WIPO

 

WIPO Arbitration and Mediation Center

 

EXPERTENENTSCHEID

Silvio Dudli v. Seelitho AG

Verfahren Nr. DCH 2004-0023

 

1. Die Parteien

Gesuchsteller ist Dr. med. Silvio Dudli, St. Gallen, vertreten durch Andreas Dudli, St. Gallen.

Gesuchsgegnerin ist die Seelitho AG, Stachen, vertreten durch RA Dr. iur. J. Kugler und lic.iur. Christoph Spahr, Bollag, Kugler & Wydler, Arbon.

 

2. Streitiger Domain-Name

Die Parteien streiten um den Domain-Namen <backstage.ch> (der “streitige Domain-Name”), welcher bei der SWITCH, Zürich (“Registerbetreiberin”), registriert ist.

 

3. Prozessuales

Das vom Gesuchsteller in deutscher Sprache eingereichte Gesuch um Übertragung des streitigen Domain-Namens ist beim WIPO Arbitration and Mediation Center (dem “Center”) am 28. Dezember 2004 per E-Mail und am 3. Januar 2005 per Post eingegangen. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement für Streitbeilegungsverfahren für .ch und .li Domain-Namen vom 1. März 2004 (“Verfahrensreglement”).

Die Registerbetreiberin hat auf Anfrage des Centers am 3. Januar 2005 bestätigt, dass die Gesuchsgegnerin Halterin des streitigen Domain-Namens ist und dass das Verfahrensreglement auf den streitigen Domain-Namen Anwendung findet. Ausserdem hat die Registerbetreiberin bestätigt, dass der streitige Domain-Name nach Massgabe des Verfahrensreglements blockiert bleibt.

Das Center hat das Gesuch auf Übereinstimmung mit den Formerfordernissen des Verfahrensreglements überprüft und der Gesuchsgegnerin am 6. Januar 2005 übermittelt. Die Frist zur Einreichung der Gesuchserwiderung wurde auf den am 26. Januar 2005 festgelegt.

Am 21. Januar 2005 ist die Gesuchserwiderung per E-Mail und am 25. Januar 2005 per Post beim Center eingegangen, welches den Parteien den Erhalt sowie die Bestellung eines Schlichters am 25. Januar 2005 bestätigt hat. Die Gesuchserwiderung wurde dem Gesuchsteller am 26. Januar 2005 übermittelt.

Nachdem die telefonische Schlichtungsverhandlung vom 8. Februar 2005 nicht zu einem Vergleichsabschluss geführt hat, beantragte der Gesuchsteller am 10. Februar 2005 die Bestellung eines Experten sowie die Fortsetzung des Verfahrens.

Am 18. Februar 2005 teilte das Center den Parteien mit, dass für das vorliegende Verfahren Michael A.R. Bernasconi zum Experten bestimmt worden sei und dass dieser sein Amt mit einer Annahme- sowie einer Unabhängigkeitserklärung bestätigt habe.

Am 18. Februar hat der Gesuchsteller dem Experten den Antrag gestellt, weitere Darlegungen zuzulassen. Diesem Antrag wurde mittels der Verfahrensleitenden Anordnung Nr. 1 am 25. Februar 2005 unter Ansetzung einer Frist bis zum 7. März 2005 entsprochen.

Der Gesuchsteller reichte dem Experten seine weiteren Ausführungen am 3. März 2005 ein. In der Folge wurde der Gesuchsgegnerin bis zum 12. März 2005 Frist eingeräumt, sich zu den ergänzenden Ausführungen des Gesuchstellers zu äussern.

Als die Gesuchsgegnerin bis zum 5. April 2005 keinen ergänzenden Sachvortrag eingereicht hatte, zeigte das Center den Parteien an, dass die Entscheidung des Experten innerhalb der nächsten zwei Wochen ergehen würde.

Sofort nach Empfang dieser Mitteilung beantragte die Gesuchsgegnerin, es sei ihr die Frist zur Einreichung einer Stellungnahme bis zum 30. April 2005 wiederherzustellen. Der Experte hat der Gesuchsgegnerin in der Folge eine Frist zur Stellungnahme bis zum 15. April 2005 gewährt.

Die Gesuchsgegnerin übermittelte ihre ergänzende Stellungnahme am 13. April 2005, was das Center am 14. April 2005 bestätigte.

