November 2005