Das vorliegende Verfahren wird – obwohl die Registrierung des streitigen Domain-Namens in englischer Sprache erfolgte – in der deutschen Sprache geführt. Zum einen ist das Gesuch in deutscher Sprache verfasst worden. Zum andern hat die Gesuchsgegnerin ihren Sitz in der deutschsprachigen Schweiz.

 

4. Sachverhalt

Der Gesuchsteller unterhält einen Gastronomiebetrieb mit Diskothek in St. Gallen. Gemäss dem ins Recht gelegten Handelsregisterauszug ist er seit dem 27. Februar 2003 als Einzelfirma “Backstage S. Dudli” als Betreiber dieses Lokals eingetragen. Der Gesuchsteller macht keine Markenrechte geltend.

Die Gesuchsgegnerin ist eine schweizerische Aktiengesellschaft. Der streitige Domain-Name wurde von ihr am 31. März 1997 registriert. Unter dem streitigen Domain-Namen wird per Datum dieses Entscheids keine aktive Webseite betrieben.

 

5. Parteivorbringen

A. Gesuchsteller

Der Gesuchsteller behauptet aus Namensrecht, subsidiär aus Firmenrecht, ein besseres Recht am strittigen Domain-Namen zu haben als die Gesuchsgegnerin. Obwohl die Einzelfirma des Gesuchstellers “Backstage S. Dudli” heisse, dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass nur die ganze Bezeichnung als solche geschützt sei. Geschützt sei ebenfalls die von der Einzelfirma verwendete Geschäftsbezeichnung. Aus kennzeichenrechtlicher Sicht sei der Begriff “backstage” differenzierend, weshalb dieser zu Gunsten des Gesuchstellers geschützt werden müsse. Der Gesuchsteller beantragt darum die Übertragung des streitigen Domain-Namens.

B. Gesuchsgegnerin

Die Gesuchsgegnerin argumentiert, dass zwar auch Einzelfirmen in den Genuss des Namens- und Firmenschutzes kommen. Dies gelte aber nur für Firmenbezeichnungen insgesamt, im vorliegenden Fall also für “Backstage S. Dudli”. Einzelnen Bestandteilen der Bezeichnung einer Einzelfirma eine individuelle Namensfunktion zuzuschreiben sei höchstens dann möglich, wenn für diesen Bestandteil das hinter der Einzelfirma stehende Rechtssubjekt identifiziert werden könne. Die Bezeichnung “backstage” sei aber ein Begriff des allgemeinen Sprachschatzes und stehe mit der Person des Gesuchstellers nicht in Verbindung. Ausserdem sei “backstage” für die Firma des Gesuchstellers die Bezeichnung einer Örtlichkeit, der Diskothek “Backstage” und damit im besten Fall eine Enseigne, die den Schutz des Namensrechts nicht geniesse. Die Gesuchsgegnerin beantragt eine Abweisung des Gesuchs.

 

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24 (a) des Verfahrensreglements hat der Experte über das Gesuch auf Löschung oder Übertragung eines Domain-Namens aufgrund der Vorbringen beider Parteien und der eingereichten Schriftstücke und unter Beachtung des Verfahrensreglements zu entscheiden.

Der Experte gibt dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht (Paragraph 24 (c) des Verfahrensreglements).

Eine solche Verletzung liegt gemäss Paragraph 24 (d) insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.

A. Der Gesuchsteller kann sich bezüglich des Begriffs “backstage” nicht auf die Verletzung eines Kennzeichenrechts berufen

Der Gesuchsteller leitet sein am strittigen Domain-Namen behauptetes Recht in erster Linie aus Namensrecht (Art. 29 Abs. 2 ZGB) ab und stützt sich alternativ auf das Firmenrecht (Art. 956 OR). Markenrechte macht der Gesuchsteller nicht geltend.

1.  Firmenrecht

Wie aus dem ins Recht gelegten Handelsregisterauszug hervorgeht, betreibt der Gesuchsteller das Lokal “Backstage” als Einzelfirma unter dem Namen “Backstage S. Dudli”. Damit entspricht die Firmenbezeichnung des Gesuchstellers den gesetzlichen Vorschriften von Art. 945 OR, gehört zum wesentlichen Bestandteil der Bezeichnung einer Einzelfirma doch zwingend der Familienname des Inhabers.

Gemäss Art. 956 Abs. 1 OR kommen auch die im Handelsregister eingetragenen und im SHAB veröffentlichten Einzelfirmen in den Genuss des Firmenschutzes. Der Gesuchsteller geht jedoch fehl, wenn er daraus für sich ein ausschliessliches Recht am Begriff “backstage” ableiten will. Der Firmenschutz des Gesuchstellers bezieht sich auf seine Firma “Backstage S. Dudli” und es wäre einem Dritten im Rechtsverkehr nach Massgabe von Art. 956 OR einzig nicht gestattet, eine Firma zu führen, die sich von dieser nicht genügend unterscheidet.

Der kennzeichnungskräftige Teil der Firma des Gesuchstellers ist jedoch der Bestandteil “S. Dudli”. Der Begriff “backstage” ist eine beschreibende Bezeichnung in englischer Sprache für Aktivitäten hinter einer Bühne oder einer Kulisse. Damit ist an sich bereits erstellt, dass der Gesuchsteller an der Bezeichnung “backstage” kein absolutes Firmenrecht geltend machen kann und dass damit auch keine offensichtliche Verwechslungsgefahr zwischen der Firma des Gesuchstellers und dem streitigen Domain-Namen besteht.

Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob sich ein beschreibender Begriff wie “backstage” firmenrechtlich überhaupt monopolisieren lässt, hat der Gesuchsteller auch in keiner Weise glaubhaft gemacht, dass es sich beim Begriff “backstage” um einen (auf dem gesamten Gebiet der Schweiz) durchgesetzten, unterscheidungskräftigen Begriff handelt, der im Rechtsverkehr zwingend mit dem Gesuchsteller assoziiert wird. Eine solche Verkehrsdurchsetzung würde voraussetzen, dass das Zeichen aufgrund eines intensiven Gebrauchs von einem erheblichen Teil der massgeblichen Verkehrskreise als Träger eines bestimmten Unternehmens aufgefasst wird (vgl. dazu Hilti, SIWR III (1996), 312). Nachdem der Gesuchsteller diesbezüglich keine Beweismittel vorbringt sondern es bei einfachen Behauptungen bewenden lässt, bleibt die Bezeichnung “backstage” hinsichtlich des vorliegenden Verfahrens eine gemeinfreie Bezeichnung, deren Verwendung nach allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsätzen jedem Rechtsträger zur Verfügung steht (siehe dazu auch BGE 117 II 201).

Dass der Teil “S. Dudli” des Firmennamens des Unternehmens des Gesuchstellers, wie dieser ausführt, im Rechtsverkehr angeblich nicht von Bedeutung sei, ändert an den oben ausgeführten Ausführungen nichts. Tritt der Gesuchsteller mit seiner Firma auf dem Markt einzig unter der Bezeichnung “Backstage” in Erscheinung, bezeichnet er seine Firma also nach aussen nicht, wie dies vom Gesetz vorgesehen ist, vollständig, kann er für sich aus einem solchen Verhalten allein – ohne die Glaubhaftmachung der entsprechenden (langjährigen) Durchsetzung – aus Firmenrecht nichts ableiten, was seiner Position dienlich wäre.

2.  Namensrecht

Damit stellt sich noch die Frage einer unbefugten Namensanmassung durch die Gesuchstellerin im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB, die bekanntlich strukturell mit der Firmenvorschrift des Art. 956 Abs. 2 OR übereinstimmt.

Voraussetzung einer unbefugten Namensanmassung ist gemäss Bundesgericht, dass rechtlich schützenswerte Interessen des betroffenen Namensträgers beeinträchtigt werden, was wiederum eine Verwechslungsgefahr erfordert (BGE 116 II 469). Eine vollständige Übereinstimmung der Namen ist dazu zwar nicht vorausgesetzt; die Anmassung eines Namens ist auch im Verwenden ähnlicher Zeichen möglich (BGE 116 II 469).

Wie bereits oben ausgeführt wurde, steht beim (Firmen)Namen des Gesuchstellers aber der Ausdruck “S. Dudli” im Vordergrund und der Gesuchsteller hat nicht dargelegt, wie der Begriff “backstage” als durchgesetzte Bezeichnung zu betrachten ist. Allein aus dem vom Gesuchsteller behaupteten Umstand, dass sich Gäste des Lokals “Backstage” unter Nennung dieses Wortes auf die Firma des Gesuchstellers beziehen, genügt für sich nicht. Ohne einen rechtserzeugenden Namensgebrauch kann der Gesuchsteller für die von Haus aus nicht geschützte Bezeichnung “backstage” für sich kein absolutes Recht herleiten (vgl. dazu Bühler, Basler Kommentar, Art. 29 ZGB N. 16).

Vor diesem Hintergrund behält im vorliegenden Verfahren das Prioritätsprinzip seine Geltung. Die Gesuchsgegnerin hat den streitigen Domain-Namen zuerst registriert und ist in ihrer Rechtsposition zu schützen. Dieser Schluss stimmt im Ergebnis auch mit dem wegweisenden Entscheid BGE 126 III 239 überein. Darin hat das Bundesgericht festgehalten, dass ein Erstanmelder eines Domain-Namens bezüglich eines freihaltebedürftigen (geographischen) Namens nur dann nicht in den Genuss des Prioritätsprinzips kommen soll, wenn eine gemeinfreie Bezeichnung durch langen Gebrauch zum Individualzeichen geworden ist und eine Verwechslungsgefahr geschaffen wird, welcher nicht mit geeigneten Zusätzen oder auf andere Weise begegnet werden könne. Diese beiden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall, wie ausgeführt wurde, nicht erfüllt.

B. Lauterkeitsrechtliche Erwägungen

1.  Liegt eine Verletzung des UWG vor?

Verletzt die Gesuchsgegnerin mit dem Domain-Namen kein Kennzeichenrecht, findet der Gesuchsteller bei seinem Antrag auf Übertragung des streitigen Domain-Namens auch keine Rechtsgrundlage im Lauterkeitsrecht, denn bekanntlich beurteilt sich die Verwechslungsgefahr im Kennzeichenrecht nach den gleichen Kriterien wie im Lauterkeitsrecht (BGE 117 II 201, 116 II 370). Zu Recht stützt der Gesuchsteller seinen Antrag darum nicht auf eine Verletzung des UWG.

2.  Zum Nichtgebrauch des streitigen Domain-Namens

Der Gesuchsteller stösst sich daran, dass die Gesuchstellerin den streitigen Domain-Namen seit Jahren registriert hat und nicht betreibt.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass dem Experten keine Gesetzesbestimmung bekannt ist, wonach für einen Domain-Namen eine allgemeine Gebrauchspflicht besteht. Eine solche liesse sich höchstens aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten, was aber aus zwei Gründen im vorliegenden Verfahren nicht in Frage kommt.

Zum einen liegen dem Experten keinerlei Hinweise auf ein bösgläubiges Verhalten der Gesuchsgegnerin vor. Der streitige Domain-Name wurde bereits im Jahr 1997 registriert, also rund 6 Jahre, bevor der Gesuchsteller seine Firma im Handelsregister eingetragen hat. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass das Lokal “Backstage” nach Ausführungen des Gesuchstellers bereits im Jahre 1996 begründet wurde, denn beim streitigen Domain-Namen handelt es sich im Wesentlichen um eine beschreibende Bezeichnung. Die Registrierung erfolgte – der Gesuchsteller hat nichts anderes bewiesen – damit nicht erkennbar zu Lasten eines Dritten und kann nicht per se als unlauter angesehen werden (vgl. dazu BGE 126 III 239). Überdies hat der Experte auch keinen Grund zur Annahme, dass die Gesuchsgegnerin den streitigen Domain-Namen in der Absicht erworben hätte, diesen an einen (an sich am Namen berechtigten) Dritten zu verkaufen oder sich durch die Registrierung anderweitig unzulässige Vorteile zu verschaffen.

Zum andern ist der Experte der Auffassung, dass dieses Verfahren, in welchem gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements über das Vorliegen einer klaren Verletzung von Kennzeichenrechten entschieden werden soll, nicht das geeignete Forum ist, um über diese Frage zu entscheiden.

 

7. Entscheidung

Das Gesuch, den strittigen Domain-Namen <backstage.ch> auf den Gesuchsteller Silvio Dudli zu übertragen, wird gestützt auf Paragraph 24 des Verfahrensreglements abgewiesen. Der Gesuchsgegnerin werden – wie dies gemäss Paragraph 11 des Verfahrensreglements vorgesehen ist – keine Parteikosten zugesprochen.


Michael A.R. Bernasconi
Experte

Datum: 3. Mai 2005